Klimaschutz: Das "Aber China ..."-Argument ad absurdum geführt

Heute bin ich im klimafakten-Newsletter über ein sehr schönes Gegenargument gestolpert. Carel Mohn schreibt:

Meine neue Erkenntnis … verdanke ich dem Autor und Komponisten Bernhard König. In seinem … Buch „Musik und Klima“ weist er auf die Haltlosigkeit der Argumentationslinie hin, der zufolge es legitim sei, weiterhin wissentlich Schaden anzurichten, so lange andere angeblich noch mehr Schaden anrichteten.

„Kein Opernhaus wirbt damit, dass es anderswo noch schlechtere Aufführungen gibt,“ schreibt König. Und in der Tat: Ein schädigendes Verhalten dadurch zu rechtfertigen, dass andere es ebenfalls betreiben, ist geradezu der Inbegriff einer unhaltbaren Ausrede.

Außerdem verweist er auf diesen Faktencheck vom April 2021:

Die Betonung des Umstands, dass Deutschland mit etwa zwei Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß beiträgt, ist auf mehrerlei Weise irreführend: Zum einen suggeriert die Zahl eine sehr geringe Verantwortung für den Klimawandel, was bei genauer Betrachtung nicht zutrifft. Zum anderen spielt sie die vielen Möglichkeiten herunter, mit denen die deutsche Politik etwas gegen den Klimawandel tun kann – im Inland, auf EU-Ebene und weltweit. Jedenfalls lässt sich das „Zwei-Prozent-Argument“ zum Beispiel mit logischen, statistischen, moralischen oder auch wirtschaftlichen Argumenten kontern

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Für mich ist die Ausrede immer das gleiche wie „Ich räume mein Zimmer erst auf, wenn die Nachbarkinder ihre eigenen Zimmer aufgeräumt haben.“

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Noch eine Weise, auf die das „Argument“ irreführend ist:

Wir müssen den Ausstoß an CO2 nicht begrenzen, sondern vollständig eliminieren. Insofern ist es irrelevant, wie viel oder wenig ein Land zu den globalen CO2-Emissionen beiträgt, denn alle Länder müssen auf 0.

Wenn Deutschland diesen Weg nicht mitgeht, aber der Rest der Welt seine CO2-Emissionen halbiert, dann emittieren wir nicht mehr 2% sonder 4% der globalen Emissionen. Und wenn alle Länder auf 0 stellen nur Deutschland nicht, dann haben wir auf einmal 100% der globalen Emissionen.

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Solche Argumentationen wie die mit China sind die üblichen Ablenkungen. Ein altbekanntes Spiel.
Was ich viel spannender finde hier ist die Zahl von 2 %. Denn diese Zahl ist zum einen nicht richtig und zum anderen ohnehin nur ein Bruchstück einer viel komplexeren Zahl.

Was beinhalten denn die 2 % ? Nur die in Deutschland hervorgerufenen Emissionen ? Oder die deutschen Emissionen? Letztere müssten nämlich die Emissionen deutscher Firmen weltweit umfassen. Und wenn ich mir anschaue, wo deutsche Firmen überall sitzen und Dinge herstellen, dann wird das garantiert nicht überall nach besten Standards sein. Leider habe ich keine Zahl zur Hand, was Deutschland weltweit an Schadstoffen hervorruft. Vielleicht kann ja hier jemand aushelfen. Und dazu können wir dann gerne noch den Müllexport der Deutschen mit dazurechnen. Von Gift- bis zum Elektroschrott.

Die Zahl 2 % ist auch insofern mit Vorsicht zu genießen, dass dies nur eine absolute Zahl ist. Die Pro-Kopf-Zahl ist da schon deutlich höher ( war glaube ich etwas mit einer 5 vorn ). Nicht zu vergessen, was Industriestaaten wie Deutschland insgesamt schon an Schadstoffen über Jahrzehnte herausgefeuert und damit insgesamt das Klima mit vergiftet haben.

Manchmal bin ich aber verwundert, wie einseitig wir die Schadstoffdebatte führen. Methan von vielzuviel Massentierhaltung ist ein riesiges, wenn nicht sogar größeres Problem. In den Städten diskutiert und arbeitet man mit Fahrverboten wegen den Abgasen, ignoriert aber die erhebliche Belastung durch Feinstaube von Bremsen und Autoreifen, die auch heftig sind.

Mir ist klar, dass wir in dieser komplizierten Welt Schwierigkeiten haben, die komplexen Zusammenhänge immer zu verstehen, aber in Deutschland ( nicht in diesem Forum ) sind mir die Diskussionen und Argumente doch ein wenig zu einfach.

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Ich spiele mal den Advocatus Diaboli:
Das Argument lautet in der ausgefeilteren Version eher, dass wir den Klimawandel durch unsere Emissionen nicht nennenswert in die eine oder andere Richtung beeinflussen können. Solange andere Länder nicht im gleichen Maße mitziehen, werden uns die Folgen des Klimawandels genauso treffen, auch wenn wir unsere Wirtschaft komplett umkrempeln. 218 GW an Leistung durch neue Kohlekraftwerke hat China seit 2022 genehmigt. Das ist eine Vervierfachung zum vorherigen Fünfjahresplan. Zum Vergleich: Bei uns gingen letztes Jahr Windkraftanlagen mit einer Leistung von 3,6 GW ans Netz.

Schlüsselindustrien wie z.B. die Stahlherstellung, oder die chemische Industrie die am Anfang vieler Wertschöpfungsketten stehen, werden durch Umstellung auf klimafreundlichen Wasserstoff so teuer, dass sie international komplett aus dem Markt verdrängt werden. Wenn andere Länder nicht mitziehen, hat dies nur zur Folge, dass unser Industriestandort aufgeben wird, und wir die Produkte dann aus dem Ausland beziehen.
Hier wäre also die Antwort, auf international verbindliche Regeln zu bestehen, wenn nötig Strafzölle zu erheben, und ansonsten das Geld in die Adaption an Klimafolgen zu stecken. Höhere Deiche, ein besserer Grenzschutz, eine gut ausgebaute Infrastruktur (Schiene und Wasser), sozialer Wohnungsbau mit Klimaanlagen und Konzepten der Stadtentwicklung (Schwammstadt mit viel Grün), mehr Geld in Bildung und Pflege usw.

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Was ich an der Diskussion schwierig finde ist, dass es DAS „Aber China …“ Argument nicht gibt.

und auch die Betonung, dass China mehr dazu beiträgt muss nämlich gar nicht darauf hinaus laufen, dass

Letzteres Argument ist nach meiner Beobachtung weitgehend ausgestorben, während natürlich weiterhin darauf hingewiesen wird - und zwar völlig zu Recht - wie viel Prozent Deutschland und wie viel China ausstößt.
Denn im Gegensatz zum Opernhaus- oder Nachbarskinder-Beispiel ist das Klima global vernetzt. Dass Deutschland seinen CO2 Ausstoß herunter fährt ist eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für die Begrenzung der Erderwärmung. Eine sinnvolle Klimapolitik muss daher auch auf dem Schirm haben, durch z.B. internationale Abkommen dafür zu sorgen, dass die Emissionen weltweit sinken. Das kann dann z.B. ein Argument sein, in Deutschland einen Weg zur Klimaneutralität zu entwickeln, der stärker international kompatibel ist. Was nicht heißt, dass deutsche Klimapolitik nach China exportierbar sein muss.
In jedem Fall führt dieses „Aber China …“ Framing dazu, dass sobald diese Worte fallen, die Diskutanten gedanklich abschalten und sich in Strohmann-Argumenten verlieren, ohne überhaupt zu versuchen zu verstehen was da für ein Argument gemacht wurde. So auch schon öfter hier im Forum passiert.

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Es gibt eigentlich zwei CO2-Emissionswerte, die berechnet und betrachtet werden, wobei dabei immer CO2-Äquivalente betrachtet werden, also z.B. Methan-Emissionen in CO2 umgerechnet werden und in diese Zahlen einbezogen sind:

  • Nationale CO2-Emissionen: Die Emissionen, die innerhalb geographischer Landesgrenzen entstehen.
  • Handelsbereinigte CO2-Emissionen: Hierbei werden die nationalen CO2-Emissionen um jene Emissionen bereinigt, die durch den Import und Export von Waren entstehen. Wenn Deutschland Stahl aus China kauft, dann wird der CO2-Rucksack des Stahls also auf unsere CO2-Bilanz aufgeschlagen und in China abgezogen.

Deutschland hatte 2021 679 Millionen Tonnen nationale CO2 Emissionen und 851 Millionen Tonnen handelsbereinigte CO2-Emissionen.

Tun wir nicht.

Methan wird in allen Debatten zum Klimaschutz immer mitgedacht, auch wenn meist nur von CO2 die Rede ist. Alle Zahlen schließen Methanemissionen immer mit ein. Methan ist übrigens sowohl schlimmer als auch besser für das Klima: Schlimmer, weil es pro Tonne gerechnet einen erheblich stärkeren Treibhauseffekt hat (Faktor 28 bis 36); Besser, weil es sich in der Atmosphäre innerhalb relativ kurzer Zeit von selber abbaut (12 Jahre), während CO2 über hunderte von Jahren stabil bleibt.

Wenn wir also innerhalb der nächsten 15 Jahre die Methanemissionen weitgehend den Griff kriegen würden (etwa indem keine Feuchtgebiete mehr trockengelegt werden, wir die Massentierhaltung erheblich reduzieren und kein Erdgas mehr fördern) dann hätte sich bis 2050 das überschüssige Methan von selbst aus der Atmosphäre entfernt.

Feinstaub usw. ist auch alles andere als ein unbekanntes und unbeachtetes Problem. Aber er spielt für das Klima nur eine untergeordnete Rolle. Man muss nicht immer alles in die selbe Diskussion reinpacken. Wenn wir über Klimawandel reden, dann muss man nicht auch noch extra Feinstaub problematisieren. Dafür gibt es natürlich auch viele Menschen und Organisationen, die sich intensiv für eine Reduktion der Feinstaubemissionen einsetzen.

Das schöne ist: Auch wenn die Probleme nicht direkt miteinander zusammenhängen, gibt es eine Korrelation zwischen den Lösungen: Weniger Individualverkehr und mehr Fahrradfahrer haben positive Auswirkungen sowohl auf das Klima, als auch Feinstaub.

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Das stimmt allerdings nicht. Zum einen ignoriert diese Argumentation die politische Dimension von Emisssionsreduzierungen. Wenn die EU strengere CO2-Budgets erlässt, dann werden zum Beispiel Ausgleichsmechanismen für Importe in die EU mit eingeführt. CO2-intensive Produktion im Ausland wird damit weniger konkurrenzfähig auf dem europäischen Markt und schafft so Anreize auch für China und Co. sich zu dekarbonisieren.

Außerdem wird die technologische Dimension der CO2-Reduzierung außer Acht gelassen. Wenn wir hier klimaschonende Technologien fördern oder fordern (z.B. Wärmepumpen), dann schaffen wir Anreize für Forschung und Entwicklung und Skaleneffekte in der Produktion, die diese Technologien auch in anderen Ländern zum Standard machen. Als Beispiel sei das Erneuerbare Energien Gesetz genannt, dessen Einführung unter Rot-Grün zu einem weltweiten Schub im Ausbau von Windkraft und Photovoltaik geführt hat.

Im gleichen Zeitraum sind aber auch erhebliche Kohlekapazitäten in China vom Netz gegangen. Neue Kohlenmeiler ersetzen meist erheblich ineffizientere ältere Kraftwerke. Die tatsächlich produzierte Strommenge aus Kohle steigt in China jedes Jahr nur noch wenig, der Anteil an der gesamten Stromproduktion sinkt rapide. Auch die CO2-Emissionen aus Kohle sinken in China, weil wie gesagt ältere Kraftwerke durch neue (mit höheren Wirkungsgraden) ersetzt werden.

Die EU führt gerade einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus ein, der diese Unwucht wohl beheben wird.

Adaption ist wichtig (weil die konservative Politik sich geweigert hat was gegen den Klimawandel zu tun, als eine deutliche Erwärmung der Erde noch abwendbar war), aber seit Jahrzehnten wird immer wieder von allen Experten vorgerechnet, dass es deutlich günstiger ist eine Tonne CO2 einzusparen, als sich an den Klimaeffekt von einer Tonne CO2 anzupassen. Und das gilt eben auch für deutsches CO2 und nicht nur solches aus China.

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Inhaltlich bin ich bei dir, aber der Genauigkeit zu liebe. Wir müssen den CO2 Ausstoß nicht eliminieren. Das werden wir auch nicht schaffen. Nicht alle Prozesse lassen sich elektrifizieren.

Tatsächlich geht es um Netto Null oder auch darunter.

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Stimmt. Nur ist das Entziehen von CO2 aus der Luft bzw. das Abscheiden in industriellen Prozessen so teuer (und wird es auch immer bleiben), dass wir Glück haben werden wenn wir damit die wirklich essentiellen und absolut unvermeidbaren Emissionen kompensieren können. Hier ein guter Übersichtsartikel:

Da haben wir keinen Dissens. Jede Tonne CO2 zählt.

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Zum einen das und zum anderen alles, was hier ebenfalls schon erwähnt wurde, dass nämlich die CO2-äquivalenten Emissionen überall auf netto null müssen, dass national vergleichende Betrachtungen dazu führten, wenn man prozentual einstellige Größenordnungen als vernachlässigenswert betrachtete, dass dann 99 % der global anerkannten Staaten überhaupt nichts tun müssten usw. usf.

Es handelt sich eben um eines der Nonsensargumente, die in die Kategorie Klimaverzögerungsdiskurse fallen:


Der renommierte Klimaforscher Michael Mann hat es im Interview so beschrieben:

Ich nenne diese Kräfte die „Inaktivisten". Sie hören allmählich mit dem platten Leugnen des Klimawandels auf, weil das einfach nicht mehr glaubwürdig ist. […] Sie spielen das Problem immer noch herunter und versuchen, den Einstieg in die nötige Transformation zu verzögern. Zudem bemühen sie sich, dem individuellen Verhalten der Menschen die größte Verantwortung für die Bewältigung auf die Klimakrise zuzuschieben. Damit lenken sie von den nötigen Veränderungen auf der systemischen Ebene ab und versuchen, die Klimabewegung zu spalten. Und dann gibt es die Taktik, uns einzureden, dass es zu spät sei, dass es keine Hoffnung mehr gebe, etwas gegen die Probleme zu tun. Das kann uns auf den gleichen Pfad des Nicht-Handelns lenken wie das unverblümte Leugnen. Denn mit jedem weiteren Jahr, in dem wir unsere Energie vor allem aus fossilen Quellen beziehen, machen die Inaktivisten Milliarden US-Dollar Profite.

Die psychisch wirksamen Mechanismen werden hier ganz gut erklärt:

Das eine ist, dass China auf einem guten Weg bzgl. der relativen Veränderung ist. Das andere ist aber, dass sie natürlich auf einem anderen Status Quo sind als z.B. Europa. Offizielles Ziel ist Peak der Emissionen bis 2030 und Klimaneutralität bis 2060. Das heißt selbst wenn das gelingen sollte, dass in den nächsten 5 Jahren die Emissionen dort noch steigen werden und die Klimaneutralität viel zu spät kommt.
Wenn wir danach schauen, was technisch und volkswirtschaftlich möglich ist und Klimaschutz als globale Aufgabe begreifen, dann müsste eigentlich Europa signifikant bei der Dekarbonisierung von Ländern wie China unterstützen - auch finanziell - was natürlich politisch auch durchaus nachvollziehbarerweise schwierig ist.
Klar, tun sich europäische Staaten sehr schwierig selbst ihre verhältnismäßig einfachen Emissionsreduktionsziele einzuhalten. Aber gegeben den Fall, dass weltweit politische Führungen bereit sind gegen den Klimawandel vorzugehen und das auch engagiert tun - dann wird es spätestens wichtig sich um diejenigen Ländern zu kümmern, die trotz dieser Bemühungen noch einen weiteren Weg vor sich haben. Und genau aus dem Grund ist es so wichtig welchen Anteil China an den weltweiten Emissionen hat.

Das widerspricht den Zahlen, die ich kenne, weshalb ich auf den von dir mitgelieferten Link geklickt habe. Auch den dort zu entnehmenden Statistiken ist nicht zu entnehmen,

  • dass die tatsächliche Strommenge aus Kohle in China jedes Jahr nur noch wenig steigt. Im Gegenteil, von 2021 auf 2023 ist sie offenbar um knapp 20% (also ~10% p.a.) gestiegen. Das ist in meinen Augen wenigstens nicht gering.

  • dass der Anteil von Kohle an der gesamten Stromproduktion rapide sinkt. Das ist mir aus den Daten nicht eindeutig. Aus der Tabelle mit den Fußnoten 16-21 ist ersichtlich, dass der Anteil der erneuerbaren Energien in den letzten vier ausgewiesenen Jahren stagniert - folglich müsste der prozentuale Anteil an fossilen gleich geblieben sein, der absolute (bei steigendem Energiebedarf) sogar gesteigen sein. Wieso die Übersicht unter FN 22 (die ja den Strombedarf nur in TWh statt GWh abbildet) dann ein sinken des Kohleanteils suggeriert, erschließt sich mir nicht. Ich kann beide Statistiken nicht widerspruchsfrei zusammenführen. Sofern mich hier niemand erleuchtet, würde ich an die These „Anteil von Kohle an der gesamten Stromproduktion sinkt rapide“ ein Fragezeichen machen. Zumal laut dem Abschnitt über Kohlestrom weiter unten im Link mit stand 2020 noch referiert wird, dass die Abnehmer gesetzlich verpflichtet sind Kohlestrom priorisiert abzunehmen. (Dort erfahre ich btw. auch, dass China Kohleminen geschlossen hat, um seine Kohleabbaureduktionsziele zu erreichen und seitdem die fehlende Kohle „sauber“ aus Australien importiert. :clown_face:)

Also keine Ahnung. Fraglos geht aus dem Link ja hervor, dass sich China etwas verhoben hat mit den Kohlekraftwerken und das nicht der Weg in die Zukunft ist. Aber das aktuell deshalb die Kohle schon rapide aus dem Strommix verdrängt wird, habe ich dort nicht sehen können.

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Vieles spricht dafür, dass China seinen Peak schon 2023 erreicht hat: Analysis: China’s emissions set to fall in 2024 after record growth in clean energy - Carbon Brief

Das Wiederum sollte Hoffnung machen, dass das Land insgesamt deutlich schneller als heute noch offiziell geplant seine Emissionen reduzieren und auch auf 0 zurückfahren kann.

Ich will China nicht über die Maßen in Schutz nehmen. Auch die Kommunistische Partei könnte erheblich ambitionierter sein, was den Klimaschutz angeht. Aber als Ausrede für Deutschland, weniger Klimaschutz zu machen, eignet sich die dortige Politik wirklich nicht.

Es würde Europa und Deutschland erheblich einfacher fallen von anderen Ländern stärkere Maßnahmen einzufordern wenn wir hier selbst irgendwas machen würden, was das Label „ambitioniert“ verdient. Stattdessen versucht die Hälfte (oder mehr?) des politischen Spektrums ständig einen Grund zu finden, wenig bis gar nichts zu unternehmen.

Solange Klimaschutz „den Deutschen“ nichts Kosten und keinerlei Veränderung abverlangen darf, können wir eben schwer argumentieren, dass China und andere Länder für ihre Klimaneutralität hohe Kosten und starke Veränderungen akzeptieren müssen.

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Leider wird das Argument in meiner Wahrnehmung eigentlich nie mit dieser Stoßrichtung gebracht (und auch dann, wie hier schon bemerkt, hilft jede gesparte Tonne CO2e), sondern endet immer damit, vorgeschlagene Schritte zur eigenen Emissionsreduktion abzuwehren.

Im Allgemeinen hat das Bundesverfassungsgericht diese Argumentationslinie im Klimaschutz-Urteil von 2021 rechtsdogmatisch fundiert, sehr konsequent und elegant abgeräumt. Die Argumentation ist höchst lesenswert. Damit ist diese Frage nicht nur höchstgerichtlich ausgeurteilt, sondern die Argumentation lässt sich mE auch leicht aus der juristischen Sphäre in die politische übertragen.

BVerfGE 157, 30 Rn. 203 (gesamte Argumentation von Rn. 200-204 ist sehr lesenswert):

Aus der spezifischen Angewiesenheit auf die internationale Staatengemeinschaft folgt vielmehr umgekehrt die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, eigene, möglichst international vereinbarte Maßnahmen zum Klimaschutz tatsächlich zu ergreifen. Gerade weil der Staat das ihm in Art. 20a GG auferlegte Klimaschutzgebot nur in internationalem Zusammenwirken erfolgreich umsetzen kann, darf er für andere Staaten keine Anreize setzen, dieses Zusammenwirken zu unterlaufen. Er soll durch sein eigenes Handeln auch internationales Vertrauen stärken, dass Klimaschutz, insbesondere eine Umsetzung vertraglich vereinbarter Klimaschutzziele, auch mit Blick auf grundrechtliche Freiheiten zu lebenswerten Bedingungen gelingen kann. Die praktische Lösung des globalen Klimaschutzproblems ist insofern maßgeblich auf das wechselseitige Vertrauen in den Realisierungswillen der anderen angewiesen.

Eine anderer, untergeordneter Aspekt kommt mir auch häufig zu kurz: Selbst wenn nicht alle mitziehen, hilft es ungemein, je schneller und je mehr Emissionen vermieden werden. Die Reduktion der eigenen Emissionen hat daher immer Sinn (da und soweit sie nicht selbst zu ebenso viel oder höheren Mehremissionen in anderen Staaten führt, wofür der Nachweis mW in den bisherigen Diskussionen nie erbracht wird - die allg. Verlagerung von Industrie ist dafür zu unkonkret). Die Trittbrettfahrerproblematik wird damit natürlich nicht gelöst, aber dafür s.o.

Edit, 25.7.: Link ergänzt.

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Hier sind ein paar klarere Quellen (Our World in Data):

  • Die Strommenge aus Kohle war 2021 5.328 Twh und 2023 5.741 Twh. Da komme ich auf jährliche Wachstumsraten von ca. 3,5% was ich Angesicht der historischen Entwicklung Chinas als „wenig“ einordnen würde.
  • Der Anteil der Stromproduktion aus Kohle sinkt seit 2007 ziemlich konstant von einem Hoch von knapp 81% auf 60,7% im Jahr 2023. Da erheblich mehr EE als Kohlekraftwerke netto zugebaut werden sollte sich dieser Trend weiter fortsetzen.

Das globale Wirtschaftssystem funktioniert so, dass jegliche verfügbare Ressource, ob menschlich, tierisch, pflanzlich oder mineralisch, maximal möglich ausgenutzt wird. Dafür sorgt der Preismechanismus. Sobald eine verfügbare Ressource weniger genutzt wird sinkt ihr Preis, worüber sich irgendwo auf der Welt immer irgendjemand freut.

Das ist übersimplifiziert. Erstmal besteht das „globale Wirtschaftssystem“ aus Menschen und Menschen tun nachweislich und ständig wirtschaftlich suboptimale Dinge weil sie für ein optimales Handeln nicht alle nötigen Informationen haben (können) und aus „menschlichen“ Gründen wie Moral, Vorurteilen, Gewohnheit, etc.

Zusätzlich wird der Preis einer Ressource maßgeblich über politische Rahmenbedingungen bestimmt. Es ist zum Beispiel deutlich billiger sein Abwasser in den nächsten Fluss zu kippen, als es im Klärwerk reinigen zu lassen. Aber inzwischen gibt es praktisch überall auf der Welt Gesetze gegen dieses „wirtschaftlich optimale“ verhalten.

Und dann gibt es – ganz wirtschaftstheoretisch – auch Einflüsse durch z.B. Skaleneffekte. Zum Beispiel ist es aktuell billiger ein Auto mit Verbrennungsmotor zu bauen als ein vergleichbares Auto mit E-Antrieb und Batterie (BEV). Dahinter steht aber ein komplexes System mit tausenden Wechselwirkungen – unter anderem ein extrem stark optimiertes Netz aus Zulieferern. Wenn der Marktanteil von BEV weiter steigt und damit im „System Verbrennungsmotor“ immer weniger Geld zur Verfügung steht dann wird es irgendwann eine Kettenreaktion geben in der die Kosten für die Herstellung eines Verbrennungsmotors sprunghaft steigen – weil das ausgeklügelte System zusammenbricht – und zwar ohne das die für die Produktion genutzten Ressourcen sich im Preis verändern. Das könnte man mit der zuerst schleichenden und dann sprunghaften Degradation eines Ökosystems vergleichen.

Zuletzt sind viele Ressourcen nur lokal nutzbar. Braunkohle zum Beispiel: wenn die nicht an Ort und Stelle verbrannt wird, dann kann man sie auch in der Erde lassen. Wasser ist davon ebenfalls betroffen. Man kann es entweder aus der lokalen Quelle direkt nutzen oder hat das Glück, dass die Topographie zwischen Quelle und Nutzungsort die Konstruktion eines Kanals erlaubt.

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Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber insbesondere China gegenüber hat es sich in der Vergangenheit als recht egal erwiesen, ob Deutschland da (bezüglich Menschensrechte, Handelsgleichheit o.ä.) irgendetwas „fordert“. Also selbst wenn Deutschland schon Co2 neutral wäre, würde Xi den Olaf wie nen Pudel durch den Rosengarten führen, aber das China sicherlich nicht bezüglich seiner Klimapolitik nudgen. Chinas grundlegendes Argument, dass es wegen der historischen Schuld der Industriestaaten hier ein freieres CO2 budget hat, würde sich dadurch ja nicht verändern. (Das Argument kann man selbstverständlich attackieren, du hast auch Recht, dass Deutschland „legitimer“ Forderungen stellen kann, ich denke halt nur nur, dass das irgendetwas in China ändern würde).

Nur um das was du gesagt hast zu sekundieren: In diesem Zusammenhang hat ja juicemedia (ich weiß ein quellengestützter, politischer Satirekanal und keine Nachrichtenseite) ja neulich auch mal herausgestellt, dass die Vereinbarung von Zielen (wie net zero 2050) eigentlich total Banane ist, weil es die kritische Phase des Ausstiegs aus der CO2 Emmission rund ne Dekade nach hinten kickt. Dadurch dass man nur ein Endziel (und keinen Weg) vereinbart, kann man jetzt im Grunde erstmal ne Dekade lang mit Net Zero 2050 werben und vorrechnen, wie man das mit zukünftiger Technologie lösen wird. Ein bisschen das, was jetzt hier in Deutschland mit der neu eingereichten Klimaklage bemängelt wurde. Der Öffentlichkeit wird durch derlei Klimaversprechen eine gewisse Sicherheit suggeriert („es wird ja was getan“), aber letztlich vermeiden derartige Zielvereinbarungen durchaus erstmal dass aktiv gehandelt werden muss. (https://youtu.be/1FqXTCvDLeo?feature=shared&t=131)

Das stimmt, sind aber halt wieder ganz andere Zahlen, als aus dem ersten link: Da gehen sie für 2021 in beiden Quellen von 5042 Twh aus Kohle aus und für für 2023 ~ 5900 Twh. Das suggeriert dann halt ganz andere Zuwachsraten. Hab jetzt keine richtige Lust und Qualifikation hier ne Quellenkritik zu betreiben, aber zumindest es scheint hier doch durchaus einigen Spielraum bei den Wachstumsraten zu geben.

Auch hier durchaus Spielraum bei den Zahlen, weil wir in deiner zweiten Quelle 2023 bei 60,7% Kohle im Strommix sind, was wird in dem wikipedia Artikel schon 2020 erreicht hatten. Also fraglos ist da eine Abwärtstendenz erkennbar, aber wie stark die zukünftig ausfallen wird, wird sicherlich maßgeblich davon abhängen, wie der Strombedarf steigt. Bis jetzt hat der Zubau von EE es ja noch nicht geschafft, dass der absolute Kohlebedarf sinkt.

Also wie gesagt, alles in allem kein echter Streitfall, ich finde nur, dass die verschiedenen Schätzungen da noch etwas zu weit streuen, als dass ich zu dem Schluss kommen würde, dass China da schon übern Berg ist. Da würde ich bspw. eine Trendumkehr bei der Netto-Kohleverfeuerung noch als entscheidenden Wendepunkt sehen, aber das kann jetzt selbstverständlich alles rapide schnell kommen. (Allerdings hat mich die Info in dem Wikipediaartikel stutzig gemacht, dass die Kohlekraftwerke von den Provinzregierungen als Konjunkturprojekte aufgelegt worden sind. Ich nehme zwar an, dass man in China da top down die Abschaltung verfügen kann, aber wenn die Provinzen da weiter eine Kohlestrom first Abnahme verordnen, um „ihre“ Kohlekraftwerke profitabel zu halten, dann wäre hier ggf. noch eine Bremse für das Sinken der Kohleverstromung zu sehen)