Klimapolitik, kritisch betrachtet

Was bei der Verteidigung der Strategie, dass der Markt das schon regeln wird, meiner Meinung nach immer wieder vergessen wird, ist, dass die Anzahl der CO2-Zertifikate nicht von Gottes Hand festgelegt wird. Will heißen, eine Partei wie die FDP müsste, wenn sie die Kontrolle hätte, die Zahl der Zertifikate stark limitieren, um einen merklichen Preisanstieg CO2-emittierender Produkte und damit (hoffentlich) eine starke Reduktion zu bewirken.
Ich persönlich bezweifle aber, dass die FDP das konsequent umsetzen oder - vielleicht noch schlimmer - nicht bestimmte Industrien von derartigen Abgaben befreien würde. Wir sehen ja im Moment schon, wie zögerlich eine von einer den Markt deregulierenden Partei geführte Regierung den CO2-Preis als Lenkinstrument verwendet. (Dass das von der SPD auch unterstützt oder zumindest gebilligt wird, soll nicht unerwähnt bleiben.

Und noch eine These zur Behauptung, dass der Markt selten Schuld ist und die falsche Regulierung die eigentliche Crux ist: Die Verhältnisse nach der industriellen Revolution vor allem in GB, aber auch in Europa und die jetzigen Verhältnisse in unregulierten Ländern wie Bangladesch, Kongo und vielen mehr, wo wir unsere Waren produzieren lassen, könnte uns m.M.n. eine Warnung sein.
Und zuletzt - und da lasse ich mich aber gerne eines anderen belehren - lässt mich die Privatisierung von Krankenhäusern, Pflegeheimen, der ganzen Gesundheitsbranche, aber auch von Beispielen wie privatisierten Autobahnteilstrecken wenig an die oftgenannte „unsichtbare Hand des Marktes“ glauben.

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Danke für Ihren tollen Kommentar. Sie haben es sehr schön beschrieben. Das zeigt übrigens warum die FDP niemals wieder mit der CDU eine Regierung bilden darf, denn genau das wollen die ja. Der Markt soll alles tun und hat quasi immer Recht. Die Menschen haben sich den Regeln des Marktes zu beugen oder wer hinten runterfällt hat es eben so verdient.

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Eben nicht. Das Argument von Stelter ist doch gerade, dass die Politik und damit auch er keine konkreten Lösungen vorgeben soll, sondern die Rahmenbedingungen setzt. Die FDP z.B. maßt sich eben nicht an, zu wissen was jetzt genau die richtige Technologie im richtigen Sektor ist, sondern will die Rahmenbedingungen so setzen, dass der Markt sich effizient selber die günstigsten Einsparungen sucht.

Ich glaube, die Kritik am CO2-Preis bzw am Klimakonzept der FDP ist nicht, dass es bei strikter Durchsetzung nicht effektiv wäre. Meine Kritikpunkte wären eher die folgenden:

  1. Die FDP hat sich bis jetzt als Gegenpart zu Grünen und Linken positioniert und deren Pläne unter anderem als zu teuer kritisiert. Ein Hauptargument ist immer wieder, dass sowohl die bereits existierende als auch die von links/grün geplante Versionen einer CO2-Steuer oder eines CO2-Preises viel zu teuer seien, dem Mittelstand schaden würden usw. Die typische plötzliche Sympathie für „den kleinen Mann“ im halben Jahr vor der Wahl.
    Was die FDP dabei aber geflissentlich ignoriert: Der von ihnen geplante CO2-Preis würde noch deutlich höher werden, insbesondere, da er als einzige Maßnahme gedacht ist, die also alles abdecken muss.
    Die Kritik der FDP ist daher entweder heuchlerisch, weil sie selbst vergleichbares plant, oder sie will am Ende gar nicht einen so knallharten CO2-Preis einführen, wie er notwendig wäre.

  2. Ein Konzept, dass ausschließlich auf CO2-Bepreisung setzt, ist unsozial.
    Grundsätzlich spricht ja erstmal nichts gegen einen (sehr) hohen CO2-Preis, „sollen die Unternehmen das halt zahlen :man_shrugging:“ Das Problem ist, dass an Arbeitnehmer und Arbeitssuchende so lediglich die Kosten des CO2-Preises in Form von steigenden Preisen weitergegeben werden, ohne dass für viele die Möglichkeit besteht, den eigenen individuellen Verbrauch problemlos sofort co2-frei zu gestalten. (Reminder: 90 Unternehmen emittieren 2/3 aller globalen Emissionen)
    Außerdem besteht das Risiko, dass Großkonzerne mit überproportional viel Kapital im Vergleich zu Kleinunternehmen und Selbstständigen, deutlich einfacher hohe CO2-Preise zahlen könnten. Es wäre für diese also möglich, sich freizukaufen, dadurch den Preis hochzutreiben und finanzschwächere Konkurrenz damit faktisch auszuschalten.

  3. Die Fokussierung der FDP auf den europäischen Emissionshandel ignoriert die Realität, dass dieser gegen Konservative, Rechte, Klimawandelleugner usw. durchgesetzt werden müsste. Das (meiner Meinung nach sinnvolle und notwendige) Ziel des gesamteuropäischen Emissionshandels für alle Emissionen ist also zumindest kurzfristig unrealistisch. Bis das auf EU-Ebene soweit ist, müssen nationale Maßnahmen ergriffen werden, wenn man die Ziele noch erreichen will

Die von liberaler Seite so oft als Einzelmaßnahmen kritisierten Ziele von grüner Seite versuchen genau diese Probleme zu minimieren: Die Basis ist nationaler und europaweiter Emissionshandel, aber + sozialer Ausgleich durch Energiegeld und geringere EEG-Umlage + Klimaverträglichkeitsprüfung für Staatsausgaben/Genehmigungsprozesse/Gesetzgebung + schnellere Energiewende/Kohleausstieg + Verkehrswende

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Und wenn die Leute ein Auto fahren und besitzen wollen? Der Markt trägt keine Schuld für die Nachfrage, er befriedigt sie nur.

5% der jetzigen Marktgröße ist nützlich? Definieren Sie nützlich!

Was Sie da zwischen den Zeilen fordern ist nichts anderes als eine Planwirtschaft. Die Politik legt fest, was sinnvoll ist und was nicht und die Menschen haben sich danach zu richten. Klimawandel hin oder her, in einer solchen Gesellschaft will ich nicht leben.

Schön, dass die Diskussion hier vom Klimathema hin zu einer eher theoretischen über freie (wobei z.T. wohl eher vollkommene Märkte gemeint sein dürften) abgedriftet ist. Aber der wesentliche Unterschied ist, dass vollkommene Märkte als wirtschaftswissenschaftliches, theoretisches Konstrukt die pareto-optimale Allokation der Ressourcen ermöglichen, eben nur in der Theorie existieren. Allein Informationsasymetrien oder die eben nicht homogenen Güter (bei Lebensmittelns schon gar nicht, aber auch bei Strom oder Gas, um näher am Thema zu bleiben gibt es inzwischen genug Differenzierungsmerkmale) sorgen in der Realität dafür, dass es vollkommene Märkte nicht gibt. Von daher bitte nicht behaupten, dass es in der Realität einen perfekten Markt im Sinne der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie gibt (am ehesten vermutlich noch Aktienmärkte, aber auch die bei weitem nicht).

Der freie Markt, wie wir ihn haben, versucht also nur dem theoretischen Gebilde möglichst Nah zu kommen. Leidet aber darunter, dass wir eben Menschen und keine 100% rationalen Wesen sind, die sich perfekt nach physikalischen Gesetzen verhalten und alles relevante Wissen benötigen etc. Der freie Markt ist zudem in unserem Wirtschaftssystem gekennzeichnet, dass von vornherein der Staat den Rahmen festgelegt hat und damit schon in den Markt eingegriffen hat (es somit gar kein perfekter Markt sein kann).

Von daher zurück zum Thema. Selbst die Zertifikate sind ein Eingriff in den Markt. Wenn er vollkommen wäre, dann würden ja alle rational handeln und es wäre kein Eingriff notwendig. Frei ist er aber immer noch, weil sich der Preis wieder nach Angebot und Nachfrage richtet usw. deshalb könnte er auch zu einem Kosten-effizienten Ergebnis führen. Das Problem ist aber nur, dass Kosteneffizienz nicht das einzige Bewertungskriterium ist. Die ökologische Treffsicherheit ist bei einer richtig gesetzten Menge an Zertifikaten auch gegeben (da mangelt aber auch der ETS dran oder hat zumindest in der Anfangsphase gelitten, weil die Menge nicht mal mit dem damaligen EU-Minderungsziel übereingestimmt hat). Bei der Frage nach einer dynamischen Anreizwirkung für den technologischen Fortschritt kann man sich schon anfangen zu streiten. Es besteht einfach die Gefahr, dass Sektoren, wo die Umrüstung zu teuer und die Zertifikate noch zu günstig sind den rechtzeitigen Wandel nicht einläuten und dann landen wir bei Lock-Ins, die wir aber vermeiden müssen, wenn wir das Ziel auch sicher erreichen wollen und am Ende noch (wie alle ja auch wollen) noch Schwerindustrie (als ein Beispiel) in Deutschland zu haben.

Kommt noch der Punkt der politischen Durchsetzbarkeit. Die FDP will eigentlich, dass das EU-ETS erweitert wird. Wenn man sich anschaut wie lange da alle bisherigen Reformen gedauert haben, dann kann man sich berechtigt fragen, ob das ein realistischer Weg ist unter dem noch zur Verfügung stehenden Zeitrahmen. Ich persönlich würde das als nicht realistisch einschätzen. Die Erweiterung des nationalen Handels wäre dann eine weitere Option, aber auch da wird die Maßnahme vermutlich aufgrund politischer Zwänge (Wirtschaft droht ins Ausland abzuwandern) dann sicherlich nicht optimal umgesetzt werden. Damit wäre dann aber auch dieses Instrument nicht geeignet, um die Klimaziele zu erreichen und erklärt eventuell auch wieso die FDP in den Bewertungen so schlecht abschneidet.

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En passant: Das ist die amüsanteste Apologie der spätkapitalistischen Konsumgesellschaft, die ich seit langem gelesen habe.

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Henne-Ei-Problem. Ich verstehe es so, dass der Staat eingreifen musste/wollte, weil der Markt es eben nicht zum Wohle Aller (im besten Fall so gemeint) regeln konnte.

Klar, wenn der Markt versagt, muss die Gesellschaft bzw. der Staat gesetzlich eingreifen. Und hier ist doch das Marktversagen beispielhaft gegeben. Wenn die Marktteilnehmer allesamt so schlau wären, ein paar Jahre vorauszudenken und daraus erkennen würden, das sie am eigenen Ast sägen, dann wäre es ein ehrlicher, funktionierender Markt. Wenn daraus aber nicht mehr als „freiwillige Selbstverpflichtung“ kommt, passiert gar nichts, weil diejenigen, die Erkenntnisse ignorieren oder selbstgegebene Regeln einfach unterlaufen, Wettbewerbsvorteile haben und die Übrigen nachziehen müssen, um nicht pleite zu gehen.

Doch. Oder zumindest weiss ich keinen Fall, dass ein extrem teures (durch Spekulation überteuert) aber lebensrettendes Medikament nicht von der Solidargemeinschaft bezahlt wird, eben weil sich eine Krankenkasse z.B. nicht vorwerfen lassen würde, einen Menschen sterben zu lassen weil die Behandlung zu teuer ist. Aber veilleicht täusche ich mich da und es gibt Grenzfälle.
Das Marktversagen sehe ich nicht in neuen Medikamenten, sondern eben in den absurd hohen Preisen, die durch riskante Firmenübernahmen wegen eines aussichtsreichen Medikaments begründet werden, was aber eben reine Spekulation ist.

Gut, vielleicht ist das nicht das beste Beispiel für Marktversagen.

Du hast recht, die Themen sind facettenreich und könnten ewig diskutiert werden. Man könnte sich einzelne mal gesondert als Thema vornehmen, um genauer hinsehen zu können.

Politik ist dazu da, die gemeinsamen Angelegenheiten zu regeln. Wenn man nicht gerade autark in einer Hütte im Wald wohnt, kann man (etwas plakativ gesprochen) keinen Pieps machen, ohne damit bereits auf die Menschen in der Umgebung einzuwirken. Ob der „Pieps“ erlaubt oder verboten ist, unerwünscht oder erstrebenswert, etc., das ist damit ein legitimes Objekt poltischer Entscheidungsfindung.

Zum Beispiel gewinnt momentan weltweit eine Bewegung an Fahrt, die in dicht bevölkerten Metropolen die Benutzung eines privaten PKW als unerwünschtes Verhalten betrachtet. Und mit guten Argumenten. Es gibt hier kein Naturrecht, keine gottgebene Schutzzone individuellen Handelns, sondern der Streit darüber, was sinnvoll ist und was nicht, das ist schlicht Kern des durch Politik organisierten gemeinsamen Entscheidens und Handelns.

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Hm, wie schlimm müsste die Klimakrise werden, damit du diese Position überdenkst?
So auf einer Skala von

„Es ist wärmer als vorher, aber eigentlich ganz nett“

bis zu

„Eine neue Völkerwanderung von Klimaflüchtlingen geht los, die Lebensmittelproduktion bricht um 20% ein, Malaria, Dengue und andere ‚tropische‘ Krankheiten breiten sich im dann wärmeren Mitteleuropa aus, …“

Das ist eine ernst gemeinte Frage, weil ich diese Fundamental-Opposition schon häufiger gehört habe, aber noch nie so recht verstehen konnte, wie man die liebgewordene Wirtschaftsform gegen jedes(!) Risiko als wichtiger empfindet.

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Das ist aber jetzt schon sehr überspitzt. Ethik und Moral sind eben auch „Güter“ die nachgefragt werden. Bio, FairTrade, Demeter etc. sind alles Bespiele dafür, dass auch auf ihrem „freien“ Markt Ethik und Moral vorhanden ist. Ich glaube Sie kritisieren eher den Kapitalismus.
Übrigens, wie jeder Ökonomie-Studierende im 1 Semester lernen sollte, lautet der zweite Satz der Wohlfahrtsökonomie: (der Einfachheit hier Wikipedia)
"Unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen kann jede Pareto-optimale Allokation als Wettbewerbsgleichgewicht realisiert werden, das heißt, es gibt Anfangsausstattungen und Preise, die garantieren, dass gegeben eine Pareto-optimale Allokation alle Haushalte ihren Nutzen und alle Unternehmen ihren Gewinn maximieren und alle Pläne kompatibel sind.

Hiernach lassen sich die beiden Kardinalfragen der Volkswirtschaftslehre, nämlich Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit, voneinander trennen: Um dasjenige Pareto-Optimum zu erreichen, das gerecht erscheint, braucht man nicht die Marktwirtschaft abzuschaffen, sondern es genügt, die Anfangsausstattungen der Marktteilnehmer anzupassen."

Heißt: Man kann politisch jedes gewünschte Pareto-Optimale Gleichgewicht herstellen ohne dabei Effizienzverluste hinzunehmen. Das ist jetzt alles theoretisches Gefasel, aber es soll dafür sensibilisieren was Effizienz ökonomisch überhaupt bedeutet.

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Teil I oder die einfachen Fälle:

Ich finde die Zusammenstellung gar nicht wild, sondern hervorragend, um zu zeigen, dass marktliche Steuerungsinstrumente gerade nicht (allein) Ursache für unerwünschte Ergebnisse ist. :blush: Zunächst aber nochmal ein zwei Sätze dazu was Märkte sind, und was sie gut können.

Märkte sind Sets von Regeln zum Austausch von Eigentumsrechten dabei wird der Austausch dieser Eigentumsrechte über eine freie Preisbildung gesteuert. Dies führt dazu, dass die knappen Ressourcen dort verwendet werden, wo sie den größten Nutzen stiften, was (zumindest in einem ulitaristischen Sinne) das Gemeinwohl fördert, und zwar unter Verwendung möglichst weniger Ressourcen.

Aber nun zu den Beispielen (auch wenn InDubioProReo schon den ein oder anderen Punkt gemacht hat):

Luftfahrt:

Die Lufthansa ist als Staatsunternehmen nach dem Krieg wieder gegründet worden und war noch bis Mitte der 90er mehrheitlich im Staatsbesitz. Die Lufthansa ist nur ein Beispiel. Viele Fluggesellschaften sind in Staatbesitz (gewesen).

Bevorzugung bei der Treibstoffbesteuerung. So war nach dem Energiesteuergesetz 2006 Kerosin steuerfrei. Mittlerweile gibt es zwar eine Luftverkehrssteuer und ist der Luftverkehr in den europäischen Emissionshandel eingebunden. Übersteigen aber die daraus resultierenden Kosten einen bestimmten Wert, wird nach der [Verordnung zur Absenkung der Steuersätze im Jahr 2020 die Luftverkehrssteuer entsprechend gesenkt.

Die meisten deutschen Flughäfen sind nicht nur in staatlichen (Teil)Besitz, sondern Bau und Betrieb wird erheblich subventioniert. (z.B. hier oder hier)

Fazit Flugverkehr: Durch staatliche (also politische) Intervention aufgebläht.

Verkehr insbesondere Auto:

Ähnlich wie Luftverkehr nur umso viel umfangreicher, dass man gar nicht weiß wo man anfangen soll.

Staatlich und vor allem für die Nutzung kostenfrei bereitgestellte Straßen und Autobahnen, führen natürlich dazu, dass es zu einer Übernutzung kommt. Die Politik wollte, dass kein Deutscher mehr als 20 Kilometer von einer Autobahnauffahrt entfernt leben soll (Verkehrsminister Leber 1966).

Die staatliche Pamperung der Automobilhersteller ist kaum aufzuzählen und reicht von eher sinnfreien Subventionen für den Verkauf („Abwrackprämie“, E-Auto- und Hybridzuschüsse) über lasche Schadstoffemissionswerte, die dann nicht einmal durchgesetzt werden (hier ist der Podcast „Winterkorn und seine Ingenieure“ (u.a. ARD-Audiothek) sehr erhellend (gab es wohl auch als TV-Beitrag, habe ich aber nicht gesehen)) und Limitierung der Parkgebühren die Kommunen nehmen dürfen (etwa 30€/Jahr für Anwohnerparken bis 2020 ) bis hin zur mangelnde Kosteninternalisierung z.B. durch fehlende Definition von Eigentumsrechten an CO2-Senken sowie Staatbeteiligungen an Autokonzernen bzw. Sonderrecht für staatliche Anteilseigner (VW).

Fazit (Individual)verkehr: Die Dominanz des Autos ist staatlich gefördert und politisch gewollt (gewesen)

Externalisierung von Kosten insb. Umweltkosten:

Umweltkosten und Umweltschäden werden gerne als Beispiel für Marktversagen genommen, zeigen aber das Regulierungsversagen und Staatsversagen. Solange keine Eigentumsrechte an der oder Preise für die Nutzung von Umweltleistungen definiert werden, kann es natürlich auch nicht in einem marktlichen, durch Preise gesteuerten System zum Tausch von Eigentumsrechten berücksichtigt werden. Damit kann eben auch nicht das greifen was in marktlichen Prozessen gut funktioniert, Ressourcen sparen (oder larmoyant: Kosten senken). So lange die Nutzung von CO2-Senken nicht in die Marktsysteme integriert wurde, können Märkte auch nicht die knappheitsgerechte Nutzung der CO2 senken steuern.

Eigentumsrechte werden aber gesellschaftlich, staatlich bzw. politisch definiert.

Fazit Umweltschäden: Nichtberücksichtigung der Umweltkosten (Externalitäten) ist den Rahmensetzungen durch die Gesetzgeber geschuldet

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Teil II oder die etwas schwierigeren Fälle:

Immobilienmärkte:

Immobilienmärkte sind auf die unterschiedlichsten Arten durch staatliche Eingriffe gekennzeichnet. Bauland wird in begrenzter Menge ausgewiesen (Angebot knapp gehalten), Mietenwachstum begrenzt, was den Anreiz zum Bau mindern kann, Kredite durch Zentralbankpolitik (staatliche Institution) künstlich verbilligt und damit die Nachfrage angekurbelt, diverse Bauvorschriften treiben die Preise, Subventionen für Käufer und Bauherren erhöhen die Nachfrage usw.

Preise sollen Knappheitsrelationen widerspiegeln und dann Angebot (einschl. Ressourcen Nutzung) und Nachfrage lenken. Verschieben sich die Knappheitsverhältnisse, so ändern sich auch die Preise. Bei knapper werdenden Gütern sollen die Preise steigen, weil das zum einen dazu , dass es sich lohnt das Angebot auszuweiten (mehr zu bauen) und zum anderen Nachfrage zurückdrängt (in kleinere Wohnung ziehen). Solange aber die Ausweitung des Angebots durch Beschränkung der Baulandausweisung staatlicherseits (warum auch immer) beschränkt bleibt ist bei steigender Nachfrage durch Niedrigzins und zunehmender Nachfrage (Wohnfläche pro Kopf und Haushalt steigt seit Jahrzehnten) nicht damit zu rechnen, dass es eine Preisumkehr gibt.

Was genau meinst Du mit Spekulation? Laut Duden ist Spekulation im ökonomischen Kontext eine „Geschäftstätigkeit, die auf Gewinne aus zukünftigen Veränderungen der Preise abzielt“. Wo ist das konkrete Problem?

Fazit Immomarkt: Als Bestandsmarkt mit wenig elastischen Angebot unterliegen Immobilen Preiszyklen, aber der derzeitige Anstieg ist wohl eher der EZB- Politik (staatliche Institution) und knappen Bauland (staatlich beschränkt) geschuldet.

Landwirtschaft:

Komplettversagen finde ich doch ein wenig harsch, ob der Tatsache, dass die Marktkräfte ab dem 18. Jahrhundert es geschafft haben, eine Produktivitätsrevolution zu entfesseln, die es ermöglicht, dass ein deutlich größerer Teil der deutlich gewachsen Menschheit ohne Sorge vor Hunger leben kann und dass bei einem weitaus geringeren Anteil an Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten (müssen).

Da Komplettversagen nicht nur harsch, sondern auch wenig konkret ist, hier noch ein, zwei weitere wenig konkrete Einwände: Natürlich ist der Agrar“markt“ der letzten Jahrzehnte (und wahrscheinlich auch noch weit davor) Spielball massivster Staatseingriffe und ihrer Änderungen. Da gab es staatliche Garantiepreise mit resultierenden Milchseen und Butterbergen, Mengenvorgaben, Exportzuschüsse und Subventionen aller Art, vergünstigter Agrardiesel, Zuschüsse zu allem was der Bauer so brauch Schlepper, Ställe oder Getreide-Hackmaschinen mit Parallelogrammverschieberahmen und vollelektronischer Kameralenkung (guckst Du hier). Wenn es einen Markt gibt der nix mit Markt zu tun hat, dann ist es der Agrar“markt“.

Fazit Landwirtschaft: Da wird fast alles politisch gesteuert.

Lebensmittel:

Hier muss ich InDubioProReo beipflichten. Freiheit ist halt ein forderndes Konzept. Wo wolltest Du denn mit Deiner staatlichen Regulierung aufhören? Auch vegane in der Region selbstgeklöppelte Bio-Nudeln schaden mir, wenn ich es in Unmengen oder ausschließlich esse. Kommt dann irgendwann die Ernährungsberatung unaufgefordert vorbei? Oder liefert der staatliche Lebensmittelbus, dass was ich essen soll (aber nicht will)? So lange ich mit meinen Entscheidungen nur mir selbst schade und keinen anderen ist doch alles gut.

Fazit Lebensmittel: keins

Pharmaindustrie:

Der Pharmabereich ist wieder ein sehr schönes Beispiel. Zum einen wissen wir alle seit der Pandemie, dass der Pharma- und Medizinbereich hochgradig reguliert ist, da gibt es Zulassungsbestimmung, Empfehlungen zur Impfung, Nutzenbewertungen, teilweise staatliche Beschaffung usw. Da ich mich mit den Details noch weniger auskenne als in den anderen Märkten zwei Punkte und ein Hören-Sagen-Bericht.

Der Pharmabereich ist ein sehr gutes Beispiel, wie es mit marktlichen Prozessen gelingt, ehemals teure Güter erschwinglich zumachen. In dem Bereich, wo nämlich der Patenschutz nicht mehr greift und die jeweiligen Produkte massentauglich sind, führen Generika und der daraus resultierende Wettbewerb zu sehr günstigen Preisen.

Was den zweiten Punkt anteasert: Patente. Solange der Patentschutz gilt, hat der Anbieter tatsächlich eine relativ hohe Preissetzungsmacht. Auf Grund des Patentes gibt es keine anderen Anbieter die einen Preiswettbewerb anstoßen könnten und im Gesundheitsbereich reagiert die Nachfrage unelastisch so dass der gewinnmaximierende Preis hoch sein wird.

Warum schafft man die Patente nicht ab? Wahrscheinlich wegen guter Lobbyarbeit (also politisch gewollt). Nein, ernsthaft, es gibt natürlich auch ökonomische Argumente für einen Patenschutz: Innovationsanreiz. Patente dienen vor allem als Schutz vor schneller Nachahmung und sind ein bewusster Ausschluss des typischen marktlichen Preisbildungsprozesses. Die daraus resultierenden temporären Monopolgewinne sollen Anreize setzen, um überhaupt in Forschung, Entwicklung und Innovation zu investieren (natürlich gilt die Logik nicht nur im Pharmabereich) bzw. ermöglichen die entsprechenden Kosten einzuspielen. Hier wäre im marktlichen Rahmen die Abwägung zwischen statischer Effizienz (günstigere Medikamente heute) und dynamischer Effizienz (bessere und neue Medikament morgen) zu treffen. Das ist in der Tat nicht unproblematisch. Je mehr man auf besser Verfügbarkeit heute (Verkürzung der Patentlaufzeit, Preisregulierung) setzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit das man Fortschritte in der medizinischen Entwicklung erzielt.

Nun zum Hören-Sagen. Ein ehemaliger Kollege von mir (lange her) arbeitet in führender Position bei einem seeehr großen Pharmakonzern. Zu einem bestimmten Zeitpunkt war er für die Marktbeobachtung und -analyse zuständig. In der Zeit hat er berichtet, dass es sich bei seinem Job vor allem um die Setzung des richtigen Markteintrittspreises geht. Dieser kann sich von Land zu Land erheblich unterscheiden, selbst bei europäischen Nachbarländern um den Faktor zwei, drei oder vier. Wohlgemerkt, für das gleich Medikament bei geltenden Patentschutz. Treiber dieser Unterschiede sind laut seiner Aussage neben Marktbedingungen (z,B. Konkurrenten, Vertriebswege) die unterschiedlichen Regulierungen. Was mich zu dem Ausgangspunkt bringt: der Bereich ist schon hochgradig reguliert.

Fazit Pharma: Weniger ein Marktproblem an sich, sondern die Abwägung von zwei konkurrierenden Zielen (statisch vs. Dynamisch), aber eigentlich ist mir das Thema zu schwierig

Ausgeglichene Löhne:

Mir ist da auch wieder, trotz Deiner Präzisierung, nicht ganz klar was Du meinst. Es geht offensichtlich nicht um die allgemein Lohnverteilung. Wer bekommt aber bei ähnlicher Tätigkeit unterschiedliche Löhne? Und wenn es die gleiche Tätigkeit ist, warum wechselt man dann nicht Job? Ist wirkliche alles berücksichtigt? Der Nutzen aus einem Job besteht ja nicht nur im Lohn, wie sind die Arbeitsbedingungen? Kann ich mobil arbeiten bzw. meine Zeit flexible einteilen? Stinkt es mehr oder weniger usw.? Unterschiede in diesem Gesamtnutzen sollten man dann einfach mit einem Arbeitgeberwechsel lösen. Und mittlerweile sind in vielen Segmenten die Arbeitnehmer am längeren Hebel. Und das wird Dank Demographie noch krasser.

Aber auch bei solchen Ausgleichsprozessen sollte man nicht erwarten, dass irgendwann alles gleich ist. Denn Märkte, Wirtschaft ist immer in Bewegung. Was gestern noch neu und State of the Art war kann morgen schon obsolet und veraltet sein, so dass einst gut bezahlte Tätigkeiten nur noch niedrige Einkommen erbringen. Deswegen ist eine Situation in der die gleiche Tätigkeit über alle Betriebe hinweg gleich bezahlt wird nicht erstrebenswert, da es stillstand bedeuten würde.

Oder meinst Du den Gender Pay Gap? Der liegt ja bereinigt noch um 5%. Das ist natürlich ein Rätsel. Wobei bei der statistischen Bereinigung wahrscheinlich nicht alle relevanten Faktoren berücksichtigt, weil es keine Daten gibt. Vielleicht unterscheidet sich auch die Bewertung der verschiedenen Merkmale der jobs z.B. auf Grund der der Arbeitsteilung in einer Partnerschaft usw.

Fazit Löhne: mir ist nicht klar was gemeint war

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Teil III oder etwas Sermon:

Fazit der Fazite:

Zunächst muss ich erstmal einräume, dass meine Kritik Deiner Kritik teilweise wohlfeil war. Da Märkte von Menschen geschaffene Institutionen bestehend aus staatlich oder gesellschaftlich gesetzten Sets von Regeln sind, lässt sich letztlich jedes nicht erwünschte Marktergebnis auf staatliches Handeln zurückführen. Da aber Märkte eben das Ergebnis gesellschaftlicher und staatlicher Regelsetzung sind geht es gar nicht darum, ob es staatliche Regeln gibt oder nicht, ja meist gar nicht mal ob es eher starke oder weniger starke Eingriffes sind, sondern darum ob es eher gute oder eher schlechte Regeln sind (und wem sie nutzen). Zudem sind pauschale Urteile wie Markt = Scheiße oder Markt = Super wenig hilfreich, es gilt jeden einzelnen Markt anzuschauen und zu prüfen, wie ist das Ergebnis, wie sind die Regeln, wer hat die Regeln wieso wie gestaltet. Welche Effekte können Regeländerungen neben den beabsichtigten haben?

Anders formuliert: Es geht um cleveres market design.

Und um es angesichts der mittlerweile frei geschalteten Kommentare noch mal zu wiederholen: Es gibt keine freien Märkte im Sinne, dass es keine Regel gibt. Es gibt nur Märkte mit weniger oder mehr Regeln, mit guten und weniger guten Regeln. In letzteren Falle lenken sie den Egoismus, die Gier oder was auch immer der Menschen so, dass sie zum Wohle aller beitragen. Tut Euch den gefallen und lauft nicht dem Popanz der pauschl bösen freien Märkte nach, nur weil die tatsächlichen Probleme und Lösungen komplexer sind als einem lieb ist.

Letztlich bleibt aber die Aufgabe, die diversen und konkurrierenden Bedürfnisse und Wünsche der Menschen mit knappen Ressourcen in einer komplexen arbeitsteiligen Welt möglichst gut und kooperativ zu befriedigen. Mir fällt da für die meisten Sachverhalte kein besseres Instrument als die dezentrale marktliche Steuerung ein. Ich stehe immer noch und immer wieder staunend vor der, und hier passt das Wort, Magie der dezentralen marktlichen Koordination, die Bäcker, Müller, Bauer, Landmaschinenhändler- und bauer, Stahlwerker, LKW-Fahrer, Tiefbauer, Bergleute, Lokführer und viele mehr in den verschiedensten Gegenden und zu den unterschiedlichsten Zeiten dazu bringt für mein Wohl zusammenzuarbeiten, wenn ich 70 Cent für ein Brötchen über die Theke meines örtlichen Brötchenproduzenten schiebe.

Daher bin ich der festen Überzeugung, dass es für das Allgemeinwohl (wie auch immer das definiert sein mag) deutlich besser ist, wenn man diese Dinge der Koordination durch dezentrale marktliche Strukturen anvertraut, als bürokratisch-technischen Apparaten, in denen Leute wie ich arbeiten. Wir haben nämlich keine Ahnung was Deine Bedürfnisse und Wünsche sind, geschweige wie man sie befriedigt bekommt und wen oder was man alles dafür koordinieren muss. Und das gilt eben auch für den sinnvollen Einsatz der knappen Ressource CO2-Senke.

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Ja, mit dem Argument hätte man das FCKW auch nicht verbieten dürfen (Montreal-Protokoll), wegen Planwirtschaft. Ozonloch hin oder her.

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Weil es eine Illusion ist, dass wir mit der Planwirtschaft die Ziele erreichen würden. Aber um das Experiment zu wagen, würden wir vorab unsere Freiheit und unseren Wohlstand aufgeben. Es kann nur mit Kapitalismus und Wachstum gehen. De-growth und Ähnliches sind einfach keine Option.

Ich bin für Marktwirtschaft.
Mir wurde noch die „soziale Marktwirtschaft“ in der Schule näher gebracht.
Was ich hier skizziert habe ist der, von der FDP propagierte, ungebremste „freie Markt“ der alles regelt wenn man ihn nur machen lässt.
Wie es der Podcast im 1. Beitrag uns näher bringe sollte, dass der „freie Markt“ das Allheilmittel ist, ist es eben nicht.

Nur das die FDP keinen „ungebremsten, freien Markt“ propagiert. Das müssen Sie an einem Zitat oder mit einer Quelle belegen.

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Genau das!

Das denke ich auch, einverstanden.

In manchen Punkten hast du mit deiner Kritik wohl recht, und ich bin auch nicht glücklich mit meinem zu schnell hingeschriebenen Beitrag. Wir argumentieren z.T. schon auch auf untereschiedlichen Ebenen, aber egal.

Die Verquickung von staatlichem Versagen (schlechte Regeln) und Marktversagen (schnelle Gewinne anstatt nachhaltiger Gewinne) ist unauflösbar, insofern ist Marktversagen als solches gar nicht mehr zu isolieren. Das Vertrauen auf die Kräfte des Marktes z.B. zur Lösung der Klimafrage halte ich für naiv oder eben knallhart klientelorientiert bzw. gruppenegoistisch in einem quasi kolonialen Geist (FDP).

Ich wäre ja für den radikal ehrlichen freien Markt, der halt gute staatliche Regeln bräuchte. Wären z.B. die besagten externalisierten Kosten wirklich eingepreist, würde die nun so aus dem Ruder laufende Globalisierung ganz anders aussehen. Lange Transportwege von relativ billigen Gütern mit hohem Frachtvolumen (Soja, Fleisch, Holz) würde sich nicht mehr lohnen. Dezentrale Produktionsstätten überall auf der Welt wären wieder rentabel und würden das globale Wohlstandsgefälle mildern. Der Trend zur Monopolisierung wäre gebremst, weil lokale Märkte eben auch in sog. Entwicklungsländern wieder Luft unter die Flügel bekämen. Maschinenbau z.B. könnte an jedem Ort der Welt betrieben werden. Das Wissen ist überall verfügbar. Nur wenn es so billig ist, die Maschinen aus den Industrieländern zu importieren, erstickt jeder gute Ansatz. (Und wenn die FDP die besten Leute abwirbt …)

Aber zu deinen Kommtentaren als solche: Respekt!

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Ich sehe das auch so, dass Rohstoffe oder Waren nicht um die ganze Welt transportiert werden sollten. Leider wird man das mit einem CO2-Preis kaum hinbekommen. Habe erst vor ein paar Tagen berechnet, wie groß der Footprint z.B. für Stahl ist bzw. wie hoch der Anteil davon durch 10.000 km Seetransport des Roheisens. Der liegt unter 10%. Da bräuchte es also noch andere Mechanismen.

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