Kann ein bedingungsloses Grundeinkommen funktionieren?

Ich würde sagen, du hast teilweise recht, aber es ist komplizierter.
Falls alle Menschen das 2.5 fache zur Verfügung hätten würden die Preise nachziehen, da ist denke ich klar.
Beim BGE gibt es aber 3 Dinge die dabei etwas anders wirken, die es zumindest komplizierter machen:

  • egal wie ausgestaltet, wirkt das bge stärker bei den einkommensschwachen, weil ein absoluter Betrag ausgezahlt wird. Es haben also nicht alle das 2.5 fache Einkommen, sondern nur die geringverdienenden, die topverdienenden bemerken keinen relativen Unterschied und die Mittel und vielverdienenden sind irgendwo dazwischen.
  • dIe Hoffnung ist, dass das bge so ausgesltet ist / wirkt, dass die Löhne im unteren einkommenssegment stärker steigen als im oberen, weil arbeitnehmer_innen einfacher die Möglichkeit haben nicht zu arbeiten und so stärkere Verhandlungspositionen besitzen
  • wir debattieren das bge in nationalem Kontext während wir eine Währung im Euroraum haben, da gibt es auf jeden fall wechseleffekte die das ganze verzerren (die nicht-deutschen eurozonenbürger_innen haben ja nicht 2.5 mal mehr)
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Den Punkt „bedingungslos“ halte ich in Deutschland für schwer vermittelbar. Einerseits wird gesellschaftlich der Leistungsgedanke sehr hoch gehalten, andererseits würde das Bedingungslose Grundeinkommen nicht zwingend motivierend sein. Zumindest nicht in der aktuell diskutierten Form.
Bin immer noch eher für eine Zweckbindung (z.B. zur Finanzierung der Ausbildung/Studium) und zeitliche Beschränkung (bis 25 oder 30 Jahre). Wäre einfacher der Gesellschaft zu vermitteln.

Ich hätte eine andere These: die Löhne fallen im unteren Einkommenssegment, denn durch eine grundlegende finanzielle Absicherung könnten viele Menschen in gutbezahlten, aber unbeliebten Jobs ihren Job quittieren und in erfüllendere, aber schlechter bezahlte Jobs wechseln. Wir sehen schon heute, dass kaum jmd industriell oder im Handwerk arbeiten möchte wo es gutes Geld zu verdienen gibt, aber soziale Berufe mit schlechtem Einkommen bei jungen Menschen Hochkonjunktur haben.

Generationenforscher weisen schon seit längerem darauf hin, dass Einkommen für junge Generationen immer weniger Bedeutung bei der Job-Wahl haben, dafür aber Work-Life-Balance, soziale Arbeit und Selbstverwirklichung.

Kann ich nicht nachvollziehen.
Klar die Industrie hätte gerne immer noch besser ausgebildete Bewerber und bezeichnet das gerne als Fachkräftemangel, aber der tatsächliche Mangel liegt doch wohl in den sozialen Bereichen.

Hier in Berlin zumindest ist der ÖPNV vollgekleistert mit Stellenangeboten von Krankenhäusern, Seniorenheimen und so weiter und für diese Berufe werden auch kräftig im Ausland Menschen angeworben. Und das liegt mMn schlicht daran, dass diese Berufe für die körperliche und mentale Anstrengung zu schlecht bezahlt werden.

Währenddessen die großen Industriebetriebe eher keine Probleme haben Personal zu finden, denn da gibt es gut bezahlte Jobs mit geregelten Arbeitszeiten viel Urlaub usw.

Hast du da Quellen? Ich kenne das nämlich vor allem von Akademikern, die schon gut verdienen.

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In beiden Bereichen mangelt es objektiv, aber der eine Bereich erwirtschaftet Wohlstand, der andere nutzt die Wohltaten des ersten, verteilt ihn um und sichert uns ein angenehmes Leben (meine ich positiv und voller Wertschätzung).

Dabei sehen wir uns zwei gegenläufigen Trends gegenüber. Der Anteil Arbeitnehmer im produzierenden Bereich sinkt kontinuierlich, während der Dienstleistungssektor steigt.

Unser Bedarf in den sozialen Bereichen ist dabei selbst verursacht, denn wir leisten uns immer mehr soziale Projekte (und das ist völlig in Ordnung so!). So zum Beispiel bessere Kinderbetreuung oder auch eine bessere Gesundheitsversorgung.

Gerade die letztere ist aber ein Fass ohne Boden, denn längeres Leben heißt meist auch längeres Pflegen und das bedeutet mehr Mitarbeiterbedarf.

Gleichzeitig wächst die erwerbstätige Bevölkerung aber schon lange nicht mehr in gleichem Maße mit.

Da es sich im sozialen Bereich zudem um Strukturen handelt, die von Umverteilung leben, wird vermutlich dort auch knausriger mit den verfügbaren Mitteln umgegangen und so niedrigere Löhne gezahlt. Das ist vor allem auch dadurch möglich, dass viele Arbeitnehmer dort eben eher nicht wegen finanzieller Aspekte dort arbeiten (soziale Selbstverwirklichung, siehe oben). Man stelle sich vor >10% der Pflegekräfte würden den Job quittieren, das Gehalt würde ganz fix steigen.

Werden sie, Fakt. Und trotzdem kollabiert der Bereich nicht weil sich genug Mitarbeiter, die den Betrieb aufrecht erhalten, finden. Das zeigt die Verschiebung von Prioritäten sehr deutlich, denn wie geht das sonst wenn die Mitarbeiter konstant bliebe und gleichzeitig die zu betreuenden Gruppen größer werden?

Als Beispiel die Entwicklung der Mitarbeiterzahl im Gesundheitswesen der letzten 10 Jahre, da geht’s richtig ab.
https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?levelindex=1&levelid=1653046323987&downloadname=&operation=ergebnistabelleDiagramm&option=diagramm#abreadcrumb

Das mag für große Buden stimmen, aber KMU haben hier echt Probleme. Und die Situation im Handwerk sollte auch dem letzten mittlerweile geläufig sein.

Ehrlich gesagt spontan nichts spezifisches, aber man kann das zumindest aus den Zahlen oben und aus solchen Beiträgen interpretieren, wenn man voraussetzt, dass man in Handwerk und Industrie wohl eher schwierig große Selbstverwirklichung betreiben kann (wegen der oft hierarchischen Strukturen), soziale Berufe hingegen aufgeschlossener neuem gegenüber sind.

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Zwischen Deinem Arbeitsvertrag und dem Geldeingang auf Deinem Konto steht noch das Finanzamt… :rofl:

Natürlich müsste es bei einem BGE irgendwelche Freibeträge nach unten und Kappung des BGEs nach oben geben. Aber da gibt es ja bereits genügend Modelle.

Mein Vorschlag für einen Piloten wäre (hatten wir ja im anderen Thread schon diskutiert): Jedem Bundesbürger stehen als Junger Erwachsener für fünf Jahre 500 Euro im Monat als „Starthilfe“ zu. Bafög und sonstige Hilfen fallen dann weg. Das kann derjenige dann für ein Startup nutzen, zum Studienfinanzieren, oder für eine Weltreise.

Unsere Gesellschaft würde imo enorm von einem BGE enorm profitieren, selbst Kulturell… Man denke allein schon an Künstler, die dann von ihrer Kunst auch leben und sich voll darauf könnten, anstatt noch irgendwo nebenbei kellnern gehen zu müssen…

Und wenn man überlegt, was man dann alles streichen könnte:

  • Bafög
  • Hartz4
  • ALG
  • Kindergeld
  • Elterngeld
  • Wohngeld
  • Rente

…und dazu natürlich die jeweilige Bürokratie-Maschinerie

Natürlich müsste man in viele dieser Bereiche komplett neu denken (gibt dann eben keine Rente, die vom Gehalt abhängt)…

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Und wer kellnert dann? Und wer konsumiert die viele neue Kunst? Ich meine die Frage wirklich ernst. Mehr Kunst oder auch andere mehr Freiheit in anderen beruflichen Bereichen bedeutet im Fachkräftemangel tendenziell noch weniger verfügbare Arbeitskraft und damit mehr Standortnachteil.

Ich würde dir im deinem langen Post nicht grundsätzlich widersprechen wollen, würde aber einen Aspekt reinbringen wollen:

Wenn man sich die gesamtbeschäftigten in Bereichen wie „Industrie“ ansieht, dann sollte man da m.E. Nicht nur aus Richtung der arbeitnehmer (Angebot an Arbeitskraft) denken, sondern auch im Blick behalten was auf der anderen Seite passiert.
Und da durch die enorm zunehmende Automatisierung die Produktivität pro Arbeitskraft natürlich steigt, und zwar stärker als die Binnennachfrage an den produzierten Gütern.
Um ein schlechtes Beispiel zu geben: Um alle deutschen Haushalte mit Kühlschränken zu versorgen braucht es viel weniger Arbeitskrafte in der Produktion als vor 20 Jahren.
Das wird zur Zeit aufgefangen in dem der Markt immer weiter und stärker ins Ausland verschoben wird, geht aber tendenziell natürlich weiter.

Das ist natürlich vollkommen richtig, funktioniert aber nicht in allen Bereichen. Im Handwerk, also dort wo die meisten Kräfte fehlen, ist die Automatisierungstechnik zum Beispiel nur begrenzt anwendbar.

Außerdem wollen wir ja auch jährliche Gehaltssteigerungen haben. Auch hierfür muss der Betrieb natürlich effizienter laufen damit die Gehaltssteigerung den Betrieb nicht Verluste kostet.

Genau das ist der Punkt. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen hat das Potenzial, im Niedriglohnsektor endlich mal viele prekäre Beschäftigungen zu verhindern, weil die Menschen dann sagen „für das Geld mache ich das nicht mehr“. Dann müsste auch in der Gastronomie endlich vernünftig bezahlt werden. Ja, dann wird Essen/ was trinken gehen tendenziell teurer, weil die Gastronomen jetzt ja auch nicht unbedingt Geld auf der Straße liegen haben. Wir können aber doch nicht immer wieder prekäre Beschäftigungen aufrecht erhalten, weil es ein gefühltes Grundrecht auf „es bleibt alles so, wie es ist“ gäbe - das gibt es nämlich nicht.

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Finde das @Dave da schon in die richtige Richtung tendiert. In den richtungsweisenden jungen Jahren fehlt vielen das Geld, was Bildung ja sehr abhängig von finanziellen Background macht. Mit diesem „befristeten Grundeinkommen“ trägt man einerseits zu mehr sozialer Gerechtigkeit bei und lichtet den Dschungel der bisherigen Fördertöpfe deutlich.

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Die Leute, denen das Spaß macht und die man dafür anständig bezahlt…
Für viele unbeliebte oder schlecht bezahlte Jobs wird das darauf rauslaufen, dass die Löhnte dort entweder steigen, oder dass man sie primär nur noch in Teilzeit machen wird, um sich was dazuzuverdienen. Der Friseursalon wird dann eben nicht fünf Vollzeitstellen besetzen sondern 10 Teilzeitkräfte.

Im Zweifelsfall nur sehr wenige… Und genau DAS ist ja der große Vorteil!!

Wer Groove-Metall-Hardcore-Funk mit Texten der Deutschen Volksmusik machen will, kann diese Nische besetzen, auch wenn er nur fünfeinhalb Fans hat, die ihm was dafür in den Hut schmeißen.

Wie gesagt… Man wird vieles neu denken… Warum nicht eine 30-Stunden-Woche einführen? Ist imo eh schon längst überfällig…

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Vielen Dank @Dave, du hast mich zur Erfindung eines neuen Sub-Sub-Sub Genres inspiriert. Ich nenne es Technical Dystopian Progressive Doom Metal, ich bin sicher, die Stadien werden mir zu Füssen liegen. :slight_smile: - kleiner Spass am Rande.

Ich verstehe nicht, was sich am Konsum der Kunst verändern soll. Wenn ich mehr Zeit habe, habe ich ja genau die Zeit, um mehr Kunst zu konsumieren. Im Zweifelsfall werden also alle mehr Kunst konsumieren - oder hätten ggf. die Möglichkeit dazu.

So, zurück zum eigentlichen Thema. Eine ganz entscheidende Position bei der Debatte ums bedingungslose Grundeinkommen ist aus meiner Sicht der Punkt, den Felix macht:

Wir haben heute Arbeitsverhältnisse, die sich für Arbeitgeber nur deshalb lohnen, weil die Menschen sündhaft schlecht bezahlt werden. Mein Lieblingsbeispiel sind da immer die Menschen in der Pflege, die vor 15 Jahren schon ein Problem hatten, aber immer mehr Arbeit mit immer weniger Personal machen müssen, dafür ihr Sozialleben dem Schichtdienst unterordnen und als Dank dafür gehen die Leute auf den Balkon und klatschen, wenn gerade mal eine akute Krise ist.

Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Lohnarbeit das „kostet“ oder eben „einbringt“, was sie wert ist. Und jemanden, der unseren Müll abholt, wollen wir eigentlich alle gerne, sonst liegt halt der Dreck auf der Strasse. Wir brauchen diese Menschen, aber wir wertschätzen sie nicht. Wir wollen immer 12h Express-Lieferung von unserem neuesten Amazon Schnapper, aber dass die Leute bei Amazon schlecht bezahlt werden und im Zweifel jemand nachts unsere Pakete umpackt/sortiert/verlädt ist uns nicht immer ganz klar. Vor allem ist uns häufig nicht bewusst, dass diese Menschen teilweise in miserablen Anstellungsbedingungen festhängen.

Was hier m. E. noch zu wenig diskutiert wird, ist, ob es nicht unter „fairer“ Lohnzahlung nicht möglich wäre eine ganze Reihe von Jobs obsolet zu machen. Klar, wir können nicht alle Jobs entfernen, aber bspw. Strassenkehrer könnte man ggf. mit der bestehenden Technik mit einer Art Staubsaugerroboter ersetzen. Wenn die Löhne grösser werden, würden solche Technologien viel schneller konkurrenzfähig. Das lässt sich auf x Bereiche anwenden. Wieso müssen noch so viele Menschen im Finanzamt sitzen, wenn man eigentlich einiges viel einfacher lösen könnte.

Natürlich entstehen neue Jobs, aber eventuell wäre es eine gute Massnahme, sich mal zu fragen, was man denn alles automatisieren könnte.

Für besondere Bereiche sollte es dann auch eine Art Staatsdienst geben. So könnte man die Bevölkerung - natürlich gegen Bezahlung - zu einer bestimmten (vorübergehenden) Tätigkeit aufbieten. Das klingt jetzt totalitär, muss es aber gar nicht sein. Man könnte zuerst Freiwillige suchen und ansonsten ein Aufgebot machen. So können wichtige, sensible Bereiche mit einer Art Bürgerpraktikum. Eventuell könnte man solche Arbeitseinsätze fürs Altersvermögen kumulieren, hätte also nochmals was gutes.

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Was unterscheidet den Berufskünstler dann noch von jemandem, der alimentiert nicht arbeitet und dafür seinen Hobbys nachgeht?

Sorry, aber ich habe etliche Hobbies (Private IT Projekte) und bin oft nur am hin- und herhetzen um alles mit meiner normalen Arbeit unter einen Hut zu bringen. Würde ich deswegen meine Arbeit aufgeben damit ich Vollzeit für 3 Hanseln meine Produkte bereit stelle?

Das erscheint mir total widersinnig und ein weiterer Schritt in der „nur meine eigenen Bedürfnisse sind wichtig“-Denkweise. Mir wäre wichtiger, dass auch unbeliebte Arbeiten aus Verantwortung übernommen werden. Diese sollen dann natürlich auch gut bezahlt werden.

Warum muss es da denn einen Unterschied geben?

Ich schon! Wenn es ein BGE gäbe, würde ich zumindest eher drüber nachdenken, meinen Day Job zu reduzieren und nebenbei was aufzuziehen (mal davon abgesehen, dass ich so oder so einfach zu viel verdiene, als dass von dem BGE da noch was übrig bleibt)

Aber das ist doch der Punkt: Wir werden dadurch insgesamt zu einer besseren Gesellschaft, weil ALLE profitieren. Weniger Bürokratie, mehr Kultur, mehr Startups, mehr Innovation.

Was hält Dich davon ab, die unliebsamen Aufgaben zu übernehmen?

Aber Du meinst vermutlich dass ANDERE Leute aus Verantwortung heraus die schlecht bezahlten, unliebsamen Aufgaben übernehmen sollen…

Merkste’ selber, oder…?

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Ich finde man merkt an der Diskussion, dass es viele ein unterschiedliches Verständnis vom BGE haben, was es sein soll, wer bekommt wie viel und vor allem wie es finanziert werden soll. Daher eine kurze Vorstellung davon, was ich darunter verstehe, bzw. mir wünschen würde.

  • Ein monatliches Einkommen von 1.300 - 1.500€ für jeden deutschen Staatsbürger ab 18 Jahren
  • BGE als Ersatz von aktuellen Sozialleistungen wie Hartz4 oder Bafög

Die Frage, ob ein BGE funktionieren kann, wird ja eigentlich immer an 2 Punkten geknüpft, erstens ob es finanzierbar ist und zweitens ob unsere heilige Wirtschaft das aushält (und ob nicht alle faul werden).
Zuerst die Finanzierbarkeit: gehen wir von 1500€ aus bei 67Mil. Menschen über 18 Jahre, dann sind wir bei Kosten von 1,2 Billionen Euro. Das klingt erstmal viel, wenn man bedenkt, dass der Bund nur ein Budget von ca. 400 Mrd, aber der Bund ist ja aktuell auch nicht zuständig für den gesamten Erhalt des Sozialnetzes (wobei ja schon fast ein Drittel für die Rente drauf geht). Spannend finde ich, dass wenn man alle Ausgaben laut FAZ für unser Sozialnetz zusammen nimmt, bedeutet AN wie auch AG-Beiträge, kommt man für das Jahr 2020 auch auf knapp 1,2 Billionen.

Damit möchte ich nur mal sagen, dass diese Summe keine unglaublich utopische Zahl ist, sondern dass wir bereits aktuell genau so viel Geld verschieben, wie es für das BGE notwendig wäre. Dass das BGE im aktuellen „Verteilungssystem“ nicht eingeführt werden sollte, scheint ja auch hier erstmal Konsens zu sein. Wie ich mich erinnere wurde hier bereits über eine 50% MWST diskutiert oder die „Abbezahlung“ des BGE über seinen Job. Beide Ideen gefallen mir nicht, da es entweder über den Konsum geht (sofortige Inflation durch Steuer und dadurch vlt. sogar Verlust des Zugewinns des BGE) oder weitere Besteuerung von Arbeit, von dem wir m.M. eher loskommen müssen.

Daher tendiere ich eher in Richtung Finanztransaktionssteuer, Erbschaftssteuer und für Betriebe eine Wertschöpfungssteuer und dafür die Lohnsteuer zu senken und Arbeitnehmern noch einen zusätzlichen Freibetrag zu gewähren. (Arbeit soll sich ja auch wirklich wieder lohnen). Dies wäre natürlich eine komplette Umgestaltung unseres Steuersystem, dass aber doch gerade daran abzielt, wo Kapital steckt oder geschaffen wird.

Würde unsere Wirtschaft das aushalten? Ich würde sagen sie würde davon profitieren, aber das ist erstmal natürlich nur spekulativ. Jedenfalls sehe ich für alle AN erstmal eine bessere Verhandlungsbasis für ihre Tätigkeit. Durch den Wegfall von AN und AG Beiträge werden für Arbeitgeber die Lohnkosten ja sogar geringer. Einige Menschen werden sich sogar selbständig machen und das scheint mir auch nichts negatives zu sein. Ich finde es immer spannend, dass Leute als Gegenargument für das BGE aufzählen, dass bestimmte Dienstleistungen teuerer werden, weil die Löhne in einem Bereich steigen. Das bedeutet ja man weiß, dass diese Menschen schlecht bezahlt werden und man möchte die Situation einfach nur nicht ändern.

Zum Thema Inflation würde ich auch gern meinen Senf abgeben. Ich denke die Angst davor ist ziemlich unbegründet, denn neben dem ja ganz bekannten Angebot und Nachfrage Prinzip, darf man das Konkurrenz Prinzip auch nicht vergessen. Klar könnte ein Produzent die Preise erhöhen, aber wenn auch nur ein Wettbewerber es nicht macht, klappt das wiederum nicht. Ich habe nicht das Gefühl, dass die meisten Waren danach gehandelt werden, wie das Angebot und wie die Nachfrage ist, sondern eher wo Konkurrenzprodukte liegen und wie viel der Käufer bereit ist auszugeben. Wenn wir auf den Lebensmittelmarkt schauen sehen wir ja ein richtig extremes runterdrücken der Einkaufspreise für Aldi Lidl und Co. Das wird sich durch ein BGE nicht ändern. Interessant ist der Bereich Wohnen und Immobilien, da könnte es einerseits natürlich einen Preissprung geben durch eine höhere Nachfrage. Es könnte auch sein, dass einige mehr aufs Dorf ziehen, wenn sie von dort aus im Homeoffice arbeiten können. Fakt ist doch, dass der Immobilienmarkt ja jetzt auch schon nicht einfach ist und dass ein BGE nicht alle Probleme von selbst lösen kann.

Es soll ein neues System der Sozialabsicherung sein, in einer Zeit, wo wir die Folgen von Digitalisierung und Klimawandel nicht abschätzen können.

Noch eine kleine Anmerkung zum Thema „Die Menschen werden faul“. In den Experimenten, die in Richtung BGE gegangen sind, gab es immer 2 Gruppen von Menschen die weniger gearbeitet haben. Alleinerziehende Elternteile, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbracht haben und Menschen, die wieder die Schule besucht haben oder weitere Bildungserweiternde Maßnahmen getroffen haben. Die eigentliche Frage ist nicht ob es finanzierbar ist, sondern ob wir es wollen.

Weniger Bürokratie: d’accord.
Mehr Kultur: Wir leisten uns schon sehr viel Kultur. Aber sicher, mehr geht immer. Nur komischerweise bleiben die Theater schon jetzt weitgehend leer, während wir viele schlecht bezahlte Künstler haben. Verbreitern wir das künstlerische Angebot bin ich skeptisch ob die Theater voller oder das Interesse an Kultur größer wird.
Mehr Startups: ein Grundgedanke der Startup Kultur ist „fail fast“, damit man schlechte Ideen schnell beerdigt und dafür was neues ausprobieren kann. Mit einem BGE habe ich weit weniger wirtschaftlichen Druck eine Idee ohne Marktchance (=Risk Venture Finanzierung) umzusetzen. Das BGE würde also der Startup Idee eher schaden.

Ich arbeite schon in einem Job, der nicht sonderlich beliebt ist. Er wird halt nur gut bezahlt (Data Science/Engineering). Es steht dem Kellner gerne frei ebenfalls in Bereichen zu arbeiten, die besser zahlen. Mit mehr wechselwilligen Kellnern würde vermutlich ganz von selbst das Gehalt der Übrigen steigen.

Naja, ich bin jetzt auch nicht gerade der große Theaterhänger, war aber in Deutschland eine Geldfrage und hier ein Sprachverständnisfrage.

Aber zum einen ist Kultur weitaus mehr als nur Theater und zum anderen hast du mit dem BGE den Vorteil, dass Kunst nicht mehr zwingend gewinnbringend sein muss.

Glaube ich eher nicht. Denn im momentanen System bist du ja zum Gewinn machen verdammt. Haben wir ein BGE reicht es ja zuerstmal Kostendeckend zu arbeiten, das Produkt verfeinern, besser anpassen und dann kommt der Durchbruch vielleicht später.

Momentan ist es doch so, dass so ziemlich jedes Startup relativ schnell marktreif werden muss, damit die Kapitalgeber Rendite sehen.
Mit BGE hast du einfach mehr Zeit und Ruhe zur Perfektion/Weiterentwicklung.

Tja das Problem aktuell für den Wechselwilligen Kellner ist doch, dass er einen anderen Jobb finden muss bevor er wechseln kann und die paar die diese Hürde nehmen werden quasi vom Arbeitsamt zu gleichen Bedingungen ersetzt.
Hat er keinen Jobb parat kann er gar nicht wechseln, denn wenn er kündigt, kriegt er erstmal 3 Monate Sperre und dann nur einen Bruchteil seines miserablen Lohns als Arbeitslosengeld.

Es ist also derzeit so, dass eher der Anreiz besteht nicht zu wechseln.

Auch hier wieder bei einem BGE würden viele nicht mehr zu diesen Bedingungen arbeiten gehen.

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Das ist definitiv falsch. Die meisten Startups (und ihre großen Nachfolger) arbeiten über Jahre defizitär. Beispiel gefällig?

Facebook, Tesla, Databricks, Palantir usw… Riesige Plattformen oder Unternehmen, aber es hat ewig gedauert bis die erstmalig schwarze Zahlen geschrieben haben (und einige noch heute nicht). Die finanzieren sich nur über steigende Umsatzzahlen, nicht Gewinne.

Der Vollständigkeit halber, ich kenne auch kleine Startups bei denen es ähnlich aussieht. Bringt ja aber nichts unbekannte Unternehmen aufzuzählen mit denen keiner was anfangen kann.

Nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Es gibt Weiterbildungsprogramme der Agentur um sich aus einem schlecht bezahlen Job weg zu bilden. Die Schwierigkeit ist sicher, dass man sicher keine Weiterbildung vom Kellner zum Germanisten bekommen wird sondern eher zur IT Fachkraft und es eine Plausibilitätsprüfung gibt, ich also Grundkenntnisse begründen muss.