Ich stimme zu, dass wir unsere Verteidigung ertüchtigen müssen.Tatsächlich halte ich aber die ausschließliche Fokussierung auf Russland als angreifende Nation für falsch. Russland wird als Dämon hingestellt mit allem was dazugehört: Sportler ausgesperrt, Künstler ausgeladen, Dialoge abgebrochen. Warum kann nicht parallel versucht werden, die Pariser Charta (https://www.bundestag.de/resource/blob/189558/21543d1184c1f627412a3426e86a97cd/charta-data.pdf) von 1990 zu berücksichtigen. Vielleicht ist ergibt sich jetzt , da die USA kein Interesse mehr an einer Konfrontation mit Russland haben, die Chance, daran anzuknüpfen? Wenn die einzige Antwort der Politik ist, mit Geld und Soldaten zu agieren, dann versagt m.E. die Politik. Und nein, ich glaube solchen „Experten“ wie Hofreiter oder Marsala nicht bedingslos (die noch nicht einmal Wehrdienst geleistet haben), da diese immer nur in eine Richtung argumentieren (mehr Waffen, mehr Geld).
Hat jemand die Erläuterungen von Hofreiter bei Lanz gestern zur Kenntnis genommen? Seine Behauptung war dass Russland kaufkraftbereinigt so viel für Militär ausgibt, wie alle europäischen NATO Länder zusammen. Ziemlich beeindruckend, was der Rubel angeblich imstande ist zu erreichen.
Damit hat er Jan van Aken gestern argumentativ gestellt.
Ich finde deine Argumentation widersprüchlich. Du willst, dass die Pariser Charta berücksichtigt wird, aber wenn Russland massiv dagegen verstößt und andere Unterzeichnerstaaten Russland deswegen mit friedlichen Mitteln sanktionieren, siehst du darin eine „Dämonisierung“.
Was wäre denn dein Vorschlag, wie die Politik Russland in die Schranken weisen zu einer Einhaltung der Pariser Charta und der zig anderen von Russland unterzeichneten und dann gebrochenen Verträge zu bewegen?
Ich habe die Sendung gesehen und mich gefragt, woher er diese Zahl hat. Habe ich vorher noch nirgendwo gehört/gelesen.
Ich würde das nicht so ausschliesslich auf Krieg fokussieren.
In erster Linie sollte man priorisieren.
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Resilienz der Gesellschaft. Also die Grundlagen schaffen das alle Bürgerinnen und Bürger in Krisensituationen in der Lage sind, sich zu helfen, idealerweise sich gemeinschaftlich zu organisieren. Dazu die Bereitstellung von notwendigen Gütern wie Lebensmittel, Medikamenten, Stromerzeugern, Notunterkünften etc.
Also von kriegerischen Folgen, Naturkatastrophen oder auch (hybriden) Vorfällen wie grossflächige Stromausfälle, Internetausfälle, Wasserversorgung, etc.
Dazu gehört auch eine belastbare und funktionierende Infrastruktur. -
Ertüchtigung der Bundeswehr für die Kernaufgabe Landesverteidigung.
Also Beschaffung notwendiger Ausrüstung zum Schutz der Infrastruktur wie Flugabwehr, leistungsfähige Waffensysteme mit ausreichend Munitionsreserven, um potentiellen Angreifern schnell und hart begegnen zu können.
Dazu aber auch die Zusammenarbeit mit Blaulicht- und Zivilorganisationen optimieren.
Was auch eine kritische Überprüfung von Strukturen und „Wasserköpfen“ beinhaltet, aber auch den konstanten Aufbau einer Heimatschutzreserve. -
Kapazitäten zur Bündnisverteidigung. Also autonome Einheiten (wie die Brigade Litauen) die schnell einsetzbar und verlegbar sind zur Bündnisverteidigung.
Wäre so meine persönliche Struktur und Vorgehensweise.
Aber da gibt es viel besser informierte Keute an entscheidenden Stellen, die das besser wissen und entscheiden.
Ob das jetzt kaufkraftbereinigt mehr Ausgaben sind oder nicht, ist tatsächlich erstmal nicht entscheidend.
Natürlich kann man in Russland mit sagen wir mal umgerechnet 1 Mrd. $ deutlich mehr Waffen und Panzer herstellen als in Deutschland oder den USA (deutlich geringere Lohnkosten und weniger komplexe Systeme).
Auch der Umstand, dass Russland schon deutlicher auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, begünstigt natürlich einen höheren Ertrag trotz nominal geringerem Einsatz (Skalen-Effekt → Produktion wird mit steigender Stückzahl stets günstiger).
Aber vor allem ist Russland bzw. Putin zu deutlich höheren Opfern bereit, um seine Kriegsziele zu erreichen (das war auch bspw. im 2. Weltkrieg schon so und ist tatsächlich eine historische Parallele).
Das genaue Kräfteverhältnis kann man meistens erst während oder nach einem Konflikt richtig einschätzen (s. Beginn Angriff auf die Ukraine → Da dachten alle, dass die „Spezialoperation“ eine Art Blitzkrieg werden würde → Realität: nahezu komplettes Versagen der russischen Streitkräfte).
Die Erkenntnis schwirrt schon Monate im medialen Raum herum - bisher leidlich thematisiert. Christoph von Marschall hat bereits vor etwa zwei Wochen im Podcast von Anne Will darüber gesprochen. Siehe (mit zwei Quellen zu dieser Behauptung):
Was vielleicht hinlänglich zur Erklärung reicht, ist, dass westliche Waffenkonzerne zum Teil Mondpreise aufrufen, während Putin der Industrie diktieren kann, die Preise moderat zu gestalten.
Wie hoch der Anteil ist der in den Konzernen maximal hängen bleibt kann man ja anhand der Jahresabschlüsse abschätzen.
Es gibt aber ja noch mehr Faktoren für Kosten. Z.B. wie viel ist man bereit für Sicherheit der Soldaten auszugeben. Nicht nur Sicherheit im Kriegsfall sondern auch im Alltag. Muss der Motor eines Panzers Umweltrichtlinien einhalten oder nicht. Müssen Arbeitsplatzgrenzwerte eingehalten werden oder nicht.
Ich würde da mal ganz ohne näheres Wissen behaupten, dass Fälle wie man sie bei deutschen/europäischen Entwicklungen zu hören bekommt in Russland eher nicht existieren.
Die Mondpreise kommen leider auch oft durch die winzigen Bestellmengen. Wenn man Ersatzteile einzeln nachbestellt kann das nicht effizient sein, sieht aber auf dem Haushaltsplan nicht so schlimm aus.
Die USA sehen ihren Hauptgegner im Indopazifik und interessieren sich schlichtweg nicht mehr für Europa. Das begann bereits unter der Obama Administration. Auch die Forderung dass Europa sich selbst schützen muss kam nicht zuerst von Trump. Zusätzlich kommen noch Trumps persönliche Interessen ins Spiel. Was das ist bleibt aber wohl nur ihm bekannt.
Und an welche „Chance“ soll man da bitte „anknüpfen“? Hat der Kreml seine Leugnung der Souveränität des östlichen Teils der EU aufgegeben? Hat der Kreml seine Machtfantasien mit seiner Einflusssphäre bis zur Atlantikküste aufgegeben? Hat der Kreml damit aufgegeben mindestens einmal im Monat oder so mit dem nuklearen Holocaust zu drohen und nukleare Schläge auf europäische Städte live im TV zur Primetime zu simulieren?
Europa ist ohne die USA nicht verteidigungsfähig. Wie kann hier eine Antwort abseits von „wir machen uns kriegstüchtig“ aussehen?
Sehen wir die Sache mal im historischen Kontext:
Auf der Konferenz von Jalta im Jahr 1945 wurde Europa in Interessensphären zwischen der Sowjetunion und den USA aufgeteilt. Die betroffenen Länder wurden nicht gefragt. Das hat zu einer gewissen Stabilisierung der Lage beigetragen, sonst hätte es womöglich gleich einen weiteren Krieg zwischen USA und Sowjetunion an den Grenzen der Einflussbereiche geführt.
So ganz getraut hat man sich gegenseitig aber auch nicht, was dann zum kalten Krieg und massiver Aufrüstung geführt hat. In diesen Strudel wurde auch Deutschland gezogen (Ost- und West). In Westdeutschland wurden teilweise mehr als 4% des BIP (25% des Haushaltes) für Verteidigung ausgegeben, in der DDR in ähnlichen Größenordnungen.
Mit der Schlussakte von Helsinki 1975 und spätestens 1989 wurde so etwas wie eine regelbasierte Ordnung geschaffen. Man konnte zumindest in Europa darauf vertrauen, dass niemand stärkeres die Grenzen verschiebt. Dadurch konnte massiv abgerüstet werden und eine Friedensdividende eingefahren werden.
Ab den 2000er übernahm aber wieder das Recht des stärkeren Oberhand. Erst durch die USA im Irak. Das war jetzt erst mal für uns nicht weiter schlimm, da es nicht um Europa ging und wir nicht direkt betroffen waren. Auch durch Russlands Einsätze in Tschetschenien, Georgien, Syrien und der Ukraine (2014) waren wir erst mal nicht direkt betroffen.
Durch den Angriff auf die gesamte Ukraine 2022 und den „Seitenwechsel“ von Trump ändert sich jetzt aber die Lage für Europa. Der Schwächere landet auf der Speisekarte. Was dann mit uns passiert, können wir nicht mehr selbst bestimmen, sondern machen Trump und Putin unter sich aus. Wer will verhindern, dass sich Trump Grönland und Putin das Baltikum unter den Nagel reist? Oder Länder nach Gutdünken destabilisiert und in Vasallen verwandelt? Und analog zu der Zeit 1945-1989 wird es auch in diesen Ländern Aufrüstung geben, weil so ganz traut man sich nicht über den Weg.
Daher brauchen wir in Europa eine stabile Demokratie, eine wachsame Zivilgesellschaft und ja - auch ein verteidigungsfähiges Militär. Das ist idealerweise so stark, das es für potenzielle Angreifer unattraktiv wird, sich bei uns zu bedienen.
Das ist nicht schön, aber sonst wird es Krieg geben.
Ich habe mir den Podcast angehört und finde es besonders ab 3:39:30 sehr treffend! Dort wird auf das Aussage von Philip Banse eingegangen, man müsse den Europäern erklären, dass sie ihre Söhne und Töchter zukünftig in den Krieg schicken müssen und sein jüngster Sohn möglicherweise vor der Frage stehen wird, in die Ukraine geschickt zu werden. Diese Aussage in der LDN hat mich ebenfalls schockiert…
Europa hat ja nicht gerade wenig Waffen geliefert im Verhältnis zu den USA, es ist also eine gewisse Verteidiungsfähigkeit vorhanden und die USA wollen bestimmt Europa nicht fallen lassen, ist es als reichster Kontinent und großer, fest stehender Absatzmarkt allein ökonomisch als Basis für das eigene Staatseinkommen mehr als nur relevant.
Grundsätzlich die Fragen:
Kann Russland auch nur ein einziges Land wirklich besetzen? Dazu wären mehrere hunderttausend Russen nötig und das für die gesamte Zeit der Besetzung, je nach Land natürlich, für Europa wären es mehrere Millionen Russen. Die Militärs, die ich so vernahm geben von sich, dass es nicht mal für die Ukraine reichen würde, wenn die Ukraine nicht zum Vasallen mit Vasallenstaatsoberhaupt gemacht würde. Die Besetzung von Europa ist meiner Ansicht nach eine Fiktion, die sich auf überhaupt keine Zahlen stützt, sondern nur auf Putins vermeintliche Behauptungen, die man eins zu eins für bare Münze nimmt und ihm mehr in den Mund legt, als er behauptet (er möchte das Russland wiederherstellen, dass sich nach dem Fall des osmanischen Reiches ergeben hat, so wie ich das gelesen habe).
Zweite Frage: wenn nukleare Planspiele öffentlich im Fernsehen zur Schau gestellt werden, dann heißt das nicht, dass Russland diesen Selbstmord auch begehen würde. Und da kann Europas Armee so groß sein, wie sie will, wenn eine Atombombe fliegt. Dann isch over, große Armee oder keine Armee spielt dann keine Rolle.
Also von unrealistischen Prämissen ausgehend eine halbe Billion Euro in eine Armee und eine militärisch geprägte Zukunft zu investieren, das halte ich für schwierig. Entstehen innereuropäische Konflikte, bei der jeder Staat eine hochgerüstete Armee hat, ist es eine Frage der Zeit, vielleicht der Jahre, vielleicht der Jahrzehnte, bis das Säbelrasseln bei kleinen Konflikten beginnt und nicht erst von Clausewitz war bekannt, dass das Hochschaukeln schnell irrational wird.
Warum nicht den Fokus auf Europa?
Woher kommt die Zahl? Bisher wurden die Ausgaben weder beziffert noch begrenzt.
Ich fände den Fokus auf Europa auch sehr wichtig.
Das wurde hier schon weiter oben mal diskutiert.
Ich verstehe wie man zu der Einschätzung kommt würde dir aber empfehlen das original anzuhören (Podcast „Alles gesagt?“)
Zusammengefasst von oben: ich habe den Eindruck dass die neuen Zwanziger die Aussagen zu sehr aus dem Kontext gerissen haben
Ich glaube wir müssen uns von der Vorstellung des Kalten Krieges lösen, das russische Panzerdivisionen durch die Fulda Gap Richtung Rhein vorstoßen. Das waren andere Zeiten und andere Bedingungen.
Es geht wohl eher darum, sich von Abhängigkeiten zu lösen, weil man sich damit leicht erpressbar macht.
Siehe Gas und Öl aus Russland oder militärische Abhängigkeit von des USA oder die wirtschaftliche n Verflechtungen zu China während der Corona-Krise.
Primär, so verstehe ich das, geht es darum die Bundeswehr in die Lage zu versetzen, den Kernauftrag der Landesverteidigung umfassend und auch lange genug erfüllen zu können.
Von einem direkten Kriegseinsatz gegen Russland war doch aktuell nirgends die Rede, oder?
Die Aussage ab 3:39:30 bezieht sich aber auf die Lage der Nation und nicht auf den von dir genannten Podcast. Und diese Aussage ist mir schon in der LdN aufgefallen und ist nicht wirklich aus dem Kontext gerissen.
Genau so haben aber auch die Verharmloser von Putin 2022 noch Stunden vor dem Einmarsch in der Ukraine geredet.
Dass die Ukraine dem Angriff widerstehen konnte war ja einerseits eine Folge aus dem sehr umfangreich ausgestatteten Ukrainischen Militär und andererseits eine Folge der Hilfen aus dem Westen. Hier werden also schon heute sehr viele Kapazitäten gebündelt und Russland geht laut vielen Experten ja auch keineswegs All In.
Ich glaube genausowenig wie die Experten daran, dass Russland morgen die komplette EU angreift. Wenn aber die Verteidigungsfähigkeit nicht für eine aktive Beteiligung an einem Krieg reicht, dann kann es eben schon sein, dass man erstmal das Baltikum angreift. Wenn das erfolgreich war und sich die Wogen wieder etwas geglättet haben kommen vielleicht Teile von Finnlands oder Georgien oder was auch immer. Und je mehr sich herausstellt, dass man nicht fähig oder willens ist gegenzuhalten, desto mutiger kann man fortan auftreten.
Und da ist eben eine Leistungsfähige Verteidigung der europäischen Länder durchaus eine Präventivmaßnahme und nicht wie hier dargestellt eine Maßnahme die den Krieg erst ermöglichen würde.
Dazu gehören nebenher in meinen Augen umfangreiche Maßnahmen zur Abwehr von anderweitigen Angriffen durch Sabotage, Desinformation, etc.
Ich kann einfach nicht verstehen, wie jemand ernsthaft dagegen sein kann, dass Europa sich so schnell wie möglich so aufstellt, dass es - ohne Hilfe der USA - Putin davon abschrecken würde, auch nur die Suwałki-Lücke [1] zu besetzen. Schon das wäre ebenso inakzeptabel wie:
Putin führt einen durch nichts zu rechtfertigen Angriffskrieg gegen die Ukraine und demonstriert damit, dass er die Unverrückbarkeit von Grenzen nicht akzeptiert. Aber das ist nicht alles: Er führt schon heute einen hybriden Krieg gegen Europa (Seekabel in der Ostsee, Morde, Sabotageakte, Cyberwar).
Das sind doch keine westlichen Propaganda-Lügen! Es macht mich fassungslos, wie man sich diesen Fakten einfach komplett verschließen kann.
Kopf in den Sand stecken: „Peeck-a-boo … was ich nicht sehe, ist auch nicht da ….“?
Oder ist es die Haltung „Was interessiert mich die Freiheit der Ukraine oder auch Litauen. Hauptsache, Putin bleibt vor den deutschen Grenzen stehen“? Ich will für so was keinerlei Opfer bringen!
„ Suwałki-Lücke“
[1] liegt an der Grenze zwischen Polen und Litauen. Einzige Landverbindung zwischen den baltischen Staaten und den übrigen NATO-Ländern. Trennt die russische Exklave Kaliningrad von Belarus.