Homeoffice - Bürokratie - Arbeitsstättenverordnung

Hallo,

ich bin Führungskraft in einem IT Unternehmen. Seit letzten März arbeiten wir hauptsächlich im Homeoffice.

Zur Klarstellung: ich habe das mit entschieden, ich stehe dahinter und ich finde, es müssen noch viel mehr Firmen konsequente Homeoffice anordnen. Als Gründe wird immer angeführt, dass die Chefs kontrollieren wollen - kann sein, aber… :

Ich vermisse bei euren Darstellungen die diversen Hürden, die einer Arbeit im Homeoffice derzeit in den Weg gelegt werden. Es ist m.E. unstrittig, dass man in der aktuellen Situation nicht von „mobilem Arbeiten“, sondern nur von echtem Homeoffice reden muss. Damit gilt die Arbeitsstättenverordnung. Nur mal so aus der Praxis: wir sitzen hier gerade zu fünft (3 Homeschooler, meine Frau und ich, alle in Videokonferenzen), wir haben ein einigermaßen großes Haus, eine überdurchschnittlich gute Ausstattung an IT Geräten und einen sehr guten Internetanschluss. Das haben schon mal die wenigsten… dann braucht man aber auch noch Beleuchtung mit Bürostandard (an 5 Arbeitsplätzen), geeignete Möbel, Fenster usw. das haben in der Praxis die wenigsten.

Als AG müssen wir das kontrollieren. Ich weiß annekdotisch, dass bei befreundeten Firmen bei Corona-Fällen im Sommer die Räume und Maßnahmen besichtigt wurden (was ich gut finde) und in dem Zuge dann auch gleich noch die Ergonomie im Homeoffice.

Ich will mal gar nicht von den Details beim Datenschutz (z.B. mussten bei uns alle Mitarbeiter unterschreiben, dass Behördenvertreter bei Ihnen zu Hause dein Einhaltung des Datenschutzes kontrollieren dürfen); Kinder, die versehentlich in Videokonferenzen auftauchen (was man technisch verhindern kann, ich weiß, …). Aber die Liste lässt sich endlos fortsetzen, an Dinge, auf die geachtet werden muss.

Schon in „normalen“ Zeiten, finde ich einiges fragwürdig, kann das aber zumindest nachvollziehen, warum es diesen Wust an Regeln gibt. In der momentanen Zeit, kann ich leider nicht nachvollziehen, warum man das alles nicht aussetzen oder zumindest abmildern kann, solange wir offiziell unter den Vorzeichen einer Pandemie arbeiten.

Vielleicht übersehen ich aber auch etwas…

Noch ein anderer Punkt:

Ich finde den Vorwurf / Forderung: „Schickt alle Büroleute ins Homeoffice“ mittlerweile viel zu pauschal. Es gibt Menschen, bei denen gerät das Leben nach Wochen im Homeoffice komplett aus dem Ruder. Das sind nur vermutlich Wenige, aber die gibt es. Die haben z.B. nur eine Wohnung mit einem Raum und arbeiten zu Hause buchstäblich in der Bettkante. Als AG haben wir auch eine Fürsorgepflicht und die konzentriert sich nicht nur darauf, Infektionen zu vermeiden (auch wenn das zugegebenermaßen derzeit sicher Prio 1 ist), es geht auch um die psychische Gesundheit. Büroräume, die mit sinnvollen Maßnahmen abgesichert sind und in denen sich max. 5% der Mitarbeiter aufhalten, die zu Hause nicht zumutbare Arbeitsbedingungen haben oder sie sonst einfach psychisch abrutschen, halte ich in Abwägung aller Umstände auch für in Ordnung. Ist sicher nur ein Randthema, aber ich finde diese total Verallgemeinerungen zunehmend zu vereinfachend und den AG, die sich Gedanken machen und sich auf allen Fronten bemühen auch respektlos. Mit einer Begründungsregelung mit der man Ausnahmen begründen kann, würde das natürlich auch ermöglich und wäre deswegen m.E. in Ordnung.

Gruß,
Marcus.

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Spannender Punkt von Marcus.
Mein Arbeitgeber (öffentlicher Dienst) wertet die Home-Office geschichte auch tatsächlich nicht als Telearbeit sondern als Arbeit außerhalb der Dienststelle (eine Variante von mobilem Arbeiten) und „ignoriert“ damit die direkten Verpflichtungen die es für Telearbeitenden (Bereitstellung von Ergonomischen tischen/Stühlen, Anforderungen an Datenschutz) sonst gibt. (telearbeit kann bei uns bsplsw. sonst nur beantragt werden wenn dafür ein eigener Raum zur Verfügung steht).

Ich finde es in der Pandemiesituation auch durchaus angemessen, finde aber die Frage auch spannend was da passiert wenn sich ein MA „beschwert“…

Hallo Marcus, vielen Dank für den Einblick. Grundsätzlich kenne ich die brükratischen Hindernisse des Home Office, hatte diese aber in diesem Zusammenhang nicht mehr auf dem Schirm. Dazu möchte ich aber noch etwas ergänzen: aus meiner eigenen Erfahrung kenne ich noch weitere Gründe für fehlendes Home Office: Akzeptanz durch Vorgesetzte, technische Ausrüstung und Kompetenz. Wenn der Berliner Bürgermeister Firmen als unsozial bezeichnet, weil sie ihre Leute nicht ins Home Office schicken, die Berliner Verwaltung als größter Arbeitgeber aber nicht in der Lage ist, die eigenen Leute nach Hause zu schicken, weil (Zitat) „die Tunnel alle sind“, dann krempelt sich ein bisschen meine Hutschnur hoch. Kontrollzwang und nach wie vor fehlende Notebooks sind da auch nicht hilfreich.
Zu Beginn der Pandemie hätte ich das noch verstanden. Aber jetzt?

Das finde ich grundsätzlich ein wichtiges Thema, das in der Diskussion nicht so stark beleuchtet wird. Ich bin beruflich in einer vergleichbaren Position wie du und kann diese Erfahrungen absolut teilen. Auch ich sehe teilweise in Zoom-Meetings, dass Mitarbeiter:innen mal eben am Küchentisch sitzen oder sich ähnlich in kleinen Wohnungen organisieren müssen.

Auch hier stimme ich dir zu und beispielsweise haben wir als Unternehmen unseren Mitarbeitenden unter Auflagen (max. eine Person pro Büro, Maskenpflicht auf Flur/Toiletten/Küche, regelmäßiges Lüften) ermöglicht, die Bürofläche noch zu nutzen, sollten zuhause die Rahmenbedingungen nicht ausreichend sein.
Dennoch sehe ich diesen Punkt aktuell etwas überbewertet, da wir eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Mitarbeiter abwenden müssen und kurzfristig natürlich hier keine perfekten Lösungen hinbekommen. Lieber arbeitet eine Kolleg:in unter suboptimalen Bedingungen, als dass die Person sehr schwer erkrankt und bleibende Schäden davonträgt. Ich glaube, dass wir – gerade in der aktuellen hohen Infektionstätigkeit in ganz Europa – hier eine Risikoabwägung vornehmen müsse, die ganz klar in Richtung Homeoffice ausfällt.
Vor allem sprechen wir aus meiner Sicht heute nicht von den Einzelpersonen, die in unseren Unternehmen noch die Räumlichkeiten nutzen. Wir müssen endlich bei allen öffentlichen Einrichtungen, Behörden und auch den Unternehmen überhaupt das Thema in Gang bringen, da ich von vielen Seiten inzwischen Berichte erhalten habe, dass ganze Unternehmen ihren Mitarbeitern immer noch Homeoffice verweigern. Und das kann es einfach nicht sein.

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Ich bin kein Jurist, finde das aber eine zu großzügige Auslegung. Mobiles Arbeiten ist für „gelegentliches“ Arbeiten gedacht. Eine monatelange Arbeit zu Hause, kann man sicher nicht als gelegentlich bezeichnen. Das konnte man auch im März / April sicher so begründen - aber jetzt noch?

Ich finde das auch alles vertretbar, das Problem ist nur, dass die Vorschriften einfach etwas anders sagen und nicht außer Kraft gesetzt worden oder es eine Ausnahmeregelung für Pandemien gibt. Damit bleibt das Risiko beim AG.

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Ja, klar. Das wollte ich gar nicht in Zweifel ziehen. Das darf nicht sein.

Was ich z.B. erlebt habe: eine Baufirma prahlte im Frühjahr damit: „Kommt doch zu uns, da müsste ihr keine Maske tragen!“ Jetzt gibt es tatsächlich Ausbrüche dort und es werden Verzögerungen mit Corona begründet. Das ist doch die Höhe.

Darum bin ich auch für zwingende Vorgaben, damit es auch faire Bedingungen gibt. Ich fürchte halt, dass einer der Gründe, warum es keine strikten Vorgaben gibt der ist, dass das vermutlich extrem kompliziert wird. Aber wie in der Lage besprochen eine Vorgabe mit Begründungszwang würde vermutlich schon viel helfen. Allerdings ist das vielleicht ähnlich, wie mit der Notbetreuung derzeit… da gibt es auch sehr viele Begründungen…

Stimme ich dir voll und ganz zu! Das meinte ich auch mit meinem Punkt. In der deuchten Gründlichkeit, wird dann aber gerne immer die 100% oder gar nicht Regel angewendet. Wenn wir in allen Büros 80-90% erreichen, dann ist doch schon viel gewonnen. Und ich würde auch sagen: der öffentliche Dienste hat nach wie vor das größte Problem an der Stelle!

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Das stimmt alles, m_b_ka. Es geht ja auch nicht darum, dass den Mitarbeitern verboten wird, ins Büro zu kommen, wenn sie das brauchen, um mal zu Hause dem Lagerkoller zu entkommen.

Bei uns in der Firma sind alle „indirekten“ seit jeher mit Laptop und VPN ausgestattet. Seit Corona wird allen dringend geraten, zu Hause zu bleiben. Unser Werksarzt macht sogar Videos dazu, um alle darin zu bestärken. Es hat also niemand das Gefühl, in die Firma zu müssen, um nicht schief angeschaut zu werden oder etwas zu verpassen. Auch das Management ist nicht da.

Unser AG nennt das alles übrigens weiterhin mobiles Arbeiten und nicht Homeoffice, um die Verordnung zu umgehen. Der Betriebsrat macht mit. Alle gehen davon aus, dass der Firma kein Strick draus gedreht wird, wenn der Bildschirm nicht 90° zum Fenster steht, solange die Politik bittet, Heimarbeit zu ermöglichen. Ist offensichtlich ein vertretbares unternehmerisches Risiko. Sonst ist unsere Firma nämlich ständig auf maximale Complience aus!

In unserem Großraumbüro ist übrigens ein Kollege fast jeden Tag da, da er zu Hause kein nennenswertes Internet hat. Aber der ist meist ganz alleine und kümmert sich um die Blumen. Und das ist dann auch nicht Corona-gefährlich, wenn sich ein zweiter MA dorthin verirren sollte.

das ist wohl eine der größten Hürden in D. Viele Pendler wohnen in ländlichen Gebieten. Diese sind oft nur unzureichend mit Datenleitungen erschlossen. Bei uns ist eine Videokonferenz nicht ohne größerer Aussetzer möglich.

Ich finde dieses Thema sehr spannend und kann die Ausführungen hier sehr gut nachvollziehen.
Es gab dazu einen schönen Podcast
Handelsblatt Fachfragen Telearbeit und Co
Hier wird schön erläutert das die gesetzlichen Regelungen einfach nicht mehr der aktuellen Situation (auch schon ohne Corona) entsprechen und zeitnah angepasst werden müssen um die Sicherheit in allen Bereichen zu schaffen.

Ich Projektleiter in einer Branche für die Mobile Arbeit oder Homeoffice dazu gehört und daher hatten wir zumindest technisch keine Probleme in dieser Zeit.
Was man aber klar sagen muss, ist die Tatsache das Homeoffice, Telearbeit oder wie man es auch immer nennen will sehr stark von der Arbeit abhängt die man Real tut. Umabhängig von den technischen und räumlichen Gegebenheiten zu Hause, macht es meiner Meinung nach eine enormen Unterschied ob man (Sehr vereinfacht ) z.B. in erster Linie Formulare bearbeitet, Angebote schreibt oder sehr viel telefonieren muss also auf Kommunikation angewiesen ist, und wie es mit dem verpflichtenden Timing aussieht. Also ist meine Arbeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu bearbeiten, muss ich von 7-17Uhr erreichbar sein oder kann ich mir meine Zeit völlig frei einteilen.
Das wird nicht diskutiert und ist meiner Meinung nach mindestens so wichtig wie technische und und rechtliche Gegebenheiten. Denn je nachdem was die Aufgaben sind, muss man sich zu Hause völlig anders organisieren!
Ich bin ein großer Freund von Flexibilität und arbeite gern von Irgendwo aber ich bin strickt gegen ein generelles gesetzliches Recht auf Homeoffice. Es spielen zu viele Faktoren eine Rolle als so etwas in einem Gesetz abgebildet werden können. Wie in dem Podcast erwähnt muss der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen schaffen und für beide Seiten rechtliche Sicherheit bieten aber ob und wie und wann „Homeoffice“ möglich oder Sinnvoll ist muss von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen besprochen werden.

Was ich noch gern als Punkt ergänzen würde ist ein anderer Punkt. Wir diskutieren überall nur das es sein muss alle Leute ins Homeoffice zu schicken. Warum ist das denn so! Überlastung bzw. zu voller ÖPNV ist das eine aber man muss auch mal ehrlich sein am Schluss ist es der Phantasielosigkeit an allen Arbeitsplätzen geschuldet das wir so diskutieren müssen.
Wer sich über Sommer mal die Hygienekonzepte im Einzelhandel und in vielen Büros angesehen hat der braucht sich nicht wundern. Oftmals wurden einfach und billig nur Schilder aufgehängt, Striche am Boden gezogen und Plexiglaswände verteilt. Nur ganz ganz selten wurden mal Regale, Stühle und Tische etc entsprechend gerückt und darüber nachgedacht die Belegschaft sinnvoll rotieren zu lassen um immer nur die Anwesend zu haben die gerade benötigt werden und um allen mal die Möglichkeit zu bieten von zu Hause raus zu kommen. Dafür muss man aber aktiv etwas tun. Man muss wirkliche Konzepte entwickeln und diese dann auch umsetzen und einhalten. Der Strich am Boden heißt ich habe keine Lust mich damit zu beschäftigen.