Geschichtsklitterung bei tagesschau.de?

tagesschau.de behauptet anlässlich der Gewalt in Kiew am 20.02.2014:

Vor zehn Jahren ließ die Regierung auf jene schießen, die für eine unabhängige Ukraine demonstrierten. […] Im Februar 2014 schlägt die Regierung des korrupten Präsidenten Viktor Janukowitsch gewaltsam die Proteste auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Kiew nieder.

Zur Erinnerung: Es ist nicht öffentlich bekannt, wer die Gewalt begonnen hat (die bewaffneten Demonstranten oder die Sicherheitskräfte, siehe beispielsweise Wikipedia). Außerdem wurden die Proteste nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil: Am Abend des 20.02. ist Janukowitsch auf die wichtigste Forderung der Demonstranten eingegangen (vorgezogenen Neuwahlen) und es kam nichtsdestotrotz zwei Tage später zum Staatsstreich.

tagesschau.de liefert keine unterstützenden Fakten für diese Behauptungen (und beruft sich noch nicht mal pro forma auf anonyme Geheimdienstquellen). Es hat den Anschein, als wolle tagesschau.de hier einen Mythos installieren, um den Staatsstreich zu legitimieren.

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Spontan würde ich sagen, dass aus der Formulierung

Vor zehn Jahren ließ die Regierung auf jene schießen, die für eine unabhängige Ukraine demonstrierten.

für sich genommen noch keine Aussage darüber gezogen werden kann, wer die Gewalt begonnen hat. Es scheint doch eher darüber Information zu geben, wie die Regierung auf die Proteste reagiert hat – denn selbst wenn Gewalt oder zumindest eine aufgeheizte Stimmung von der Demo ausgeht, stellt es doch ein erheblicher Unterschied dar, ob die Polizei mit Mitteln wie Wasserwerfern etc. dagegen vorgeht, oder

scharfe Waffen, Molotowcocktails sowie Splittergranaten (Wikipedia)

einsetzt. Und darum scheint es mir in dieser Bemerkung der Tagesschau zu gehen.

Es gab auf dem Maidan monatelang Proteste von Tausenden Menschen, die zum allergrößten Teil friedlich waren. Dabei gab es immer wieder harte Repression und Angriffe von Polizei und Sicherheitskräften, bis hin zum Einsatz von Schusswafen. All das ist durch unzählige Videoaufnahmen, Zeugenaussagen, aber auch durch staatsanwaltliche Ermittlungen, Geständnisse und ballistische Untersuchungen nachgewiesen. Da ist es aus meiner Sicht eher ein Detail, ob die Formulierung „niedergeschlagen“ nun zutreffend ist oder nicht - die Absicht von Janukowitsch ist eindeutig belegt.
Es ist schon merkwürdig, wenn du da von „Geschichtsklitterung“ redest und im selben Atemzug von „Staatsstreich“ redest also den Schlüsselbegriff für das zentrale Kreml-Narrativ zum Maidan wiederholst, den auch linke wie rechte Putinfreunde immer gerne anführen. Wie war das nochmal mit den Steinen im Glashaus?
Vielleicht kannst Du ja mal genauer erklären, was genau daran ein Putsch ist, wenn es monatelang Masssenproteste im ganzen Land gibt, wenn die Armee sich weigert, auf das eigene Volk zu schießen, wenn der Präsident das Land verlässt, wenn seine eigene Partei sich von ihm abwendet und es kurz darauf Neuwahlen gibt, in denen die politischen Ämter nach demokratischen Regeln neu besetzt werden.

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Bei der von dir zitierten Wikipedia steht unter anderem: „Die Polizei setzte dabei unter anderen scharfe Waffen, Molotowcocktails sowie Splittergranaten ein und arbeitete Hand in Hand mit Tituschkis.“ Das hört sich für mich zumindest arg nach dem Versuch an, einen Protest gewaltsam niederzuschlagen.

Streng genommen schreibt die Tagesschau in der von dir zitierten Passage auch nichts davon, dass die Staatsgewalt mit der Gewalt begonnen hat. Das die Regierung scharf schießen ließ, ist historisch glaube ich nicht zu bestreiten und erstmal unabhängig von der Frage, wer die Eskalation begonnen hat.

Außerdem wurden die Proteste nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil: Am Abend des 20.02. ist Janukowitsch auf die wichtigste Forderung der Demonstranten eingegangen (vorgezogenen Neuwahlen) und es kam nichtsdestotrotz zwei Tage später zum Staatsstreich.

Das hört sich auf Wikipedia auch etwas anders an:

Am Nachmittag des 21. Februar unterschrieben Präsident Wiktor Janukowytsch sowie die Oppositionsführer Jazenjuk, Klitschko und Tjahnybok einen Vertrag[196] zur Beilegung der Krise.[197] […] Sikorski hatte im Vorfeld der Unterzeichnung des Vertrages einem Oppositionsführer erklärt, wenn sie den Deal nicht unterstützen würden, dann würden sie es mit der Armee zu tun bekommen, es würde das Kriegsrecht herrschen, und sie alle würden sterben.[198] […] Noch am Tag der Unterzeichnung des Abkommens erklärten Vertreter verschiedener oppositioneller Gruppen, die getroffenen Vereinbarungen nicht anerkennen zu wollen.[203] […] Verschiedene Sprecher von oppositionellen Gruppen betonten, man beharre auf der Forderung nach Janukowytschs sofortigem Rücktritt.

Ich bin was den Euromaidan angeht wirklich kein Experte und kann das nicht aufgrund eigener Autorität beurteilen, aber wenn du der Tagesschau „Geschichtsklitterung“ vorwirfst und das mit einer Quelle angeblich belegst, dann solltest du schon darauf achten, dass die Quelle deine Sicht der Dinge auch wirklich unterstützt.

Die inhaltlichen Punkte mal beiseite fände ich es auch schön, wenn die Tagesschau und andere Medien Tatsachenbehauptungen grundsätzlich belegen würde. Der Hyperlink ist ja nun schon seit ein paar Jahren als Technologie im Internet verfügbar.

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Zur Erinnerung: Am 18.02. ist der friedliche Protest zu einem (in Teilen) bewaffneten Aufstand geworden, mit hunderten Verletzten und Toten auf beiden Seiten. Laut Deutscher Welle war der Anlass eine Angriff auf die Sicherheitskräfte (wobei eine False Flag nicht ausgeschlossen werden kann). Es ist bemerkenswert, dass die Regierung eben gerade nicht gewaltsam das Gewaltmonopol wiederhergestellt hat, sondern mit der Opposition einen Waffenstillstand ausgehandelt hat.
Zum 20.02.: Wenn der Gegner bereits gezeigt hat, dass er willens ist, scharfe Waffen einzusetzen, dann ist es nicht verwunderlich, wenn auch die Seite mit dem de-jure Gewaltmonopol mit scharfen Waffen (re)agieren.

Dazu habe ich keine Lust, vielleicht kann Ihnen da aber die ARD weiterhelfen: Putsch in Kiew: Welche Rolle spielen die Faschisten? | Das Erste - Panorama - Sendungsarchiv - 2014

Welchen Teil der Behauptung von tagesschau.de sehen Sie denn beispielsweise durch den Wikipedia-Artikel gestützt?

Ja, das wäre die halbe Miete…

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Ich habe eigentlich keine Lust zweimal das selbe zu schreiben. Darum verweise ich auf meinen ersten Beitrag.

Es ist bemerkenswert, dass die Regierung eben gerade nicht gewaltsam das Gewaltmonopol wiederhergestellt hat, sondern mit der Opposition einen Waffenstillstand ausgehandelt hat.

Jedenfalls wenn es nach der Darstellung der Wikipedia geht, hat die Regierung nicht mit „der Opposition“ ein Abkommen ausgehandelt, sondern mit Teilen der oppositionellen Bewegungen. Schon ein wichtiger Unterschied. Und wenn (grundsätzlich gewaltbereite) Regime das Gewaltmonopol des Staates nicht per Gewalt durchsetzen, dann hat das in der Regel einen Grund: Sie können es nicht. Wieder mit Bezug auf die Wikipedia:

Das ukrainische Innenministerium teilte außerdem mit, dass sich die Sicherheitsorgane des Innenministeriums der Ukraine (z. B. die Polizei) in Kiew offiziell auf die Seite der Opposition geschlagen hatten.

Insgesamt bin ich mir immer noch nicht sicher, warum du genau ein Problem mit der Tagesschau-Berichterstattung hast. Im Kontext vom Euromaidan von einem „Putsch“ oder „Staatsstreich“ zu sprechen ist jedenfalls von deiner Seite aus ziemlich tendenziös, denn diese Begriffe werden in den Politikwissenschaften und der Konfliktforschung in der Regel auf durch politische oder militärische Eliten erzwungene Regimewechsel angewendet. Beim Euromaidan handelt es sich aber in jedem Fall um einen Regimewechsel, herbeigeführt durch eine recht breit aufgestellte Protestbwegung „von unten“, auch wenn die ARD den Begriff „Putsch“ in einer zeitgenössischen Sendung ebenfalls falsch benutzt.

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Dann drehen wir uns diesbezüglich im Kreis.

Mit den mit Abstand wichtigsten Oppositionsführern. (Am Rande: Die Außenminister Polens und Deutschlands bezeugten den Vertrag durch ihre Unterschriften.) Ja, verbleibende Teile der Opposition waren gegen diesen Vertrag. Diese radikale Minderheit wollte sich womöglich nicht mit einer gewaltfreien Lösung zufriedengeben.

Entweder das oder es erschien nicht opportun. Die Konsequenz ist die gleiche: die Regierung hat die Proteste nicht niedergeschlagen.

Um ein mögliches Missverständnis zu vermeiden: Mit „Staatsstreich“ meine ich das verfassungswidrige Entfernen des Präsidenten aus dem Amt, u.a. nachdem Teile der Sicherheitskräfte sich ihrem Dienstherren verweigert haben bzw. gegen ihn aufbegehrt haben. Wenn Sie das stattdessen als „Revolution“ bezeichnen wollen, meinetwegen. Verfassungswidrig und ggf. gegen die Mehrheit des ukrainischen Volkes war der Vorgang definitiv.

Wie erwähnt, halte ich diesen Artikel für geschichtsklitternd und stellvertretend für viele weitere kleine und subtile Versuche, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Das sollte die Tagesschau nicht machen, da sonst ihre Seriösität leidet.

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Auffällig am Maidan war vor allem die Zurückhaltung der Sicherheitskräfte. Mir sind Aufnahmen in Erinnerung, in denen Polizisten mit Benzin übergossen und angezündet werden, es wird mit Eisenstangen auf sie eingedroschen etc. Statt zum Gegenschlag aufzuholen, gab es offenbar nur den Befehl die Positionen zu halten. Was die ARD da an Quatsch verbreitet, ist skandalös.
Wikipedia als Quelle bei diesem Thema, ist eine schlechte Idee
Ps: die Maidan-kuh schien mit dem vorgezogen Neuwahltermin vom Eis. Bis sich jemand zum Massenmord entschloss. Unbekannt bleibt, wer die Verantwortung trägt. Die Profiteure sind offensichtlich

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Ich bekenne mich der Schlampigkeit schuldig. Bei kontroversen Aspekten zum Maidan würde ich hier auch voll zustimmen. Für diese, wie ich dachte, unstrittigen Punkte erschien mir Wikipedia als ausreichend differenzierte Gedächtnisstütze für die Diskussion (und sehe es auch immer noch so).

Ich sehe wie gesagt keine Belege für die Vorwürfe, die du hier gegen die Tagesschau erhebst. Und zwar weder im Speziellen (also in dem von dir verlinkten Artikel), noch im Allgemeinen (welche „viele weitere kleine und subtile Versuche“ denn?).

Ich bin wie gesagt kein Experte, aber die Tagesschau weicht hier auch nicht maßgeblich von der Interpretation vieler anderer Berichte ab, die ich im Laufe der Jahre mitbekommen habe. Wenn du der Tagesschau „geschichtsklitterei“ und „Beeinflussung der öffentlichen Meinung“ vorwirfst, dann bist du meiner Meinung nach etwas stichhaltigere Belege für diese Vorwürfe schuldig.

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Ja schade, dass Du keine „Lust“ hast, deine Behauptungen zu belegen. In dem verlinkten Artikel kommt das Wort „Putsch“ aussschließlich in der Überschrift vor. Über den Maidan heißt es dort:

Die Revolution in der Ukraine: Erkämpft von den Menschen, die monatelang auf dem Kiewer Maidan gegen die korrupte Regierung von Viktor Janukowitsch protestierten. Der größte Teil der Demonstranten auf dem Maidan kämpft seit Ende November 2013 für eine demokratische und freiheitliche Ukraine

Das klingt für mich nicht gerade nach „Staatsstreich“. Als „Osteuropaexperte“ zitiert der Artikel übrigens den selbsternannten „Putinversteher“ und Gazprom-Berater Alexander Rahr. Wenigstens die ARD scheint bei der Auswahl ihrer Experten seit 2014 etwas dazugelernt zu haben.

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Das Zitat enthält zwei Behauptungen, die meinem Kenntnisstand nach entweder unwahr oder nicht belegbar sind. Auf dem Maidan sind zwar auch abseits der Scharfschützenmorde Schüße gefallen, jedoch bezieht sich der Satz nach meinem Verständnis auf das Massaker, welches immer noch nicht aufgeklärt ist.
Es gab aus der EU und USA mehrfach Warnungen in Richtung Janukowitsch, keine Gewalt gegen die Demonstranten einzusetzen. Mir kam diese Forderung ob der massiven Gewalt seitens vielfach rechtsradikaler Demonstranten (Rechter Sektor, Azov und Co) weltfremd vor.

Bei den schweren Straßenkämpfen in der ukrainischen Hauptstadt sind seit Dienstag mindestens 25 Menschen getötet worden. Laut Innenministerium sind darunter neun Polizisten.
Der Maidan in Kiew brennt – DW – 19.02.2014

An welcher Stelle des Protests die gewaltsame Niederschlagung erfolgt sein soll, ist für mich unklar. Janukowitsch hätte mit Berkut Einheiten den Maidan jederzeit räumen können. Ob er das politisch überlebt hätte, ist eine andere Frage. Tatsache ist, er hat es nicht getan.

Vassili Golod hat einen unbestreibaren Bias.

Diese Belege werde ich aus den folgenden Gründen schuldig bleiben. Es ist aufwändig, die fraglichen Artikel nachträglich zusammenzutragen und hier vorzustellen. Der Aufwand wird nicht honoriert, zumindest scheint es bzgl. Verbreitung von Desinformation durch die Tagesschau im Lageforum entweder kein Interesse oder keinen Diskussionsbedarf zu geben, siehe beispielsweise die ausbleibende Resonanz hier oder auf

Falls es hier Bestrebung gibt, Empirie über die Verbreitung von Desinformationen durch die Tagesschau zu sammeln, dann könnte ich mich unter Umständen beteiligen. Alleine werde ich diesen Aufwand aber nicht betreiben.

Nichtsdestotrotz ist es Ihr gutes Recht, meine Induktion „[viele weitere kleine und subtile Versuche,] die öffentliche Meinung zu beeinflussen“ als in dieser generalisierten Form unbewiesene Behauptung zu werten, solange ich oder Dritte keine umfangreiche Empirie vorlegen.

Ich kenne recht viele Bücher und Filme über den Maidan, aber von dieser These habe ich noch nie etwas gehört. Gibt es dafür irgendwelche Quellen außer subjektiven Einschätzungen und „ich habe mal ein Video gesehen“? Ich vermute mal, dass es letztlich auf die Auslegung ankommt, was man mit welchen Kriterien unter „Zurückhaltung“ versteht. Auf dem Maidan gab es von Anfang an massive Polizeigewalt, es gab unzählige Verletzte und auch lange vor Februar schon Tote. Zumindest ich persönlich verstehe unter „Zurückhaltung“ etwas anderes.

Was auch immer das heißen soll, es ist auf jeden Fall nicht dasselbe, wie Leute, die auf der Payroll des Kreml stehen, im deutschen ÖRR Kreml-Narrative verbreiten zu lassen. Das ist jahrelang passiert und entsprechende Beiträge wurden zum Teil bis heute nicht kritisch kommentiert, geschweige denn geändert. Das zeigt u. a. der oben verlinkte Artikel mit dem Wort „Putsch“ im Titel.

Generell glaube ich sollte man sich von der Vorstellung verabschieden, dass Medien „neutral“ oder „objektiv“ berichten bzw. dass sie das überhaupt können. Allein schon durch die Auswahl von Themen, Gesprächspartnern und Framings haben Beiträge immer eine bestimmte Ausrichtung. Auffällig wird das meist erst, wenn sich diese verändert, wie etwa bei der Ukraine-Berichterstattung im deutschen ÖRR zwischen 2014 und 2022. Das heißt nicht, dass man nicht sinnvolle Forderungen erheben sollte, etwa nach der Angabe von Quellen oder Richtigstellungen bzw. nachträglichen Kommentierungen oder Korrekturen, wenn sich herausstellt, dass Aussagen falsch, ungeklärt oder nicht bewiesen sind.

In der Frage der fehlenden Quellen in dem Artikel bei der Tagesschau habe ich dir ja durchaus zugestimmt. Meiner Erfahrung nach wird solide Recherchearbeit durchaus honoriert, solange man dabei fair bleibt. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mir mit dem Vorwurf der „Desinformation“ gegenüber der ARD (oder anderen seriösen Medien) sehr schwer tue. Desinformation setzt eine bewusste und gezielte Kampagne des Mediums voraus und da ich diverse Menschen kenne, die in öffentlich-rechtlichen und privaten Medienhäusern arbeiten, kann ich sowas mit sehr großer Sicherheit ausschließen.

Fehler in der Berichterstattung oder Bias kann auch dem professionellsten Journalisten passieren. Und dann gibt es handwerkliche Fehler, wie fehlende Quellen oder unterlassene Korrekturen. Das wäre für mich auch das passendere Framing, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

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Definitiv, mindestens sollte man dem Autor zumindest die Möglichkeit zur Korrektur einräumen (angedeutet durch das Fragezeichen im Threadtitel).

Im Falle des oben zitierten Artikels aus dem Februar 2022 ist die vorsätzliche Verbreitung von falschen Tatensachenbehauptungen allerdings historisch belegt.

Und im aktuellen Artikel kann man wohl auch davon ausgehen, dass die Autoren gut darüber informiert sind, was 2014 tatsächlich passiert ist. Ferner handelt es sich auch nicht um eine aktuelle Berichterstattung (die unter Zeitdruck schlampig zusammengeschrieben wurde), sondern es waren 10 Jahre Zeit, um an der Formulierung dieser Sätze zu feilen.

Putsch in Kiew: Welche Rolle spielen die Faschisten? […] Doch neben Swoboda sind auf dem Maidan sogar noch radikalere Kräfte aktiv: So zum Beispiel die zu allem entschlossenen, paramilitärisch organisierten Gruppen des „Rechten Sektors“. […] Auch der Osteuropa-Experte Alexander Rahr sieht den „Rechten Sektor“ als einen der wichtigen Akteure des Maidan: „Der rechte Sektor war aus meiner Sicht entscheidend für den Umsturz, weil er eine Organisation ist, die auch bereit war, in Kampfhandlungen mit den Polizisten, mit den Sicherheitskräften einzutreten. Sie waren gut organisiert, sie hatten auch immer wieder einen Plan, wie sie angriffen, wie sie sich verteidigten, so dass sie einen großen Anteil am Erfolg des Maidans gehabt haben.“
Putsch in Kiew: Welche Rolle spielen die Faschisten? | Das Erste - Panorama - Sendungsarchiv - 2014

Sogar von Putsch ist da noch die Rede. Mein Punkt ist, und das wird aus dem Artikel auch deutlich, dass wichtige Teile des Maidan extrem rechte Radikale waren, die mMn häufig mit Tötungsabsicht in die Konfrontation gingen. Unter diese Umständen haben sich die Sicherheitskräfte sehr zurückgehalten bzw durften nicht so offensiv agieren, wie es jede andere Polizei täte

Moving the Goalposts. Dein Behauptung war, dass die Sicherheitskräfte sich beim Maidan sehr zurückgehalten hätten. Ich habe nach Quellen gefragt, die diese Behauptung belegen.
Das Thema des nun erneut verlinkten Artikels ist aber ein ganz anderes - nämlich die Rolle von Rechtsextremen beim Maidan. Das hat aber nichts mit deiner Behauptung zu tun, die immer noch nicht belegt ist.
Zur Rolle des in dem Artikel zitierten „Experten“ Alexander Rahr habe ich ja schon etwas geschrieben, auch dazu, dass das Wort „Putsch“ in dem Artikel aussschließlich in der Überschrift vorkommt und eben gerade nicht erklärt, geschweige denn belegt, warum der Maidan ein solcher gewesen sein soll.

Mea Culpa, dass dieser Artikel bereits verlinkt war, habe ich übersehen.

Kann ich leider nicht mit einem Artikel belegen. Den Eindruck habe ich gewonnen, als ich die Entwicklungen rund um den Maidan verfolgt habe.

Ein Putsch bezeichnet einen gewaltsamen oder illegalen Versuch, eine bestehende Regierung oder Autorität zu stürzen oder zu entmachten, oft durch militärische Mittel. Dieser Begriff wird in der Regel verwendet, um einen plötzlichen und ungesetzlichen Machtwechsel zu beschreiben, der in der Regel ohne demokratische Legitimation erfolgt. Ein Putsch kann von militärischen, politischen oder anderen Gruppen durchgeführt werden, die die bestehende Regierung ablehnen und versuchen, die Kontrolle über das Land zu übernehmen. Putsche sind in der Regel mit einem erheblichen Maß an Unsicherheit, politischer Instabilität und potenziellen Gewaltkonflikten verbunden.
Chatgpt

Meiner Meinung nach trifft das auf den Maidan zu.

Vor zehn Jahren ließ die Regierung auf jene schießen, die für eine unabhängige Ukraine demonstrierten. […] Im Februar 2014 schlägt die Regierung des korrupten Präsidenten Viktor Janukowitsch gewaltsam die Proteste auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Kiew nieder.
Das war die Ursprungsfrage des threads. Davon sind wir etwas abgekommen :wink:

Die von Dir zitierte Definition hebt ja auf a) militärische Mittel, b) auf Plötzlichkeit und c) auf das Fehlen einer demokratischen Legitimation ab. Keine dieser drei Bedingungen war gegeben. Zudem wurde die Regierung d) nicht gestürzt.
zu a) es gab zwar militante Demonstanten auf dem Maidan, aber diese lieferten sich vor allem Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften, d. h. die wehrten deren Angriffe ab oder verteidigten das Gebiet und Gebäude, wo sich Protestierende aufhielten. Zwar wurden einzelne Gebäude besetzt, aber keine für den Staat wichtigen. Parlament und Präsidialamt wurden nicht angegriffen.
zu b) Die Proteste fanden seit November 2013 statt, von Plötzlichkeit kann also keine Rede sein
zu c) Beim Maidan bzw. der „Revolution der Würde“, wie es in der Ukraine heißt, handelt es sich um eine sehr breite und heterogene Massenbewegung, bei der Menschen unterschiedlicher Altersstufen, Berufe. sozialer Lagen, Regionen, und politischen Ansichten vertreten waren und nicht, wie bei einem Putsch üblich, eine kleine eingeschworene Gruppe.
zu d) Am 21. Februar 2014 schloss Staatspräsident Janukowitsch mit Vertretern des Maidan und u.a. dem deutschen Außenminister Steinmeier ein Abkommen. Am folgenden Tag verließ Janukowitsch erst Kyjiw und wenig später das Land. Daraufhin setzte das Parlament ihn ab und beschloss noch am selben Tag eine Neuwahl des Präsidenten für den 25. Mai 2014. Ministerpräsident Asarow war wegen der anhaltenden Proteste sogar schon am 28. Janur 2014 zurückgetreten, sein kommissarischer Nachfolger Arbuzow wurde am 27. Februar vom Parlament abgewählt, nachdem zahlreiche Abgeordnete der regierenden Partei der Regionen die Fraktion verlassen und sich gegen Janukowitsch gestellt hatten. Zudem wählte das Parlament einen neuen Ministerpräsidenten und einen neuen Parlamentspräsidenten. Auch das Parlament wurde noch 2014 neu gewählt.

Ungeachtet dessen sprach Janukowitsch von einer Wiederholung der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 und Putin setzte das Gerücht in die Welt, dass es in Kyjiw einen von den USA gesteuerten Putsch gegeben hätte - das und nur das ist der Ursprung dieses Begriffs in diesem Zusammenhang.

[Edit: Tippfehler]

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