Haltungen und Strategien zu Russland/Ukrainekrieg

In Putins Vorstellung würde dies ein Europa mit Russland als bestimmender Ordnungsmacht bedeuten.

Zudem kann sich eine „besetzte“ Ukraine ohne Sicherheitsgarantien (die Russland niemals zulassen wird) keiner friedlichen Zukunft sicher sein.

All das gibt dem Wort „Friedensverhandlungen“ immer eine negative Note

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Spekulation. Die wirtschaftlichen und demographischen Zahlen sprechen dagegen. Da wäre die Rolle als Partner auf Augenhöhe der EU schon ein realistischerer Wunsch.

Die Neutralität Belgiens aus dem Londoner Protokoll 1839 könnte als Beispiel dienen, die bis 1914 gehalten hat (und auch „nur“ deswegen gebrochen wurde, weil deutsche Truppen durchmarschieren wollten, nicht primär um Belgien selbst zu unterwerfen).

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Da spielt viel Hoffnung und Spekulation mit.

Hoffnung ist ja gut, aber kann die Ukraine (und Europa) darauf setzen?

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Ich verstehe den Maßstab nicht so ganz. Völkerrechtlich ist ja keiner der drei Punkte problematisch. De facto bedeutes das dann, dass man Russland rote Linien definieren lässt und deren Überschreitung dann als „Eskalationspotenzial“ ansieht. Es mag ja sein, dass es entsprechende Befürchtungen gibt. Aber die Erfahrungen zeigen ja, dass entsprechende Drohungen von Seiten Russlands nach einer ganz anderen Logik funktionieren als die tatsächlichen Reaktionen Russlands, wenn diese roten Linien dann tatsächlich überschritten werden. Im Februar 2022 hat Putin noch gewarnt, dass jegliche Unterstützung für die Ukraine fatale Folgen haben würde. So ging es dann weiter, bei fast jedem neuen Waffensystem, über dessen Lieferung ewig lang diskutiert wurde. Und als es der Ukraine im Sommer nach wochenlanger Bombardierung Charkiws endlich gestattet wurde, diese Angriffe auch jenseits der Grenze zu unterbinden, war das Ergebnis keine Eskalation, sondern weniger Angriffe.

Ich finde solch ein Szenario weder realistisch, noch wünschenswert, aber die Einschätzung, dass ein Atomkrieg dann „wahrscheinlich“ wäre, teile ich ebenfalls nicht. Was würde Russland denn dadurch gewinnen?

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Wirtschaftlich ist Russland ungefähr auf Augenhöhe mit den BeNeLux-Staaten, nicht mit der EU.

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Das hat aber mit der Position der SPD und insbesondere Mützenichs nichts zu tun, wie @Eule richtig anmerkt. Die hat ja schon den Angriff Russlands 2014 positiv sanktioniert, etwa durch die enorme politische Unterstützung für die NordStream-Pipelines. Und die territorialen Verluste der Ukraine, die immense Zerstörung durch russische Angriffe, die unzähligen Toten, Verwundeten und Traumatisierten, die Lähmung der ukrainischen Wirtschaft etc. pp. - all das sind doch aus russischer Sicht enorme Erfolge. Oder definierst du „Erfolg“ nur als Erreichung des Maximalziels des Kreml?

Ich tue mich schwer damit, „verlieren“ nicht relativ, sondern absolut zu verstehen. Wenn ein Land ohne eigenes Verschulden so hohe Verluste erleidet (siehe oben), kann man doch nicht davon sprechen, es habe „nicht verloren“.

Die Position, die Russland Ende 2021 kommunizierte, war: Verhandlungen nur mit den USA (Europa spielt keine Rolle, die UN sowieso nicht), komplette Rückabwicklung der NATO-Osterweiterung, de facto Aufteilung von Einflusspären in Europa zwischen Russland und den USA. Da finde ich den Begriff „Sicherheitsordnung“ etwas euphemistisch. Und ich sehe kein Anzeichen dafür, dass Russland inzwischen eine moderatere Haltung vertritt - ganz im Gegenteil. Im russischen Staatsfernsehen ist regelmäßig von Atomraktenangriffen auf Berlin, Paris und London die Rede. Auch der Stand der Friedensverhandlungen im Frühjahr 2022 (siehe hier spricht eine völlig andere Sprache.

Und das ist einfach none of their business. Russland hat kein Vetorecht bei der Mitgliedschaft in EU oder NATO. Das hat im Übrigen selbst Putin mal explizit bestätigt. Und die Krim ist ukrainisches Staatsgebiet, auch das hat Russland mehrfach anerkannt und sich sogar vertraglich verpflichtet, diesen Zustand abzusichern.

Nein, das sind von Russland klar kommunizierte Ziele, s. o. Spekulation ist aus meiner Sicht eher der Wunsch Putins nach „Augenhöhe“ mit der EU. Wenn überhaupt, sucht er Augenhöhe mit den USA.

Eben: Die „Neutralität“ der Ukraine würde genau solange bestehen, wie es Russland gelegen kommt. Denn Sicherheitsgarantien ist es nicht bereit zuzulassen, wie die Verhandlungen von 2022 gezeigt haben.

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Genau. Und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, demographischen, geographischen, militärischen, etc. Aspekte ist damit vielleicht noch „auf Augenhöhe“ als „Wunsch“ drin. Vor einer „bestimmenden Ordnungsmacht“ müssen wir also nicht ausgehen.

Das finde ich schon eine sehr starke Verengung der Position. 1. Warum diese Entgegensetzung von militärischen Mitteln und Diplomatie? Das ist m. E. eher eine rhetorische Figur von Gegnern einer militärischen Unterstützung der Ukraine. Ich kennen niemanden, der Position 1 vertritt, der sich pauschal gegen Diplomatie aussprechen würde. 2. Wer vertritt denn momentan noch das Ziel „mindestens den Status quo vor 2022 wiederherzustallen“?

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Mhm….grundsätzlich wäre ein Russland als gleichberechtigter Partner wünschenswert.

Aber mit einem Russland unter Putin hätte man einen Partner ohne jegliches Vertrauen.
Zudem Putin nachweislich kein Fan von Demokratien ist. Was eine Partnerschaft schwierig macht.

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Wie realistisch das ist ist eine Sache. Ungeachtet dessen ist es ein erklärtes Ziel Russlands, und der einzige Einflussfaktor dorthin den das Land hat ist seine militärische Stärke. Der Einsatz dieser darf aber auf keinen Fall belohnt werden, wenn wir Frieden in Europa haben wollen. Wenn Russland irgendeine Partnerschaft haben will, geht das ausschließlich(!) auf friedlichem und diplomatischem Wege. Dazu ist Russland aber nicht bereit, weil ihm die in diesem Kontext angemessene Rolle zu klein ist. Die Reaktion darauf kann nur sein, Diplomatie alternativlos zu machen, indem militärische Erfolge versagt (und, soweit schon erfolgt, rückabgewickelt) werden.

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Das wäre mir neu. Und streng genommen trifft der Satz auch nicht ganz Position 2. Es kann gleichzeitig sein, dass die Ukraine nicht verliert (in Hinblick auf Gebiete) und Russland erfolgreich sein wird, falls sein primäres Ziel Zugeständnisse des Westens sind.

Es besteht die Möglichkeit, dass Putin nicht Ihre Meinung teilt. Diese „unverhandelbaren Bedingungen“ sind auch schon spätestens seit den 1990ern bekannt und sollten nun wirklich niemanden überraschen (siehe beispielsweise).

Eine Neutralität der Ukraine würde nur mit ehrlicher Parität funktionieren. Sowohl die EU wie auch Russland müssten gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die Ukraine sich nicht innen- und außerpolitisch verstärkt einer Seite zuwendet. So eine Situation wäre aus russischer Sicht besser als 2021 und damit zumindest potentiell interessant für Friedensverhandlungen.

Worauf gründet sich denn der Anspruch, dass die Ukraine das nicht dürfte?

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Also wäre die korrektere Beschreibung für Position 2 eher: „Die Ukraine verliert etwas, Russland gewinnt etwas, wie das genau aussieht, müssen mir mal schauen“.

Das Narrativ, dass Putin bzw. Russland schon „seit den 1990ern“ gegen eine NATO-Osterweiterung waren, stimmt einfach nicht. Hier mal ein kurzer Blick auf 2004:

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am 2. April 2004, drei Tage nach dem Beitritt der Balten, stand Putin lächelnd neben Schröder und lobte, dass sich die Beziehungen Russlands zur Nato „positiv entwickeln“. Und er fuhr fort: „Hinsichtlich der Nato-Erweiterung haben wir keine Sorgen mit Blick auf die Sicherheit der Russischen Föderation.“ Als der Nato-Generalsekretär wenig später nach Moskau kam, sagte Putin, jedes Land habe „das Recht, seine eigene Form der Sicherheit zu wählen“. Kein Wort von gebrochenen Versprechen oder einer Gefährdung Russlands. [Quelle]

Nur weil Putin nun auf einmal der Meinung ist, dass die Ukraine als souveräner Staat ihre Bündnisse nicht frei wählen darf, ändert das nichts am internationalen Recht und auch nichts an den Verträgen, die Russland abgeschlossen hat.

Heißt übersetzt: Russland würde etwas gewinnen und die Ukraine etwas verlieren. Also nach Deiner Definition ein Widerspruch sowohl zu Position 1 als auch zu Position 2.
Sollte die Ukraine gezwungen werden, angesichts einer hoffnungslosen militärischen Lage und ausbleibender Unterstützung über einen solchen Zustand zu „verhandeln“, um noch Schlimmeres zu verhindern, kann man das wohl kaum als Frieden bezeichnen.

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Nicht ganz, die Ukraine müsste nicht zwingend etwas verlieren. Siehe Folgendes:

Jeder ist „irgendwie für Diplomatie“. Hier ein Versuch Position 1 und 2 anders von einander abzugrenzen:

  • Position 1: Wir treiben durch Waffenlieferungen, Sanktionen etc. die Kosten für Russland solange weiter in die Höhe, bis Russland beschließt, dass es sich unter Berücksichtigung aller Aspekte (insbesondere auch der geostrategischen Relevanz im NATO-Russland-Konflikt) nicht mehr lohnt weiter zu kämpfen und sich zurückzieht.
  • Position 2: Wie bieten Russland etwas an, dass aus russischer Sicht mehr wert ist, als das Fortführen des Krieges (d.h. mehr als der erwartete Nutzen minus die Kosten).

Position 2 bedeutet, dass Russland „irgendwas“ dabei gewinnt bzw. die NATO „irgendwas“ dabei verliert (außer wir finden das Win-Win einer gemeinsamen Sicherheitsordnung). Das meine ich mit „Diplomatie“.

„noch“ ist hier doppeldeutig. Wer vertritt Ihrer Meinung nach was?!

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Den Vertrag würden insbesondere die Garantiemächte schließen, d.h. die EU oder NATO (bzw. ihrer Mitgliedsstaaten) und Russland würden sich verpflichten, jegliche Ersuche der Ukraine zurückzuweisen bzw. nur gemeinsam zuzulassen.

Nichtdestotrotz würde es die Stabilität erhöhen, wenn ein solcher Vertrag auch die Ukraine selbst völkerrechtlich davon abhält.

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Das ist immer noch eine Engführung, die der Bandbreite der tatsächlichen Positionen nicht gerecht wird. Da fehlt z.B. völlig die Unterscheidung zwischen jenen, die die Unterstützung im jetztigen Ausmaß für ausreichend halten und jenen, die das nicht zun. Ich komme mehr und mehr zu dem Schluss, dass die von dir vorgeschlagenen drei Schubladen einfach zu groß sind, um die Positionen zu diesem Thema sinnvoll zu erfassen.

Außerdem sehe ich nicht, welche langfristige Friedenswirkung eine wie auch immer geartete vertragliche Lösung mit Russland haben soll, bei der dieses de facto für seinen Angriffskrieg und seine diversen Vertragsbrüche belohnt wird. Und dass das für Russland eine Grundbedingung wäre, um Russland zu einer Verhandlungslösung zu bewegen, sagst du ja selber (korrigiere mich, wenn ich das missverstanden habe).

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Jein.
Bei den Themen Migration und Außenpolitik hast du natürlich Recht, beide Parteien sind eher für eine non-interventionistische „Germany First“-Politik. Bei den sozialen Themen hingegen gibt es doch deutliche Unterschiede, die AfD ist neoliberaler als die FDP, das BSW vertritt weitestgehend die Positionen der Linken.

Ein Bündnis von BSW und AfD würde ich aber in der Tat auch nicht ausschließen - letztlich habe ich das BSW in Deutschland schon öfters mit der „Fünf-Sterne-Bewegung“ in Italien verglichen, und das hat mit der „Lega Nord“ mit einer vergleichbar rechten Partei wie der Höcke-AfD koaliert. Insofern halte ich eine derartige Koalition auch in Deutschland nicht für unmöglich - leider!

Das es völkerrechtlich nicht problematisch ist mag sein, aber das wird Russland kaum interessieren, wo ja schon ihr gesamter Krieg völkerrechtswidrig ist. Es geht bei der Gewaltspirale immer nur darum die Rote Linie der anderen Partei zu überschreiten, das hat mit Recht wenig zu tun. So wäre beispielsweise der bewaffnete Widerstand der Palästinenser im illegal besetzten Westjordanland auch im Einklang mit internationalem Recht und trotzdem denke ich, dass Israel mit Gewalt regieren würde.

Tjaja, es geht immer so lange gute bis es nicht mehr gut geht. Und die Vergeltung muss ja auch nicht immer auf dem Schlachtfeld passieren wenn man sich Russland digitale Kriegsführung gegen den Westen anschaut.

Na gut, dann lass es unwahrscheinlich sein, das Risiko wäre mir trotzdem noch zu groß. Und auch eine konventioneller Krieg gegen Russland wäre meiner Meinung nach verheerend. Deswegen: Unterstützung der Ukraine gerne, aber wenn irgendwer anfängt ernsthaft in Erwägung zu ziehen NATO-Truppen in die Ukraine zu schicken geh ich dagegen auf die Straße.

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Das Ausmaß der Unterstützung sehe ich nur als Mittel zum Zweck, relevant für mich ist, welchen Zweck bzw. welches strategische Ziel damit erreicht werden soll. (Und ab welchem Mehr an Unterstützung die nächste Sproße der „Eskalationsleiter“ erklommen wird.)

Gerne dürfen die Positionen weiter aufgefächert werden. Es war ja sogar die Motivation meines ersten Beitrags, dass die Debatte nicht mehr auf eine Bipolarität der Positionen 1 und 3 verengt wird.

Das ist Realpolitik. Es wird richtig und wichtig sein, noch lange auf diese Völkerrechtsbrüche hinzuweisen. Meine Prognose ist aber, dass sie letzten Endes genauso wenig sanktioniert werden (können), wie die Völkerrechtsbrüche der USA und ihrer Verbündeten in Vietnam, Jugoslawien, Irak etc.

Ich nicht, und ich wäre als ehemaliger Wehrdienstleistender tatsächlich Reservist, der bei einer vollständigen Eskalation möglicherweise in den Krieg geschickt würde.

Ich vertrete hier mittlerweile ganz klar die Position:
Russland muss gestoppt werden, Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Auch nicht, wenn das bedeutet, dass wir in den Krieg einsteigen müssen. Wenn Russland diesen Krieg gewinnt, ist die Nachkriegs-Friedensordnung offiziell tot und wir werden in neues Zeitalter territorialer Kriege eintreten. Wer jetzt den Krieg gegen den klaren Aggressor Russland scheut, verschieb den Krieg nur auf einen späteren Zeitpunkt.

Hätte die NATO direkt zum Start des illegalen Angriffskrieges aggressiv reagiert und Russland ein Ultimatum gesetzt, sich zurück zu ziehen und andernfalls selbst in den Krieg einzutreten, hätte Russland vermutlich sehr schnell den Schwanz eingezogen. Leider hatten wir diesen Mut nicht, dafür müssen nun hunderttausende Menschen in der Ukraine sterben.

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