VW ist in der Krise - oder scheint es zumindest zu sein.
Wer ist Schuld? Das Management, die zu aufgeblasene Personalstruktur, die EU, China, die Ampel, die Aktionäre?
Und was ist die Lösung? Werksschließungen, Personalabbau, Nullrunde, Subventionen, doch noch der Dieselskandal?
Es wird aktuell viel diskutiert und vorgeschlagen, und wieder einfache Lösungen präsentiert.
Einerseits muss man natürlich sagen, dass sie immernoch verhältnismässig solide dastehen, das mal vorweg.
Dennoch gibt es für mich bei der ganzen Sache eine Vielzahl von relevanten Themen, die mitspielen:
VW und die gesamte deutsche Autobranche haben sich über Jahrzehnte dem Fortschritt verweigert und zahlen jetzt den Preis dafür.
VW (und andere Vertreter der europäischen Autobranche) haben über Jahre ihre Gewinne optimiert, indem sie ihre Produktion in Billiglohnländer (unter Anderem nach China) verlagert haben. Deutsches Know-How ist damit abgeflossen, respektive wurde dort aufgebaut.
VW und die gesamte deutsche Automobilbranche schaffen es nicht, der internationalen Konkurrenz in den wirklich relevanten Themen beim Autokäufer das Wasser zu reichen (bspw. Software, Connectivity). Spaltmasse waren gestern.
Viele der aktuellen Modelle entsprechen ganz einfach nicht dem, was sich der europäische Markt wünscht (zu gross, zu teuer, gerade für DE fehlen bezahlbare Kombis)
Die Autolobby hat klare politische Aktionspläne, die zu mehr Sicherheit betreffend relevanter Zukunftsstrategien blockiert und hat nun Angst, dass sie falsch abbiegen.
Mit diesen strategischen Fehlern hat der Automobilstandort Deutschland sich meines Erachtens selbst geschadet und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich etwas ändern muss. Dazu gehört aber eben auch die Wahrheit, dass es noch nicht zu spät ist, um das Ruder wieder in die Hand zu nehmen.
Was mich so ärgert ist, dass dieses System dazu geführt hat, dass Aktionäre die letzten Dekaden hart abgegriffen haben und nun wieder die Fliessbandmitarbeiter gefährdet sind. Ich hoffe sehr, die Strategen finden eine neuen Richtung, die VW in die Zukunft führt (wie auch alle anderen deutschen Automobilhersteller).
Übrigens lustig, wie die Wirtschaft immer über den Staat schimpft, sich dann aber doch ganz gerne bei eigenen Fehlern retten lässt.
Ein Gewinn der Vergangenheit schließt eine Krise nicht aus.
Dennoch habe auch ich das Gefühl, dass hier etwas aufgebauscht wird um daraus Vorteile zu ziehen, seien es staatliche Hilfen (direkt oder indirekt) oder auch Möglichkeiten zum Personalabbau den man anders nicht durchsetzen könnte.
Verstehe ich schon, auch dass ggfs. Werke nicht mehr profitabel sein können. Aber das kann man dann auch mit den Profiten der letzten jahre bzw Jahrzehnte mal abfedern. Aber die Shareholder erwarten halt Rendite.
Es wäre aber betriebswirtschaftliches Harakiri wenn man Defizite der Zukunft mit Gewinnen der Vergangenheit ausgleichen will. Das kann man nur machen, wenn von vornherein klar ist, dass diese Defizite nur temporär sind.
Es ist also durchaus folgerichtig mit geeigneten Maßnahmen auf solche Probleme zu reagieren. Hier gibt es aber natürlich auch möglicherweise vielfältig andere Maßnahmen als Werksschließungen. Z.B. auch temporär verkürzte Arbeitszeiten. Das haben andere Autohersteller zuletzt auch schon gehabt.
Daher glaube ich sehr wohl, dass hier auch strategische Aspekte eine Rolle spielen und VW die Situation auch für sich nutzen will.
Mir ist vor allem wichtig, dass Geldgeschenke des Staates komplett ausgeschlossen werden, da es sich definitiv um Managementversagen handelt. Scheinbar ist wohl vor allem das Chinageschäft kollabiert, da die Chinesen eben keine Lust auf zu teure dicke Verbrenner mehr haben und auch die E-Autos von VW gegen die Chinesischen abstinken. Da darf einfach das too big too fail nicht mehr gelten. Ich gehe nur mit, wenn es um das Verkaufen von Aktienanteilen an den Staat geht wie bei der Lufthansa, gerne mit Auflagen zu den Beschäftigten. Die Automobilbranche hat schon viel zu oft die Hand aufgehalten.
Man darf nicht vergessen, dass in einem so großen Konzern der Betriebsrat eine recht hohe Machtposition inne hat. Insbesondere vor den Betriebsversammlungen wird da nochmal versucht, den Verhandlungsspielraum der jeweils anderen Seite einzuschränken.
So könnte die Ankündigung der Geschäftsführung auch ein Manöver sein, etwaige Lohnerhöhungsforderungen zu ersticken und damit dann schärfer sein als es evtl. erforderlich wäre.
Nichtsdestotrotz ist VW in keiner guten Position. Es wäre auch verkürzt zu glauben, dass da Kaufprämien in Deutschland irgendwas dran ändern würden, die Welt dreht sich weiter, auch wenn Deutschland stehen bleibt.
Das Thema spiegelt aus meiner Sicht ganz gut eine grundlegende Stimmung wieder. Es gibt deutliche Transformationsherausforderungen und anstatt sich diesen Herausforderungen zu stellen und zu schauen, welche langfristigen Investitionen und Reformen notwendig sieht wird wieder nach kurzfristigen Pflastern gesucht, um das alte Modell noch eine paar Quartale weiter tragen zu können.
Die Unternehmer schreien nach der Ampel, die Ampel schreit nach der EU - immer soll es jemand anders regeln.
Der Staat könne VW am besten helfen, indem er dafür sorgt, dass die Flottenregulierung abgeschafft wird. Die führe zu irrsinniger Bürokratie, aber spare nicht ein Gramm CO₂ ein. Dafür werde sich die FDP auf europäischer Ebene einsetzen.
Hier frage ich mich, wie er darauf kommt, dass das kein CO2 einspart. Und was er dann statt dessen plant - irgendwas abzuschaffen geht immer schnell, aber die Flottenregelung kommt ja nicht vor irgendwo.
Für Deutschland hat sich die Bundestagsfraktion der SPD für eine Strompreisbremse für die Industrie ausgesprochen, um angeschlagene Unternehmen wie den Automobilkonzern VW vor hohen Energiekosten zu schützen. Die SPD spricht von einem »Transformationsstrompreis«, wonach der Staat einen Teil der Stromkosten übernimmt, bis im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien Strom zu günstigeren Preisen für die Industrie verfügbar ist.
Auch hier: typisch Deutsch soll erstmal Steuergeld auf das Problem geworfen werden. Warum ist der Strom denn so teuer, obwohl der Erzeugerpreis der erneuerbaren Energien so gering ist? Da fehlt mir die langfristige Strategie.
Ich bin grundsätzlich nicht dagegen, Unternehmen mit Steuergeldern zu fördern. Aber man muss als Staat bzw. Bürger auch etwas dafür bekommen. Einfach nur Geld auszugeben, weil ja jetzt grade Krise ist, ist keine tragbare Lösung mehr, weil es in Zukunft immer Krise sein wird.
In der Volkswagen AG waren für den Gewinn von 22 Milliarden Euro bummelig 680.000 Menschen beschäftigt. Im Toyota Konzern waren im gleichen Zeitraum circa 380.000 Menschen beschäftigt [1], die ein Nettoergebnis von 21,83 Milliaren Euro erwirtschaftet haben [2].
Es wird ja immer gerne auf den öffentlichen Dienst geschimpft, wenn es um Ineffizienzen, Verantwortungsdiffusion und bullshit bingo geht, aber die großen deutschen Konzerne tun sich da nichts.
Vor allem da VW seit Jahren wegen diverser Fehlentscheidungen und eigenem fragwürdigen Handeln immer wieder an der staatlichen Subventionsspritze hängt. Für mich hat VW bewiesen, dass Sie mit Geldgeschenken nicht umgehen können, also geht es nur über Verkauf von Anteilen, damit der Steuerzahler am Ende was in der Hand hat und nicht nur Boni bezahlt.
Was mir bei der ganzen Sache sehr sauer aufstößt ist eine der Begründungen, die der Vorstand da rausgehauen hat:
„Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke. (…) Der Markt ist schlicht nicht mehr da.“
Arno Antlitz (COO der Volkswagen AG)
Es waren doch die Autohersteller selbst, die mit Corona, der Chipkrise, den zusammengebrochenen Lieferketten und der Energiekrise gezwungen waren die Preise für die Neuwagen zu erhöhen:
Ich glaube die Krise ist wie immer multifaktoriell und wie immer bei den meisten Krisen und Problemen ohne einfache Lösung.
Was ich in meinem Alltag jedoch sehe, ist:
erst der Diesel-Skandal, dann immer Meldungen über Rekordgewinne und Rekordausschüttungen. Weiterhin auch in Deutschland die Fokussierung auf viel zu große und zu teure E-Autos, die nicht den Markt der Kleinwagen bedienen. Und dabei den Wandel in China verschlafen.
Und ich glaube auch eine Belegschaft, die durch eine 35 Stundenwoche mit 37 Urlaubstagen (so ist es auf jeden Fall in meinem Bekanntenkreis) mit der Produktivität anderer Arbeitnehmer, beispielsweise in China, nicht mithalten können (nicht, dass ich chinesische Verhältnisse will!). Dazu würde auch passen, dass VW seinem mittleren Management nun keine Porsche-Dienstwagen mehr gönnt. Ich glaube hier ist auch eine gewisse Sättigung erreicht.
Und auch die Verbrenner-Kleinwagen werden sukzessive unattraktiv gemacht, um höherpreisige Modelle zu verkaufen:
Stand 2021 noch ein 90-PS-Golf zum Preis von 20.700 Euro in der Liste, ist im Jahr 2023 unter 31.145 Euro kein Golf mehr zu haben. Dieses neue „Basismodell“ hat zwar 130 PS. Doch wem auch 90 PS gereicht hätten, muss eine Motorisierung nehmen, die er gar nicht wollte – und muss deutlich tiefer in die Tasche greifen. Der Kleinwagen Polo startet nun bei 20.830 Euro – bis Anfang 2022 gab es ihn noch ab 15.995 Euro.
Andere Hersteller verfahren ähnlich. War ein 100 PS starker Fiat Tipo im Mai 2021 noch ab 17.490 Euro zu haben, gibt es jetzt nur noch die 130-PS-Hybridversion zum Grundpreis von 31.490 Euro. Der ehemals günstige Golf-Konkurrent ist also im Grunde satte 14.000 Euro teurer geworden!
Ich bin eigentlich überrascht, dass VW jetzt so sehr über Elektromobilität stolpert. Immerhin war VW vor einigen Jahren noch der deutsche Hersteller, der besonders laut die Transformation weg vom Verbrenner ankündigte und aggressiv an die Presse ging, um die eigenen Entwicklungsmaßnahmen (MEB und diverse Konzeptwagen, von denen sogar viel im endgültigen Produkt ankam) der Öffentlichkeit zu präsentieren. Diess war ein echter Antreiber des Wandels - und wurde dann abgesägt. Jetzt haben sie den Salat.
An sich fand ich die Strategie zur Preiserhöhung gut. Die Hersteller haben eigentlich nicht die Preise erhöht, sondern die günstigen Varianten aus dem Programm genommen.
Dass sie nun die günstigen Modelle nicht wieder einführen wollen, irritiert mich aber.
Am meisten Schmerz denke ich der Wegfall des VW up!. Die Kiste war für viele Use Cases ein ausreichendes Auto.
Was mich bei den Ankündigungen der Vorstandetage „amüsiert“ hat, war, dass selbstverständlich als erstes der Wegfall der Beschäftigungsgarantie ins Spiel gebracht wurde. Wenn es in einem Konzern gut läuft, dann ist so eine Beschäftigungsgarantie ja ein reines Marketingbuzzword - wird ja eh keiner entlassen. Sobald sich die Dinge aber ins Negative drehen - und die Beschäftigungsgarantie einen echten Wert bekommt - soll sie jetzt direkt abgeschafft werden. Das hatte in etwa den Charme nach den ersten Kriegswochen direkt zu fordern, dass Kriegsvökerrecht nicht mehr achten zu müssen, weil derartige Regeln/Verpflichtungen in der angespannten jetztigen Situation unangebracht seien.
Derartige Regeln die man in guten Zeiten für schlechte Zeiten festlegt haben keinen Wert, wenn man sie direkt aus dem Fenster wirft, sobald die schlechten Zeiten da sind. Das ist wirklich aberwitzig.
8,5 Milliarden Euro Gewinn vor Steuer in einem Halbjahr sind jetzt also Krise? Übrigens auch lustig, dass diese „Krise“ pünktlich zum Prozessbeginn gegen Winterkorn losgeht. Getreu dem Motto: „Arbeitsplätze können kaputt gehen…“
edit:
Das Ergebnis vor Steuern von VW lag in 2019 auch nur bei 18 Mrd. Gab es damals auch schon Krisenstimmung?
Da braucht man nicht lange analysieren. Duddenhöffer hat schon alles sehr gut erklärt.
Komplett den Anschluss in dem Feld E-Mobilität verpasst.
China Markt will E-Mobilität (Absatzeinbruch)
Auto der Zukunft ist eher ein I-Phone auf Rädern, d.h. Antrieb und Karosserie (Spaltmaße) spielen ein untergeordnete Rolle. Software ist der wichtigste Baustein
R&D Ausgaben falsch zu geordnet. Immer geht der Großteil in die Optimierung des Verbrennerantriebstanges, statt in Batterie und Software
Der VW Konzern ist zu einer Verwaltungsbehörde geworden und hat viel zu hohe Kosten in diesem Bereich (Vergleiche zu Tesla und Toyota)
Wer ist Schuld? Der Aufsichtsrat zu 100% und damit auch das Land Niedersachen und der Betriebsrat. Völlige Fehlanreize für den Vorstand und völlig falsche Markteinschätzungen.
Das war die Analyse von Duddenhöffer, der ich auch Folge. Dazu möchte ich noch sagen, dass die Zulieferer ebenfalls eine große Schuld an der Situation haben. Conti, ZF und Bosch haben sich auch kein Stück auf die neue Marktlage, die vorhersehbar war, eingelassen. Von der Seite kommt auch wenig bis gar nichts an Innovationen.
Die Lösung ist für mich relativ einfach. VW muss Tesla kaufen, um die Antriebstechnologie inklusive Batterie und die Software zu bekommen. Dazu sollte der VW Konzern viele Untermarken abwickeln oder verkaufen (Skoda, Seat, Porsche werden keinen Mehrwert in der neuen Marktumgebung bringen).
Dann muss dringend restrukturiert werden. Radikale Verschlankung der Strukturen ist wirklich notwendig.
Als letzte Empfehlung sollte VW sehr schnell in die Ladeinfrastruktur investieren. Tesla ohne Supercharger würde nicht ansatzweise zu gut funktionieren, wie es jetzt geschieht.
Ich mag zwar Mercedes nicht, aber die haben zumindest verstanden, wo die Reise hingeht. E- Mobilität und Autonomes Fahren und LKW auf Batterie Basis. Dafür ist ein riesiger Markt vorhanden.
Eines möchte ich aber als Risiko für alle Autobauer hinzufügen. Schafft es Google oder Apple oder Mircrosoft eines Tages, die Software Hoheit in diesem Business zu gewinnen, sind alle Autobauer nur noch Zulieferer.
Das ist ja wirklich einfach. Also vor etlichen Jahren. Heute langt ein Blick auf den Börsenwert von Tesla um zu wissen das das nicht realistisch und schon gar nicht einfach ist.
Warum? Sich mit verschiedenen Konzepten an unterschiedliche Kundenkreise zu richten und dabei durch gemeinsame Plattformen dennoch Synergien zu nutzen ist doch nicht so verkehrt.
Der heutige Seatfahrer würde nach Verkauf oder Abwicklung nicht zwangsläufig einen Volkswagen kaufen.