Ist Deutschland satt, träge und selbstgerecht? Ist der Spitzensport wirklich ein Spiegel unserer Gesellschaft?

Es gibt quasi kein Thema zu dem es noch keine Studie gibt. :wink:

Service-Post, den Inhalt habe ich nur in der Kurzform gelesen und will hier kein Halbwissen verbreiten.

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Ich finde das ist eine total absurde Position. Natürlich halten wir unsere Position für gut und richtig, sonst würden wir sie ja nicht einnehmen. Es ist auch Quatsch, wenn man so tut als wären die Werte, auf denen Deutschland üblicherweise (angeblich) beharrt ein total deutsch-egozentrisches Konstrukt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hat auch China beispielsweise unterzeichnet und alles, was wir (angeblich) anprangern, steht da drin, denke ich. Die AEM ist zwar nicht justiziabel, bietet aber wohl dennoch ein solides Fundament für Kritik, insbesondere an Ländern, die sich dieser angeschlossen haben.

Und ob Deutschland wirklich so aggressiv seine Werte international vertritt, steht nochmal auf einem ganz anderen Blatt. Das wird so oft behauptet und seltenst belegt. Mein Eindruck ist, dass Deutschland ziemlich gern mit Autokraten und Diktatoren kuschelt, solang das kurzfristige wirtschaftliche Vorteile verspricht. Ich sehe da ehrlich gesagt deutlich mehr Opportunismus als den vorgeworfenen übertriebenen Idealismus.

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Ich finde diese gesamte Spitzensport Diskussion völlig falsch geführt. Denn was brauch es um irgendwann erfolgreich zu werden:

  1. Einfachen Zugang zu Sportangeboten, inkl. Wettkämpfe, im Kindesalter, unabhängig vom Einkommen und Zeit der Eltern.

  2. Gut ausgebildete Trainer, die ALLE Kinder auch individuell in ihrer Sportart fördern.

  3. Ein System, dass die Teenager mit den besten Anlagen in ihrer Sportart speziell fördert, und auch dies möglichst unabhängig von Geld und Zeit der Eltern

  4. Finanzielle Sicherheit im Alter von 16 bis Mitte 20, um eine Chance zu haben ein professioneller Athlet zu werden, und damit irgendwann von der Sportart allein leben zu können

  5. Ex Profis, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben können, und am besten finanziell auch davon noch leben können.

  6. Geld! Ja, Sportförderung kostet Geld. Vom Bau der Sportstätten, Trainerausbildung, Wettkampfdurchführung, Schiedsrichter, …. .

Dieses Gequatsche von Deutschland ist zu satt ist einfach falsch. Denn der Sport, und v.a. der Fußball, ist einer der letzten Bereiche, wo ein Kind aus einer einkommensschwachen Familie zu einem Topverdiener werden kann. Nur müssen dafür die oben genannten Rädchen ineinander greifen.
Unser System baut auf viele kleine lokale Vereine, was für den Zugang in der Breite gut ist, und auf Ehrenamt. Das ist für den Breitensport OK, aber ob die Qualifikation der ehrenamtlichen Trainer ausreicht für eine individuelle Förderung im Kindesalter wage ich in vielen Fällen zu bezweifeln.

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Das ist zwar alles richtig, aber m. E. ging es darum gar nicht in den Aussagen von Hanning. Ich zitiere aus dem Artikel

Hanning bemängelte, es habe bei der Endrunde sowohl auf als auch neben dem Platz keinen Plan, keine Leistung und kein Konzept gegeben. „Wir haben bei der Weltmeisterschaft genau die Nationalmannschaft bekommen, die wir aktuell verdienen.

und

Auch die DFB-Führung bekam nach dem blamablen Vorrunden-Aus ihr Fett weg. Sie habe es versäumt, den Fokus der Mannschaft auf das Wesentliche zu lenken – den Sport.

Trotz aller Kritik hier an meinem Rundumschlag-Post sehe ich hier keine Argumente, die diese Punkte (weder von Hanning noch von mir) entkräftet hätten (außer vielleicht der Hinweis, dass die Mannschaft gg Spanien ganz gut spielte).

Tatsächlich hat man doch ganz klar den Eindruck, dass Deutschland keinen größeren Plan und kein Konzept hat und das wird der Bundesregierung (sowohl der letzten als auch dieser) doch regelmäßig um die Ohren gehauen. Man laviert sich halt um die auftretenden Probleme herum, statt sie anzugehen.

Und der zweite Punkt, dass man sich nicht auf das Wesentliche konzentriert, ist ebenfalls eine nachvollziehbare Beobachtung. Wir haben so große Probleme zu lösen (Demographie, Krieg, Klimakrise, Digitalisierung) und statt sie entschlossen anzupacken, diskutieren wir (hier im Forum) über die diskrimierende Wirkung der Farbe Schwarz oder in der Gesellschaft über Tempolimit (das richtig wäre, aber im Vergleich zur Bedeutung viel zu viel Aufmerksamkeit bindet), ob Klimakleber Terroristen sind, ob Gendersternchen des Teufels sind, Datenschutz und ob Schützenpanzer nun schon schwere Panzer sind oder nicht.

Begreift man das Land als Team und Scholz und seinen Stab als Bundestrainer mitsamt Cotrainern, dann ist das der klassische Fall fehlender Führung, in der jeder sein Lieblingsproblem in den Topf wirft und die Vielstimmigkeit das gemeinsame Ziel unverständlich macht. So schafft man eben keinen Erfolg.

Damit will ich nicht sagen, dass die übrigen Anliegen wichtig sind. Aber vielleicht sollten bzw. müssen Bürger und Medien einfach auch mal akzeptieren, dass es eben kein Skandal ist wenn ihr Anliegen nicht ganz oben in der Profi-Liste ist. Im Sport oder Beruf kann ich auch nicht verlangen, dass mein Problem immer gleich gelöst wird, sondern muss auch mal teamdienlich denken.

Stop, reden wir jetzt in diesem Thread von a) der sportlichen und taktischen Leistung der Fußball Nationalmannschaft der Männer (und auch hier muss man Einzelleistung und Teamleistung getrennt betrachten) , b) Vom DFB & DFL Allgemein, c) von der Spitzensportförderung oder d) dem (Sport- ) politischen Umgang mit dem Thema Menschenrechte und Gleichberechtigung?

Das sind doch alles unterschiedliche Themen, mit nur teilweise Überlappungen.

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Und genau deswegen macht es mir Spaß hier mitzulesen. Es hat was von einem Assoziationsspiel, wo jeder an etwas anderes denkt. Das finde ich sehr spannend, da ich vieles nachvollziehen kann, auch wenn es nicht meine Assoziationen waren.

Das soll aber keine Kritik an Deinem Beitrag sein. Wenn man miteinander diskutieren und nicht aneinander vorbeireden möchte, muss man die Frage nach dem konkreten Diskussionsgegenstand als erstes klären.

Ja da hast du Recht.

Ich orientiere mich am Inhalt des Eingangsposts und der des Hanning-Interviews. Leider haben andere Nutzer das Thema später in (wie ich persönlich finde) eher belanglose Sportdiskussionen abgewandelt, unterstützt von der Moderation, die später den Titel entsprechend anpasste.

Wobei das Hanning Interview ja Ausgangspunkt dieser völlig unspezifischen Diskussion ist, mit seinem allgemeinen auf allen Draufkloppe.

Man kann diese ganze Diskussion in der Breite sicherlich führen, nur muss man dann, wie so oft, in die Details gehen, und einzeln die von mir benannten Punkte mit den jeweils beteiligten Beteiligten betrachten.

Und ich bleibe dabei, die pauschale Aussage ,Deutschland ist satt, ist falsch, denn wir sehen ja, dass wir in sehr vielen Sportarten weltklasse Athleten und Athletinnen haben. Die Frage ist also, wie können wir noch mehr Kinder und junge Jugendliche aus allen Schichten fördern, und es ihnen auch später finanziell ermöglichen, sich voll auf den Sport konzentrieren zu können.
Und die Fußball Männer Nationalmannschaft ist eben nur ein ganz ganz kleiner Teil der deutschen Sportwelt, wenn auch der im meisten im Fokus stehende.

Spannend! Liege mit meiner Einschätzung also gar nicht so falsch.
Danke für den Hinweis zur Studie.

Welches Land kritisiert sich denn öffentlich selbst? Weder China, noch Nord Korea oder irgend ein anderes Land. Wobei, am ehesten noch Deutschland selbst. Darum ist das Beispiel China und Menschenrechte nun gerade nicht passend.

Ich würde in sofern zustimmen, dass es natürlich auch eine internationale Berichterstattung des Diskurses in Deutschland gibt. Wobei die Berichterstattung vom politischen System der Adressaten beeinflusst sein dürfte. Deswegen liegt nicht alles was im Ausland ankommt auch in deutscher Hand.

Mein erster Impuls war, einzuwerfen, dass ein MINT-Studium ein typische Weg zum Aufstieg ist.
Aber wenn man es mit den Millionengehältern der Top-Fußballprofis vergleicht, sind die Gehälter typischer MINT-Absolventen immer noch relativ gering.
Immerhin müssen sie oft schon den Spitzensteuersatz zahlen (abgesehen von der Millionärssteuer). (Und das ist für mich ein Indiz, dass unsere Steuerpolitik lieber bei der Breite der Leistungsträger als bei Spitze abkassiert.)

Das blendet die Realitäten all der Schwierigkeiten bezüglich des sozialen Aufstiegs aus.

Der Unterschied ist: Im Fußball spielt es keine große Rolle, wie der Bildungsstand und der soziale Stand der Eltern ist. Wenn das Kind an Fußball interessiert ist und in einen - i.d.R. extrem günstigen - Fußballverein geht, hat es ungeachtet seines sozialen Backgrounds die gleiche (extrem niedrige) Chance, es zum Spitzensportler zu schaffen, wie jedes Kind aus reichen Elternhäusern. In teureren Sportarten sieht das schon anders aus (Spitzen-Dressurreiter kommen z.B. fast alle aus wohlhabenden Elternhäusern, warum wohl?).

Um einen MINT-Studiengang erfolgreich abzuschließen, muss man als Kind aus einem benachteiligten Elternhaus erst einmal tausend Hürden überwinden. Man muss ohne jede Unterstützung der Eltern gut in naturwissenschaftlichen Fächern werden, darf nicht durch das dreigliedrige Schulsystem aufgrund des Status der Eltern ausgesondert werden (ja, das passiert öfter als man denkt!), muss sich in eine Lage versetzen, überhaupt Studienfähig zu sein und darf nicht in die „Falle“ tappen, nach der Schule schnell „Geld verdienen“ zu wollen, was gerade für Aufsteiger aus armen Familien häufig ein Problem ist.

Der Bildungsbereich ist immer noch der Bereich in Deutschland mit der größten sozialen Segregation, auch international betrachtet. Kinder aus armen Elternhäusern schaffen es eben typischerweise nicht, überhaupt an die Uni zu kommen, geschweige denn, in einen technischen Studiengang (oder Medizin oder Jura)…

Ich würde daher den MINT-Studiengang ganz sicher nicht als typischen Weg zum Aufstieg bezeichnen. Der typische Weg zum Aufstieg ist realistisch betrachtet oft eher eine Ausbildung, daran angeschlossen ein Meister / Fachwirt / Techniker und mit Glück schafft man es dann, die Grundlage zu legen, damit die eigenen Kinder mal studieren können. So langsam ist leider der Aufstieg in Deutschland.

Für einen winzigen Bruchteil ihres Einkommens. Daher: Wer nach allen berücksichtigungsfähigen Abzügen noch 60.000 im Jahr verdient, zahlt für exakt 1.403 Euro davon den Spitzensteuersatz, für den Rest nur den jeweiligen Steuersatz der Progressionsstufe. Selbst wer nach Abzügen noch 100.000 Euro im Jahr verdient, zahlt nur auf 41.403 Euro davon den Spitzensteuersatz, also auf knapp 41,4% seines Einkommens.

Oder anders gesagt:
Bei 60.000 Euro zahlt man gerade mal 11.177 Euro Steuern (=18,63%), bei 100.000 Euro zahlt man 28.099 Euro (=28,1%) und bei 200.000 Euro zahlt man 72.704 Euro (=36,352%). Bei einer Million wären wir dann bei 44,96%.

Wenn sich also jemand mit 60.000 Euro darüber beklagt, dass er „den Spitzensteuersatz“ zahlen würde, nur weil die letzten paar Euro mit dem Spitzensteuersatz belegt sind, ist das ziemlich albern und deutet darauf hin, dass man das Steuersystem nicht verstanden hat.

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… und es ist von großem Vorteil wenn „das Kind“ ein Junge ist.

Setzte Mädchen ein und die Geschichte ist gleich nur die halbe Wahrheit

Ich behaupte nicht, jeder könne durch ein MINT-Studium aufsteigen, das erfordert schon eine gewisse Begabung, ein Interesse und etwas Fleiß. Aber ich glaube schon, dass es mehr Menschen gibt, die durch ein MINT-Studium aufsteigen als durch Fußball. Ein Aufstieg durch Fußball erfordert auch Begabung, Interesse und Fleiß.

Es war mein erster Impuls, nachdem Fußball als Weg zum Aufstieg angepriesen wurde. Wie gesagt, auch ein MINT-Studium kann nicht jeder erfolgreich abschließen, aber es sind vermutlich viel mehr, als durch Fußball reich werden. Der von Dir skizzierte Weg ist sicherlich für viele weitere eine Möglichkeit. Mit „ein typischer Weg“ meinte ich nicht, dass es der Weg für alle ist. Da hätte ich vielleicht auch meinen ersten Impuls vorsichtiger formulieren sollen. Aber es sind schon Karrieren, für die es weniger wichtig als in manchen anderen Fächern ist, eine Praxis oder einen Klientenstamm zu erben oder die richtigen Beziehungen zu haben oder einfach Startkapital.

Den Unterschied zwischen Grenzsteuersatz und durschnittlichem Steuersatz sollte man natürlich kennen. Und damit ist es natürlich richtig, dass jemand 60000 Euro pro Jahr sagt, dass er den Spitzensteuersatz (abgesehen von der Millionärssteuer) als Grenzsteuersatz zahlt.
Zum einen finde ich es aber schon fragwürdig, dass man im oberen Tarif, ggf. mit bezahlten Überstunden, einen höheren Durchnittssteuersatz auf sein Einkommen zahlt, für das man ja schließlich einiges leistet, als jemand mit leistungslosem Einkommen aus Kapitalerträgen (von steuerfreiem Einkommen aus Immobilienwertzuwächsen nach längerer Haltezeit ganz abgesehen). Zum anderen ist auch der Grenzsteuersatz relevant, z. B. wenn sich jemand überlegt, ob er eine bezahlte Überstunde leisten will.