Lage285: IPCC/Weltklimarat Report | Suffizienz fehlt

Ich bin nicht sicher, ob ein so sperriger Begriff eine Chance hat in die Köpfe der Menschen zu kommen. Habe selber danach googeln müssen, obwohl ich kürzlich schon danach gesucht habe. Das ist für die Sache aber nicht schlimm, weil aus meiner Sicht die Begriffe für die akademische Welt interessant sein könnten, in der Praxis sind sie überflüssig und die Inhalte werden längst umgesetzt. Das ist natürlich meine Brille, mit der ich durch 30 Jahre betrieblichen Umweltschutz, davon 10 Jahre Klimaschutz, unzähligen Konferenzen und Meetings mit Universitäten und Ministerien blicke.

  • Energieeffizienz wird schon lange vor allem für „Energie sparen“ verwendet. In der Industrie wie auch im Haushalt. Keiner kommt auf die Idee, dass er deshalb einen IE4 Motor braucht, damit mehr Teile produzieren kann. Genau genommen ist das also schon so etwas wie Suffizienz.
  • Glaube erneuerbare Energien in „Konsistenz“ um zu benennen, da muss man nichts dazu sagen

Ich empfehle deshalb die Begriffe der „Nachhaltigen Energiewirtschaft“ aus Wikipedia im verstaubten Aktenschrank zu lassen.

Bevor jetzt der Aufschrei kommt, ich habe mir auch die Fulfill Site angesehen. Die dort unter Suffizienz beschriebenen Inhalte benennt man in der Industrie als „Circular Economy“, und letztlich zielt die genauso auf den Verbraucher ab, z.B. Produkte eben wieder zu reparieren.

Zusammengefasst: die Inhalte sind absolut richtig und wichtig. Worte die es in 50 Jahren nicht geschafft haben bekannt zu werden, mit denen wird es auch nix in den nächsten 50 Jahren

Da Du die Masterarbeit über das Thema schreibst: Was genau meinst Du denn mit Suffizienz?

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Wenn ich es richtig verstehe ist damit sowas gemeint wie Energie/Resourcen sparen durch „vertretbaren“ Verzicht (das böse Wort :wink: ):

Sufficiency policies are a set of measures and daily practices that avoid demand for
energy , materials, land and water while delivering human wellbeing for all within planetary
boundaries

(Seite 41 im SPM, footnote 60 (auf den @EmilyMB ja schon verwiesen hat))
(Die Definition klingt allerdings für mich so, als könnte Effizienzsteigerung auch unter den Begriff von Suffizienz fallen)

Oder um Wiki auch nochmal zu zitieren:

Der Begriff [Suffizienz] wird im Sinne der Frage nach dem rechten Maß sowohl in Bezug auf Selbstbegrenzung[3], Konsumverzicht oder sogar Askese, aber auch Entschleunigung und dem Abwerfen von Ballast gebraucht.[2][4] In allen Fällen geht es um Verhaltensänderungen (insbesondere) als Mittel des Umweltschutzes – im Gegensatz zu technischen Umweltschutzstrategien wie einer gesteigerten Energie- und Ressourceneffizienz oder dem vermehrten Einsatz regenerativer Ressourcen (Konsistenz).

Also, um die drei Begriffe Effizienz, Konsistenz und Suffizienz Beispiel eines Autos zu erklären:
Effizienz: Dasselbe Ergebniss wird mit weniger Resourcen erreicht, statt 7 Liter verbraucht ein neu entwickelter Motor nur noch 5 Liter
Konsistenz: Dasselbe Ergebniss wird mit einer anderen Resource erreicht, statt Verbrennungsmotor verwendet man einen Elektromotor.
Suffizienz: Man spart Energieverbrauch an stellen, wo es einfach möglich ist, z.B. durch Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen

Das sind jetzt natürlich keine perfekten Beispiele, da ein Elektromotor z.B. in aller Regel effizienter als ein Verbrenner ist, auf der anderen Seite aber evtl. einen gewissen Verzicht in Reichweite aufgrund der Batterie bedeuten kann. Auf der anderen Seite ist ein Tempolimit nicht für jeden ein vertretbarer Verzicht.

Bessere Beispiele für Suffizienz wäre wohl Standby Geräte komplett vom Strom zu trennen, die Heizung im Winter ein Grad niedriger zu drehen oder die Wäsche bei niedrigeren Temperaturen zu waschen. Wie @LeoWom ja auch schon richtig angemerkt hat, wird in den Medien z.B. häufig der Begriff Energieeffizienz fälschlicherweise an Stelle von Suffizienz verwendet.

@EmilyMB korrigier mich bitte, wenn ich das falsch dargestellt habe.

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Ich hole hier diesen Thread mal wieder hoch um auf die Ergebnispräsentation des ESYS Projekts „Transformationspfade für ein klimaneutrales Deutschland“ hinzuweisen. Suffizienz ist natürlich nur ein Teilaspekt, die Nachfrageseite wurde dort aber deutlich stärker berücksichtigt als in vergleichbaren Studien. Die Ergebnispräsentation findet online via Zoom am Donnerstag, 10:00 - 12:00 Uhr statt, ich gehe davon aus dass die zugehörige Stellungnahme dann auch veröffentlicht wird.

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Zumal „Energieeffizienz“ immer wieder zum Rebound-Effekt führt. Also, eine Technologie wird sehr effizient - und dann einfach überhitzt. Beim Thema Kunstlicht kann man es gut sehen. Dank LED wurde Licht effizient, damit günstig - und seither steigen die Lichtimmissionen.

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Bei der Bewertung von Maßnahmen wie Effizienzsteigerungen sollte man den Rebound-Effekt sicherlich kennen. Man sollte aber auch wissen, dass er fast immer deutlich kleiner als 100 % ist, typischerweise 10-30 % direkt (bei Beleuchtung eher unter 10 %) und 10 % indirekt, also immer noch weniger als die Hälfte. ( https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/rebound-effekte_empirische_ergebnisse_und_handlungsstrategien_hintergrundpapier.pdf )
Effizienzsteigerungen bringen also normalerweise trotz Rebound-Effekt eine effektive Einsparung, ein mehr an Nutzen und Kosteneinsparungen.

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Ich befürchte, aktuell steht der Suffizienz ein anderer akademischer Fachbegriff bremsend gegenüber:
Bequemlichkeit = die Unfähigkeit oder der Unwille, sich von gewohnten alltäglichen Verhaltensweisen oder Gegenständen zu lösen, die einen subjektiven Eindruck von Vereinfachung oder Wohlbefinden vermitteln.
:grinning:

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Mit Sicherheit ist mit der LED der E Energieverbrauch gesunkenen. Gleichzeitig ist jedoch dennoch das Beleuchtungsniveau gestiegen. D.h., dass einerseits nicht das Einsparpotenzial vollständig ausgeschöpft wird und zum anderen mehr Lichtimmissionen entstehen. Immerhin ist Kunstlicht selbst eine schädliche Umwelteinwirkung. Bummer…

Das Problem bei der Beleuchtung ist jedoch das Licht selbst. Insbesondere die Außenbeleuchtung, die „Dank“ LED stark zugenommen hat. Nicht umsonst ist Kunstlicht im BImSchG als schädliche Umwelteinwirkung erfasst. Ich arbeite immArtenschutz - mir wäre es lieber, Licht wäre nicht so billig geworden.

Kannst du das etwas ausführen?
Mir fehlt für deine Bewertung gerade etwas die Fantasie. Mag sein, dass es einzelne gibt die ihren Garten beleuchten. Sportplätze und Skipisten wurden schon immer beleuchtet. Straßen Beleuchtung wird ja eher reduziert.

Lichtverschmutzung ist sicherlich ein Problem. Aber Energieverbrauch hat auch negative Auswirkungen. Und wie gesagt, der Rebound-Effekt ist eher klein. Deshalb sehe ich in Summe die Effizienzsteigerung der Beleuchtung positiv. Zur Reduktion der Lichtverschmutzung fände ich es besser, bei dieser anzusetzen statt bei Beleuchtung an sich. Eine Zimmerbeleuchtung bei geschlossenen Rolläden ist ganz anders zu bewerten als eine nach oben gerichtete Lampe im Freien, die die ganze Nacht leuchtet.

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Städte werden aber heller, die nächtliche Skyline heutiger deutscher Städte kannte ich als Kind nur aus amerikanischen Filmen.
Immer mehr Gewerbegebiete tun ihr übriges.
Global gesehen ist es noch schlimmer, da ja in vielen Regionen die Industrialisierung gerade erst richtig beginnt.

Hi,
DANKE für das Thema, hatte das vor Monaten auch schon mal hier im Forum versucht zu platzieren, stieß aber nicht auf fruchtbaren Boden. Schön, dass jetzt hier mehr kommentiert wird.
Ich promoviere zu Suffizienz im Gebäudebereich und fände es deshalb aus wissenschaftskommunikativer Sicht extrem toll, wenn der Begriff in der LdN erläutert werden würde. Passende Anknüpfungspunkte wären ja die omnipräsente Gasmangellage, hier hilft uns die Energiesuffizienz sehr weiter! Anderer Aufhänger könnte der Wohnungsbau sein, wo die BuReg ihre Ziele von 400k WE verfehlenen wird. Das liegt auch am reinen Fokus auf den Neubau und zu wenig Beschäftigung mit dem Um:Bauen im Bestand. Damit ließen sich übrigens auch die Themen Bezahlbarkeit und Ökologie versöhnen

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Lichtverschmutzung ist ein massiver Problem, weil Kunstlicht Lebensweisen und Lebensräume verändert / zerstört. Den Grad der Lichtverschmutzung erkennt man natürlich auch an der Sichtbarkeit/Nichtsichtbarkeit der Sterne. Gute Infos hier: www.Sternenpark-rhoen.de oder www.Lichtverschmutzung-Hessen.de Die Kommune Großenlüder spart durch das nächtliche Abschalten 15 Tonnen CO2 - pro Monat. Und natürlich jede Menge schädliche Lichtimmissionen.

Das Thema ist in der oben angesprochenen jetzt erschienen ESYS-Stellungnahme der Akademien der Wissenschaften auch recht deutlich adressiert. Auch im Zweijahresgutachten des Expertenrates für Klimafragen wird Suffizienz nicht namentlich genannt, aber sehr deutlich von „verhaltensbedingte Effizienzpotenziale“ geschrieben. Und auch die ja eher ursprünglich eher konservative International Energy Agency hat das inzwischen in ihrem Scenario als „Behavioural Changes“ drin. Wäre also vielleicht tatsächlich einmal an der Zeit, dass die Lage, vielleicht zum Anlass des gerade erschienen ESYS-Reports, das Thema etwas beleuchtet.

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Ein toller Bericht der eine sehr gute Übersicht gibt.
Auch die Suffizienz ist passend adressiert:

„Es bedarf daher über den technologischen Umbau hinaus einer aktiven Suffizienzpolitik, die klimafreundliche Verhaltensmuster fördert und Rahmenbedingungen für eine deutliche Reduktion des Be- darfs an Energiedienstleistungen schafft. Dies sollte nicht interpretiert werden als eine Nachfragereduktion durch einen vor allem mittels Preissignalen angereizten individuel- len „Verzicht“.“

Zum Verständnis: Wäre es auch Suffizienz, wenn man man z.B. statt aufwändiger Beleuchtung (Mast, Kabel, Leuchte) bessere Fahrbahnmarkierungen oder helle Beläge etc. anbringt. Also, eben keine Leuchte aufstellen sondern lichtunabhängige Maßnahmen umsetzen?

Ein Beitrag wurde in ein existierendes Thema verschoben: Suffizienz - die vergessene dritte Säule der Nachhaltigkeit

Zum Thema Suffizienz gibt es drei Threads, zusammengeführt unter https://talk.lagedernation.org/t/suffizienz-die-vergessene-dritte-saeule-der-nachhaltigkeit/20755?u=margarete_amelung

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