Lage in der Justiz - Roland Rechtsreport 2023

Liebes Team von der Lage der Nation,
Ich höre immer sehr begeistert Ihren Podcast. In Folge 325 ging es unter anderem um die prekäre Situation bei Lehrerinnen und Lehrern im Bildungsbereich.
In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, nicht benachteiligte Gruppen gegeneinander auszuspielen. Der Bildungssektor muss mehr unterstützt werden. Ich möchte aber gleichwohl eine Anregung über ein Thema geben, welches vielleicht auch mal Bestandteil Ihres Podcasts sein könnte. Konkret geht es um die enorme Arbeitsbelastung in der Justiz, die Personalprobleme, Besoldung und so weiter.

Die Situation ist wirklich ernst. Dies reicht von enormen Nachwuchsproblemen ( mit deutlicher Absenkung der Einstellungsvoraussetzungen) zu sehr großen Arbeitsbelastungen bei im Vergleich eher geringer Besoldung.

Das der Laden noch nicht auseinandergefallen ist, hängt vor allem mit dem großen Engagement der Richter- und Staatsanwaltschaft zusammen, die sich gleichwohl kaum öffentlich beschweren. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten wirklich am Limit und zu oft die Wochenenden durch. Weil Strafverfahren zu lange dauern, müssen Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil es trotz Arbeit am Wochenende nicht mehr anders zu schaffen ist. Die Zahl der Fälle steigt deutlich. Nach dem
Roland Rechtsreport vom Februar 2023, gaben nur 15 % der befragten Staatsanwälte und nur 20% der befragten Richter an, die Fälle durchgehend mit der rechtsstaatlich gebotenen Beschleunigung bearbeiten zu können. Zugleich kritisieren 80 Prozent der Bevölkerung eine zu lange Verfahrensdauer. Vier von Fünf RichterInnen glauben, dass ihr Gericht unterbesetzt ist. Der Richterbund spricht von einem Hilferuf der Justiz.

Hinzukommt die Frage der Besoldung, welche im europäischen Vergleich gemessen am Durchschnittseinkommen auf den untersten Plätzen rangiert (Studie Europarat 2020). Diese wird auch regelmäßig vom Verfassungsgericht bemängelt. Ein Gastbeitrag in der Deutschen Richterzeitung (3/2023) spricht gar von der Aufkündigung des Treueverhältnisses durch den Dienstherrn.

Von der minderwertigen Ausstattung der Büros, baufällige Gerichtsgebäude und Büros etc. ganz zu schweigen.

Dies alles führt dazu, dass es immer weniger Bewerbungen gibt, zum Teil gibt es ganze Kampagnen an Rechtsreferendare ohne eine einzige Bewerbung. Die Antwort des Dienstherrn ist bislang lediglich die Einstellungsvoraussetzungen herabzusenken.

Ich möchte lediglich eine Anregung geben, da ich glaube, dass zu viele Kolleginnnen und Kollegen bescheiden aus großem Verantwortungsgefühl Ihre Arbeit machen ohne sich zu beklagen. Eine Wertschätzung erfolgt indes nicht. Zugleich ist doch die Justiz zu wichtig für unseren Rechtsstaat um im dauernden arbeitstechnischen Überforderungsmodus mit Unterbesetzung zu arbeiten.

Wir alle haben das Gefühl, ein Stückweit von der Politik im Stich gelassen zu werden.

Viele liebe Grüße

Es gab vor kurzem schon einen (leider sehr kurzen) Thread zu der Belastung in der Justiz, der interessante Fragen aufgeworfen hat:

Ich fände es wirklich spannend, wenn die Lage das Thema mal ausführlicher beleuchten könnte.

In Berlin ist im neuen Koalitionsvertrag vorgesehen, Assistenzstellen für Referendare zu schaffen, um Nachwuchs zu gewinnen und Richter und StAe zu entlasten.

Nicht zwingend eine schlechte Idee, aber auf mich wirkt das schon fast etwas verzweifelt. In der Ref-Staatsanwaltsstation in Berlin hatte ich (und viele Mitreferendare) bereits das Gefühl, im Sitzungsdienst etwas verheizt zu werden. Allein der Versuch, vorher einen Blick in die Ermittlungsakte zu werfen, hat teils schon einiges an Nerven gekostet. Am Ende haben viele Urlaub genommen, um etwas Luft zu bekommen. Mag natürlich auch an der Innenansicht als Referendar liegen, aber war keine besonders gute Werbung für den Job…