Kleinparteien als Sonstige im Parlament

Wenn ich mich nicht irre, gibt es von Wahl zu Wahl mehr Stimmenanteile bei Kleinparteien, womit der Anteil derer wächst, die ihre Wahlentscheidung nicht wirklich verwirklicht sehen können… diese ganze Diskussion um taktisches wählen halt.

Gibt es Bemühungen, diese Gruppe der sonstigen irgendwie doch mit ins Parlament einzubringen?

Es werden zur Bundestagswahl immerhin so zwischen 10 und 15 Prozent sein, die zwar gewählt haben, aber mit ihrer Stimme keine Regierungsbildung beeinflussen konnten. Das sind viele Menschen, die quasi ignoriert werden. Und das, obwohl Politikverdrossenheit mir sogar auf Anhieb mit autocorrect gelingt, ohne es vorher geschrieben zu haben- es muss also bereits ein bekanntes Phänomen sein.

Meine Idee wäre diesbezüglich, das Wahlrecht nochmal etwas zu reformieren.
Ausgehend von den 630 hinsichtlich ihrer Anzahl fixen Plätzen könnte man einen Teil dieser Sitze auch den sonstigen zukommen lassen, halt gemessen an Zweitstimmenanteil.
Das könnte ich mir so vorstellen.

Entweder eine feste Anzahl an Kleinparteien, z.B. analog zu der Anzahl der Parteien im Parlament…
Oder zB. Frei nach Pareto 80% der „gescheiterten“ Stimmen…
Bilden eine „Koalition der sonstigen“.

Die könnten zum Beispiel hinsichtlich ihrer parlamentarischen Arbeit etwas eingeschränkt werden, also z.B. keine Redezeit beanspruchen dürfen. Vielleicht sollten die Plätze auch nur virtuell belegt und physisch frei bleiben.

Die Arbeit dieser Koalition könnte und sollte auch irgendwie reguliert werden.

Naja. Darüber habe ich jedenfalls gerade nachgedacht und ich würde mich über Inspirationen zu diesem Thema freuen. Vielleicht gibt es ja sogar schon ausgearbeitete Konzepte dazu.

Ich glaube, dass eine Einbindung der sonstigen, wie auch immer geartet, die Hemmschwelle zur Wahl zu gehen, die ja vorhanden zu sein scheint, reduziert wird.

Und weiter glaube ich, dass jedes bisschen Teilhabe und Wirksamkeit enorm wertvoll ist.

Tatsächlich gehen die Umfrageinstitute davon aus, dass die sonstigen dieses Mal sogar zurück gehen können. Mehr wissen wir wohl Sonntag Abend.
Vermutet wird, dass es daran liegt, dass damit der AFD Anteile weggenommen werden sollen. Aber auch das werden erst die Nachwahlbefragungen beantworten.

Was den Bundestag kleiner macht hat meine Zustimmung. Aber würde ja an der Zusammensetzung nichts ändern. Und die Bundestagsparteien würden argumentieren, dass es diese Zahl der Vertreter braucht, um arbeiten zu können.

wäre nicht mehr als symbolisch. Die Meinungen dieser Koalition gehen ja weit auseinander.
Es wäre aber eine Idee, den Kleinstparteien ein Podium im Bundestag zu bieten. Man könnte zum Beispiel rollierend 6 gelosten Parteien 5 Minuten zuweisen, die ihnen nach der Pressekonferenz zur Verfügung stehen, um ihre Sicht zur letzten Sitzungswoche beizusteuern.
Der Bundestag sollte durchaus in die Pflicht genommen werden, den sonstigen Parteien mehr Sichtbarkeit zu ermöglichen.

Es ist ja gerade Sinn der 5%-Hürde, dass die Vielstimmigkeit im Parlament nicht zu groß wird. Außerdem eint die „Sonstigen“ inhaltlich vermutlich wenig, da wären ja dann z.B. Freie Wähler und Volt drin, und die haben meines Wissens nicht so viele Überschneidungen, dass man da eine „Koalition“ bilden könnte.

Was aber sinnvoll wäre, ist IMHO das Vergeben einer Ersatzstimme. Wenn ich also eigentlich Freie Wähler Fan Boy bin kann ich die wählen, aber mit Ersatzstimme CDU. Wenn die FW dann nicht reinkommen, dann wird die Stimme für die Union gezählt und ist nicht verloren. Analog geht das natürlich auch mit anderen Kombinationen.

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Außerdem könnten durch Ersatzstimme + 5%-Hürde flexibler große neue Meinungsströmungen im Bundestag abgebildet werden, ohne dass die Regierbarkeit durch eine Zersplitterung der Parteien wie in der Weimarer Republik gegeben wäre.

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Ich habe zu dieser Wahl erstmal eine mehr oder minder hitzige Diskussion mit meiner Frau um meine Wahlentscheidung geführt.
Ich habe bereits per Briefwahl meine Stimme an die Partei gegeben. Wie schon zu jeder Wahl, seit ich das erste mal zur Europawahl 2013 wählen durfte.
Seit dem bin ich unzufrieden mit dem Parteienspektrum (der nennenswert großen Parteien), weshalb ich mich immer für meine Form der Protestwahl entschiedenen habe. Ich sehe mich als klaren Antifaschisten, sehe die Gefahren des Klimawandels und die sich verschärfenden Weltpolitischen Spannungen. Das schließt sämtliche Parteien rechts der SPD aus.
Nichtsdestotrotz habe ich meine Gründe keine SPD, Grüne, Linke zu Wählen. Volt wäre ggf noch am ehesten eine Überlegung wert.
Aber ich habe mich wiedermal für die Partei entschieden - wohlwissend, dass ich damit meine Stimme an eine Partei gegeben habe, die nahezu keine Chancen hat in den Bundestag zu ziehen. Leider nehme ich der AfD damit keine Stimmen ab. Leider wird mein Protest damit nur unter sonstige geführt und „stört nicht weiter“.
Dennoch war es für mich immer die bessere Option als gar nicht zu wählen oder den Wahlschein üngültig zu machen. Es war meine Art dem Parteiensystem zu zeigen, dass ich lieber einer Satirepartei meine Stimme gebe, als dem was „Ihr“ anbietet.

Meine Frau hingegen war eher der Meinung dass das höchte Ziel sein sollte die AfD klein zu halten. Das Thema taktisch wählen wurde hier zu genüge diskutiert. Aber nein, ich möchte voll hinter meiner Entscheidung stehen können und nicht den nächstbesten Kompromiss eingehen müssen.
Ich würde mir wünschen, dass Politiker und Politikerinnen irgendwann überlegen, warum 1,x % der Wählenden lieber die Partei wählen, als vergleichbare linke und relevante Patienten.

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Ich finde die Idee einer Ersatzstimme super interessant. Es würde, das das Risiko eines Bedeutungsverlusts der eigenen Stimme nicht mehr droht, bisherige Kleinparteien im medialen Wettbewerb wichtiger machen - insbesondere müssten sich die bereits gefestigten Parteien mit ihnen auseinandersetzen, um nicht Stimmen an sie zu verlieren.

Problematisch ist der Akt des Auszählens. Eine der großen Stärken unseres Wahlsystems mMn ist die vergleichsweise große Nachvollziehbarkeit und Kontrollierbarkeit. Jeder kann in ein Wahlbüro gehen und dort von der Kontrolle, dass die Urne leer ist, bis zur Bekanntgabe des dortigen Ergebnisses, alles beobachten. Schon jetzt ist das Auszählen nach Erst- und Zweitstimme durchaus langwierig und kann ggf. bis spät in die Nacht gehen.

Wenn nun zukünftig noch die Zweitstimmen erst nach Bekanntgabe des amtlichen Zwischenendergebnisses (wenn feststeht, welche Parteien bei erster Zählung die 5% verpassen, inklusive der drei Direktmandate) erneut sortiert und gezählt werden müssen, dann ist schwer vorzustellen, wie auch das kontrollierbar und nachvollziehbar erledigt werden kann.

Womöglich gibt es dafür Lösungsansätze. Die fände ich interessant.

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Eine noble Entscheidung. Ich möchte allerdings zu bedenken geben, dass genau diese Einstellung mit zur Wahl von Donald Trump geführt hat, weil Kamala Harris für viele nicht wählbar erschien. Das Ergebnis ist bekannt…

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Ich finde es wichtig, unsere persönlichen Beziehungen auch dann zu schützen, wenn wir uns in politischen Fragen uneinig sind. Gerade in den kommenden Zeiten werden unsere sozialen Netzwerke, Familie, Freunde, Nachbarn immer wichtiger. Bildet Banden! Haltet zusammen. Lasst niemanden allein. Vor allem diejenigen nicht, die sich selbst nicht wehren können.
Auch oder besonders unsere Handlungen in unserem Nahbereich bewirken viel mehr, als wir denken. Übrigens kann man auf lokaler Ebene sogar politisch einiges bewirken.

Ich halte es für unklug, auf diese Weise Protest zu wählen, denn du wirst dich niemals bei einer Partei 100 % wiederfinden. Gleichzeitig ist eine solche Stimme nicht wert, darüber zu sehr zu streiten. Es ist dein gutes demokratisches Recht.

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Ich sehe den Punkt, dass das Auszählen (und das Wahlrecht) komplizierter würde, gerade auch wenn man bedenkt, dass die Landesebene ggf. auch noch eine Rolle spielt, weil z.B. nicht alle Parteien in allen Ländern antreten.

Ich glaube aber, dass das lösbare Probleme sind. Und ganz ehrlich: wenn es eine Ersatzstimme gäbe könnte ich auch damit leben, wenn es zwei Tage länger dauern würde bis das Endergebnis fest steht.

Das größte Hindernis sehe ich aber in folgendem: die Änderung im Wahlgesetz müsste von „etablierten“ Parteien im Parlament beschlossen werden und die haben nachvollziehbarerweise ein Interesse daran, die Konkurrenz durch kleine Parteien so gering wie möglich zu halten. Sie wollen auch in Zukunft sagen können: „Auch wenn du nur zu 70% mit uns übereinstimmst, verschwende deine Stimme nicht an eine Nischenpartei.“ Bzw. müssen sie es nicht mal explizit sagen, weil bei vielen Wähler:innen diese Überlegung ja implizit abläuft. Wenn man aber, dank Ersatzstimme, zum Ausdruck bringen könnte, welche Partei man ungeachtet taktischer Überlegungen favorisiert, dann könnte das spürbare Verschiebungen im Parteiengefüge bringen. Vielleicht wären dann auf einmal die Freien Wähler ähnlich stark, wie die Union :grimacing:.

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Es ist nicht so wahnsinnig kompliziert. Es können einfach sofort alle Stimmen gezählt werden. Es gibt eben effektiv mehr mögliche Stimmabgaben, zum Beispiel „Tierschutzpartei → Die Grünen“. Man sortiert zunächst die Stimmzettel nach Erst-Präferenz, kann die Ergebnisse durchgeben, zählt dann für jeden Stapel die jeweiligen Ersatzstimmen aus.

Es ist zusätzlicher Aufwand. Wenn man den Aufwand klein halten will, schlage ich vor, gleichzeitig mit der Einführung der Ersatzstimme die Erststimme abzuschaffen, dann gewinnt man die Zeit auch wieder zurück.

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