Kita "förderung" in München / Ausschluss kommerzieller Anbieter

In München bahnt sich gerade eine spannende Situation an:

Die rot-grüne Mehrheit im Stadtrat hat am 6. Februar ein neues „Fördermodell“ für Kinderbetreuungseinrichtungen auf den Weg gebracht.

Die Eltern von 7.000 Kindern laufen jetzt Sturm; wir sehen entweder unsere Betreuungsplätze verloren oder deutlich verteuert. Die Rede ist von einer Verteuerung um ca EUR 800,-. Folgen sind damit absehbar auf Gender Pay Gap und Chancengleichheit in der Bildung!

Hintergrund ist ein Gerichtsurteil aus 2021, welches die bisherige Förderpraxis gekippt hat. Das Münchner Verwaltungsgericht hatte sich dabei etwas verworren darauf berufen, dass es an gesetzlichen Grundlagen für die kommunale Förderung fehlt.

Die städtische Verwaltung und Stadtrat machen hieraus ein Argument, dass aus Steuermitteln nicht die Gewinne von privaten Unternehmen finanziert werden dürfen.

Es ist ein unglaublich verworrenes Thema, das letztlich auf den Schultern der Eltern ausgetragen wird, und eignet sich perfekt für eine Aufarbeitung durch die Lage der Nation.

Ich bin selber Vater eines Kita Kinds, Elternbeirat, und habe die Demo in München am 21. Februar angemeldet. Dokumente, Informationen etc. kann ich reichlich beisteuern.

Herzliche Grüße,
Tobias Cloppenburg-Baumann

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Ich habe mir das kurz angeschaut und kann die neue Regelung schon nachvollziehen.

Gegen die alte Regelung - eine freiwillige Förderung der Stadt um im wesentlichen die Gebühren niedrig bis frei zu halten - hat ein gewerblicher Träger geklagt und gewonnen. Ein zweites Verfahren (ebenfalls eine Klage gewerblicher Träger) liegt noch vor Gericht. Die Stadt hat nun versucht eine rechtssichere Regelung zu finden und gleicht bei den Trägern in Zukunft Defizite aus. Im Gegenzug bieten die Träger günstige KiGa-Gebühren an.
Wer eine Betreuungseinrichtung mit Gewinnerzielungsabsicht betreibt, erhält keine freiwillige Förderung mehr durch die Stadt. Was soll daran schlimm sein?

Die gesetzliche Förderung nach BayKiBiG ist davon nicht berührt. Es geht allein um die freiwillige Förderung in Höhe von ca. 170 Mio Euro jährlich, mit der die Gebühren gedrückt werden.

Dass man nicht Hurra schreit, wenn man seine Kinder in einer Einrichtung hat, die in Zukunft nicht an diesem Fördermodell teilnehmen möchte (weil Gewinn erwirtschaftet werden soll) kann ich nachvollziehen, denn dann werden die Beiträge in dieser Einrichtung steigen.
Andererseits sehe ich es auch problematisch, wenn Daseinsvorsorge zum Geschäftsmodell wird, sei es Kinderbetreuung, Pflege, Krankenversorgung, Wasserversorgung,….

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Ich nehme an wir reden schon von 800 € im Jahr? (Edit: Wenn ich es richtig verstehe sind es tatsächlich solche Beträge als Mehrkosten pro Monat gegenüber den geförderten Plätzen)

Private Träger (also nicht Diakonien etc. mit großem Background) haben aber eigentlich ja gar keine andere Chance als Gewinne zu erwirtschaften um den Betrieb langfristig aufrechtzuerhalten. Investitionen sind nur mit Gewinnen möglich (Kredite bekommt man ohne Gewinne auch keine), da diese Investitionen ja erst in der Folge als Abschreibung den folgenden Gewinn mindern.

Jetzt ist natürlich die Frage ob wir von der Luxuskita für die oberen 3% reden, da finde ich auch, dass eine zusätzliche Subventionierung nicht nötig ist, oder über den Träger mit ein paar Einrichtungen, der davon eben ja auch leben muss, der aber an sich nicht teurer ist/war als z.B. städtische Einrichtungen.

Wenn wir sagen damit darf keiner Geld verdienen ist das eine legitime Meinung. Das darf aber nicht auf dem Rücken derer ausgetragen werden, die keinen Platz in städtischen Einrichtungen bekommen oder gar keine in der Nähe haben.

Hallo Gutemine,

Danke, dass Du Dich mit dem Thema auseinandergesetzt hast!

Mir geht es bei dem Thema um folgenden Punkt:

  • Fairness & Gleichberechtigung unter den Eltern. Künftig gewonnen hat, wer in einer städtischen Kita für 8 Stunden Betreuung 145 Euro zahlt. Verloren hat, wer da nicht rein kommt, und dann 1.046 Eur bezahlt. => so genau schon von der Seepferdchen Kita angekündigt.

Und damit der Rattenschwanz der daran hängt wie Gender Pay Gap und Chancengleichheit in der Bildung.

Alle anderen Themen kommen für mich danach. Verlässlichkeit der Stadt als Partner z.B.

Daseinsvorsorge als Geschäftsmodell: Die Kitabetreiber haben seit 2011 eine Lücke geschlossen bei der die Stadt und auch die karitativen Einrichtungen selber unfähig waren sie zu schliessen. Und nach wie vor unfähig ist zu schliessen.

In Deinem Beitrag hast du m.E. einen Fehler. Im Urteil VG München, Urteil v. 22.09.2021 – M 18 K 20.737 steht, dass die Klage abgewiesen wurde.
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2021-N-28240?hl=true

Das spannende daran ist, dass das Verwaltungsgericht im selben Atemzug die Förderpraxis für GG widrig gehalten hat. Und aber der Stadt die Möglichkeit offen gehalten hat, sich um eine entsprechende Gesetzgebung zu kümmern. Die Stadt München dies jedoch nicht gemacht hat.

Wie schon gesagt, ich glaube hier können @vieuxrenard und @philipbanse sich ordentlich tief in ein Thema eingraben, und viel Licht in das Thema bringen.

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Ich möchte nicht beurteilen, ob Gewinne in der dortigen Situation gerechtfertigt sind oder gefördert werden sollten, aber Fakt ist, dass die 7000 betroffenen Plätze von der Stadt nicht zur Verfügung gestellt werden können. Wenn die bisher durch die rechtswidrige Förderung geförderten Träger aussteigen und entsprechend die Preise erhöhen, kommt ein Platz in so einer Einrichtung für die Mehrheit der Familien nicht mehr in Frage. Ergo, diese Kinder kommen zusätzlich auf die Wartelisten der städtischen Kitas, die ohnehin schon voll sind (derzeit bewerben sich ca 10 Kinder auf einen Platz - OHNE diesen extra Ansturm)
Davon sind dann wiederum nicht nur die 7000 Kinder der aussteigenden Träger betroffen, sondern die Chancen auf einen städtischen Platz sinken für ALLE Kinder die sich dort bewerben.
Wenn das Einkommen niedrig genug ist bzw der Rechtsanspruch auf einen Platz eingeklagt wird, werden evtl einige der teuren Plätze doch besetzt und anderweitig finanziert, jedoch werden nicht wenige Träger ihre Häuser nicht mehr vollbesetzen können und in der Konsequenz schließen müssen. Und wenn das kommt, hat die Stadt keine Ausweichmöglichkeiten mehr, wenn Plätze eingefordert werden die die Stadt nicht anbieten kann.
Wieviele Elternteile sich in so einer Situation dann dafür entscheiden, doch lieber noch länger daheim zu bleiben, weil sich die Arbeit, oft auch nur in Teilzeit, bei Kitagebühren um die 800-1200€ pro Monat nicht lohnt, steht auf dem nächsten Blatt. Dass das dann meistens diejenigen betrifft die eh schon das geringere Einkommen haben ist auch klar.

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Hallo!

Ja - es geht um EUR 800 mehr pro Monat. und wer das Glück hat mehrere Kinder zu haben, dann halt noch mal entsprechend mehr. Vielleicht abzgl. eines symbolische Geschwisterrabatts.

Und genau - meine Tochter ist in einer der bisher geförderten Kitas, wir zahlen im Moment einen sehr moderaten Betrag. Die Kita ist brandneu, die Erzieher top motiviert. Die Spielsachen sind normal - selbe Ausstattung wie in städtischen Kitas.

Fun Fact: Die Kita, und die Nachbareinrichtung, sollte ursprünglich von der Stadt betrieben werden. Über mehr als zwei Jahre hatte sie es versucht, und nicht auf die Kette bekommen. Wer hat dann innerhalb weniger Monate einen Betrieb auf die Beine gestellt? Ein privater Betreiber.

Es geht mir und uns um die Fairness gegenüber allen Eltern, und der Bildungschancengleichheit für die Kinder.

Ein wenig auch um die Versämnisse meiner sonst meist wunderbaren Heimatstadt München.

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Für unsere Demo kommenden Mittwoch hatte ich heute ein Mutter am Telefon. Sie und Ihr Mann haben beiden einen Migrationshintergrund, arbeiten seit Tag 1der Ankunft in Deutschland, zwei Kinder (2 und 5) vor kurzem eine Wohnung in Freiham gekauft - das ist ein Modell bei dem die Stadt München eines der grössten Neubaugebiete Europas erschliesst. Immer noch sehr teuer - aber machbar.

Und der Clou - im Neubaugebiet Freiham gibt es grösstenteils private Kitas. Und bei den städtischen Kitas werden wiederum die städtischen Angestellten bevorzugt genommen.

Und damit stellt sie sich jetzt ganau die Frage - lohnt es sich überhaupt noch arbeiten zu gehen? Bei potentiell 1900 Euro Gebühren für zwei Kinder stellt sich diese Frage durchaus. Städtische Hilfe wird es wiederum nicht geben - dann da hört die Grenze bei 80.000 Euro Haushaltseinkommen auf.

Gender Pay Gap, Bildungschancen für Kinder, etc. Was passiert wenn sie - oder andere Fachkräfte - zu Hause bleiben weil es günstiger ist die Kinder selber zu betreuen?

Wir hatte heute ein sehr erfolgreiche Demo - so erfolgreich, dass die Münchner Politik jetzt auch endlich zeigt, dass es eigentlich um einen Konflikt zwischen Land und Stadt geht. Oder halt zwischen CSU und Rot/Grün.

Vg - schönen Abend!

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Wie fast immer bei der Süddeutschen Paywall. Könntest du den Inhalt bitte skizzieren?

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Gerne:

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Es gibt jede Menge Elterninitiativen und Vereine die als Kita-Träger funktionieren, auch langfristig. Selbst gemeinnützige Vereine dürfen erhebliche finanzielle Rücklagen bilden um einen nachhaltigen Betrieb sicherzustellen, deshalb gilt man nicht sofort als „Gewinnorientiert“. Quelle: Ich bin in zwei gemeinnützigen Vereinen in der Leitung engagiert.

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Verständnisfrage: Es gibt ja einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Kita-Betreuung ab 1 Jahr. Wenn ich die Rechtslage richtig interpretiere, dann muss die Gemeinde entweder ausreichend eigene Kita-Plätze stellen, oder (wenn sie das nicht kann oder will) Eltern die Mehrkosten für eine alternative Betreuung finanzieren. Wie genau ist jetzt der Zusammenhang mit dem von der Stadt München verabschiedeten Modell?

Es geht hier aber um bestehende Träger die keine Vereine oder gemeinnützige Organisationen sind und die können so wie Förderung beschrieben wird eben dann entweder keine Förderung annehmen oder keine Gewinne (und damit keine entsprechenden Rücklagen) machen.

Wenn man keine solchen Träger haben will, dann ist es die Pflicht des Staates hier ein entsprechendes Angebot durch Träger die nicht gewinnorientiert sind zu schaffen.

Ohne jetzt übermäßig spitzfindig werden zu wollen könnten aktuell als GmbH oder anderweitig gewinnorientierte Unternehmen organisierte Träger sich natürlich in einen Verein (muss ja nicht gemeinnützig sein) oder gGmbH umwandeln, ansonsten den Betrieb unverändert laufen lassen (niemand muss entlassen werden) und in Zukunft eben formal keine Gewinne machen, sondern Rückstellungen bilden.

Mir ist natürlich klar, dass das so einfach nicht umsetzbar ist und manche Träger vielleicht auch explizit gewinnorientiert bleiben wollen. Wenn die Lage also wirklich so ist, wie von @TMJCB beschrieben, dann gibt es zumindest ein massives Umstellungsproblem vom alten System.

Von der konkreten Situation in München mal weg finde ich die @Gutemine aufgeworfene Frage, ob man gewinnorientierte Kinderbetreuung überhaupt mit öffentlichen Mitteln fördern soll durchaus berechtigt. Während ich absolut dafür bin, den Betreuer:innen in Kitas ein sehr großzügiges Gehalt zu zahlen, finde ich es eigentlich nicht notwendig, dass die öffentliche Hand für Leistungen der fundamentalen Daseinsfürsorge einem privaten Unternehmer einen Gewinn finanziert.

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Prinzipiell könnte man natürlich auch mal hinterfragen, inwiefern die Unternehmen sich direkter an der Finanzierung beteiligen sollten. Diese benötigen schließlich die Arbeitskraft und könnten da mit Zuschüssen zu den Betreuungskosten arbeiten. Ich finde leider gerade in diesem Bereich machen sich die Unternehmen oft einen schlanken Fuss.

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Die bisherige Förderung der Stadt Mümnchen hat geholfen, private Träger zum Bau und Betrieb von Kitas zu veranlassen. Das hat sehr gut funktioniert. Jetzt sieht es so aus, als ob private Träger nicht mehr gewünscht sind. Und damit gehen die Plätze kurzfristig verloren. Letztes und dieses Jahr hat die Stadt selber noch Betriebsträgerschaften vergeben, weil sie es selber nicht schaffen die Kitas zu betreiben.

Und damit - werden im Herbst wieder Eltern keinen Betreuungsplatz haben, und entsprechend klagen.

Hi!

Keine Frage - es gab in der Vergangenheit Auswüchse in der Gewinnorienteriung, die nicht gut waren. Gleichzeitig - wenn die Kommune es nicht schafft, eine fundamentale Daseinsfürsorge selber bereit zu stellen, und sich privater Unternehmen bedient. Warum sollten die umsonst arbeiten?

Rückstellungen - dürfen m.E. auch nicht gebildet werden im neuen System.

Die Krux ist wirklich, dass hier eine kurzfristige Änderung notwendig ist mit potentiell harten Konsequenzen, ausgetragen auf de Rücken von Eltern und Kindern. Und eigentlich nur, weil die CSU Regierung in Bayern, der rot-grünen Kommune eine Gesetzgebung nicht gestattet, die z.B. in Berlin oder Hamburg zu guten Ergebnissen führt!

Hi.
Das ist ja auch einer der Punkte. Viele der Elterninitiative sind zum einen als Vereine organisiert. Zum anderen aber auch Teilnehmer der bisherigen Förderung MFF.

Und in der neuen Richtlinie steht explizit drinnen, dass „keine Rücklagen gebildet werden dürfen“.

Was passiert - die Vereine haben gerade beschlossen, ihre Rücklagen aufzulösen.

Betriebswirtschaftlich gesproche, ein Disaster. Von was sollen künftig Renovierung, neu Anschaffungen gezahlt werden? So ein Spielplatz im Garten ist teuer…

Das hört sich tatsächlich etwas seltsam an. Hast du den Original Text der Neuregelung?

Was ich noch nicht so ganz verstanden habe: Die Stadt München zahlt also in dem neuen System die gesamte Differenz zwischen den laufenden Betriebskosten und den sonstigen Einnahmen? Wenn also Kita A und Kita B jeweils 1.000 Euro/Monat Kosten pro Kind haben, aber Kita A von den Eltern 100 Euro im Monat bekommt und Kita B 300 Euro, dann bekommen diese Kitas unterschiedliche Beträge von er Stadt erstattet? Oder gibt es da Vorschriften zum maximalen Elternbeitrag oder eine Deckelung der Förderung durch die Stadt?

Aber warum sollte man das machen müssen? Wenn die Stadt München mit diesen Trägern so schlecht gefahren wäre, dann hätte sie ja alle Möglichkeiten gehabt selbst als Träger Einrichtungen zu betreiben.

Warum? Letztlich sollte das Ziel sein eine Betreuung auf die Beine zu stellen. Mir als Vater ist es egal ob diese durch die Stadt, durch die Kirche, Wohlfahrtsorganisationen, Elternvereine oder auch kommerzielle Träger geschieht. Ich will nur, dass das Angebot gut und bezahlbar ist. Jetzt ist natürlich die Situation nicht einheitlich, weil verschiedene Einrichtungen unterschiedliche Kosten für Miete, Instandsetzung, Bau, Ausstattung etc. haben, je nach individueller Situation. Aber wenn es eine Basisförderung gäbe und eine spezifische je nach Lage, dann passt das und meines Wissens ist das vielerorts so.

Jetzt kenne ich einen privaten Träger, der hat einen angestellten Hausmeister, der in seinen Einrichtungen kleine Reparaturen durchführt und Gärtnerarbeiten macht, sodass dies nur überschaubare Kosten verursacht.
In der städtischen Einrichtung in der meine Tochter ist dagegen wird all dies von privaten Diensten übernommen, selbst Kleinigkeiten. Letztlich wird hier also Gewinn bei privaten Anbietern erzeugt, ebenso wie bei dem privaten Träger, der aber eben effizienter arbeitet, den Gewinn dann eben selbst macht.

Warum soll es aber ok sein, dass Gärtner, Elektriker, Klempner, etc. Gewinn mit Kitas machen, nicht aber ein Träger?
Wäre es nicht zielführend hier auch die Möglichkeit zu lassen als Träger den Gewinn zu machen? Für mich als Vater ist egal wer den Gewinn macht, sondern nur relevant ob die Betreuung passt und was sie kostet.

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