Lage 338: Startchancen-Programm

Vielen Dank für den Beitrag zum Startchancen-Programm. Bereits in vorherigen Folgen kam es dazu, dass ihr „sozial Benachteiligt“ gesagt habt. Deutlich treffender und auch in der Wissenschaft wird der Begriff „sozioökonomisch Benachteiligt“ verwendet, da im reinen sozialen Begriff natürlich auch u. a. ein Mangel an persönlicher Zuwendung „mitschwingt“ – die hat mit Class oder verfügbaren finanziellen Mitteln ja zum Glück nichts zu tun.

Eine ernstgemeinte Frage: Wo liegt der Unterschied zum Begriff der „Armut“ oder auch der „relativen Armut“?

Ich finde den Begriff der Armut meistens griffiger.

Liebe Grüße
Chris

Absolute Armut bedeutet, dass man seine existenziellen Bedürfnisse nicht befriedigen kann. Daher: Kein Essen, keine sichere Unterkunft usw.

Relative Armut bezieht sich immer auf das Umfeld. Ein Mensch, der in Deutschland ALG II bezieht, ist im Vergleich zu jemanden, der in Schwarzafrika auf der Straße lebt, eben nicht arm, sondern lebt im Wohlstand: Er hat ein sicheres Dach über dem Kopf, genug zu essen und keine unmittelbaren existenziellen Bedrohungen. Innerhalb Deutschlands ist der ALG II-Bezieher hingegen relativ arm, da er weniger als 40% des Nettomedianeinkommens zur Verfügung hat, sich also im Vergleich zu anderen Deutschen sehr wenig „leisten“ kann und am Existenzminimum lebt.

So gesehen könnte man vereinfacht sagen:
Absolute Armut bedeutet eine Existenz unter dem (absoluten!) Existenzminimum (Essen, Wohnen, Kleidung…), relative Armut bedeutet eine Existenz am (soziokulturellen) Existenzminimum. Absolute Armut bedeutet ein ständiges, erhebliches Risiko körperlichen Verfalls und des Todes, während relative Armut lediglich latente Risiken erzeugt (die über die Jahre definitiv auch zu einer erhöhten Sterblichkeit führen, aber eben nicht durch Verhungern oder Erfrieren…).

Bessere Bildung, echte Bildungschancen und generelle Verbesserung der Situation an Schulen in schwierigen Kontexten durch Verstärkung des Personals (inkl. Sozialarbeiter u.a.) und verbesserte Bedingungen ist aus meiner Sicht der einzige Weg, viele Probleme anzugehen. Von sozioökonomischer Benachteiligung über antidemokratische Tendenzen bis hin zum Fachkräftemangel. Bildung und Unterstützung der Kinder und Jugendlichen ist der Schlüssel.
Ich bin begeistert, wenn die Vorhaben umgesetzt werden. Ein Lob für Frau Stark-Watzinger.

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Danke für die Erläuterungen :blush:

Ich habe eine Frage/Anmerkung zum Startchancenprogramm. Vorab, ich finde es gut, dass etwas getan wird, da ich denke es ist nötig sozioökonomisch schlechter gestellte zu fördern. Allerdings sehe ich das Paket nicht, dass das vorgeschlagene Paket wirklich etwas bewirken kann (ja, besser etwas als gar nicht!): 2 Mrd. Euro klingt viel. Das verteilt auf 4000 Schulen über 10 Jahre bedeutet aber 500.000€ pro Schule, also 50.000€/Jahr.

Das heißt de facto, für 12,5% der Schulen (laut Statista gibt es 32206 allgemeinbildende Schulen in Deutschland) wird über 10 Jahre knapp eine extra Stelle bezahlt.
Für mich klingt das nicht besonders… aber vielleicht kann das jemand besser einordnen?

Das wäre zum Beispiel Geld für dringend benötigte Schulsozialarbeit:innen. Dezeit beträgt die Quote wohl um die 1 Schulsozialarbeiter:inn pro 600 Schüler(siehe Quelle 1). Das Geld würde helfen diese Quote wenigstens ein bisschen zu verbessern. Gerade in „Brennpunkt“-Schulen könnte das die Förderung im sozial-emotionalen Bereich sehr gut Unterstützen.
Es ist nur zu hoffen, dass damit nicht nur mögliche Ausbleibendene Finanzierung ausgeglichen werden soll.(Quelle 2)

Quellen:
1: Pädagogin fordert mehr Sozialarbeit an Schulen: Mehr als nur "Feuerlöscher" | MDR.DE.

2: Neue Kritik an Finanzierung der Schulsozialarbeit | MDR.DE

Vielen Dank für die Einordnung.
Ja. Die Quote von SozialarbeiterInnen an Brennpunktschulen zu verdoppeln klingt deutlich besser als meine Beschreibung. Der Effekt ist der gleiche.
Also versteht mich nicht falsch, es wäre super, das hinzubekommen. Aber es ist nur ein kleiner Schritt in Richtung Startchancen ausgleichen… dementsprechend sollte ein über 10 Jahre angelegtes Paket meiner Meinung deutlich mehr enthalten!
Aber lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach… oder wie war das?