HVO Diesel eine (Übergangs-)Lösung

Hallo,
gestern habe ich auf Focus Online einen Bericht zu HVO Diesel gelesen. Nach kurzer Recherche scheint das ein Diesel zu sein, der so gut wie kein CO2 erzeugt, und in Italien und Niederlande schon verkauft wird. Entgegen der „E Fuels kosten 5€/l und sind keine Alternative“ scheint hier der Preis 15Cent teuerer (NL) bzw. gleich teuer zu sein (Italien - weil weniger steuern auf HVO). Nach erster Online Recherche scheint das ja wirklich eine klasse Sache zu sein, die die meisten Autos wohl auch fahren können, und damit der Diesel fast CO2 neutral wird. Einige Seiten behaupten, dass die hohen CO2 Ausstöße eines E Autos (also mit Batterie) dafür sorgen, dass ein HVO betriebener Diesel immer umweltfreundlicher ist, egal wie lange er fährt.

Mal laut gedacht:

  • Bei E Autos werden wir in DE eh bald den Markt verloren haben, unsere Wirtschaft ist da zu weit hinterher
  • Die Umstellung verläuft super langsam, Reichweiten Angst, Restwert Angst, langes Laden auf der Autobahn… so wirklich läuft das gerade nicht.
  • Jeder Diesel könnte (übertrieben gesagt) von heute auf Morgen klimaneutral sein (und es stinkt auch nicht, also auch schön innerorts)

Irgendwo muss ein Haken sein…

Vielleicht einen Beitrag wert.

Gruß
Philipp

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Der Haken ist, dass die landwirtschaftliche Produktion des HVO Diesels als quasi „Bio-Diesel“ landwirtschaftliche Flächen braucht und somit mit der Nahrungsmittelproduktion konkurriert. Oft wird problematisches Palmöl für dessen Produktion genutzt

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Könnte man ja mal gegen die Herausforderungen in der Produktion der Batterien stellen. Offensichtlich hat ja alles vor und Nachteile.

Letztendlich sind die Nachteile von E-Fuels oder Bio-Fuels der geringere Gesamtwirkungsgrad und die limitierte Menge. Bio-Fuels aus Reststoffen wie altem Fett oder Tierkadavern herzustellen kann sinnvoll sein, wobei es auch effizientere Verwertungswege gibt. Und um den gesamten Verkehr in DE damit zu versorgen, reicht die Menge leider auch nicht aus

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Ja, aber es ist vermutlich sinnvoller, Energie in Batterien zu stecken als in die Produktion von HVO. Wäre der Strom für die Herstellung sauber, wäre der Diesel auch vermutlich nicht mehr so billig. Es stellt sich auch die Frage der Skalierung. Als Nischenprodukt wird es keine Probleme lösen.

Ich habe hierzu was gefunden, was das ganze relativ verständlich aber zugleich detailliert darstellt:

So wird geschrieben:

Zudem erfordere die Umwandlung der Ausgangsmaterialien in HVO eine große Menge Wasserstoff, der derzeit zu größten Teilen aus fossilen Energieträgern gewonnen werde.

Wir haben also genau wie bei E-Fuels das Thema Wasserstoff, welchen man zusätzlich bereitstellen muss.
Leider konnte ich keine Quelle dazu finden wie viel H2 dafür tatsächlich benötigt wird. Ich würde an der Stelle daher mal böse unterstellen, dass man davon jede Menge benötigt und der Einfachheit annimmt, dass dieser aus Elektrolyse mit 100% Ökostrom hergestellt wird, während man das Elektroauto mit Strommix, noch besser mit dem Grenzstrommix von 100% Kohlestrom annimmt. So kennt man es zumindest von anderen „Wunderkraftstoffen“ die es in der CO2 Bilanz angeblich mit Batterieelektroautos aufnehmen können und sich dazu ausschweigen. Sonst liest man nur „hohe Temperaturen“, „hohe Drücke“ und „Bedarf an Katalysatoren“, was für mich nicht besonders Energieeffizient in der Produktion klingt.

Wenn noch jemand eine gute Quelle dazu findet oder generell Details zur Produktion, bin ich sehr dankbar, bin auch interessiert.

Ferner wird benannt:

In den kommenden Jahren soll die Produktion des regenerativen Diesels von derzeit rund 4 Millionen t pro Jahr auf 15,5 Millionen t bis 2030 steigen.

Laut Destatis wurden 2021 allein im PKW-Sektor ca. 40365 Mio Liter Kraftstoff, davon 14081 Mio Liter Diesel verbraucht.
Wir haben also am Ende beinahe die gleiche Situation wie bei den E-Fuels. Die weltweite geplante (nicht gesicherte) Produktion von HVO kann 2030 gerade so die deutschen PKWs bedienen.

Ganz abseits mal davon, dass HVO vielleicht Klimaneutral ist, aber keinesfalls lokal Emissionsfrei, heißt im Winter steht der Dieselquarz immer noch in den Straßen und Lärm machen die Motoren trotzdem. Wäre für mich schon ein ausreichender Grund nicht darauf zu setzen.

EDIT: Einheiten nach Hinweis korrigiert

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Der Vollständigkeit halber: Diese Darstellung wird gerade überall herumgereicht.

Besonders wichtig ist der Satz, dass es am Energiegehalt im Abfall liegt.
Gerade Fett könnte man auch mit geringerem Aufwand und höherem Wirkungsgrad in einem Kraftwerk verbrennen.
Das übersehen bestimmt einige…

15 Mio Tonnen dürften knapp das tausendfache von 15 Mio Liter sein.

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Danke, da bin ich früh am Morgen scheinbar schon über die Einheiten gestolpert!

Habe vergessen die Einheiten von Destatis zu korrigieren, dort stehen ca. 15 000 Mio Liter pro Jahr. Also 15 Mio Tonnen.

Wird korrigiert!

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Ich glaube nicht, das HVO-Diesel einen ernsthaften Beitrag zur Klimaneutralität liefern kann.

Er besteht zwar grundsätzlich aus nachwachsenden Rohstoffen, aber deren Anbau ist nicht klimaneutral. „CO2-frei“ wäre also nur die Verwendung von Abfall-Fett. Davon gibt es aber nicht mal ansatzweise genug, um den Bedarf an Diesel zu decken. Aktuell konsumieren wir in Deutschland ca. 1,25 Millionen Tonnen Speisefett pro Jahr. Wenn ich mal großzügig davon ausgehe, dass davon 10% in HVO-Diesel umgesetzt werden können, dann ist das ein sprichwörtlicher Tropfen auf den heißen Stein bei 35 Millionen Tonnen Dieselverbrauch jährlich. Und wie andere hier schon angemerkt haben, könnte man das Abfallfett auch direkt zur Wärmegewinnung verbrennen, die Infrastruktur dafür gibt es längst.

Wenn wir anfangen, speziell für Kraftstoffe z.B. Raps anzubauen ist das ökologisch eine absolute Milchmädchenrechnung. Vor allem weil es am Ende darauf hinausläuft, den Mehrbedarf an Ölen und Fetten durch eine globale Produktion von Palmöl zu substituieren, die wiederum durch Rodung von Urwald produziert werden.

Ich sehe nicht wirklich, wie an dem Konzept von E-Autos und grünem Wasserstoff (für bestimmte Anwendungen) irgendein Weg vorbei führt. Muss auch nicht, denn die Batterieproduktion wird immer effizienter und wird in den nächsten Jahren vermutlich immer stärker auf Batterietechnologien umschwenken, die in der Herstellung weniger umweltschädlich und energieintensiv sind als die aktuellen Lithium-Batterien (die aber gegenüber Verbrennungsmotoren auch mit Bio-Kraftstoffen immer noch eine bessere Umweltbilanz haben).

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HVO steht und wird niemals im ausreichenden Maße zur Verfügung stehen.
Leider darf ich die Kongress Folie nicht veröffentlichen, aber schaut mal bei der DGF (Deutsche Gesellschaft für Fette und Öle) und bei https://www.ovid-verband.de/ nach.

Größtes Interesse kommt jedoch aus der Luftfahrt, eine weltweit wachsende Branche mit enormen CO2-Einsparzielen. Biokraftstoffe und speziell hydrierte Pflanzenöle spielen demzufolge eine entscheidende Rolle in den strategischen Überlegungen der Branche.
https://biokraftstoffe.fnr.de/kraftstoffe/hydrierte-pflanzenoele-hvo

In kurz: HVO könnte maximal, wenn die Anlagen dafür gebaut werden, 60% der deutschen Luftfahrt versorgen oder rund 15% des LKW und PKW Verkehrs. Grund ist, dass der Rohstoff einfach fehlt.
Interessant ist auch der Einsatz im Schiffsverkehr, weil dort Weltweit gesehen eine hohe Deckung erreicht werden könnte.
Für PKW und LKW ist die bessere Alternative (aber auch nicht ansatzweise ausreichend in der Menge) ist Bio Diesel der zweiten Generation.

Dann noch ein kurzes Wort zu Palmöl:
Palmöl stellt schon eine sehr gute Lösung dar. Die Ergiebigkeit ist unschlagbar, so dass mittlerweile sogar der WWF und weitere NGOs Palmöl als Lösung sehen. Man muss halt den nachhaltigen Anbau in den Griff bekommen, was leichter gesagt ist, als getan.
Dazu gibt es einen sehr guten Podcast (ARD Radiofeature Auf der Ölspur).

Deutschland bleibt technologieoffen.

Dem Bericht nach hat auch die Bahn Interesse ihre Dieselloks damit zu betreiben.

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Laut Neste (Unternehmen) – Wikipedia wird bei der Produktion der HVO mehr CO2 freigesetzt als bei fossilem Diesel. Man braucht ca. 1kWh Strom um 0,75kWh H2 herzustellen. Ob das mit eingerechnet wurde?

Die ganze Diskussion zeigt vor allem eines: Wir brauchen eine technologieoffenheit Regulierung. Die Entscheidung für die richtige Technologie sollte idealer Weise der Markt treffen. Dazu muss die Politik die relativen Preise so beeinflussen, dass Technologie, die im Ergebnis klimafreundliche Technologie günstiger ist als eine klimaschädlichere Technologie. Genau das macht ein verursachungsgerechten CO2-Preis.

Nehmen wir mal an, in 5 Jahren entdeckt ein Forscher ein „Now we will be extremely happy“ Dieselkraftstoff, mit dem Verbrenner über die gesamte Wertschöpfung und den gesamten Lebenszyklus weniger CO2 verursachen als Elektroautos und der unter einem verursachungsgerechten CO2-Preis günstiger ist. Aber leider hatten wir dann schon Verbrenner in der EU verboten und die Autoindustrie hat komplett auf Elektroautos umgestellt.

Tatsächlich ist das EU-Verbrennerverbot in Wirklichkeit technologieoffenheit, d.h. setzt nicht an der Technologie, sondern am CO2-Ausstoß an. Mir ging es in diesem Gedankenexperiment nur darum, die Wichtigkeit von Technologieoffenheit zu demonstrieren.

(Dass die Dinge natürlich komplexer sind, als man hier ein einem Forumsbeitrag schreiben kann, ist mir klar. Beispiel: Die für Elektroautos zwingend notwendigen, immensen Investitionen in eine gute Ladeinfrastrukur mag es doch notwendig machen, politisch eine klare Entscheidung herbeizuführen. Und: Der Markt führt nicht immer zur besten Technologie. Dafür gibt es zig Beispiele (z.B. VHS vs. Betamax) - die aber oftmals etwas mit effektiverem Marketing für die minderwertigere Alternative zu tun hat.

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Jein,

  1. Das kommt darauf an, was die HVO Prozess- Energiequelle ist.
  2. Das kommt auf den Bilanzrahmen an. Wenn wir bei fossilem Diesel die Erdölförderung einbeziehen (und wenn ja, welche), dann ist das nicht richtig.

Das ist bei der ganzen Bio Kraftstoff- Debatte immer schwierig.
Bsp.: Bio- Kraftstoff aus Rapsöl Bilanzraum unbewirtschaftetes Feld bis Tankstelle
Dort muss dann der CO2 Rucksack, Dünger und Pflanzenschutzmittel eingerechnet werden.
Dann die Verarbeitung und der Transport. Und dann kommt der super Trick. Aus Raps entstehen zwei Produkte (Rohöl und Futtermittel). Man rechnet einen erhöhten Teil des Rucksacks und der Produktion und des Transportes auf das Futtermittel, um das Rohöl zu entlasten. (Das ist zulässig in einem Rahmen).
Bei Palmöl wird es noch wilder. Weil der Palmölbaum eine sehr gute CO2 Bilanz hat (oft besser wie der Regenwald) besteht im Prinzip ein negativer Rucksack an CO2. Dadurch ist Palmöl im Prinzip fast CO2 neutral, wenn es zu Bio-Kraftstoff verarbeitet wird. Das konnten die EU-Landwirte nicht zulassen und darum wird nun Palmöl mit fiktiven CO2 Bilanzen beaufschlagt, mit dem Argument CO2 wurde freigesetzt durch die Regenwaldrodung. Dem kann man folgen, jedoch müsste dieser fiktive Betrag sinken (es wird ja nicht jedes Jahr neu gerodet), dass möchte man ignorieren.

In kurz: All diese Rechnungen haben viele Lücken und Schlupflöcher.

Die Rhetorik der „Technologieoffenheit“ erreicht aber ihre Grenzen, wenn sie genutzt wir

Für die Behauptung, dass die typische Ölpalmen-Monokultur eine bessere CO2-Bilanz als ein Regenwald hat, hätte ich gerne eine Quelle. Das kann ich mir schon deshalb nicht so ohne weiteres vorstellen, weil ich das noch nie in 20 Jahren Auseinandersetzung mit dem Thema gehört habe.

efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://wupperinst.org/uploads/tx_wupperinst/Palmoil_study_de.pdf

Schau einmal in die Links und dann auch bitte in die Literatur zu diesen.

Wie beim WWF aufgeführt, ist das Hauptargument nicht mehr die CO2 Bilanz (wobei die Rodung durch verbrennen immer noch ein großes Problem darstellt), sondern die Artenvielfalt. Das Argument sticht auch, ohne Frage. Das wird auch im oben genannten Podcast so dargestellt.

Ah, es geht also nicht um Palmölplantagen auf ehemaligen Regenwaldflächen, sondern auf ehemaligen (und durch Nutzung als Weide erheblich degradierten) Savannenflächen.

Dann macht das durchaus Sinn, denn wenn ich in eine extrem CO2-arme Graslandschaft einen Baum pflanze, dann nimmt die CO2-Bindung tendenziell zu.

Wenn ich die Studie richtig lese, wurde hier aber nur der Vergleich zur vorherigen Nutzung als Weidefläche gezogen und nicht zur „natürlichen“ Vegetation einer Savannenlandschaft. Diese kann nämlich (je nach Standort) ähnlich viel CO2 speichern wie tropische Regenwälder.

Im Idealfall würde man also stark degradierte Weideflächen nicht in Palmöl-Monokulturen, sondern in diverse Agroforts-Systeme (mit einem Fokus auf Palmöl) umwandeln. Dann würde man auch der Artenfrage besser gerecht werden.

Allerdings ist die Frage, ob es für solche Ansätze ausreichend ehemalige Savannenflächen gibt, um einen (steigenden) Bedarf an Palmöl zu decken, wenn wir das Zeug nicht nur essen, sondern zu Millionen von Litern auch verbrennen wollen. Das würde ich erstmal bezweifeln und dann sind wir wieder dabei Anreize zu schaffen, Regenwälder abzuholzen. Für mich ein sehr komplexer und mit Risiken belasteter Weg, wenn man stattdessen auch einfach ein paar mehr Solarparks und Windräder bauen kann. Zumindest bei PKW/LKW haben klassische Verbrennungsmotoren für mich keine Daseinsberechtigung mehr.

Nein, die reichen niemals aus!
Es kann nur um den Bedarf von Flugzeugen und Schwermaschinen (Land- und Bauwirtschaft) gehen.