Inklusion an deutschen Schulen – die ungeliebten "Förderkinder"

In diesem Fall war die Fahrt ca. 45 Minuten (einfach) wobei die Fahrzeit direkt mit dem Auto 25 Minuten gewesen wäre, aber dieser Bus hat ja mehrere Schüler einzeln abgeholt.

Vielen Dank auf alle Fälle, dass du hier entsprechende Einblicke gibst. Du hast hier natürlich erheblich detailliertere Erfahrungen.

Der Bekannte von mir kann z.B. auch heute als Erwachsener keine Zahlen erkennen. Er kann aber abschätzen, dass ein Haufen mit 10 Gummibärchen mehr ist als der Haufen mit 5 Gummibärchen.

Dass das Durchführen der Übungen keinen Fachmann erfordert stimmt natürlich, schließlich habe auch ich mit ihm ab und an Hausaufgaben gemacht. Die Auswahl der Aufgabentypen erfolgte aber wohl zumindest Teils unter Absprache mit der Fachklinik. Wie Aufwändig das ist und wie viel Fachwissen das erfordert kann ich natürlich nicht abschätzen.

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Um vielleicht mal einen Stand dessen was ich mir an Meinung bilden konnte zusammenzufassen.

Einfache Förderschulen sind aktuell tatsächlich für viele Schüler eher ein Ort um Schüler die für Regelschulen Aufwand bedeuten Abzuschieben als ein Ort in dem eine echte Förderung stattfindet. Die Schüler die ich kenne gehen dort jedenfalls selten mit mehr Können raus als vergleichbare Fälle an Regelschulen, eher im Gegenteil weil viele schwierige Schüler auf engem Raum das lernen eher ausbremsen.
Bei einfacheren Behinderungen wird viel zu wenig getan. Das fängt mit Barrierefreiheit an und hört bei der individuellen Förderung noch lange nicht auf. Und solange dies schon nicht klappt fällt vielen (inkl. mir) einfach schwer mir vorzustellen, dass es mit schweren Fällen mit erheblichen Förderbedarf gut gehen kann, auch wenn es wie hier beschrieben Möglichkeiten gibt. Das ruft eine Ablehnung z.B. auch bei Lehrern hervor.
Hier fehlt es seitens der zuständigen Ministerien einfach an Engagement etwas zum besseren zu verändern um so auch Vertrauen zu schaffen, dass dies Umgesetzt werden kann.
Berichte über Fälle die schlecht umgesetzt waren und damit Lehrkräfte über ihre Belastungsgrenze trieben tun ihr übriges um Angst unter den Lehrern zu schüren.

Etwas anderer Meinung bin ich wenn es um spezielle Schulen wie für Sehbehinderte und Gehörlose geht. Hier zieht in meinen Augen das Argument „denen würde es helfen mit normalen Schülern aufzuwachsen“ nicht, da dies ja implizieren würde, dass es sich bei diesen Menschen nicht um „normale“ Menschen handelt. Hier reden wir ja von Menschen die lediglich eine spezielle Aufbereitung brauchen, die im Rahmen einer solchen Schule sehr umfassend machbar ist, im Rahmen einer Regelschule dagegen ja sogar dem Leitsatz, dass man Wissen auf möglichst vielen Wegen (Hören, Sehen, Sprechen, etc.) entgegenstehen würde.
Da würde ich dann differenzieren ob es eine solche Schule in einer akzeptablen Nähe gibt oder nicht. Niemand sollte täglich stundenlang im Auto sitzen müssen um zur Schule zu können, aber wenn eine spezielle Schule in der Nähe ist, wäre für mich jetzt eher die Frage warum das dann nicht ok wäre.

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Das ist aus meiner Sicht eine sehr gute Zusammenfassung, Danke dafür. Ich denke auch, das Blinden- und Taubstummenschulen noch am ehesten eine allgemeine Daseinsberechtigung haben. Ich bin auch nicht grundsätzlich gegen Förderzentren für spezifische Kinder/Situationen im Laufe der Schullaufbahn.

Aber auch diese könnten ja in vielen Fällen an Regelschulen angeschlossen werden, die für diese spezfischen Förderschwerpunkte dann ein größeres Einzugsgebiet und besondere Expertise entwickeln. An der Kita meines Sohnes haben zum Beispiel grundsätzlich alle Kinder Elemente der deutschen Gebärdensprache gelernt (Stichwort „Unterstützte Kommunikation“). Das zu erlernen ist für Kinder kein großes Problem, erweitert die Möglichkeiten der Sprachförderung auch bei nichtbehinderten Kindern und gibt allen Kindern eine tolle „Geheimsprache“ für zu Hause, ganz unabhängig von der pädagogischen Notwendigkeit für die Förderung einiger weniger Kinder.

Das halte ich aber für eine Diskussion, die selbst unter Inklusionskindern nur eine absolute Minderheit betrifft. Der Löwenanteil der Förderkinder könnte in einem darauf eingestellten Schulsystem problemlos (bzw. mit ähnlichen Problemen die mit der Beschulung jeden Kindes einhergehen) in Regelschulen unterrichtet werden.

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Wenn es für diese Eltern keine Alternative gibt, da Sie das Schulsystem nicht ändern können, kann ich die Wahrung der eigenen Interessen zumindest verstehen. Gerade wenn es um das eigene Kind geht ist vielen alles andere egal und das kann man niemandem vorwerfen. Du schreibst ja selbst das Inklusion nicht funktioniert wenn man einfach das Kind dazusetzt und sagt, viel Spaß, komm mit oder lass es. Der Grad der Behinderung ist natürlich entscheidend und häufig wird es scheinbar darauf hinauslaufen das das Kind mit Beeinträchtigung nicht am normalen Schulstoff teilnehmen kann. Also ein seperater Unterricht in der selben Klasse? Ein Betreuer pro Kind mit starker Beeinträchtigung, pro Klasse. Wo sollen die alle herkommen?

Ps: Ich finde die Trennung nach der 4ten Klasse gut denn ohne den Anreiz wäre ich mit gutem Hauptschulabschluss statt Abitur von der Schule. Das Schulsystem das wir haben ist nicht für alle schlecht!

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Doch natürlich. Wenn jemand die Schulkarriere des eigenen Kindes dadurch retten will, andere Kinder von der Schule auszuschließen (und es zwischen diesen Dingen oft nichtmal einen sachlichen Zusammenhang gibt), dann ist das durchaus kritikwürdig. Vor allem wenn ansonsten nicht viel für den Erfolg der Schule im Allgemeinen oder Inklusion im Besonderen getan wird. Solche Widerstände kommen nämlich oft gerade nicht von den Eltern, die ihre Wochenenden für das Schulfest opfern oder die den Förderverein großzügig unterstützen.

Naja, diese Betreuung ist doch auch an Förderschulen notwendig, wenn man da die Kinder nicht völlig ohne Betreuung vor sich hinvegetieren lassen will. In Einzelfällen gibt es sicherlich interessante Abwägungen, in welcher Situation ein bestimmtes, komplex förderbedürftiges Kind besonders gut aufgehoben ist. Aber für einen großen Teil der „Förderkinder“ gibt es keinen sachlichen Grund, warum die ihnen zugedachten Ressourcen nicht auch effektiv an Regelschulen zum Einsatz kommen können.

Zum Thema „separater Unterricht“: Wie das im Falle meines Sohnes läuft, habe ich oben beschrieben. Das ist erstmal an jeder Schule umsetzbar. Allgemein wäre es aber auch für viele Regelkinder für den Lernerfolg hilfreich, wenn man ihren Lernfortschritt individueller beurteilen und entsprechende Lernziele formulieren, die in einer flexibleren Lernsituation als dem typischen Einheitsunterricht umgesetzt werden. Da gibt es ziemlich klare Erkenntnisse der pädagogischen Forschung, die auch an vielen Schulen schon im Alltag praktiziert werden.

Natürlich nicht. Praktisch kein System ist jemals für alle schlecht. Aber gerade die Diskussion um Pisa zeigt doch, dass unser Schulsystem für viele (die meisten?) Schüler sehr unzfriedenstellende Ergebnisse bringt. Vor allem für jene, die auch nur einen Hauch an Förderbedarf haben (und dazu gehören nicht nur Kinder mit Fördergutachten und auch nicht nur Migrantenkinder mit Sprachproblemen, sondern auch viele, viele völlig gesunde Kinder aus „gutem Hause“).

Praktisch alle Schulsysteme weltweit mit sehr guten Ergebnissen haben eines gemeinsam: gemeinsame Beschulung bis zur 10. Klasse (oder vergleichbar). Das heißt nicht, dass ein getrenntes Schulsystem nicht funktionieren kann, nur das es das in Deutschland (im Durchschnitt) nicht tut. Deutschland leistet sich einen schlecht funktionierenden, für eine kleine Bildungselite aber durchaus attraktiven Sonderweg.

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Ja, im utopischen Idealfall alle. Denn man kann Klassenverbände für Lerngruppen, autonomes Lernen, besondere Förderung auch immer auseinanderziehen. Warum sollte ein geistig behindertes Kind im Musikunterricht nicht mitmachen können? Im Gesprächskreis? Beim gemeinsamen Mittagessen? Beim Erforschen der Natur? Oder im Kunstunterricht? Oder im binnendifferenzierten Deutschunterricht?

Wenn eine Behinderung sehr stark ist, müsste man die Frage beantworten, was für dieses Kind/diesen Jugendlichen das Beste ist. Ich denke aber, dass es bei den allermeisten Einschränkungen die bessere Lösung für alle ist, alle Kinder inklusiv gemeinsam zu beschulen. Alle Menschen können lernen. Es ist einfach nicht erforderlich, dass alle im Gleichschritt mit Klassenarbeiten am selben Tag lernen.
Empfehlung Lerncoach Caroline von ST. Ange
Buch Alles ist schwer, bevor es leicht ist

Man sieht doch an der extremen Benachteiligung von behinderten Menschen in unserer Gesellschaft und an der fehlenden Teilhabe (Jeder, der das bestreitet, möge einen Zug der DB ansehen…), dem fehlenden Kontakt, dass ein getrenntes Schulsystem auch zur Trennung und Nicht- Wahrnehmung im Erwachsenenalter führt. Und das ist ganz gewiss falsch. Was für eine Gesellschaft wollen wir? Eine inklusive? Das geht nur mit inklusiver Schule.

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Über behinderte Menschen hinaus, ist das Schulsystem durch die „Aussortierung“ nach meistens vier Schuljahren sowieso schon eine Katastrophe für Gleichberechtigung/gerechter Förderung aller Kinder, denn es benachteiligt massiv Kinder aus armen, ausländischen oder bildungsfernen Familien.

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Pisa hat soo viele Lücken und Probleme das ich es nicht ernst nehmen kann. Das Einzelunterricht besser für die Kinder wäre steht ja auch nicht zur Diskussion. Nur kann/will sich das ein Land wie Deutschland nicht leisten. Die Betreuung in einer Förderschule für Kinder mit ähnlichen Schwächen bedarf jedoch vielleicht keiner so starken Einzelbetreuung wie sie bei einer großen Diskrepanz in einer „normalen“ Klasse wäre.

Den sachlichen Zusammenhang für die Eltern hast du doch selbst skiziert. Ein Schulsystem das nicht darauf ausgelegt ist und zu wenig Betreuung heißt nunmal das ein Kind, welches zusätzliche Aufmerksamkeit braucht, sich vermutlich negativ auf das Gesamtgefüge auswirkt. Da Sie das Schulsystem aber nicht ändern können und trotzdem das beste für ihr eigenes Kind wollen kann ich Sie nachvollziehen. Ist es richtig? Nein. Sind sie deswegen schlechte Menschen. Vermutlich auch nein. Bei den eigenen Kindern gibt es halt für viele eine Grenze. Und das war mein ganzer Punkt. Das hier die Eltern nur ein Punkt im System sind der mit betroffen ist. Don’t hate the player, hate the game!

Pisa ist doch ein gutes Beispiel dafür, dass das aktuelle System nicht funktioniert…

Man darf aber auch durchaus die Behindertenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft und im Schulsystem anprangern und sich Besseres wünschen, von dem ALLE profitieren würden. Das Leben besteht nicht nur aus privilegierten Überfliegern. Aus Leistung und Drill. Das Leben besteht auch aus Teamarbeit, Rücksicht, Teilhabe, Fürsorge, Menschlichkeit…

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Hatte ich oben schon adressiert: Förderschulen müssen sich auch mit einem extrem breiten Spektrum an Förderbedarfen auseinandersetzen. Selbst Autist ist nicht gleich Autist. Man kommt mit Schubladendenken einfach nicht weiter. Grundsätzlich ist sowieso fraglich, ob wir überhaupt eine spezielle Kategorie „Förderkinder“ brauchen, oder ob nicht einfach jedes Kind einen Förderplan erhält, der bei einigen eben ein wenig ausführlicher ausfällt als bei anderen. Der Übergang zwischen „Förderkind“ und „Regelkind“ ist ohnehin fließend und in vielen Fällen nur davon abhängig, ob die Eltern in einer Einstufung als Förderkind einen Vorteil/Notwendigkeit oder eine Stigmatisierung sehen.

Ich habe aber auch skizziert, wie praktisch jede Schule mit vorhandenen Ressourcen die nötigen Voraussetzungen schaffen könnte, deutlich mehr Inklusion zu betreiben.

Davon abgesehen ist die Aussage „wartet mit der Wahrnehmung eurer Rechte bitte, bis auch der Letzte von der Legitimität dieser Rechte überzeugt ist und alle nötigen Voraussetzungen für erfüllt hält“ zwar sehr erwartbar, aber trotzdem absolut unsinnig. Nach dieser Logik hätten wir heute noch keine Homoehe, kein Frauenwahlrecht, würden immer noch Sklaverei und Leibeigenschaft betreiben usw. Veränderung kommt in vielen gesellschaftlichen Fragen nur, indem man es einfach macht, auch wenn es für manche erstmal unbequem ist.

Deshalb weiß ich, dass viele Eltern gegen Inklusion sind und weiß auch, warum sie das sind. Das bedeutet aber eben nicht, dass man die Sache auf die lange Bank schieben sollte, sondern das Medien wie die LdN sich aktiv für eine Veränderung der gesellschaftlichen Stimmung und politischen Beschlusslage einsetzen sollten.

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Nur deckt sich das Ergebnis ja mit Beobachtungen die Lehrer und andere auch ohne diesen Test machen. Dass man im Umkehrschluss nicht sagen kann alles wäre toll in Ländern die weiter oben stehen ist aber auch wahr.

Man darf aber nicht den Denkfehler machen, dass ein anderes System unter sonst gleichen Voraussetzungen automatisch besser funktionieren würde.

Würde man einfach in Deutschland bei gleicher Klassengröße, gleicher Ausstattung und mit den heute verfügbaren Lehrern Gesamtschulen einführen, so dürfte das Ergebnis eine einzige Katastrophe sein.

Man hätte dann nicht nur zu große Klassen in oftmals schlecht ausgestatteten Klassenzimmern sondern hätte auch noch Lehrer die für das was sie dann unterrichten gar nicht ausgebildet wären.

Auch als Befürworter einer späteren Trennung sehe ich viele Probleme die unabhängig von einer Trennung nach der vierten Klasse auftreten.

Gleiches gilt natürlich auch für die Inklusion. Schüler mit Förderbedarf einfach in Klassen zu hocken und dann findet die Förderung nicht wirklich statt und der Schüler hängt in der Luft und der Lehrer ist überfordert (ob solche Berichte übertrieben sind, Einzelfälle oder tatsächlich häufiger vorkommen kann ich natürlich nicht beurteilen, aber sowas wird eben bei Lehrern oft erzählt die Fälle im Bekanntenkreis mitbekommen haben) wäre weder eine Lösung in Sachen Inklusion noch für den Rest der Schüler.

Es fällt halt immer wieder auf die Füße, dass in Sachen Bildung das Geld fehlt. Nur wenn es um Neubauten von Schulen geht hat man immer wieder den Eindruck, dass da lieber ein Prestigebau gebaut wird als zwei Zweckbauten.

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Wie gesagt:

Den Eindruck kann ich erklären: Es ist für die zuständigen Gemeinden deutlich teurer zwei kleine Bauvorhaben zu machen, im Vergleich zu einem großen. Die Planungskosten und der bürokratische Aufwand für die Beantragung von Zuschüssen der Länder sind enorm und in Deutschland ist jedes einzelne Bauvorhaben von der Planung und Genehmigung her ein Unikat.

Naja, es gibt in Deutschland immerhin gut 2.200 Integrierte Gesamtschulen und damit doppelt so viele, wie noch vor 10 Jahren. Ca. 20% aller deutschen Schüler an weiterführenden Schulen besuchen Gesamtschulen. Ich habe bisher nicht den Eindruck gehabt, dass die im Durchschnitt oder grundsätzlich schlechter sind als andere weiterführende Schulen. Eine Umwandlung des gegliederten Schulsystems wäre natürlich aufwendig, aber absolut machbar. Schulumwandlungen sind gar nicht so selten, siehe zum Beispiel die Zusammenlegung von Hauptschule und Realschule in RLP oder Hamburg.

Absolut. Dass wir für Bildungsausgaben nicht längst eine Ausnahme von der Schuldenbremse und eine Verdoppelung der Ausgaben haben ist ein Verbrechen.

Mir geht es ja weniger um kleine vs. große Bauvorhaben, sondern darum, dass jede Schule von Grund auf eigen geplant wird, statt auf modulare Konzepte die skaliert werden zu setzen. Verwaltungsgebäude in der Industrie werden ja auch oft aus solchen Baukästen aufgebaut. Und durch eine Vielzahl an Optionen verschiedener Fassaden würde dennoch nicht jede Schule gleich aussehen.

Das habe ich ja auch nirgends behauptet. Ich habe ja lediglich gesagt, dass wenn man jetzt alles im Schnellverfahren umstellen würde, z.B. für alle 5.Klässler ab 2025, dass das nicht funktionieren würde. Die Zahl immer weiter zu erhöhen dagegen ist ja durchaus ein praktikabler Weg.

In Bayern sind integrierte Gesamtschulen aber ohnehin eine absolute Ausnahme und sicher weit unter 20%. Die die ich kenne sind meist Waldorfschulen und dort habe ich mittlerweile auch einige zweifelhafte Geschichten gehört, z.B. dass Schüler die schlecht sind schon nach der zweiten Klasse aussortiert werden, weil sie die Quote an Abiturienten gefährden die sich die Schule zum Ziel gesetzt hat. Das ist ja eigentlich das Gegenteil dessen was man sich unter einer integrierten Gesamtschule vorstellt. Ob es dieses Phänomen an mehreren solcher Waldorfschulen gibt oder ob die zwei von denen ich diese Storys kenne (sind auch nicht weit voneinander Entfernt) Ausnahmen sind kann ich nicht beurteilen. Diese Story aber nur am Rande weil sie auch Legastheniker betrifft und damit entfernt zum Thema passt. Soll natürlich nicht auf Gesamtschulen insgesamt abfärben und vor allem nicht auf solche die integrativ sind.

Vielen Dank ped, dass du das Thema reingebracht hast. Und auch dafür, dass du dem Kommentar von HansHans noch mal Punkt für Punkt entgegengetreten bist. An diesem Kommentar von HansHans finde ich so viel falsch, dass ich gar nicht wüsste, wo ich anfangen soll… Du ped bist hier erkennbar bis in alle Verästelungen im Thema und gut informiert und erklärst alles geduldig und sachlich; dass du (so HansHans) vor allem „emotional“ argumentieren würdest, kann ich auch nicht im Ansatz nachvollziehen. Deine Argumente sind zahlreich und sachlich, obwohl du meiner Meinung nach jeden Grund hättest, sehr emotional zu sein bei dem Thema.
Ich finde den Kommentar von HansHans aus einem bestimmten Grund sehr wertvoll: Er zeigt präzise auf, wie - meiner Meinung und Erfahrung nach - die (nichtbehinderte) Mehrheit denkt (und meint denken zu dürfen), und auch warum aus genau diesem Grunde Inklusion in Deutschland (noch) nicht funktioniert. Es geht um genau diesen (falschen) Blick auf das Thema; es ist die „Denke“. Dabei geht es überhaupt nicht darum, ob „jemand etwas gegen behinderte Kinder (oder Erwachsene) hat“ oder sonst eine in moralischer Hinsicht verwerfliche Haltung gegenüber Behinderten. Die entsprechende Verteidigung des status quo („Ich habe doch nichts gegen Behinderte, wie kannst du nur…“), die auch bei HansHans anklingt, ist nur Mumpitz und lenkt vom eigentlichen Thema ab.
Es gibt ein paar Fakten, denen sich die nicht behinderte Mehrheit (aus welchen Gründen auch immer, ich vermute Bequemlichkeit und weil sie es können) verschließt und die den Menschen immer genau dann klar werden, wenn sie selbst oder Angehörige (durch Geburt oder Unfall) von Behinderung betroffen werden. Der wichtigste Fakt ist ein rechtlicher: ped und sein Kind benötigen gar nicht eine wohlwollende Rücksichtnahme der Eltern „normaler“ Kinder und dieser Kinder. Jedes behinderte Kind hat eine Rechtsposition, nämlich das Menschenrecht, inklusiv mit allen anderen Kindern beschult zu werden, Punkt. Wenn das in Deutschland vielfach nicht Praxis ist, ändert das nichts daran, dass sie dieses Grundrecht haben. Dies muss weder erklärt noch gerechtfertigt werden; es ist einfach da. … ich setze fort…

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Fortsetzung: Das behinderte Kind hat also exakt das gleiche Recht wie jedes der anderen 29 Kinder einer Schulklasse, in genau dieser Klasse der Regelschule unterrichtet zu werden. Der Umstand, dass in Deutschland Fachkräftemangel, Lehrermangel, Erziehermangel besteht, ist ein gesamtgesellschaftlicher Umstand, für den die gesamte Gesellschaft, in der demokratisch legitimiert eine bestimmte Schul- und Personalpolitik stattfindet, verantworlich ist. Es geht überhaupt nicht an, dass dieses Manko alleine mit den behinderten Kindern nach Hause gehen soll; ich frage mich, wie man auf so eine Idee („du kannst dein Kind leicht auf eine Förderschule geben“) überhaupt kommen kann, und dann noch „cool“ die sachlichen Argumente der Eltern, die schlicht auf der Einhaltung der Grundrechte auch für ihr Kind bestehen, mit dem Vorhalt, sie seien „emotional“ diskreditieren kann. Grundrechte verlieren übrigens nicht ihre Gültigkeit, wenn der Staat mit deren Befriedigung aus welchen Gründen auch immer überfordert ist; auch Eltern eines nicht behinderten Kindes würde wohl kaum auf deren Grundrechte (es gibt ja einige) verzichten, wenn der Staat nur in der Lage wäre gegenüber - sagen wir - jedem zweiten Kind, diese Grundrechte zu erfüllen.
Oder anders herum gedreht: Wenn die Personalsituation in den Klassen so angespannt ist, dass die Lehrer vor Ort ihre Aufgabe nicht mehr bewältigen können, und man mit diesem Argument die behinderten Kinder (entgegen ihrer Grundrechtsposition) auf Förderschulen verweist, so hätte auch keiner Anlass, sich für eine Behebung des Personalproblems einzusetzen oder als Wähler dies von der Politik einzufordern. Es ist doch ganz einfach: Alle Schüler sind zunächst mal da mit exakt dem gleichen Anspruch auf der Regelschule da zu sein. Wenn dann dort die Bedingungen nicht stimmen: soll man dann die Behinderten rausschicken oder soll man nicht viel eher sich für die Schaffung besserer Bedingungen einsetzen? Hat HansHans dies schon getan? Ehrlicherweise kriege ich Puls, wenn ich mir vorstelle, wie „einfach“ ein Vater normaler Kinder es sich eventuell macht, auf Kosten von einem anderen Vater, dessen Leben in so vielfacher Hinsicht völlig unverschuldet so erheblich erschwert wird. Sorry, jetzt bin ich emotional geworden. … ich setze fort…

Fortsetzung die letzte: Ich habe mich schon oft gefragt, was ist nur los mit Deutschland, dass Inklusion niemals einfach mitgedacht wird? Deutschland ist ein Land, in dem (verglichen mit vielen anderen Ländern: z. B. Italien) das Schicksal einer Behinderung in extremer Weise auf die einzelnen betroffenen Personen oder Familien verlagert wird; es wird privatisiert anstatt vergesellschaftet. Im Grunde ist es eine Frage des Denkens. Die individualistische Sicht wird von neuen Generationen immer weiter erfahren und gelernt (Exklusion anstatt Inklusion in fast allen Bereichen des Lebens) und setzt sich daher immer weiter fort. Und weil das so ist, muss die Gesellschaft den Eltern und Familien mit behinderten Kindern für deren Einsatz und Kraft mindestens extrem dankbar sein (Hilfe und Unterstützung wäre besser). Wer sich wirklich mal mit dem Thema beschäftigen will (und nicht nur dem Vater eines behinderten Kindes zurufen „Pech gehabt, es ist doch für dich ein leichtes, dein Kind zur Förderschule zu bringen, sonst werden ja die normalen Kinder so fürchterlich benachteiligt“, dem sei folgende Lektüre empfohlen: Raul Aguayo-Krauthausen, rowohlt: „Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden“. Damit ist eigentlich alles gesagt.

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Ich spreche keinem Kind ab beschult zu werden. Auch Inklusion ist toll. Das deutsche Schulsystem teilt die Schüler nach der 4ten Klasse in verschiedene Fähigkeitsstufen ein, ob man das gut findet oder nicht ist eine andere Sache. Auch ein Kind mit Behinderung sollte das Recht haben, bei entsprechender Eignung, z.b. auf das Gymnasium zu gehen. Da habe ich doch Null gegen und habe ich auch nirgends geschrieben. Solange die Schulen nicht anders aufgestellt sind, und da muss man ran, verstehe ich jedoch den Egoismus der Eltern. Und nur das prangere ich halt an. Das im Ersten Post mit denen die falschen attackiert werden, da die Eltern der anderen Kinder nichts dafür können. Ausser sie wählen FDP oder CDU.

Inklusion it zurzeit in Deutschland halt definiert als Inklusion in unser aktuelles Schulsystem und das funktioniert halt leider schlecht.

Ich kann hier nicht mit Erfahrung beitragen, habe die Diskussion aber mit großem Interesse gelesen.

Mein Eindruck wäre auch, dass es nicht die Lösung sein kann, ein schwer behindertes Kind einfach mit in die Klasse zu setzen und parallel mit den anderen Schülern und im Beisein einer zusätzlichen Förderkraft anderen Dingen zu arbeiten. Mir scheint es ja auch weniger inhaltlich um eine Gleichheit des Stoffes zu gehen, sondern um den damit verbunden Gesellschaftlichen Aspekt. Ein paar erste Gedanken zu strukturellen Maßnahmen, alles was spezielle Lehrpläne angeht etc. müsste natürlich dazu kommen (vielleicht auch sehr naiv und dumm, dann jetzt schon mal sorry vorab):

  1. Kann es helfen, sich von der Klasse als Kohorte zu lösen und jedes Kind je Fach in seinem Tempo lernen zu lassen. Dann ist man beispielsweise in Mathe auf Level 7 und in Deutsch auf Level 5 etc. Je nachdem welche Level man erreicht, bekommt man einen entsprechenden Abschluss (bspw. für Abitur überall mindestens Level 12 o.ä.). In der Logik sollte Inklusion ja leichter möglich sein. Ein I-Kind könnte dann (je nach Skills) vielleicht in Kunst normal mit durchgehen, in Deutsch etwas langsamer sein und in Mathe nicht am normalen Pfad teilnehmen und eine besondere Beschulung bekommen mit anderen I-Kindern.

  2. Würde es schon helfen, wenn gesonderte Schulen in räumlicher Nähe zu Regelschulen sind, sodass bspw. Pausen und andere Aktivitäten zusammen gemacht werden können? Vielleicht könnte als personelle Unterstützung an den gesonderten Schulen dann auch Schüler in höheren Klassen bspw. in einem Fach “Soziale Arbeit” mehr darüber lernen und den Unterricht für jüngere I-Kinder mitgestalten und mit ihnen arbeiten. Das würde zumindest die Kontaktpunkte erhöhen.

  3. Unterm Strich frage ich mich aber schon, ob es nicht auch Vorteile hat in einer Umgebung zu lernen, in der man nicht immer der ist, der nicht mitkommt und einen eigenen Lehrplan braucht. [Argument noch nicht zu Ende gedacht, aber pausiere hier erstmal, bevor ich müde zu dem Thema etwas dummes schreibe]

Danke für die Ausführungen und Geschichten.

Nochmal: schon heute, ohne zusätzliche Ressourcen und ohne Veränderung des Rechtsrahmens, könnten Schulen erheblich mehr Inklusion leisten. Dem steht genau ein Hindernis entgegen: Der Widerstand vieler Lehrer und Eltern.

Zum Beispiel in Rheinland-Pfalz (und sicher auch in anderen Bundesländern) könnte jede Grundschule einfach nur durch eine Entscheidung der mit Elternvertretern und Lehrern besetzten Schul-Gesamtkonferenz autonom entscheiden, Klassenverbünde aufzulösen und jahrgangsübergreifenden Unterricht einzuführen. Das bietet nach meinem Kenntnisstand nach ziemlich einhelliger Meinung der pädagogischen Forschung ohnehin für alle Kinder bessere Voraussetzungen zur Förderung, würde aber auch Inklusion erleichtern.

Wie gesagt: nur ein Beispiel für die vielen, vielen kleinen und großen Maßnahmen, die Schulen heute ergreifen könnten, um mehr Inklusion zu ermöglichen. Das dies nicht geschieht liegt zu 100% an der Weigerung vieler Lehrer und Eltern, Inklusion als Recht der betroffenen Kinder zu akzeptieren. In dieser Hinsicht sind auch die „Bedenken“ der Eltern schlicht illegitim, denn viele Inklusion-ermöglichende Maßnahmen führen zu keiner Mehrbelastung des „Systems Schule“ sondern verlangen nur eine Bereitschaft zur Veränderung.

Mit ist auch klar (und das habe ich auch schon mehrfach geschrieben), dass eine Inklusionsquote von 100% nicht über Nacht erreicht werden kann. Wenn Schulen aber regelmäßig schon zu den kleinsten Schritten in Richtung Inklusion gezwungen werden müssen bzw. diese Schritte regelmäßig auf massive Vorbehalte in der Elternschaft stoßen, dann liegt das Problem nicht an den Herausforderungen der Inklusion an sich, sondern an der „Wand im Kopf“.

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Das ist alles andere als optimal, stellt aber zumindest die soziale Einbindung des Kindes sicher. Grundsätzlich repräsentiert das aber auch ein sehr antiquiertes Verständnis von „Unterricht“: Ein Lehrer steht vorne und erklärt einen einheitlichen Lehrstoff. Das muss nicht so sein und wird von jüngeren Lehrern auch selten durchgehend so praktiziert.

Absolut. Das würde für alle Kinder (bis hin zu den „Hochbegabten“) bessere Förderbedingungen schaffen. An unserer Grundschule setzen die Kinder (im Austausch mit den Lehrerinnen) zudem einen Teil ihrer Lernziele im Rahmen bestimmter Themengebiete selber, was der Entwicklung von selbständigem Arbeiten sehr zuträglich sein kann.

Das sehe ich eher kritisch. Mehr Kontakt ist sicherlich besser als weniger, aber so entsteht schnell das Narrativ der „komischen Kinder von nebenan“. Wenn die Schulen physisch so eng beieinander liegen, dass Infrastruktur geteilt werden kann, dann kann man die Schulen auch gleich zusammenlegen. Die nötigen Ressourcen zur Betreuung sind dann ja per Definition schon vorhanden.

Viele Kinder, weit über das Spektrum der Förderkinder hinaus, würden von individualisierten Lernzielen enorm profitieren. Kinder erstmal grundsätzlich als Individuen zu verstehen würde im Umkehrschluss natürlich auch die Stigmatisierung von „Fördergutachten“ reduzieren. Das schlechte Gefühl „nicht mitzukommen“ entsteht nur dann, wenn die allgemeine Erwartungshaltung ist, dass alle Kinder „natürlich“ einer bestimmten Norm genügen müssen und sonst „schlecht“ sind.

Da aber die Realität ist, dass jedes Kind zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlichen Bereichen gezielten Förderbedarf hat, ist diese Erwartungshaltung ohnehin kontraproduktiv. Das bedeutet natürlich nicht, dass man die Erwartungshaltung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner senkt oder auf gemeinsame Lernziele vollständig verzichtet (standardisierte Schulabschlüsse wie das Abitur machen durchaus Sinn). Nur das man individuelle Stärken und Förderbedarfe jeweils gezielt entwickelt und diese Individualität auch als „normal“ voraussetzt.

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