Kontaktbeschränkungen im privaten Raum

Hallo liebes Lage-Team (und alle anderen, die mitlesen und unter Umständen kommentieren),
ich bin wohnhaft in Bayern und plane über die Weihnachtszeit meinen Bruder in Hessen zu besuchen. Auf Grund dessen habe ich mich heute Abend mal informiert, wie eigentlich Hessen die Verschärfungen des am Sonntag (13.12.) bundesweit verkündeten und ab Mittwoch (16.12.) geltenden „Lockdowns“ konkret umsetzen will. (Das nur als Hinweis, dass ich dementsprechend nicht die Hessen betreffende Berichterstattung verfolgt habe und daher vielleicht auch „Einheimische“ durch die regionale Berichterstattung mehr wissen bzw. es bereits Diskussionen zu diesem Thema gab.)

Nun ist mir, als ich die betreffende Verordnung des Landes Hessen durchgeschaut habe, Folgendes aufgefallen. Unter §1 Abs. 1 der „Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie (Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung) vom 26. November 2020 (Lesefassung Stand: 16. Dezember 2020)“ heißt es:
„Für private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten wird eine Beschränkung auf den eigenen und einen weiteren Hausstand, jedoch in jedem Fall auf höchstens fünf Personen, dringend empfohlen; dazugehörige Kinder bis zum Alter von einschließlich 14 Jahren bleiben unberücksichtigt. Dabei wird die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 Metern zwischen Personen unterschiedlicher Hausstände dringend empfohlen.“
(hier der dazugehörige Link: https://www.hessen.de/sites/default/files/media/03_corona-kontakt-_und_betriebsbeschraenkungsverordnung_stand_16.12.pdf)

Ehrlicherweise bin ich recht verwundert, dass die Landesregierung Hessen lediglich eine „dringende Empfehlung“ hinsichtlich der Kontaktbeschränkungen im privaten Raum ausspricht, da das Ganze dann doch sehr inkonsequent wirkt und im Zweifelsfall kaum Wirkung entfalten kann. In Bayern etwa ist klar geregelt, dass die Kontaktbeschränkungen auch für den privaten Raum gelten. Auch in Baden-Württemberg (wo ich mir, um zu schauen, ob Bayern etwa ein Einzelfall ist, auch die Bestimmungen angeschaut habe) gelten die Beschränkungen für den privaten Raum und stellen nicht nur eine Empfehlung dar.
Hat das Vorgehen Hessens nur eine juristische Begründung? Sprich: Ist es vielleicht in Hessen aus Infektionsschutzsicht einfach nicht möglich private Räume zu kontrollieren und man hat daher gleich darauf verzichtet, hierfür eine konkrete Vorgabe zu machen? In Bayern etwa weiß ich, dass es seit dem Polizeiaufgabengesetz (PAG) für die Polizei möglich ist, im Falle konkreter Hinweise die Wohnung von Verdächtigen zu betreten, wenn die Gesundheit der Gesellschaft - und dazu zählt ein Nicht-Einhalten der Corona-Beschränkungen - gefährdet ist. (Bitte entschuldigt meine nicht-juristische Ausdrucksweise, ich habe das vor einigen Wochen mal recherchiert und habe den genauen Wortlaut nicht mehr im Kopf.)
Wie das in BW aussieht, habe ich jetzt nicht nochmal extra recherchiert.
Oder glaubt ihr, dass es eine rein politische Entscheidung ist/war?
Fernab von dieser sehr konkreten Fragestellung auf Hessen bezogen, glaube ich, dass es ganz interessant wäre, da nochmal genauer hinzuschauen. Zumal ich bezweifle, dass Hessen da einen Einzelfall darstellt.
Zur kurzen Erklärung: Die private Wohnung ist in meinen Augen vollkommen zurecht ein besonders geschützter Raum und ich fordere mitnichten, dass es der Polizei unbedingt erlaubt sein sollte, wegen drohender Verstöße gegen die Kontaktbeschränkungen die Wohnung zu betreten (zumindest sollte das vielleicht erst bei schwerwiegenderen Verstößen gegen eben jene Beschränkungen passieren). Ungeachtet dieser Diskussion der Befugnisse der Polizei (worüber man auch noch viel sprechen kann), geht es mir hauptsächlich darum, dass ein tatsächliches Verbot von größeren Treffen (mehr als fünf Personen bzw. mehr als zwei Haushalte) in privaten Räumen meines Erachtens eine deutlich bessere Wirkung erzielen würde. Und ich glaube auch selbst dann, wenn es der Polizei nicht erlaubt wäre aus diesen Gründen die Wohnung zu betreten, weil es rhetorisch einfach deutlicher klingt. Eine Empfehlung klingt in meinen Augen zu sehr nach: „Naja, die eine Person mehr oder weniger, der eine Haushalt mehr oder weniger, macht ja auch nichts. Ist ja nur eine nette Empfehlung“. Gerade „wir Deutschen“ (und dabei meine ich einfach nur das Klischee) sind ja dafür bekannt bzw. es wird uns oftmals vorgehalten, uns an Verbote zu halten und Dinge zu lassen, einfach weil sie nicht erlaubt sind. (Ich weiß, dass das ein stereotyp ist und mir geht es auch nicht darum, dass als gänzlich wahr darzustellen oder das zu bewerten. Ich will nur damit deutlich machen, dass ein konkretes Verbot - selbst wenn es de facto nicht durchzusetzen ist - in meinen Augen eine nicht zu vernachlässigende Wirkung hätte.)

Ich hoffe, meine Ausführungen waren nicht allzu wiederholend und ausschweifend und treffen auch bei dem ein oder anderen auf Interesse.

Vielen Dank im Voraus für eine eventuelle Rückmeldung und schonmal vorläufig allen eine schöne Weihnachtszeit (so schön sie eben in jetzigen Zeit sein kann).

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Ich hänge mich hier mal dran, da das Thema in NRW noch deutlich „interessanter“ ist und ich mich freuen würde, dies in der Lage diskutiert zu sehen:

In NRW (und ich beziehe mich hier auf die offizielle Coronaschutzverordnung [PDF]https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2021-01-07_coronaschvo_ab_11.01.2021_lesefassung.pdf) gelten alle Regeln, bis auf ein generelles Partyverbot, nur für den öffentlichen Raum. Hier hat es nicht einmal eine Empfehlung in die Verordnung geschafft, welche ich aus diversen Gründen verständlich finden würde. Evtl. die Nicht-Kontrolierbarkeit, unverhältnismäßige Eingriffe in Grundrechte, der grundgesetzliche besondere Schutz der Wohnung…

Interessant bis verwirrend oder sogar beängstigend finde ich hier, dass in NRW unser Ministerpräsident Laschet sowie die Presse durchgehend behaupten, dass die Regeln auch im privaten Raum gelten, dies aber nicht in die Verordnung geschrieben wird.
Hier ein Artikel der suggeriert, dass alles auch im Privaten gültig ist: Corona-Regeln NRW: Kontaktbeschränkungen auch im privaten Raum

Ich bin zwar persönlich für eine Beschränkung auch im privaten Raum, doch interessiert mich sehr, warum dies in den letzten Versionen der Verordnung nie Einzug erhielt, warum die Presse darüber so gut wie nicht berichtet und ob Ministerpräsident Laschet fortlaufend diese Diskrepanz zwischen Gesagtem und Geschriebenem aufrecht erhalten darf.
Wurde hier geschlampt, versteht Herr Laschet die Verordnung selbst nicht, täuscht er mit Absicht oder habe hoffentlich einfach ich das Ganze nicht verstanden?

Ganz lieben Dank, falls das aufgegriffen wird.

PS: Zitat aus einer Antwort von www.mags.nrw
„Die beschriebenen Regeln gelten für den öffentlichen Raum, nicht für den privaten Bereich der eigenen Wohnung. Es besteht aber die dringende Empfehlung der Landesregierung, die für den öffentlichen Raum geltenden Regelungen auch im Privaten zu beachten.“
PPS: die viel diskutierten „Lockerungen“ für Weihnachten sind in der NRW-CoronaSchVO eine Ausnahme der allgmeinen Regeln gewesen, welche ganz deutlich nur für den öffentlichen Raum galten. Warum man gerade Weihnachten eine lockerende Sonderregelung für den öffentlichen Raum braucht, erschließt sich mir nicht und wirkt augenwischerisch

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Ich muss auch sagen, dass mich der Punkt den peter.toennies hier aufmacht ebenfalls beschäftigt.
Die Zeit hatte das auch so berichtet (ZEIT ONLINE | Lesen Sie zeit.de mit Werbung oder im PUR-Abo. Sie haben die Wahl.) und im RP Artikel ist ja ein Link zur PK wo er auf eine Nachfrage, die sich klar auf den privaten Raum bezieht, auch eine klare Antwort gibt (nähmlich, da gilt die Regelung auch)
Wie peter aber sagt ist die Regelung von §2 1a und 1b relativ klar das es hier nur um den öffentlichen Raum geht, ausschließlich Partys (§2 Abs 1) sind generell untersagt.

Ich bin da ganz bei peter: Ich finde in der aktuellen Lage eine Regelung für den privaten Raum verständlich und akzeptabel.
Aber zu suggerieren man habe eine Regel erlassen, das aber nicht zu tun, das finde ich eigentlich ziemlich unwürdig, und mir fallen auch keine Gründe dafür ein, die ich okay finden würde (nur viele die ich nicht okay finde ;)).

Ich fände es schön wenn hier noch 1-2 Menschen das kommentieren würden, ich bin relativ erstaunt darüber. (Inbes. weil es von den Lokalzeitungen auch gar nicht aufgegriffen wird).

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Die SPD hat nun Wind von der Sache bekommen. Nimmt offenbar Fahrt auf:

Der WDR hat es nun aufgegriffen:

Wenn auch wenig kritisch. Und es wird nur von der jüngsten Verordnung berichtet. Die Rechtsdiskrepanz fiel mir aber schon vor Weihnachten auf.
Der WDR hat das Fehlen der 15 km Regel nicht angefasst.