Gewaltstrukturen überwinden, LdN 361

Nein, ich hinterfrage die Datenerhebung.
Wurden nur Männer und Frauen befragt, die in derselben Situation sind?

Aber lassen wir es gut sein. Ich habe natürlich gar nichts dagegen, auch Gewalt gegen alle anderen zu thematisieren. Wäre nur schön, wenn sich alle hier dann auch im anderen Thread beteiligen würden.

Das mit der selben Situation ist doch einer der Punkte auf den ich die ganze Zeit hinaus will.

Ich betrachte einmal ganz allgemein die Mechanismen und sehe mir dann die Situationen im einzelnen an.

Wenn also Gewalt durch Mütter oftmals durch Überforderung aufkommt, dann muss man sich die Frage stellen, ob nicht Überforderung eine Ursache für Gewalt darstellt und das sowohl bei Müttern als auch bei Vätern in vergleichbaren Situationen.
Ich denke jeder der Kinder hat weiß, dass man nicht nur einmal mental an seine Grenzen kommt.
Ein möglicher Ansatz Gewalt aus Überforderung zu reduzieren könnten dann Angebote für zusätzliche Unterstützung sein.

Oder als anderes Beispiel Till Lindemann. Hier hat in meinen Augen die öffentliche Diskussion völlig versagt. Während die eine Seite keinerlei Fehlverhalten sehen will, hat sich die andere Seite auf den Teil der Vorwürfe gestürzt der erstens nicht wirklich klar war und zweitens kaum vor Gericht bewiesen werden kann.

Am Ende steht eine Einstellung des Verfahrens und viele sehen ihn als rehabilitiert.

Dabei steht doch das Thema Machtmissbrauch ganz am Anfang der Vorwürfe gegen ihn. Es bezweifelt ja auch kaum jemand, dass er junge Frauen Drucksituationen ausgesetzt hat (separate Backstageparties ohne Handy, ohne Leute die man kennt, ohne Öffentlichkeit die Schutz bietet).

Hätte sich die Diskussion erstmal darauf fokussiert, dass es nicht in Ordnung ist seine Machtposition so auszunutzen, dann würde man das Problem an der Ursache anpacken.

Wenn man dafür sorgt, dass Menschen ihre Macht nicht mehr derart missbrauchen, dann würde man damit in solchen Beispielen ja auch das, was möglicherweise noch passiert ist aber nicht bewiesen werden konnte verhindern weil es gar nicht erst zu diesen Situationen kommt.

Und das würde quer durch alle Beispiele Wirkung zeigen. Es würde diese Wirkung unabhängig von Geschlecht des Täters und des Opfers zeigen und ein steigendes Bewusstsein über Machtmissbrauch würde vor allem dort Wunder wirken wo aktuell den Leute gar nicht bewusst ist, dass das was sie da gerade betreiben Machtmissbrauch ist.

Natürlich braucht es auch weiterhin eine Behandlung der Symptome.

Und wenn es Ihnen wichtig ist, dass Machtmissbrauch Teil des patriarchalischen Systems ist, dann gerne, auch wenn ich persönlich dieses Schlagwort eher als kontraproduktiv sehe.

Die Süddeutsche Zeitung hat sich dem Thema so genähert und die Popkultur und ihren Ruf dem Thema gegenüber gestellt, aber das ist natürlich nicht die Art, wie soziale Medien eine Diskussion führen. Insofern finde ich, dass das ein schlechtes Beispiel ist.

Soziale Medien sind ja keine homogene Masse. Es sind ja ganz viele auch stimmgewaltige Einzelpersonen auf den Zug aufgesprungen und haben Teils Vorwürfe erhoben die so gar nicht von den Betroffenen geäußert wurden, z.B. gleich zu Beginn die Behauptung Till Lindemann hätte Shelby Lynn KO-Tropfen verabreicht, obwohl sie das ja sogar selbst klar anders kommuniziert hat.

Wenn wir aber wirklich „Gewaltsturkturen überwinden“ wollen, dann ist es eben wichtiger und wirkungsvoller wirklich an den Mechanismen zu arbeiten, als zu versuchen einzelnen Tätern den größtmöglichen Medialen Schaden zuzufügen, denn der Schuss kann nach hinten losgehen und ging auch nach hinten los, jedenfalls wenn man als Zielgruppe diejenigen betrachtet die nicht ohnehin schon in einer Bubble sind bei der es mehr Bewusstsein für solche Problematiken gibt.

In dem von mir angesprochenen Beispiel fand ich z.B. das Video von Kayla Shyx sehr gut gemacht, weil es eben im Kern um den Teil ging, der eben durch viele sich deckende Berichte als belegt angenommen werden kann, der zwar weitestgehend wohl nicht strafrechtlich relevant wäre, aber bei dem sich doch viele Leute finden würde die sagen, dass sowas einfach nicht in Ordnung ist und das hieran etwas geändert werden muss.

Darauf hinzuweisen, dass Femizide in Deutschland zu wenig wahrgenommen werden ohne den Hinweis, dass auch Männer in Beziehungen Opfer von Partnergewalt werden ist für dich der Versuch, einzelnen Tätern größtmöglichen Schaden zuzufügen?
Das musst du ausführen, denn ich verstehe es nicht.

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Diese Diskussion ist ein Paradebeispiel für die Probleme, wann und wie über Männer als potentielle Opfer geredet wird.

Es ist bezeichnend, dass dieser Thread nicht aus einem proaktiven Einsatz für die männliche Perspektive auf Geschlechtergerechtigkeit erstellt wurde, sondern als Reaktion auf eine Diskussion die Frauen und Gewalt die ihnen wiederfährt in den Fokus stellt.

Es gäbe viel zu sagen, über Männer als Opfer und Täter,
über die Beeinflussung von Männern und Frauen durch klassische (toxische) Rollenbilder,
über die Unfähigkeit vieler, Männer als Opfer sehen zu können, ohne ihnen immer eine Mitverantwortung zu geben,
über die verschiedenem Formen von Gewalt (in Partnerschaften) und deren geschlechtsspezifische Unterschiede,

All das wird zu einer Farce, wenn es nur dann plötzlich wichtig wird, wenn es vorher gerade um Gewalt gegen Frauen ging.

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Ist dir ein Strohmann nicht zu billig?

Ich war gerade beim Beispiel Till Lindemann. Ich sagte, dass Vorwürfe die noch nicht mal das Opfer so geäußert hat nicht die Grundlage der Diskussion sein sollten wo es doch in diesem konkreten Beispiel einen sehr viel konkreteren Vorwurf gab der mehr Raum in der Diskussion um diesen Fall verdient gehabt hätte und das Problem bei der Wurzel gepackt hätte: Machtmissbrauch.

Hier geht es gerade um Gewaltstrukturen und nicht um Femizide! Wieso schiebst du mir jetzt eine Aussage unter die ich so nicht getätigt habe?

Edit:
Ich habe hier übrigens nur einen Beitrag geschrieben bevor das Thema umbenannt wurde. Alle weiteren waren nach der Umbenennung. Daher verstehe ich nicht warum jetzt alles mit Femiziden zu tun haben muss, wo es hier doch ausdrücklich um was anderes geht und Femizide in einem separaten Thread besprochen werden.

Die Beobachtung teile ich voll und ganz! Hat leider eine einfache Ursache: Männer als ebenso hilfebedürftige Opfergruppe kommen in den Medien, bis auf seltene Ausnahmen, fast nie vor. Gewalt an Männern kam m.W. z.B. als eigenes Thema auch noch nie in der LdN vor. Wenn es in Debatten um das Thema Beziehungsgewalt geht, dann immer kontrafaktisch fast nur in den reinen Stereotypen Mann=Täter, Frau=Opfer. Für eine Lösung der Gewaltprobleme ist das m.E. nur ein Desaster, hab ich oben geschrieben. Will mich nicht wiederholen. Ein recht erhellender Bericht auf einer männerpolitischen Seite zu Untersuchungen unter Frauen in Frauenhäusern und zu den systemischen Ursachen von Partnergewalt ist dieser hier. Eigentlich banal: Gewalt schaukelt sich wohl oft von vielen Seiten auf. Wer hier einseitig agiert, verstärkt m.E. deshalb oft eher die Probleme und alle verlieren.

Edit: Die Frauenhausuntersuchung hatte ich anfangs als Studie zitiert. Das war falsch. (Danke Sereksim für den kritischen Hinweis unten)

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Der Link führt zu keiner Studie, sondern zu einem Blogpost eines amerikanischen Mens Rights Activist. Er verlinkt dort als Quelle die Broschüre einer Konferenz auf der eine Wissenschaftlerin zu dem Thema gesprochen hat. An keiner Stelle wird irgendein konkretes Paper oder eine Studie verlinkt oder mit Namem genannt. Der im Artikel verwendete Name ist der der Konferenz. Die genannte Wissenschaftlerin (Deborah Capaldi) forscht zu dem Thema und hat da auch viele Paper und Zitationen, aber es gibt ohne vernünftige Zitate/Belege keine Möglichkeit zu prüfen, ob die Aussagen in dem Blog so wirklich von ihr stammen und in welchem Kontext sie stehen.

Deine Quelle belegt daher weder deine Thesen bzgl angeblich „kontrafaktischer“ Darstellungen noch die zum gegenseitigen „hochschaukeln“ häuslicher Gewalt.

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Darüber hinaus sind antifeministische Männer- und Väterrechtler (Mens Rights Activists) gerade keine Verbündeten im Kampf für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Sie sehen zwar manche der Probleme im Kontext von Männlichkeit und Gesellschaft, ziehen aber den antifeministischen Schluss, dass die Probleme durch den modernen Feminismus verursacht worden seien („feminism has gone too far“) und dieser daher der Gegner sei. Nicht ohne Grund werden MRAs und weite Teile der Väterrechtlerbewegung als Teil der rechtsoffenen Manosphere angesehen.

Was ich stattdessen als pro-feministische (!) Alternative empfehlen kann, ist das Men’s Liberation Movement:

The men’s liberation movement is a social movement critical of the restraints which society imposes on men. Men’s liberation activists are generally sympathetic to feminist standpoints.
The men’s liberation movement is not to be confused with different movements such as the men’s rights movement in which some argue that modern feminism has gone too far - Wikipedia

/r/MensLib is a community to explore and address men’s issues in a positive and solutions-focused way. Through discussing the male gender role, providing mutual support, raising awareness on men’s issues, and promoting efforts that address them, we hope to create active progress on issues men face, and to build a healthier, kinder, and more inclusive masculinity. We recognize that men’s issues often intersect with race, sexual orientation and identity, disability, socioeconomic status, and other axes of identity, and encourage open discussion of these considerations. We consider ourselves a pro-feminist community. - Reddit

Danke für die kritische Review. Mein Fehler. Habe meinen Post dahingehend korrigiert und das hoffentlich angemessen transparent gekennzeichnet.

Bei dem Vorwurf der meist kontrafaktischen stark einseitigen Darstellung der häuslichen Gewalt bleibe ich. Schon älter, aber dieser SPIEGEL-Artikel führt z.B. etliche verschiedene breitere Untersuchungen zu Beziehungsgewalt an, die für die Forscher selbst wohl teilweise überraschende Ergebnisse erbrachten, wie gering die Geschlechterdifferenzen wohl waren. Erschütternd, aber auch bezeichnend für unsere Debatte, ist die üble und unfaire Aggression, die den Forschern teilweise wohl entgegenschlägt.

Ja, dass sich für das Thema Gewalt an Männern und Gewalt durch Frauen leider viele unsägliche (häufig auch rechtsradikale) Leute einsetzen, ist ein Problem. Aber leider schweigt die linke und soziale politische Seite weitgehend zu diesem Thema, oder beschimpft alle „Männerrechtler“ gern pauschal als rechts oder mehr. Fürchterlich und für die Demokratiestärkung völlig kontraproduktiv, wenn die AfD das Thema allein und dann auf ihre widerliche Weise besetzen kann. Eine positive Ausnahme war übrigens mal die LINKE in Schwerin: Schwerins Linke fordert „Männerhäuser“: Auch Frauen prügeln - taz.de. Im Artikel zitiert sogar die TAZ schon vor sechs Jahren aus dem NDR einen Studienbericht zu Beziehungsgewalt, die bei dem Thema weitgehend Geschlechterparität konstatiert (Link fehlt leider). Mainstream in vielen Berichten bleibt aber oft die Einseitigkeit. Einfach mall google Bildersuche Häusliche Gewalt eingeben. So geht Polarisierung. Bitter. Aber vielleicht schaffen wir es ja, auch darüber hinweg zu kommen und das ehrliche, faire und und friedliche Miteinander weiter zu stärken uns damit auch die Femizide zu senken, um den Ausgang mal wieder aufzugreifen und gerade nicht zu verdrängen.

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Ja, absolut.

Ein Aspekt des Interviews geht mir auch mehr als eine Woche später nicht aus dem Kopf: Frau Cruschwitz betont an einer Stelle, dass es „nicht nur diese Opfer-Frauen“ treffe, sondern such z.B. Hochschulprofessorinnen oder Moto-Cross-Fahrerinnen.

Diese Aussage sticht aus dem ansonsten sehr differenzierten Interview stark heraus. Sicher sind mit „Opfer-Frauen“ einfach jene mit z.B. niedrigerem sozialen Status gemeint: auch sie können also Opfer werden. Aber trotzdem ist für mich irgendwie bestürzend, dass ein solcher stark missverständlicher Ausdruck in diesem klugen Interview überhaupt verwendet wird. Jene Menschen, die sich stets dagegen wehren müssen, als quasi prädestinierte Opfer gelesen zu werden, werden verstehen, was ich meine.

Entschuldigung, das habe ich tatsächlich sehr unsensibel formuliert. Ich wollte klar stellen, dass alle Frauen von häuslicher Gewalt betroffen sein können, aus allen sozialen Schichten, egal mit welchem Bildungsstand, auch erfolgreiche Frauen, solche mit starkem Selbstbewusstsein und/oder mit sehr hohem sozialen Status. Denn es herrscht immer noch das Klischee vor, dass es nur Frauen aus niederen sozialen Schichten betrifft mit schlechter Bildung. Dieses Klischee begegnet mir immer wieder. Ich werde in Zukunft weniger flapsig formulieren, damit ich nicht Gefahr laufe, die von Ihnen benannten Menschen zu diskreditieren.

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