Kann (und will) sich Deutschland verteidigen?

Der Deutsche Einsatz in Afghanistan war im Rahmen der NATO und hatte den Zweck

„Aufgabe der ISAF war es, zur Stabilisierung des Landes ein sicheres Umfeld für die Arbeit der afghanischen Institutionen und internationalen Organisationen in dem Land zu schaffen.“

Hier sehe ich aus Deutscher Perspektive auch keinen Anlass dies als Angriffskrieg durch Deutschland zu werten.

Ich frage nach Beispielen und schmettere sie nicht einfach ab sondern Argumentieren. Bei Israel ist zu bedenken das sie zum einen auch eine Besatzungsmacht ist und seit 40 Jahren im Krieg mit Kräften um sich liegt. Nur will ich hier keine Diskussion über Israel lostreten.

Zu den USA. Niemand würde heutzutage behaupten das die USArmy eine reine Verteidigungsarmee ist und auch nicht das Sie es nach dem 2ten Weltkrieg noch komplett war. Und trotzdem war Sie zum Zeitpunkt des Krieges Notwendig oder siehst du das wirklich anders. Für die USA war der Krieg nach 1945 ja auch nicht vorbei sondern wurde in Form des kalten Krieges weiter fortgeführt. Inwiefern sich die Geschichte entwickelt hätte ohne die USA als Gegenspieler der Sowjet-Union weiß man natürlich nicht. Hier kommen wir ins Reich der Spekulation. Die Konsequenz das jede Armee über kurz oder lang zu einem Krieg führt sehe ich einfach nicht.

Es geht ja auch nicht darum die größte Armee der Welt aufzubauen. Sondern darum eine militärische Stärke zu haben, den Feind abzuschrecken überhaupt anzugreifen. Bzw. Das wir im Rahmen unserer Bündnisse unseren Beistand leisten können.

Und zu den Militärausgaben der BRD zu Zeiten des kalten Krieges gemessen am BIP. Da liegst du etwas daneben:

https://www.handelsblatt.com/politik/international/bundeswehr-so-gering-ist-deutschlands-militaeretat-im-historischen-vergleich/100015252.html

Und wir bedenken hier aktuell mit, das die USA unter Trump halt nicht im Rahmen der NATO sich im Bündnisfall beteiligt. Das Stand damals nicht zur Diskussion.

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Nach wie vor rüstet die Bundeswehr im Wesentlichen nicht auf, sondern wird erst einmal adäquat ausgerüstet. Denn es liegt (wie leider zu erwarten war) einiges im Argen:

„Deutschland erfüllt Mindestanforderungen im Bereich Munition nicht“: Union entsetzt über den Zustand der Bundeswehr
Offenbar hat die Bundesregierung den Verteidigungsausschuss des Bundestags kürzlich über Details zur Einsatzbereitschaft der Bundeswehr informiert. Die Sorge bei der Union ist groß.

Was scheinbar einige schon wieder vergessen haben: die Union hat von Ende 2005 bis Ende 2021 den Verteidigungsminister gestellt.

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Es hat ja wenig Sinn, wenn du hier eine Definition von „reine Verteidigungsarmee“ aufmachst, die wahrscheinlich keine Armee der Welt erfüllt. Natürlich war die US-Armee keine reine Verteidigungsarmee nach dem 2. Weltkrieg. Genauso wenig ist die Bundeswehr eine reine Verteidigungsarmee. Andernfalls dürfte es nämlich gar keine Auslandseinsätze geben.

Ich liege nicht daneben, wir legen nur unterschiedliche Maßstäbe an. Du gehst vom Anteil am BIP aus und ich eben von den absoluten (inflationsbereinigten) Zahlen.

Die Rechnung funktioniert so aber nicht. Die Technik wurde ja erheblich teurer. Ein Leopold 1 kostete 1965 940.000 DM was Inflationsbereinigt 2,3 Millionen Euro wären. Der Leopold 2 kostet 30 Millionen Euro pro Stück.
Insofern macht BIP erheblich mehr Sinn als der feste Betrag.

Mit der Verteidigungsarmee haben wir vermutlich unterschiedliche Ansprüche. Sag mir bitte einen Einsatz der Bundeswehr den du als Angriffskrieg definieren würdest. Vielleicht habe ich da einfach einen nicht auf dem Schirm.

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Das konnte sie natürlich nicht ahnen, dass eines Tages relevant werden könnte, welches Missmanagement und Klüngelei dort betrieben wurde.

Das ist schon ein wichtiger Punkt. Es erschließt sich mir aber nicht, warum die Teuerungsrate der Technik ans BIP gekoppelt sein sollte.

Ich halte es nicht für sinnvoll, Armeeeinsätze binär in „Verteidigung“ und „Angriffskrieg“ zu unterteilen. Es gibt genügend Einsätze, die definitiv keine Verteidigung sind (so etwa der Afghanistan-Einsatz oder auch zuvor im Kosovo), aber deshalb sind es noch lange keine Angriffskriege. Trotzdem sind solche Einsätze sehr kritisch zu hinterfragen, und jedenfalls würden sie für eine „reine Verteidigungsarmee“ nicht in Frage kommen.

Moving the Goalpost. Es ging darum, wie gut „aufgebaut“ eine Armee ist. Da sprechen die Zahlen für sich. Während des Kalten Krieges hatte die Bundeswehr knapp 500.000 Soldaten [1], heute sind es weniger als 200.000 [2]. Allein das Heer hatte in den 1980er Jahren 12 Divisionen [1], heute sind es noch 3 [3].
[1] https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/geschichte-bundeswehr/kalter-krieg
[2] Personalbestand der Bundeswehr bis 2024 | Statista
[3] Heer (Bundeswehr) – Wikipedia

Und wenn du schon nach Quellen fragst: Worauf stützt du denn deine Aussage über die angeblich heute so viel höheren Militärausgaben?

Komisch nur, dass die NATO selbst etwas anderes sagt und dass auch die Erfahrungen der Ukraine seit zwei Jahren eher etwas anderes nahelegen. Aber so eine gut begründete Feststellung eines Experten ist natürlich überzeugend…

Die Pläne der NATO gehen ja gerade weg vom Konzept der Truppen wie sie in Afghanistan zum Einsatz kamen. Und wieso braucht man zum Beispiel Luftabwehrsysteme, Marschflugkörper und dergleichen, um „Geflüchtete zurückzudrängen“? Nicht dass ich das in irgendeiner Weise befürworten würde, aber wenn es den politischen Willen dazu gäbe, würden ein paar Schiffe und einfache Schusswaffen dazu völlig ausreichen. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass du pauschal gegen „Aufrüstung“ wetterst, ohne überhaupt zu wissen, was da eigentlich geplant ist.

Das bestätigt ja meine Position, dass der entsprechende politische Wille dafür entscheidend ist, ob eine hochgerüstete Armee dazu eingesetzt wird, andere anzugreifen und nicht die bloße Existenz einer solchen Armee an sich, wie du argumentiert hast.

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Militärausgaben sind immer schwierig zu vergleichen (auch ein Problem beim 2% Ziel): Mutmaßlich sind heute allein die Pensionskosten schon sehr viel höher, als in den 70ern, je älter das Material wird, desto mehr Geld fließt in die reine Instandhaltung, weshalb bspw. die Kosten für eine Flugstunde im Tornado gegen Ende seiner Dienstzeit sehr viel höher liegen. dann kommt dazu, dass man in Teilbereichen mangels Skaleneffekten und auf Grund von höheren Kosten für bestimmte Fähigkeiten einfach mehr Geld für die vergleichbare Wirkung in die Hand nehmen muss. Es fehlen auch komplette Fähigkeitsbereiche, etwa Drohnenkampf und -bekämpfung und im Vergleich zum kalten Krieg dürfte auch die Kampfführung im Cyberspace sehr viel anspruchsvoller werden etc. Von daher bieten sich absolute Zahlen (auch inflationsbereinigt) eher nicht so an, als Vergleichsgrundlage, denke ich.

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Zum einen möchte ich nochmal ausdrücklich bitten, die Meinungsfreiheit hier nicht für persönliches Angehen zu nutzen. Moderierend eingreifen sollte die Ausnahme bleiben.

Also gerne sachlich am Thema weiter.

Zurück zum Thema:

Kann (und will) sich Deutschland verteidigen?

Was verstehen wir eigentlich unter „verteidigen?“
Wie definiert ihr das in diesem Kontext?

Also kann: sind wir dazu in der Lage?

Und wollen: sehen wir realistische Bedrohungen, die verteidigen notwendig machen?

Die Antwort ist eine Google-Suche entfernt:

Natürlich sagt die NATO etwas anderes. Sie hat ja schon vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine auf das 2%-Ziel gepocht, damit Rüstungskonzerne mehr Profit machen können. Wie die Erfahrungen der Ukraine deinen Punkt stützen, weiß ich nicht genau. Die Ukraine hatte im Jahr 2021 Militärausgaben, die sich in der Größenordnung von 0,5% der Gesamt-NATO-Ausgaben bewegen. Und das hat zumindest ausgereicht, um Russland aufzuhalten. Da würde ich mal davon ausgehen, dass 200 mal höhere Ausgaben ausreichen, um Russland zu besiegen.

Das sehe ich schon ein. Aber mir ist nicht klar, warum das BIP eine bessere Vergleichsgrundlage darstellt.

Weil anhand des BIP du den prozentualen Anteil am Haushalt hernimmst. Das heißt wie viel Prozent des zur Verfügung stehenden Geldes nimmst du für die Verteidigung in die Hand, wie viel für Sozialleistungen. Das macht halt schon Sinn.

PS: Ausgaben für die Bundeswehr 1980 ~25 Milliarden. Inflationsbereinigt ~66 Milliarden … 2023 ebenso ~66 Milliarden. Also war der kalte Krieg ebenso abseits des BIP nicht wirklich weniger an Ausgaben. (Quelle statista)

PPS: und damit bin ich aus dem Meinungsaustausch raus :slightly_smiling_face:

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Was die Kosten angeht: Die Grafik bei Statista nennt die Militärausgaben „in jeweiligen Preisen“ - das verstehe ich so, dass nur die Nominalwerte angegeben sind - die Zahlen also noch nicht mal inflationsbereinigt sind. Dazu kommen noch die von @JohanneSAC genannten Faktoren. Insgesamt nicht gerade ein überzeugende Beleg für die These, dass die Bundeswehr während des Kalten Krieges sehr viel schlechter ausgestattet war als heutzutage.

Diese Argumentation zielt darauf ab, dass die Menge des eingesetzten Geldes sich 1:1 in militärischen Erfolg übersetzen lässt oder dass das eine aus dem anderen ableitbar ist. So einfach ist es leider nicht. In der Realität kämpfen halt nicht Geldhaufen gegeneinander, sondern Soldaten mit unterschiedlichen Waffensystemen, Strategien und Motivationen. Bei der Verhinderung des russischen Angriffs auf Kyiw spielten zum Beispiel neben der Motivation der ukrainischen Soldaten Panzerfäuste eine große Rolle, die Großbritannien auf Veranlassung des damaligen Verteidigungsministers 2022 recht kurzfristig lieferte und die meines Wissens im ukrainischen Haushalt überhaupt nicht auftauch(t)en.
Die Erfahrungen aus dem russischen Angriffskrieg sind unter anderem, dass Panzer im Zeitalter von Drohnen kaum als so wichtig eingeschätzt werden, wie es auch Planungen der NATO noch bis letztes Jahr getan haben oder das Flugabwehr und Drohnenkampf eine sehr viel wichtigere Rolle spielen als von manchen gedacht.
Die Reduzierung auf die Kosten - ohne zu berücksichtigen, wozu diese Geld eingesetzt werden soll, macht es sich aus meiner Sicht auch zu einfach. Dabei kommen dann so unbegründete Behauptungen raus, wie dass die NATO kein anderes Interesse hätte, als für Profite der Rüstungsindustrie zu sorgen. Man kann ja der Überzeugung sein, dass es den Menschen in Europa besser ginge, wenn alle NATO-Staaten komplett auf ihr Militär und auf die Rüstungsindustrie verzichten würden, allerdings fände ich es dann auch gut, dazu entsprechende Argumente zu lesen. Über unbegründete Meinungen lässt sich schlecht diskutieren, und darum sollte es meiner Meinung nach ja hier im Forum gehen.

In diesem Sinne: Man kann sich halt darum bemühen, die eigenen Thesen und Aussagen erstens verständlich und nachvollziehbar zu formulieren und durch die Angabe von Belege und Quellenangaben zu plausibilisieren - oder aber man haut halt einfach was raus und sagt dann „google doch selber wenn du mir nicht glaubst“.

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Das führt wieder zu der Frage, ob das in sich funktioniert oder nur, wenn Z.B. Russland auch sein Militär abschafft?

Oder in Bezug auf Ursache und Wirkung bezogen: Führt die Existenz von Militär zu Krieg und Gewalt oder die Existenz von Krieg und Gewalt zur Schaffung von Militär?

Etwas konstruiertes Gegenbeispiel: haben wir keine Kriminalität mehr wenn wir die Polizei abschaffen?

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Ich finde diese Frage halt ziemlich philosophisch, weil weder das eine noch das andere auch nur annähernd realistisch ist. Daher würde ich, bevor ich darüber diskutiere, erwarten, dass ein entsprechendes Szenario nachvollziehbar und plausibel begründet wird. Auch dann hielte ich es allerdings für sehr viel fruchtbarer darüber zu diskutieren, von welchen Enischätzungen der sicherheitspolitischen Lage wir ausgehen, mit welchen realistisch umsetzbaren politischen Strategien darauf jeweils reagiert werden kann und was dass dann jeweils für die Rüstungsproduktion sowie für die Ausstattung, Aufstellung und Finanzierung von Armeen bedeutet.

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Es gibt halt zwei Denkrichtungen.

Eine grundsätzliche Fragestellung, die ich nicht mal als philosophisch betrachten würde.

Oder die eher deutsche Art zu denken, sich erst damit zu beschäftigen, wenn alle möglichen Informationen lückenlos vorliegen und mehrfach verifiziert sind.

Letzteres ist sicher präziser, aber zäh und führt selten zu einer Lösung und Veränderung.

Manchmal sind es die einfachen kleinen Schritte, die uns in Bewegung und die richtige Richtung bringen. :wink:

Wenn das jemand kann mit langfristiger Gültigkeit, würde er Lotto spielen.
Die Variablen sind zu vielfältig und veränderlich.

Meinetwegen können sich andere gerne über die Frage unterhalten, wie eine Welt, ein Europa oder ein Westen ohne Militär aussehen würde. Ich persönlich finde das halt nicht interessant, erst recht, wenn alle nur munter vor sich hinspekulieren und es nicht mal eine gewisse Grundlage für die Diskussion gibt. Wie dieser Thread mal wieder zeigt, ist es ja schon schwer genug, sich bei der Beschreibung der real existierenden Welt auf bestimmte Grundlagen zu einigen. Und zu einer Lösung oder Veränderung dürften unsere Diskussionen in diesem Forum ohnehin nicht führen - da sollten wir uns selbst nicht überschätzen.

Eben, deshalb geht es ja (wie fast immer hier im Forum) um Einschätzungen, Bewertungen und mehr oder weniger begründete Vermutungen. Sonst wären wir sicherlich eher hochbezahlte Experten und nicht Freizeit-Forenschreiber :wink:

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Ein gutes Schlusswort.

Ich schließe dann mal diesen schon langen Thread.

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