IGH sieht Westjordanlandbesetzung als illegal

Waffen kann ich mir vorstellen. Aber Konsumgüter?
Das wäre ja ein Zugeständnis an die BDS-Bewegung. Das wird es nicht geben.

Das stimmt. Aber ich auf Seiten Deutschlands auch vor dem Hintergrund der Besetzung Palästinas keinen Anlass, zum Beispiel Systeme zur Luftverteidigung nicht zu liefern. Diese dienen im Kontext des Palästina-Konflikts ausschließlich dem Schutz der Zivilbevölkerung. Nicht alle Rüstungslieferungen sind per se verwerflich, wenn wir Israel insgesamt (also die Bevölkerung, nicht zwingend die Regierung) weiter als Verbündete sehen. Solche Fragen der Außenpolitik sind komplex und nicht mit einfachen roten Linien befriedigend zu klären.

Der Rüstungsgüter oder des gesamten Handels? Ein vollständiges Embargo würde ich extrem kritisch sehen. Ich glaube es ist eine sehr strategische Sicht auf die Frage nötig, wie man die an einer friedlichen Lösung des Konflikts interessierten Kräfte in Israel (die es ja durchaus gibt) gegenüber dem rechten Flügel stärken kann. Mit dem Vorschlaghammer erzielt man da keine guten Ergebnisse.

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Mag sein, aber vielleicht hätte man die BDS Bewegung nicht so skandalisieren sollen? Oder ähnliche, aber weniger problematische Gruppen unterstützen sollen.

Wir sollten uns den Vergleich mit Putin-Russland vor Augen führen. Niemand (mit Verstand) würde hier harte Handelssanktionen als antirussisch framen, sondern als Dienst im Sinne des Völkerrechts. Wenn aber Israel Völkerrecht bricht, dann sind Sanktionen plötzlich antisemitisch. Dabei betonen selbst die Autoren der Jerusalem Erklärung zum Antisemitismus, dass Israelboykotte nicht antisemitisch seien.

Spannend ist übrigens, dass es in Israel seit 2011 verboten ist öffentlich Boykottaufrufe gegen Israel oder die besetzten Gebiete zu unterstützen. Kann es sein, dass man hier vor Forderungen aus der eigenen Bevölkerung Angst hat? Schließlich könnte man dann im Ausland nicht mehr so leichtfertig mit Antisemitismus-Vorwürfen um sich werfen.

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Im Fall Russlands ist die Situation aber wesentlich klarer.
Im Fall Israels ist es aber so, dass Israel zwar Völkerrecht bricht, das gleiche aber für den Kriegsgegner gilt.
Und der wird damit auch nicht aufhören, wenn Israel damit aufhört.
Konsequent wäre es also, Sanktionen gegen Israel zu verhängen und gleichzeitig alle Hilfen für Palästina einzustellen. Man kommt hier mit schwarz-weiß-denken nicht zum Ziel.

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Es geht in der Diskussion doch um das Westjordanland, oder? Inwiefern bricht die PLO, die dort regiert, das Völkerrecht?

Möchtest du wirklich Handelssanktionen, die verbieten dass schottischer Whiskey nach Israel gehen gleich setzen mit Geld für beispielsweise Wasserkläranlagen?

Hier mal ein wunderbares Beispiel wofür wir im Westjordanland Geld ausgeben und wie Israel dafür sorgt, dass diese Gelder letztlich nutzlos sind.

Zusammengefasst: Deutschland finanziert eine Wasserkläranlage. Die produziert auch sauberes Wasser, dass in einen Fluss abgelassen wird. Nur lässt die nahe gelegene israelische „Siedlung“ Ariel (40.000 Einwohnern) ihr Wasser ungeklärt ab und verschmutzt so wieder diesen Fluss.

Andere Stadt ähnliches Problem. Das Wasser aus einer Kläranlage soll in ein Reservoir gepumpt werden um für die Bewässerung von Feldern genutzt zu werden. Leider hat sich nahe der Wasserleitung aber ein israelischer Siedler niedergelassen, so dass die Leitung jetzt nicht mehr in Betrieb genommen werden kann.

Also sorry, aber es gibt kein pari-pari zwischen Israel und dem Westjordanland in Bezug auf Völkerrechtsbruch oder die Bedeutung von Sanktionen.

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Du forderst hier auf Israel bezogen

  • Einreise- und Überflugverbote für jegliche Politiker eines Landes (also nicht nur offizielle Vertreter des Staates, sondern etwa auch Oppositionspolitiker) allein aufgrund des Verdachts, dass Gespräche mit diesen die Fortführung von politischen Praktiken bedeuten könnten, die als völkerrechtswidrig eingestuft wurden.
  • Verbot des Handels und des Imports aller Waren aus dem Land, weil die Steuereinnahmen aus diesem Handel die Fortführung dieser politischen Praktiken begünstigen könnten.

Ernst gemeinte Frage: Foderst du dieselben Maßnahmen auch in Bezug auf andere Staaten, von denen völkerrechtswidriges Verhalten durch internationale Organisationen dokumentiert und angemahnt wurde?

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Ich denke nicht, dass die Forderungen vor @turmfalke so weit und so undifferenziert zu verstehen sind. Eine realistische Forderung wäre, wie im Fall des Irans, Sanktionen gegen die hochrangigen Politiker zu verhängen, die den illegalen Siedlungsbau politisch vertreten. Vielleicht auch gegen alle Knesset-Mitglieder, die in entsprechenden Abstimmungen für den weiteren Ausbau von Siedlungen oder gegen den Rückbau illegaler Siedlungen stimmen. In diesen Fällen geht es auch nicht um „Verdacht“, sondern um evidentes Mitwirken an einem klaren Völkerrechtsbruch.

Das ist doch das allgemeine Problem der Sanktionen. Natürlich kann man auch im Falle Israels darüber streiten, ob bestimmte Sanktionen nicht „die Falschen“ treffen, aber insofern unterscheidet es sich nicht von den generellen Sanktionen des Iran, Nordkoreas oder Venezuelas. Und ja, durch den jahrzehnte-langen illegalen Siedlungsbau stellt sich Israel völkerrechtlich genau in eine Reihe mit diesen Ländern. Und das muss auch so gesagt werden, in der Hoffnung, dass das zu einem Umdenken führt. Dieses Argument „Aber Israel ist eine Demokratie und außerdem…“ darf nicht weiter genutzt werden, ein klares Unrecht zu rechtfertigen, ebenso wenig wie die Hamas und der Gaza-Streifen genutzt werden können, das Unrecht im Westjordanland zu rechtfertigen.

Israel ist im Westjordanland im Unrecht, die Siedlungspolitik ist ohne wenn und aber abzulehnen.

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Der Vergleich hinkt etwas. Erstens geht BDS auf ein palästinenisches Kommittee zurück, dem auch Terrororganisationen wie die Hamas und die PFLP angehören. Zweitens richtet sich BDS abstrakt gegen „Besatzung“ und lässt dabei bewusst im Unklaren, ob es nur um Gebiete geht, die Israel seit 1967 kontrolliert oder auch um seit 1948 „besetzte“ Gebiete. Und drittens zielen die Boykottforderungen von BDS nicht auf auf Verstöße gegen das Völkerrecht, sondern zum Beispiel auch einen kompletten wissenschaftlichen und künstlerischen Boykott des Landes, was den Charakter von BDS zeigt, sind doch viele israelische Wissenschaftler und Künstler extrem krititsch gegenüber der Besatzung und erst recht gegenüber der aktuellen rechten Regierung eingestellt. Aber für BDS reicht es schon, an einer israelischen Uni zu arbeiten oder mit dieser auch nur zu kooperieren.

Das „selbst“ in dem Satz verstehe ich nicht, denn die JDA (Jerusalem Declaration) gilt ja nicht gerade als besonders streng, was Antisemitismusdefinitionen angeht. Außerdem sagt sie JDA nur, dass Israelboykotte „nicht per se“ antisemitisch sind. Sie sagt also nicht, dass sie niemals antisemitisch sein können. Über die Kriterien, wann solche Boykotte antisemitisch wären, schweigt die JDA sich aus, was übrigens eine systematische Schwäche dieses Papiers ist.

Die inzwischen in fast jedem Post von Dir implizit vorgebrachte Behauptung, Antisemitsmus sei vielmehr eine politische Waffe, die „leichtfertig“ eingesetzt würde als ein tatsächliches gesellschaftliches Problem, ist aus meiner Sicht ebenfalls vor allem ein politisches Instrument.

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Danke für den Hinweis. Dann sind Waffenlieferungen aber irrelevant. Das Militär dort ist auf fremde Waffen nicht angewiesen.
Und eigentlich fehlen auch die News. Es gibt unzählige UN-Resolutionen ohne dass sie irgendeinen Politiker in Deutschland interessiert hätten. Einzig die Evangelikalen sind mir immer wieder mit schockierenden Bilderstrecken aufgefallen.

Ich habe ja die Forderungen ja extra im Wortlaut zitiert, dann können alles selber bewerten, ob ich da überinterpretiert habe oder nicht. Die von dir aufgeführten Einschränkungen, etwa die Bedingung eines klar nachweisbares individuellen Verhaltens fehlen darin ja gerade - wie übrigens auch in sämtlichen BDS-Boykottforderungen. Und diese bestimmt nicht zufällig Auslassung ist einer der Gründe für meine Frage, ob an andere Länder derselbe Maßstab angelegt werden soll.

Der Hinweis darauf, dass Israel eine Demokratie ist, rechtfertigt natürlich keine Handlungen, die nach internationalem Recht illegal sind. Das hat auch niemand gefordert. Aber wie eine Gesellschaft strukturiert ist, hat durchaus Einfluss auf die Frage, ob es legitim ist, sämtliche Bürger, Wissenschaftler, Künstler oder Unternehmer eines Landes unabhängig von ihrem individuellen Verhalten als Repräsentanten der jeweils aktuell herrschenden Politik anzusehen. Und darum geht es im Zusammenhang mit Israel halt leider häufig - daher auch dies ein Grund nach den allgemeingültigen Maßstäben.

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Natürlich können Boykottaufrufe beziehungsweise der Boykott selbst antisemitisch sein. Hier in diesem Thread geht es aber gerade um das Urteil des IGH, welches besagt, dass alle Staaten „ are also under an obligation not to render aid or assistance in maintaining the situation created by Israel’s illegal presence in the Occupied Palestinian Territory“. Menschen, die jetzt fordern, dass sich auch Deutschland ans Völkerrecht halten sollte und aufhören sollte Waffen und zivile Güter an Israel zu liefern, die genutzt werden könnten um die Besetzung und Annexion aufrechtzuerhalten, erstmal unter Antisemitismusverdacht zu stellen ist meiner Meinung nach eine deutlich größere politische Instrumentalisierung der Antisemitismusbegriffes als alles, was turmfalke hier geschrieben hat.

Erstens geht um ein Gutachten des IGH, nicht um ein Urteil.
Zweitens habe ich ja auf einen Post geantwortet, der explizit BDS thematisiert hat, deswegen bezieht sich auch meine Antwort explizit auf diese Boykottbewegung.
Und drittens wüsste ich gerne, auf wen oder was sich der Vorwurf bezieht, „Menschen, die jetzt fordern, dass sich auch Deutschland ans Völkerrecht halten sollte“ würden deswegen „unter Antisemitismusverdacht“ gestellt. Mit meinen Aussagen hat das jedenfalls nichts zu tun.

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(Fortsetzung)

Das stimmt natürlich auch. Antisemiten können den Generalverdacht-Vorwurf natürlich zur Verschleierung ihres Antisemitismus nutzen. Umso wichtiger ist es toxischen Persönlichkeiten wie Prosor, Edelstein, aber auch Aktivisten, die zu locker mit dem Vorwurf umgehen, zu widersprechen. Denn wenn alles antisemitisch ist, ist nichts mehr antisemitisch. Und davor habe ich wirklich Sorge.

Antisemit ist kein Term wie Arschl*** und sollte nicht ebenso alltäglich verwendet werden, sonst verliert sich dessen Wirkung. Vor 20 Jahren war Nazi noch ein Schimpfwort. Heute nutzt die AfD solche Vorwürfe taktisch geschickt aus (Weidel vs. Klingbeil) statt sie durch angepasstes Verhalten zu vermeiden.

Ich bin mir ehrlich nicht sicher, ob ich das richtig verstehe. Mir scheint es legitimer sämtliche Bürger, Wissenschaftler, Künstler oder Unternehmer eines Landes unabhängig von ihrem individuellen Verhalten zu bestrafen wenn sie in einer Demokratie leben als wenn sie in einer Diktatur darben.

In der Demokratie hat die Mehrheit der Bürger der Regierung sehr bewusst einen Regierungsauftrag und damit auch mittelbar den Auftrag zum Bruch des Völkerrechts gegeben. In einer Diktatur kann man den Bürgern lediglich vorwerfen, nicht ihr Leben beim Versuch des Despoten-Sturzes zu riskieren.

Das individuelle Risiko dabei, der Regierung ins Handwerk zu fuschen, ist in der Demokratie ungleich geringer und dennoch wählt die Mehrheit der Israelis Parteien, die den fortgesetzten Völkerrechtsbruch weiter verfolgen und sogar ins Regierungsprogramm schreiben.

Nichtsdestoweniger schrieb Netanjahus Ende 2022 gebildete Regierung, ähnlich wie der Likud in den Siebzigerjahren, in ihrem Programm: „Das jüdische Volk hat ein exklusives und unerschütterliches Recht auf alle Gebiete von Eretz Israel [Anm: Eretz Israel meint das biblische Kanaan, also das heutige Israel, die besetzten Gebiete und Teile Südsyriens].“
From the River to the Sea – Wikipedia

Eigentlich hat nur ein einzelner Satz und ein Quellenverweis BDS explizit thematisiert. Der Rest war generisch und bezog sich auf den wirtschaftlichen Boykott Israels, den selbst einzelne jüdische Gruppen fordern.

Den Fokus auf BDS legst meines Erachtens du um damit eine Diskussion zu derailen.

Hach @Flixbus, ich kann mir nicht helfen aber irgendwie scheint mir du hast Probleme mit dem Erkennen von Zwischentönen. Du schreibst beispielsweise:

Nein, das tue ich nicht. Ich stelle ein Szenario zur Diskussion in den Raum und Frage wie andere das sehen.

Nochmals, ich fordere nichts. Aber wenn du mich fragst, dann würde ich es gut finden, solche Maßnahmen gegen Politiker wie Medwedjew, Putin und ähnliche zu ergreifen. Ebenso wäre es meiner Meinung nach richtig, Kriegsverbrecher wie George W. Bush auf diese Weise zu behandeln. Oppositionspolitiker fallen natürlich nicht darunter. Das wäre doch absurd. Die Opposition in solchen Staaten muss gestärkt, nicht geschwächt werden.

Und ja, ich finde Wirtschaftssanktionen gegen dieselben Regime ebenfalls für völlig angemessen. Wie sonst soll man Druck auf andere Staaten ausüben? Mal ernsthaft, unsere Wattebällchentaktik der letzten Jahrzehnte hat offensichtlich nicht geholfen. Ich fände es auch besser wenn wir keine Waren aus uigurischer Zwangsarbeit mehr kaufen können.

Ich vermute jedoch, dass deine Frage weniger ernst gemeint ist, sondern eher argumentativer Natur. Du möchtest offenbar darauf hinaus, dass nach gängiger Antisemitismus-Definition (3D-Regel) Kritik am Staat Israel als antisemitisch gilt, wenn man Israel Dinge vorwirft, die man anderen Staaten nicht vorwirft, also doppelte Standards anlegt.

Solche argumentativen Fallstricke auszulegen ist schon ein ziemlich mieser Move.

Die Diskussion über BDS ist hier völlig unnötig. Hättest du nur einen Satz mehr zitiert, hätte jeder lesen können, dass ich alternativ auch eine Unterstützung weniger problematischer Gruppen gut gefunden hätte, beispielsweise Gusch Shalom.

Warum nutzt du so unlautere Mittel wie das Auslassen von Informationen um meine Position anzugreifen?

Okay d’accord. Das ist eine Schwäche, andererseits würde ein fixes Regelwerk außerhalb von Triviallösungen (alles/nichts ist antisemitisch) schwer zu definieren sein. Man wird sich wohl den Kontext ansehen müssen.

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Das ist so nicht ganz richtig.
Zum einen ist es unwahrscheinlich das alle Raketen auch ankommen. Schlimm genug wenn eine ankommt aber grundsätzlich geht davon aus, das nicht alle ankommen.
Und tatsächlich ist es so, das Israel deutsche U-Boote gekauft hat um diese für den Zweitschlag entsprechend umzurüsten. Somit wäre diese Variante aus Israelische Sicht gegeben.
Aber grundsätzlich wäre das noch schlimmere die Folgen durch die möglichen Reaktionen aller anderen Staaten.

Ich meinte die Frage tatsächlich ernst. Und natürlich steht dahinter die Frage, ob du dieselben Maßstäbe auch an andere Länder stellen würdest. Das habe ich ja auch explizit so formuliert. Weiß der Geier warum das nun ein „Fallstrick“ oder ein „mieser Move“ sein soll… Da es mir in erster Linie um den Maßstab geht, ist es für die Beantwortung meiner Frage auch ziemlich egal, ob es sich nun bei deinen Ausführungen um eine „Forderung“, einen „Vorschlag“ oder ein „Szenario“ handelt. Wenn dich das eine Wort so stört, ersetze es gerne durch eines der anderen.

Die genannten würde ich ja eher als Repräsentanten eines Staates bezeichnen, denn als Politiker. Oder zumindest als Regierungspolitiker. Der Begriff Politiker ist hier einfach sehr viel unbestimmter.

Danke für die Klarstellung, da sind wir einer Meinung. Du schriebst aber ohne jegliche Einschränkung von „ein israelischer Politiker“ Genau deshalb ja meine Nachfrage. Wenn du es nicht so meinst, wäre es vielleicht sinnvoll, deine Aussage nachträglich zu spezifizieren.

Ich glaube da haben wir unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Ziele von Sanktionen. Ich dachte immer, die zielen darauf ab, das Handeln von Staaten zu beeinflussen. Dass die Bevölkerung davon in Mitleidenschaft gezogen wird, war meiner Ansicht nach ein je nach Abwägung in Kauf zu nehmender „Kollateralschaden“. Dass nun aber die „Bestrafung“ der Bevölkerung - und zwar unabhängig von ihrem individiellen Verhalten, also auch von Oppositionellen - an sich „legitim“ sein soll, erscheint mir doch etwas merkwürdig.

Du hast das Argument angebracht, dass die Kritik an BDS vielleicht ein politischer Fehler war. Auf dieses Argument habe ich entgegnet, dass BDS eben nicht irgendeine Boykottbewegung ist, sondern sehr spezifische politische Hintergründe hat. Vielleicht hätte ich deutlicher machen sollen, dass die Kritik an BDS sich genau auf diese politischen Hintergründe bezieht. Warum es „unnötig“ oder gar ein „derailen“ sein soll, inhaltlich auf ein Argument zu reagieren weiß wohl auch der Greifvogel…
Abgesehen davon trägt die (implizite) Gleichsetzung von zivilgesellschaftlichen Boykottbewegungen und staatlichen Sanktionen aus meiner Sicht nicht gerade zu einer differenzierten Debatte bei.

Korrekt. Antisemit(ismus) ist keine beliebige Beleidigung, sondern die Beschreibung (und Kritik) eines bestimmten Verhaltens. Hierzu gibt es verschiedene Definitionen, die über die teilweise Uneinigkeit herrscht. Wenn dieser Begriff „alltäglich verwendet“ wird, könnte es vielleicht ja auch damit zu tun haben, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft real existiert und daher auch „alltäglich“ bemerkt und kritisiert wird. Wenn man allerdings entgegen sämtlicher Empirie beispielsweise negiert, dass Juden und andere in Deutschland überhaupt von Antisemitismus betroffen sind, ist das vielleicht nicht so offensichtlich. Aber dass Antisemitismus vor allem beliebig und grundlos als Beleidigung und Vorwurf eingestzt würde, bleibt auch nach der x-ten Wiederholung nichts als eine Behauptung, die eben selbst einen immanent politischen bzw. ideologischen Charakter hat.

Sanktionen dienen selbst gegen Diktaturen eingesetzt immer auch dazu, das Volk zum Aufstand gegen die Regierung zu bringen. Die Sanktionen gegen Russland sollen z.B. natürlich auch dazu dienen, dass das russische Volk sieht: „Wegen dem Krieg in der Ukraine geht es uns jetzt deutlich schlechter“. Keine „Regierung“, egal ob demokratisch oder autoritär, kann sich gegen den deutlichen Willen der klaren Mehrheit Volkes an der Macht halten - das gilt, wie es ja auch immer wieder angemerkt wird, für die Hamas, für die Taliban, aber auch für die deutsche Bundesregierung, die russische Regierung oder eben die israelische.

Dass Sanktionen nur auf Regierungen abzielen würden und die Bevölkerung nur Kollateralschaden sei dient eher der Rechtfertigung der Sanktionen vor der Bevölkerung der sanktionierenden Staaten. Generelle Handelssanktionen mit dem Ziel, die Wirtschaft einen Staates zu schädigen, treffen selbstverständlich immer auch das Volk - und sollen das Volk dazu bringen, den Kurs der Regierung zu hinterfragen. Ob das funktioniert steht auf einem anderen Blatt.

Diese Frage muss man aber auch jenen stellen, die Israel so vehement verteidigen. Würden sie auch ein anderes Land so vehement verteidigen, wenn dieses seit Jahrzehnten ganz klar und offensichtlich das Völkerrecht bricht? Ich würde behaupten: Jedes andere Land wäre schon längst von der UN in Grund und Boden sanktioniert worden, für jedes andere Land hätte man in der politischen Diskussion weniger Verständnis, als für Israel…

Das ist das Problem mit ideologisch so aufgeladenen Streitigkeiten: Doppelstandards werden von beiden Seiten des Konfliktes angelegt, denn desto näher man ideologisch einer Seite des Konfliktes steht, desto eingeengter wird der Blick auf den Konflikt, was zwangsläufig zu - oft unbewussten - Doppelstandards führt.

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Das finde ich eine steile These. Ist das lediglich deine subjektive Einschätzung oder ist das irgendwo in irgendeiner Weise dokumentiert, etwa in den EU-Sanktionen gegen Russland oder den Iran bzw. in entsprechenden Aussagen von verantwortlichen Politikern hierzu?

Etwa so wie Russland zwischen 2014 und 2022 „in Grund und Boden sanktioniert“ wurde? Ich erinnere mich eher an Handel in Milliardenhöhe und neue(!) gemeinsame Infrastrukturprojekte wie Nordstream.

Zwischen „offizielles Ziel“ und „wird in den Planungen berücksichtigt“ liegt hier ein großer Unterschied. Natürlich wird kein Staat sagen, dass seine Sanktionen die Bevölkerung treffen sollen, damit diese die Regierung stürzt, aber man muss schon sehr naiv sein, wenn man nicht davon ausgeht, dass das im Falle von Russland und dem Iran eines der Ziele der sanktionierenden Staaten ist. Bestreitest du das wirklich? Also gehst du wirklich davon aus, dass die Überlegung: „Wenn wir mit Sanktionen die russische Wirtschaft schädigen, wird es der Bevölkerung schlechter gehen und der Widerstand gegen Putin wird wachsen“ kein Bestandteil der Sanktionierungsüberlegungen ist?!?

Der Fall ist zum einen nicht so eindeutig wie der Fall Israels (eben weil Russland bis 2022 nicht „offiziell“ in den abtrünnigen Gebieten der Ukraine war, siehe „kleine grüne Männchen“), zum anderen sehen wir heute ein, dass wir härter gegen Russland hätten vorgehen müssen, dies aber aus eigenen wirtschaftlichen Interessen leider nicht getan haben. Kurzum: Hier war es unsere eigene Gier, die uns blind gemacht hat. Ich erinnere aber daran, dass die USA sogar Deutschland, also einen Verbündeten, mit Sanktionen wegen Nord-Stream-2 belegen wollten, und das u.a. auch mit der Lage in der Ukraine begründet wurde. Und dass es nach der Krim-Annexion durchaus zahlreiche Sanktionen gegen Russland gab.

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Ich bezweifle beispielsweise, dass die für die EU-Sanktionen gegen Russland und den Iran verantwortlichen Politiker sich davon versprechen, dass es allein dadurch zu Aufständen kommt, die die Regime in den entsprechenden Ländern hinwegfegen. Und ich bezweifle auch, dass sie das überhaupt wollen. Im Falle des Irans ist aus meiner Sicht sehr fraglich, ob etwa die USA, die ja bei den Sanktionen sehr viel konsequenter sind als etwa die EU, nach dem Desaster im Irak noch für einen „Regime Change“ in der Region verantwortlich gemacht werden wollen. Und im Falle Russlands gibt es ja diverse Einschätzungen von Experten, dass westliche Staaten einen Zusammenbruch des Kreml-Regimes (etwa durch eine zu starke Unterstützung der Ukraine) bewusst vermeiden wollen.

Russland hat die Krim im April 2014 offiziel annektiert, also einen Teil des Staatsgebietes eines Nachbarstaates zu seinem eigenen Staatsterritorium erklärt und damit diverse internationale Abkommen und Verträge gebrochen. Was soll daran bitte „nicht so eindeutig“ sein?

Hätte, müsste und sollte ist aber nun mal etwas anderes als „jedes andere Land wäre schon längst von der UN in Grund und Boden sanktioniert worden“. Ich habe auch nicht behauptet, dass es 2014 gar keine Sanktionen gegen Russland gab. Aber deine Behauptung, dass die Sanktionen in anderen Fällen - also wenn es nicht um Israel geht - viel härter ausgefallen wären, ist allein durch das Beispiel Krim eindeutig widerlegt.

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