Handlungen von Minister Wissing

Mir stellt sich immer wieder eine Frage. Vielleicht wurde sie gestellt, ich fand dazu nichts.

Das Verkehrsministerium hält die gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz nicht ein. Es erstellt dann keinen „Notfall-Plan“, oder einen unzureichenden, was wiederum auch nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Da frage ich mich dann doch, wie es sein kann, dass sich ein Ministerium derart offensichtlich nicht an geltendes Recht halten kann. Gibt es denn dann keine Sanktionsmöglichkeiten? Oder ist dies nur über die Gerichte oder die politischen Organe möglich? Müssten sich nicht die Verantwortlichen in irgendeiner Form verantworten müssen?

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Die Frage wurde hier schon diskutiert und es ist leider nichts möglich. Die Politiker agieren hier im rechtsfreien Raum quasi. Das Bundesverfassungsgericht ist da leider auch nur für Symbolik gut und sonst ehr ein zahnloser Tiger meiner Meinung nach. Es hat nämlich keine Konsequenzen das Urteil zu ignorieren.

Außerdem wurde gerade beschlossen die Sektorziele abzuschaffen, damit Wissing weiter Lobby für Lindners Freizeitspaß machen kann.

Das Thema der juristischen Verantwortung von Politikern wurde schon öfters angesprochen und es gibt tatsächlich gute Gründe dafür, warum Politiker nicht juristisch zur Verantwortung gezogen werden sollten.

Der Grundtenor ist, dass in einer funktionierenden Demokratie die Politiker weitestgehende Ausgestaltungs-Befugnisse haben, ohne juristische Konsequenzen befürchten zu müssen, wenn sich ihre Entscheidungen im Nachhinein als schlecht erwiesen haben. Die Grenze für eine Strafbarkeit ist hier bewusst hoch angelegt (Korruption, Amtsmissbrauch usw.) und erfasst nur solche Dinge, die klar außerhalb jeden Ermessensspielraumes liegen.

Politiker müssen sich für ihre politischen Richtungsentscheidungen nicht juristisch verantworten, sondern politisch, daher: Nicht vor dem Gericht in einem Prozess, sondern vor dem Bürger in einer Wahl. Das setzt natürlich voraus, dass der Bürger ein Fehlverhalten auch abstraft - und das hängt natürlich wieder von politischen Mehrheiten ab. Wenn die typischen FDP- und CDU-Wähler gegen Klimaschutz sind, werden sie ihre Politiker natürlich nicht dafür abstrafen, wenn sie sich gegen klare Klimaschutzvorgaben richten…

Was man hier bedenken muss ist ja letztlich: Die Sektorenziele und die Konsequenzen bei Nicht-Erreichen waren Teil eines Gesetzes, welches von Politikern (der großen Koalition) erlassen wurde. Dabei hätte man auch Sanktionsmaßnahmen in das Gesetz einbauen können, hat man aber (natürlich) nicht getan, wer setzt sich schon selbst die Pistole auf die Brust?

Wie gesagt, das müssen sie. Bei den nächsten Wahlen im Bund und in den Ländern. Dass die FDP aus so vielen Landtagen geflogen ist hat u.U. auch genau mit dem Verhalten von Wissing zu tun, wobei die FDP das natürlich anders deutet… auch in Bremen wird die FDP (hoffentlich!) aus der Bürgerschaft fliegen… aber juristisch geht da halt - zum Glück - nichts. Denn dort, wo sich Politiker strafrechtlich für ihre politischen Entscheidungen verantworten müssen, haben wir es meist nicht mit funktionierenden Demokratien zu tun, sodass jede neue Regierung erst Mal die alte vor Gericht stellt. Das wollen wir denke ich nicht haben.

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So sehr ich deiner Argumentation folge, aber wäre es nicht möglich Politiker bei solchen Gesetzesbrüchen wie jetzt hier mit Amtsenthebung zu bestrafen?

Also nicht irgendwie Gefängnis oder so und die FDP kann auch wen neues benennen für den Posten.

Nur halt, dass ein Gericht feststellt: Dieser Politiker hat das Gesetz gebrochen und darf daher nicht mehr als Minister arbeiten.

Oder sind wir dann auch schon zu weit weg von Demokratie?

Nach meiner Meinung geht das was wir bei Wissing sehen in Richtung Arbeitsverweigerung und damit Arbeitsrecht und nicht unbedingt Strafrecht, denn da hast du Recht, strafrechtliche Verfolgung unliebsamer Politik kommt gar nicht in Frage.

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Das Thema hatten wir schon und ich bleibe dabei, dass es für die Demokratie fatal ist, dass Politiker quasi rechtsfrei agieren können. Scheuer konnte Unsummen Gelder verschleudern und kommt mit dreisten Lügen davon? Echt jetzt? Die ganzen Maskenkriminellen lachen sich ebenfalls kaputt. Jetzt Wissing, der schlicht Gesetze ignoriert. Hinzu kommt, dass Politiker sich selbst die Gesetze geben, die Sie gegebenenfalls bestrafen sollen. Für mich ist das eine Katastrophe und lässt mich immer wieder frustriert zurück. Ich frage mich auch wofür wir ein Bundesverfassungsgericht haben, dass scheinbar nur bellen aber nicht beißen kann. Ich finde schon man sollte hier schon mal nachbessern, gerade was grobe Verfehlungen angeht. Die Hürden sind viel zu hoch.

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Ich glaube, in Holland hat mal ein Konservativer führender Politiker letztendlich auf Anordnung vom Gericht ein Tempolimit einführen müssen. Das hatte er glaube ich ähnlich formuliert mit „Ich hasse dieses scheiss Gesetz, aber ich muss es einführen.“
Man könnte Wissing eventuell zu Maßnahmen verdonnern, aber selbst das ist vermutlich Wunschdenken. Verstehe den Unmut über sein Verhalten, aber der Druck muss aus der Bevölkerung kommen, daher die sinnvolle Unterscheidung zwischen juristischen und politischen Konsequenzen.

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Nicht ganz. In den Niederlanden wurde das Tempolimit als Ausgleichsmaßnahme zur Reduzierung der Stickstoffbelastung eingeführt, da sonst Bauvorhaben hätten gestoppt werden müssen.

Ok, habs jetzt nicht weiter recherchiert, aber im Podcast Deutschlandfunk wurde es genau so von einem Journalisten berichtet.

Theoretisch ist es möglich, dass das BVerfG auch direkt Recht setzt (im Rahmen von Übergangsbestimmungen, wenn der Wegfall eines für verfassungswidrig erklärten Gesetzes sonst zu einer problematischen Rechtslage führen würde), aber das wurde in der Vergangenheit immer sehr restriktiv gehandhabt.

Der Grundsatz ist hier, dass das BVerfG den Rahmen der Verfassung setzt, in dem die Politik frei gestalten darf. Dieser Rahmen muss großzügig bemessen sein, denn der Kern der Rechtsgestaltung soll eben der (direkt demokratisch legitimierten) Politik überlassen bleiben, nicht dem (nur sehr indirekt legitimierten) BVerfG.

Wenn Gerichte nun die Möglichkeit hätten, Minister mit Amtsenthebung zu bestrafen, würden wir das Machtgefüge sehr stark zu Gunsten der Gerichte verschieben. Das finden wir so lange toll, wie die obersten Gerichte mit unserer Meinung stärker übereinstimmen als mit der Meinung der Politiker…

Das Problem ist die allgemeine Logik in dieser Sache:
Die Politik macht die Gesetze und kann daher auch relativ frei bestimmen, was in den Gesetzen steht. Wenn nun Gerichte einen Politiker, weil er nicht dem Inhalt der von Politikern gesetzten Gesetze folgt, des Amtes entheben kann, wäre doch die logische Konsequenz, dass die Politik im Prozess der Gesetzgebung deutlich stärker berücksichtigen würde, wie ihr die Gesetze auf den Kopf fallen können. Das Resultat wäre, dass Gesetze bewusst so schwammig formuliert würden, dass für Gerichte grundsätzlich keine greifbare Grundlage für Amtsenthebungen daraus abgeleitet werden könnten.

Wenn die Politik einen Minister abstrafen will, kann sie das auch direkt. Daher: Wenn dem Bundestag die Politik von Wissing nicht gefällt, könnte er Gesetze erlassen, die Wissing klar und eindeutig - hinreichend bestimmt - zwingen, bestimmte Maßnahmen einzuleiten. Und diese sogar mit Konsequenzen versehen. Wenn der Bundestag beschließt, dass ab dem 01.05. bundesweit 120 km/h auf der Autobahn gelten, kann sich Wissing noch so quer stellen, es wird gelten. Warum das nicht geschieht hat keine juristischen, sondern politische Gründe. Daher liegt die Lösung dieses Problems auch nicht im juristischen, sondern im politischen Bereich.

Und ja, diese Aspekte der Demokratie sind frustrierend, es frustriert mich auch jeden Tag auf’s Neue. Aber es ist eben auch wichtig, zu verstehen, dass die - meist sehr populistischen - Alternativen nicht zu besseren Ergebnissen führen, sondern neue Probleme erzeugen, die mitunter noch deutlich größer sind.

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Klar. Könnte Olaf Scholz sofort tun, wenn er wollte.

Entsteht denn durch die Annahme eines Minister-Amtes ein Arbeitsverhältnis? Soweit ich rausfinden konnte, besteht kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Amtsverhältnis wofür die Bundesminister ein Amtsgehalt von ca. 19.000 Euro erhalten (https://www.bundestag.de/resource/blob/589998/d4f5753a8eaeef65216b28fafa025caa/WD-3-377-18-pdf-data.pdf. Zugriff: 04.04.2023).

Interessant fand ich allerdings einen Punkt. Im Bundesministergesetz wird in § 8 geschrieben, dass ein Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Bundesregierung nicht stattfinden (BMinG - Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung. Zugriff: 04.04.2023).

Dies bedeutet doch dann, dass ein Vorgehen gegen einen Minister sogar durch das Gesetz ausgeschlossen ist und damit auch nur der politische Weg, also den Minister aus dem Amt zu entlassen, gegangen werden kann. Wenn das so korrekt ist, dann macht mich dies nachdenklich.

Edit: Ein vergessenes Verb ergänzt.

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Naja, wer soll denn ein Disziplinarverfahren gegen einen Minister (und das sind die Mitglieder der Bundesregierung) durchführen? Also wer soll Disziplinarvorgesetzter eines Ministers sein? Die Definition des Ministers ist ja bereits, dass er der oberste Herr seiner Behörde ist. Da gibt’s einfach keine Etage mehr drüber, welche die Befugnis hätte, ihn zu disziplinieren.

Logischerweise steht nur der Bundeskanzler als Chef der Regierung noch über dem Minister. Und der kann - zumindest theoretisch - einen Minister jederzeit entlassen (okay, ganz genau genommen kann er dem Bundespräsidenten jederzeit die Entlassung eines Ministers vorschlagen und dieser wird dem in aller Regel folge leisten). Praktisch sind dem Bundeskanzler natürlich häufig die Hände gebunden, entweder, weil der Minister zu einem Koalitionspartner gehört (sodass es zu einer Regierungskrise mit Vertrauensfrage und Neuwahl kommen würde, wenn der Bundeskanzler hier den Minister des Koalitionspartners rauswirft…) oder starken Rückhalt in der eigenen Partei hat, den der Kanzler nicht verlieren will. Jedenfalls braucht der Bundeskanzler kein formalisiertes Disziplinarverfahren, um einen Minister zu entlassen - er kann das tatsächlich, wenn er will, aus reiner Willkür tun. So gesehen sind Minister als politische Beamte dadurch, dass es kein Disziplinarverfahren gibt, sogar noch weniger geschützt als andere Beamte…

In der Praxis kommen solche Entlassungen gegen den Willen daher nur in den seltenen Fällen vor, in denen die Partei des Ministers ihn selbst zum Rücktritt auffordert, wie z.B. im Fall Adams in Thüringen geschehen. Wäre die FDP daher mit Wissing unzufrieden könnte Scholz ihn rauswerfen und die FDP würde einen anderen Minister bestimmen - aber die FDP trägt Wissings Kurs halt leider mit. Deshalb ist es auch nur konsequent, die FDP als Partei für das Verhalten Wissings verantwortlich zu machen.

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