Gesamtbetrachtung Corona - kein Politikbashing

Seit wir mit Corona leben wird nicht nur die Kritik an der Politik inhaltlich deutlicher, sondern auch der Ton zunehmend schriller. Leider stelle ich das auch in der LdN fest. Gefühlt ist die deutsche, die europäische Coronapolitik ein einziges Versagen auf der gesamten Linie.
Jede Bewegung der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten wird nicht mehr nur kritisch begleitet, sondern mehr oder weniger in der Luft zerrissen - und zwar jede.
Ein gutes Beispiel ist die Aussetzung der Impfungen mit AstraZeneca Impfstoff für ein paar Tage:
Ihr - wobei in der Vehemenz nur Ulf - sagt, dass es ein Fehler war, die Impfungen auszusetzen und damit mögliche Menschenleben zu opfern aufgrund einer um wenige Tage verschobenen Impfung. Ihr fordert schon immer von der Politik Transparenz und Offenheit, Klarheit in der Kommunikation. Jetzt haben wir einen Impfstoff, der aus welch Gründen auch immer, in der Diskussion stand und steht, dann werden - was in der Tat absehbar war - noch unerkannte Folgen der Impfung erkannt, da ist ein ganz klarer Punkt für Offenheit und Klarheit, die Impfungen kurzzeitig auszusetzen.
Die daraus folgende Unterstellung, die Politik sei mal wieder zu doof, etwas richtig zu machen - sie habe ja lediglich die wenigen Verstorbenen ins Verhältnis zu setzen, zu denen die möglicherweise sterben würden wegen der verschobenen Impfung, ist meiner Auffassung nach unverantwortlich. Hier werden Tote gegen mögliche Tote aufgerechnet (Darf der Soldat das Flugzeug abschießen, das in ein volles Stadion gesteuert wird?).

Im Grunde genommen ist das die Essenz der Dauerkritik an den politischen Maßnahmen zu Corona-Pandemie: die Politik trifft nur falsche Entscheidungen, die zu vielen Toten führen, weil sie die einfachen und klaren Lösungen nicht findet und anwendet. Dann sprecht aber doch den Satz aus, der daraus folgt und der ein abgewandeltes Zitat ist: Politiker sind Mörder. Und das in allen demokratischen Ländern der Europäischen Union.
Da sitzen also in allen Ländern unfähige Frauen und Männer an den Schalthebeln der Macht, die täglich, wöchentlich, monatlich Entscheidungen treffen, die für weitere Toten führen, die die Staatsfinanzen weiter ruinieren, die für viele mit unerträglichen sozialen und psychologischen Folgen einhergeht.
Ulf - du echauffierst dich sehr gerne über mangelnde Verantwortung im politischen Betrieb. Glaubst Du ernsthaft, dass all den politischen EntscheidungsträgerInnen egal ist, welche Folgen ihre Entscheidungen haben, dass sie diese leichtfertig oder aus Bequemlichkeit heraus treffen oder nur weil sie eine Wahl vor der Türe haben? Dann sind wir wieder bei dem Mörder-Satz.
Mir missfallen auch viele Dinge, aber in einem fehlt mir in manchen Bereichen die Expertise, in anderen eine ausreichende Datenlage zur Analyse - deswegen kritisiere ich, aber mache das nicht in einem zunehmend absolutistischen Ton, wie ich ihn bei der LdN gehäuft höre. Einfache Lösungen gibt es nicht! Nebenbei - einfach mal öfter die Inzidenzkurven Deutschlands mit denen anderer europäischer Länder vergleichen und zusätzlich die Corona-Maßnahmen in anderen Ländern mit denen bei uns nebeneinander legen, dann finde ich, dass wir als Gesellschaft (das umschließt auch die Politik) es ganz gut angestellt haben bisher.

Um nochmal auf den Punkt zu kommen - Abwägung Tote durch Nebenwirkung vs mögliche Tote durch ausgebliebene Impfung. Ich bin schon länger der Meinung, dass wir nicht nur ständig die unmittelbaren Folgen durch die Infektion als Entscheidungskriterium für unser Vorgehen in der Pandemie heranziehen sollten, sondern dass wir weiter denken müssen.
Wir müssen den Kollateralschaden, der durch (langanhaltende) Coronamaßnahmen entsteht, herausfinden und bewerten. Nach meiner Kenntnis sind die Anzahl der Toten durch Feinstaub, eine statistische Größe, ebenso wie durch Lärmbelastung u.ä. - so gibt es unterschiedliche Lebenserwartungen je nach Wohnlage, Arbeitsplatz - und aus all dem lässt sich zuverlässig errechnen, wieviele (Menschen-)Lebensjahre in der Summe der Gesellschaft verloren gehen.

Bei einer Analyse der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima hat man folgendes herausgefunden(Quelle: Deutschlandfunk Podcast „Lehren aus Fukushima“ vom 07.03.2021):
Die Lebenserwartung der Evakuierten ist teils drastisch gesunken (Tschernobyl um 7 Jahre) und die Opferzahlen durch Evakuierung und Folgen der sozialen Isolation (weg von zuhause) waren höher als die durch den jeweiligen Reaktorunfall.
Und nun haben wir Kinder, die mehr oder weniger seit einem Jahr nur unregelmäßig in die Schule gehen, Freunde treffen oder gar Sport treiben können - die seit fast vier Monaten einfach nur zuhause sind - das soll keine Folgen haben?
Wir können als Gesellschaft keinen Sport treiben - welche Folge hat das für die gesamte Gesundheit der Menschen?
Wir haben viele alte Menschen, die auch seit Monaten fast niemanden mehr gesehen haben, die Angst haben vor die Türe zu gehen. In Fukushima sind innerhalb der ersten zwei Jahre nach dem Unglück evakuierte 2688 Menschen gestorben, bei denen eindeutig die soziale Isolation als Todesursache festgestellt wurde - 90% waren älter als 66 Jahre.

Muss es nicht darum gehen, die Erhaltung des menschlichen Lebens insgesamt zu betrachten und zu bewerten? Wie eben Ulf es bei der Abschätzung über die Impfaussetzung implizit gemacht hat?

Im Frühjahr 2020 war es unerlässlich, dem Rat der Virologen zu folgen - heute müssen wir viel mehr einbeziehen und eilt dann auch zu unbequemen Maßnahmen kommen. Und ich befürchte leider, dass wir Lebensjahre der heutigen Generationen kaufen und die Währung ist Lebenszeit zukünftiger Generationen - uns das weltweit und der Preis steigt mit jedem Tag, in dem wir die Pandemie nicht unter Kontrolle bekommen.

Und vielleicht kommen wir zu der bitteren Erkenntnis, dass wir 12 Mio Schülern ein Jahr Lebenserwartung nehmen, dass wir zig Mio älteren Menschen durch Einengung Ihrer Kontakte mehr Lebenszeit nehmen, als es ein Corona-Risiko gab/gibt.

Machen wir dann die Schulen auf und riskieren vielleicht 10-20.000 zusätzliche Tote um den Preis von 12 Mio Lebensjahren der jetzigen Schülergeneration. Schließe ich alte Menschen weg und untersage ihnen Kontakte mit der Folge, dass sie an Vereinsamung sterben, die nicht im Totenschein steht

Bin ich moralisch besser, wenn ich nicht sehe, wie die Kugel einschlägt, die ich abgefeuert habe.

Soviel zu Poltikbashing und alle in der Politik in der Verantwortung stehenden machen seit einem Jahr nichts richtig.

Marc

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Ich kann viele deiner Punkte gut nachvollziehen. Wir müssen die gesellschaftlichen und gesundheitlichen Schäden abwägen, was eine sehr schwierige Aufgabe für die Politik ist und man anerkennen sollte.

Ein zentrales Ziel, welches wir durch unsere Pandemiestrategie jedoch verfolgen (auch wenn es nie klar kommuniziert wurde), ist die Vermeidung der Überlastung des Gesundheitssystems. Letzteres ist viel mehr als reiner Gesundheitsschutz, da es eine wesentliche Stütze des öffentlichen Versorgungssystems ist. Dieser Punkt fehlt mir ein wenig in deiner Betrachtung.

Könntest du noch mehr Beispiele benennen, wo die Kritik zu einseitig ausfiel? Ich habe die negative Kritik an dem Impfstopp ebenfalls als „zu stark“ wahrgenommen; abgesehen davon habe ich in den vorherigen Folgen dies aber nicht empfunden.

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Ich mache mir inzwischen auch immer mehr Sorgen darüber, was das Ganze mit der Gesellschaft macht bzw. gemacht haben wird. Dazu passt m. E. dieser Artikel hier: Social costs of the pandemic will be felt for a decade, says the British Academy | The British Academy
Kennt irgendwer hier ähnliche Überlegungen aus Deutschland? Ich meine damit nicht vereinzelte Wissenschaftler:innen, sondern namhafte Institutionen bzw. Forschungsverbünde wie Leopoldina, Leibniz, Helmholtz, Max-Planck etc.

Die Aufzählung meiner Punkte war exemplarisch und bewußt plakativ gewählt. Natürlich gehört auch die Belastung des Gesundheitssystems als Ganzes in eine Gesamtbetrachtung, die in einem dauerhaften Prozess ablaufen sollte, in dem sich die Gewichtung der Variablen verändert. Gibt es Mutanten und wie ist deren Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen und die Krankheitsverläufe, wie hoch ist der Anteil der Geimpften in gefährdeten Gruppen, wie entwickelt sich die Anzahl der Krankenhauseinweisungen im Vergleich zu Inzidenz, aber eben auch, wie sieht die Selbstmordrate bei Älteren aus, bei Künstlern, Schaustellern, Gastronomen, wie entwickelt sich häusliche Gewalt.

Unser Gesundheitssystem hat bis heute gehalten - selbst wenn die Belastungen der Mitarbeiter dort unfassbar hoch waren in einem weiten Bereich der vergangenen 12 Monate, wir haben die Inzidenz dauerhaft auf einem Niveau gehalten, das nicht flächendeckend bei 300 - 400 - 500+x lag - sprich - wir haben doch ganz gut zusammengehalten als Gesellschaft. Aber Gesundheit ist eben nicht nur die körperliche Unversehrtheit, sondern auch de psychische.

Es ist dieses mantraartige „wir brauchen einen härteren Lockdown“, „alle müssen sofort ins HomeOffice“, „wie kann man nur die Schule offen halten?“ in einer Art Dauerschleife.
Alleine das Thema Schule: wir sprechen davon, dass Schüler mehr oder weniger alles Altersstufen seit Dezember zuhause sitzen, keinen Sportverein besuchen können, nicht in die Musikschule oder sonst was gehen können, Freunde treffen höchstens mal einen und mal durch die Stadt schlampern geht auch nicht - hat ja alles zu. (meine Pubertier ist Leistungssportler und kann der Pandemie zum trotz mehrmals die Woche trainieren incl regelmäßiger Testung)
Zu diesem Thema kommen herzlich wenig Alternativvorschläge oder Ideen. Vielleicht sind wir (Männer zwischen 30 und 60) aber auch einfach die Personengruppe, der die Pandemie bisher am wenigstens zugesetzt hat und schließen von uns auf andere - uns geht es ja relativ gut.
Mir ist es recht, wenn mal die Städte im Lande unter die Lupe genommen werden, die es besser machen - Tübingen, Rostock … und deren Modell propagiert werden.

Und dann noch unser Föderalismus - falls jemand glaubt, ein zentralistischeres System führe zu besseren Ergebnissen, der irrt sich beim Blick über die Grenzen. Es sind die handelnden Personen - nicht das System.

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Grundsätzlich sollte man nicht müde werden, die von dir angesprochenen Kollateralschäden zu beschreiben, da sie massiv sind. Ich denke, dass das aber auch in der Lage zum Teil geschieht; sicherlich kann man das aber auch noch ausweiten. Auch zusätzliche Konzepte und Ideen, wie man die Schäden bei Kindern auffangen kann, kann und sollte man vertiefen.

Aber: Nur weil man härtere Maßnahmen fordert, heißt das noch lange nicht, dass man die Kollateralschäden nicht sieht oder nicht berücksichtigen würde. Wenn man das Ziel der Vermeidung der Gesundheitssystemüberlastung verfolgt und gleichzeitig in einer Situation mit R>1 ist, ist ja eben das Argument, dass man durch schnelle härtere Maßnahmen langfristig Kollateralschäden minimiert. Ich möchte hier jetzt ungerne ein Fass aufmachen, ob das nun der richtige Weg ist oder ob es auch bessere Möglichkeiten gibt, den R-Wert unter 1 zu drücken. Ich finde es nur schwierig, denjenigen, die härtere Maßnahmen fordern, einen blinden Fleck bei den Kollateralschäden zuzuschreiben, weil es ihnen „ja relativ gut geht“.

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Diese Tonalität habe ich bei Ulf und Philip während des letzten Jahres bemängelt und das Ganze als eher unkritisch eingeschätzt. Das hat sich aber tatsächlich gewandelt und ist Entsetzen gewichen, da gebe ich deiner Wahrnehmung schon recht.

Aber das ist doch das komplette Versagen, was doch auch in diesem Forum angesprochen wurde und wofür die, die das angesprochen haben, dann mit der „Wissenschaft“ belehrt wurden:

  • Schutz der Risikogruppen: Ging ja angeblich alles nicht. Allerdings waren 60-70% der Todesopfer in Pflegeheimen. Aber mantraartig kam, man könne die Risikogruppen nicht schützen. Das an anderer Stelle über Cluster gesprochen wurde - so be it. Diese Cluster wurden dann wissenschaftlich ignoriert (Sarkasmus aus).
  • Ansteckungswege: Keine Untersuchungen, keine Erkenntnisse. Haben Ulf und Philipp jetzt mal erwähnt, das ist doch legitime Kritik. Nach wie vor kennt man die Ansteckungswege nicht. Allerdings wissen wir zumindest in Hamburg, dass bestimmte Bezirke 3x so hohe Inzidenzwerte haben als andere. Studien? Ergebnisse? Schlussfolgerungen? Handlungen? Fehlanzeige.
  • Schnelle Testzulassung: Wurde bürokratisch verschlafen, keine Sense of urgency.
  • Notfallpläne, sobald die Tests und die Impfstoffe da sind. Keine. Stattdessen sagt Frau Dr. Merkel Anfang März, dass man bis Ende März erst einen Plan erstellen müsse.
  • Risiken eingehen: Beispiel Jens Spahn - da war die Kritik doch berechtigt. Die Astra-Zeneca-Thematik hätte man die zwei Tage mit dem Hinweis auf Freiwilligkeit weiterlaufen lassen können. Zusätzliche Aufklärung, fertig. WHO und EMA-Statements hätten das doch hergegeben.
  • Corona-Hilfen besser umsetzen

Es ist die schiere Summe an Fails, die jetzt aufschlägt. Von dem Gründonnerstagdesaster jetzt mal ganz zu schweigen. Bundeskanzlerin und 16 Ministerpräsidenten versuchen weltfremd eine Woche vorher, einfach mal ganze Supply Chains anzuhalten und sorgen für ein Chaos, beschäftigen firmenintern Leute, die schon Notfallstäbe bilden, um das Schlimmste abzuwenden und dann war nichts. 2 Tage vorher im Kanzleramt vorbereitet. Sorry, das kannst du doch nicht mehr ernsthaft positiv begleiten?
An Ulfs und Philips Stelle wüsste ich nicht, wie ich diese Stümperei noch objektiv beschreiben soll.

Die Ausgestaltung des Föderalismus ist ja das Thema. Mal ein Beispiel: Eine Kita an der Grenze zwischen Hamburg und Schleswig Holstein. Die Kinder aus Schleswig-Holstein müssen regelmäßig Tests machen und die Hamburger Kinder nicht.
Die Länder sind hauptverantwortlich für die Umsetzung (Digitalisierung der Gesundheitsbehörden, Schulen), ebenso wie die Kommunen. Gleichzeitig haben sie bewiesen, dass sie seit Jahren kein Geld dafür haben und/oder es nicht können.

Impftermine werden überall anders organisiert. Und doch - da ist Zentralismus besser:
Im von uns belächelten UK werden die Impftermine über eine Zentralstelle vergeben, über SMS wird nachgehakt, wenn jemand nicht antwortet oder nicht erscheint, pragmatisch werden Schulen und Orte für die Impfungen freigegeben, an denen wir nicht mal denken (westminster Abbey). Hausärzte waren sofort involviert. Ein einheitliches System, klare Wege.
In Deutschland: 16 Systeme, gefühlt funktioniert jedes rumpelig und ist mit dem anderen inkompatibel. Lange Nächte, Gespräche, Mehr Lockdown.

Der deutsche Föderalismus hatte schon vor Corona massive Strukturprobleme, jetzt sind sie halt offensichtlich.

Wir nutzen ja noch nicht mal den Vorteil des Föderalismus. Boris Palmer hat es in Tübingen in der ersten Welle vorgemacht. Die Idee, dass man von erfolgreichen Ländern lernen könne, gibt es doch in D nur noch in der Theorie.

Also die Kritik ist meiner Meinung nach schon angemessen, und Ulf und Philip halten sich noch gut zurück.

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Ich kann das alles nachfühlen und verstehe auch den Punkt, dass man die sozialen Folgen unbedingt miterfassen sollte. Kinder verlernen so viel, verlieren soziale Kompetenz. Tausende kleine Gewerbe geben auf, Kulturschaffende gehen in Hartz IV. Psychische Probleme wachsen, die Vereinsamung steigt.

Die Politik vergisst oben Genannte, weil sie sie einfach für nicht wichtig genug hält. Denn die Industrie dagegen trägt die Corona-Kosten kaum - hinzu kommt, dass umso weniger bedürftig der betreffende Konzern ist (s. Lufthansa, Tui etc.), desto mehr gefördert wird. Und solange das so ist, solange es so ungerecht ist, finde ich ist auch scharfe Kritik zulässig, denn sie ist berechtigt. Wenn diese negativen Folgen eintreten, dann liegt es daran, dass die Politik falsch priorisiert und deshalb falsch handelt.

Dieser Artikel beschreibt das ganz gut: ZEIT ONLINE | Lesen Sie zeit.de mit Werbung oder im PUR-Abo. Sie haben die Wahl.

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Ich gehöre zu denen, die genau das fordern. Und zwar nicht, weil mir nichts anderes einfällt. Sondern weil es mangels Vorbereitung alternativer Maßnahmen (haben die einfach verschlafen) aktuell kein anderes Werkzeug gibt, um die Infektionsrate wieder unter Kontrolle zu bringen.

  • Impfen. Viel zu langsam, um eine Öffnung zu erlauben. Hier hinreichend diskutiert.
  • Schnell-Testen. Für Bürger faktisch nicht verfügbar. Für Schulen: Viel zu wenig. Für Betriebe: Wird m.W viel zu wenig eingesetzt (Verfügbarkeit?). Was wir bräuchten ist eine Massenverfügbarkeit zuverlässiger Selbst- und Schnell-Test.
  • Gesundheitsämter sind immer noch nicht so organisiert, dass eine effektive und bundes-einheitliche Nachverfolgung funktioniert. Personal, Abläufe und Regeln, IT-Systeme (Sormas), fehlende Digitalisierung des Ablaufs von den sog. Corona-Gäste-Listen zu den Systemen des Gesundheitsamt
  • Unser bundesweit eingesetzte System zur Risikokontaktwarnung - die Corona-Warn-App - ist viel zu ineffektiv und bleibt hinter den Möglichkeiten weit zurück. 26 Mio. Downloads, unbekannt, wieviel davon aktiv eingesetzt wurden, Effektivität der Bluetooth-Erkennung zweifelhaft, ganze 300.000 abgesetzte Positiv-Warnungen in einem Jahr, nur 60% der über die App eingehenden Test werden vom Anwender an die anderen Benutzer gewendet, keine sog. Clustererkennung (kommt dann endlich „bis Ostern“). Dadurch auch:
  • Seit einem Jahr: Keine ausreichende Daten darüber, wo/in welchen Situationen sich die Infizierten angesteckt haben

Welche Alternativen zu einem härten Lockdown haben wir angesichts dieses Politik- und Staatsversagen? Für konstruktive Vorschläge wäre immens dankbar. „Laufen lassen“ = Kapitulation ist für mich eine völlig inakzeptable Alternative. Wenn Ihr so was in dieses Richtung vorschwebt, stellt Euch bitte mal ganz konkret vor, wie Ihr diese Position vor Intensiv-Pfleger und -Ärzte, Angehörigen von Covid19-Toten und LongCovid-Erkrankte verteidigt.

Lieber ein mutiger intensiver und harter, d.h. echter Lockdown bis die Inzidenzen kontrollierbar niedrig bleiben, als dieses Lock down up down up down up. Das wäre für die Wirtschaft deutlich weniger schädlich und böte uns endlich wieder ein Perspktive.

EDIT: Den Satz über die zweifelhafte Trefferquote von Schnelltests habe ich gelöscht. In dem SZ-Artikel wurden die Antigen-Tests mit PCR-Tests verglichen. Antigen-Schnell-Tests sollen aber nicht die Frage, ob man infiziert, sondern ob man gerade infektiös ist beantworten.

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Der Kontext der Wut auf die Politik liegt doch nicht nur im aktuellen versagen, der Politik. Die sog. Kollateralschäden des Lockdowns sind ja nicht alleiniges Produkt des Lockdowns, sondern zeigen viel mehr Probleme auf die schon vorher nicht behandelt wurden und das nicht zwangsläufig aus Faulheit sondern in teilen auch aus dem Problem heraus, dass man schlicht keine Idee hat, wie man das Umsetzen soll.

Der Bildungssektor ist seit Jahren unterbesetzt und veraltet

Die digitale Infrastruktur ist fast nicht vorhanden.

Die Debatten, um Datenschutz, Vorratsdatenspeicherung, Uhrheberrecht und Fake news, zeigen dass man den digitalen Bereich immer noch vor allem als potenzielle Überwachungmöglichkeit oder technischen Gefahrenraum betrachtet.

Der Gesundheits- und Pflegebereich ist so rationalisiert, dass sich unwissenschaftliche Nebenstrukturen als einzige alternative gebildet haben.

Rechtsextremismus in Gesellschaft und Polizei wurden immer noch nicht als Problem erkannt.

Der Arbeitsplatz wird immer noch als wichtigste Gesellschaftliche Institution betrachtet.

Alle diese Punkte zeigen ihre Probleme in der Coronapolitik:

Präsenzunterricht ist die einzig wirklich pädagogisch denkbare Option, also müssen die Schulen offen bleiben.
Das Personal reicht nicht aus, um alternativen zu durchzuführen, Stichwort Wechselunterricht.

Ohne digitale Infrasturktur kein Home office oder digital Unterricht, kein digitale Kontaktverfolgung etc.

Datenschutz wird als Problem für die Kontaktverfolgung dargestellt…

Die mangelnde psychiatrische Versorgung bricht unter Corona zusammen, das mangelnde Vertrauen in die Medizin und die hohe Akzeptanz nicht medizinischer Heilkunde führt zu impfverweigeren, verschwörungstheoretikern und Coronaleugnern.
Die Versorgung schwerer Covidfälle ist durch mangelndes Personal prekär. Die Pflegeeinrichtungen können Risikopatientien nicht richtig schützen.

Die Poliezi lässt Querdenkerdemos frei herumlaufen und solidarisiert sich in Teilen noch mit denen, während linke eingekesselt, Journalisten verprügelt, und gegendemonstraten durch die Gegend geschubst werden.
Währenddessen radikalisieren sich die Querdenker durch deren Unterwanderung mit rechtsextremen.

Die mangelnde finanzielle Absicherung führt bei vielen Leuten zu psychsischer Belastung, zerstörung der eigenen Lebensweise und Frustration. Gleichhzeitig sind alle so fokussiert auf Schule und Arbeitsplatz, dass ihr ganzer sozialer Kreis, um diese entwickelt hat. Jetzt bricht der halt weg.

Ich will hier gar nicht sagen, es gäbe hier einfach Lösungen oder das gewisse intervenierende Variabeln hier eine Veränderung schwierig machen können. Der Punkt ist nur dass sind alles alte Strukturen alte Probleme, bei denen sich kaum etwas geändert hat. Der Punkt ist nur hier wird jetzt ein Kompromiss durch ein angebliches Nullsummenspiel gerechtfertigt, welcher nicht anzeigt, dass man die eigentlichen Probleme erkannt zu haben scheint. Daher rührt die Wut. Die Schäden des Lockdowns sind ein Produkt der eigenen Politik und nicht der Pandemie.

gerade die frage eines gesunden Lebenstils und Psyche war vorher schon immer ein Problem, jetzt ist es halt vollständig gekippt.

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Du sprichst mir wirklich aus der Seele. Viele dieser Versäumnisse muss man zwingend der CDU/CSU anlasten und am Ende eben auch Merkel. Die CDU/CSU ist nämlich erst einmal eine Partei die Macht konservieren und auf sich konzentrieren will und ansonsten gerne blockiert. Auch wenn es viele nicht gerne lesen, aber die wenigen Fortschritte in der GroKo wurden von der SPD durchgeboxt gegen sehr große Wiederstände.
Der Netzausbau wurde schon von Kohl gestoppt und von Merkel ignoriert. Diese fällt uns jetzt auf die Füsse. Die Energiewende ist ein überteuertes Desaster. Es gab einen Ausstiegsplan aus der Atomkraft, dann wollte Merkel den Energiebetreibern wieder was schenken und hat diesen aufgekündigt und dann kam Fukushima. Da wurde Merkel panisch und hat uns den Atomausstieg zum höheren Preis gebracht, weil sie Wähler davon laufen sah. Die EEG-Umlage trifft primär auch wieder nur den Normalbürger.
Das Thema Polizei und Streitkräfte hat sich jetzt nur verstärkt, die Probleme waren aber schon länger da. Alleine durch diese Strukturen werden leider auch rechte in diese Institutionen gezogen. Ich möchte hier klar stellen, dass ich nicht jeden Polizist und jeden Soldat meine, ich kennen viele die anständig sind. Aber es sind eben zu viele um von Einzelfällen zu sprechen. Das Verhalten auf den Demos ist zum absoluten Fremdschämen. Leider muss man sagen, dass der Fisch vom Kopf stinkt und das wäre dann die Innenminister von Bund und Ländern. Seehofer ist da das beste Beispiel. Der möchte am liebsten mit dem BND tun was man will und in der Polizei alles so lassen wie es ist. Wenn ich da an so manche Wahlkampfrethorik von Seehofer zurückdenke, hat man den Bock zum Gärtner gemacht. Er hat nämlich selbst immer gern auf Minderheiten eingehauen wenn es im nutzte.
Alles im allem ist es meine persönliche Meinung, dass die CDU/CSU unter Merkel das Land 16 Jahre verwaltet hat und die Schäden durch Corona nur deutlich schneller zu Tage treten. Merkel hat Deutschland weder weiter gebracht, noch hatte sie je Interesse daran. Ich bin froh, dass sie im Herbst weg ist und hoffentlich frischer Wind unsere Politik bestimmt, sei es von den Grünen oder der SPD zusammen mit Linken und FDP.

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Ich bin mir nicht sicher was du mit deinem Kommentar aussagen willst?
Ja, die Kritik wird zunehmend spitzer. Aber nicht wg. Corona allein, sondern der Umgang damit und die Problemfelder, die dadurch deutlicher werden. (mangelnde Infrarstruktur, mangelnde psychische Unterstuetzung, mangelnde Voraussicht).

Das man die Folgeschaeden, -kosten und andere Umstaende mitbetrachtet ist ja genau die Kritik von beispielsweise Ulf. Gerade die Weitsichtigkeit wird nicht transparent in den Entscheidungen, die getroffen wurden. Bzw. die Ziele werden dann, wenn transparent, nicht konsequent umgesetzt. (z.B. Impfen ja, aber keine Infrastruktur, Terminvergabe, sinnvolle Strategie,etc)

Natuerlich sehe ich, dass manche Kritik an der aktuellen Politik polemisch/zynisch ist. Allerdings heisst das nicht, das es nicht im Kern eine wertvolle Kritik darstellt. Nicht in jeder Situation/Lage ist man immer die Rationalitaet in Person. Nach einem Jahr immer und immer „wiederkauen“, was man schon mal durchgesprochen hat, ohne grossartig Besserungen zu sehen, ist frustrierend.
Als Ulf ueber die Absetzung des Impfstoffs geschimpft hat, schwang fuer mich eher die Frustration ueber die komplette aktuelle Situation mit. Und das die Situation jetzt schon so lange andauert, und es nur minimale Besserungen gibt.

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Wurde doch gemacht, inklusive Besuchsverbot und später Testpflicht (schon im letzten Jahr), hat halt nur nicht so gut funktioniert. Derweil wurde weiter danach gerufen, man müsse Risikogruppen einfach schützen. Blöd, das man Demenzkranken halt das Masketragen nicht beibringen kann, und das gerade alte Menschen bei einer Erkrankung gerne mal über viele Wochen hinweg ansteckend sein können, was das Eindämmen eines Covid-Ausbruchs nicht gerade leichter macht.

Nein, war sie imho (in diesem Punkt) absolut nicht, und ist nur Ausdruck, dass man hier dem Anti-Spahn-Medien-Hype aufgesessen ist. Zum einen stimmt schonmal die Annahme, einen Impfstopp zu verhängen sei das politisch geringere Risiko gewesen so nicht unbedingt (und wenn man sich die Lage anhört, ist sie sogar offensichtlich falsch). Zum anderen ist auch die Schlussfolgerung - massive Verunsicherung der Bevölkerung - eine offensichtliche Verkennung von Ursache und Wirkung (der Gedanke, dass überduchschnittlich viele Fälle einer seltenen Erkrankung inklusive Todesfälllen nach einer Impfung zu Verunsicherung führen könnten, oder der Impfstopp in Nachbarländern, ist offensichtlich in der Lage noch nicht aufgekommen). Auch die Auswirkung von wenigen Tagen Verzicht einer AZ Impfung wurde maßlos aufgebauscht. Außerdem gibt es gute Argumente dafür, dass eher eine Entscheidung gegen einen Impfstopp Vertrauen zerstört hätte (und das dann auch in Bezug auf alle anderen Impfstoffe) - auch hier lässt sich weder die eine noch die andere Einschätzung als richtig oder falsch belegen. Aber diese absolute Selbstsicherheit im Recht zu sein, und alle die eine andere Meinung haben für blöd zu halten, gerade auch bei einer so schwierigen Entscheidung, ist ein Gift das sich leider in unserer Gesellschaft (gefühlt?) immer mehr breit macht. Auch in der Lage - wo ich mich tatsächlich inzwischen gelegentlich an die BILD erinnert fühle (das erste mal mit „die deutsche schwarze Null tötet“ - wohlgemerkt damals bezogen auf die Impfstoffbeschaffung der EU, wo gerade nicht Deutschland auf der Bremse stand). Und natürlich beobachte ich das auch bei mir selbst ^^

Stimmt zum Teil, verschlafen ist aber imho der falsche Begriff (eher das Gegenteil - die entsprechenden Stellen waren schlicht überfordert). Aber dazu müsste man natürlich Ursachenforschung betreiben.

Stimmt vielleicht für die (Selbst-)Tests (wobei ich mich ohnehin frage, warum das der Bund machen muss - ist das nicht eigentlich Ländersache, gerade was Schulen etc. angeht?), aber nicht bei den Impfungen. Dort gabs eher Probleme bei der Organisation der Terminvergabe, weniger bei der Impfung.

Stimmt, da ist UK (wie viele andere Länder auch) besser. Ist aber nicht ganz fair, sich genau die eine Sache rauszusuchen, die bei uns besonders schlecht läuft :wink:

Genau. Weil wir ja unbedingt einheitliche Regeln haben müssen. Leider wird das viel zu wenig thematisiert, und lieber einfach alles mit Unfähigkeit der Politiker erklärt.

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Das vertrauensargument als positiver Effekt des Impfstoffes greift einfach nicht. Denn wenn nur eine Person durch eine Infektion in dem Zeitraum stirbt oder Long Covid entwickelt, die in dem Zeitraum hätte geimpft werden können. Dann hat man PR gegen gesundheitliche Schäden eingetauscht.

Das Polarisierungsargument ist ein schönes Thema für Feuilleton Debatten, mehr aber nicht. Nicht jede Zuspitzung verdeutlicht selbstgefällige Rechthaberei. Strukturelle Veränderungen begünstigen halt Zuspitzungen aber meistens lassen sich die Leute auch auf diskursive Differenzierung ein.
Auch sollte man sich Fragen ob denn die Debatten früher wirklich so differenziert waren. Schließlich hat sich die Medienlogik ja nur beschleunigt nicht verändert.
Zugleich haben sich halt die Diskursräume ausdifferenziert. Gewisse Bereiche sind polemischer gewisse sind differenzierter als jede frühere Zeitungsdebatte. Nicht jede Polemik in einem diskursivbeschränkten Raum, der dieser Podcast und das Forum hier ist, ist ein Zeichen für Polarisierung der Gesellschaft. Man sollte Diskursräume schon entlang ihrer Reichweite bewerten.

Außerdem ist ein Diskurs natürlich, weniger Polarisiert, wenn die Teilnehmer vor allem aus einer spezifischen Schicht kommen, das ist jetzt weniger stark gegeben. Entsprechend treten Differenzen stärker zu tage. Diese Differenzen gab es aber schon vorher. Auf die eigene ruhig differenzierte Art zu verweise ist dabei nicht weniger überheblich und wird genauso zur inhaltlosen Polemik. Ist doch der verweis auf mangelnde Differenzierung, überhebliche Moralisierung und das ersticken in Komplexität eine klassische konservative Immunisierungsstrategie.

Dieses Narrativ der Polarisierung ist wirklich kaum erträglich. Wenn man sich viel auf Plattformen aufhält die vor allem dazu dienen die eigene Überlegenheit und Moralität darzustellen, sollte man sich nicht wundern dass es anstrengend ist.

Das Problem ist, dass deine Annahme komplett falsch ist. Es gibt eben aktuell keine entweder-oder Entscheidung zwischen „Kollateralschäden durch Corona“ und „direkte Opfer durch Corona“, auch wenn oft so getan wird. Denn das Problem ist das exponentielle Wachstum.
Natürlich könnten wir jetzt öffnen um die Schäden an z.b. der Jugend zu reduzieren. Aber das geht nur eine kurze Zeit, bis die Zahlen wieder zu hoch sind. Es gibt mehrere Länder die diesen Weg versucht haben, alle sind irgendwann davon abgekommen, weil der Schaden zu groß war.

Dagegen gibt es Länder die es geschafft haben die Kollateralschäden UND die direkten Opfer gering zu halten (Taiwan, Australien, Neuseeland, …). Die Kollateralschäden waren teilweise hoch, aber verglichen mit der Strategie in Deutschland viel geringer.

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Ich finde auch, dass die Schäden durch die Maßnahmen stärker betrachtet werden sollten. Dummerweise ist jedoch eine Inzidenz auf hohem Niveau über längere Zeit genau das was nicht nur die Schäden durch die Maßnahmen, sondern auch durch Corona maximiert.

Wie einfach es gehen könnte, zeigt ein Landkreis der momentan noch ein weißer Fleck mitten in Deutschland ist: Goslar. Dort gab keinen strengen, aberr doch einen richtigen Lockdown für ca. 1 Woche, den sogenannten Flockdown durch den Wintereinbruch. Schulen zu Kitas zu, Innenstadt nicht befahrbar, zahlreiche Autos eingeschneit. Ist auch echte Altstadt und entsprechend sind viele Straßen zu schmal für Räumfahrzeuge und in den Straßen die doch breit genug wären, parkten Autos, die auch nicht wegkonnten. Supermärkte wurden auch eine halbe Woche nicht beliefert.
Ich finde dazu leider bisher keine Studie, aber zeigt das nicht, wie einfach es eigentlich wäre, die Zahlen auf ein akzeptables Maß zu bringen?

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Genau diese Erfahrungen stehen ja hinter dem NoCovid-Konzept: Genauso, wie es zu einem exponentiellen Wachstum kommt, wenn man das Virus eine Weile laufen lässt, nehmen die Fallzahlen exponentiell von Woche zu Woche ab, wenn man einen harten Lockdown fährt.

Das verstehen aber viele nicht; wenn ich für NoCovid und damit zunächst für einen harten Lockdown werbe, kommt oft der Einwand „Wollen Sie das Land ewig herunterfahren?“.
Nein, im Gegenteil: Kurz und effizient schließen, und dafür dann mit viel mehr Kontrolle über das Pandemie-Geschehen mehr und nachhaltiger öffnen können.

Und der beste Ordnungsraum für diese Lockdowns ist tatsächlich die Kommune. Innerhalb dieser findet die alltägliche Mobilität statt, da kann man also durch Lockdown viel erreichen. Das ist ein überschaubares Gebiet für die steuernden Instanzen. Und auch für die Bürger, die einen Bezug dazu haben und dann auch motiviert und in der Lage sind, in diesem Bereich die Maßnahmen stringent umzusetzen, vor allem wenn sie verstanden haben 1. was das Ziel ist (eine bestimmte niedrige Inzidenz-Marke, nicht ein bestimmtes Datum) und 2. was sie konkret tun können oder sollen, um das zu erreichen.

Und diese Erfahrungen haben Länder wie Neuseeland, Australien, Finnland und Taiwan dahin gebracht, jetzt wieder ziemlich normal und Corona-frei leben zu können (wird zum Beispiel in diesem Artikel bei Profil.at beschrieben.

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Ich sehe das ganz genauso. Ich als Psychotherapeutin hatte schon früh das Gefühl, dass ein langwieriger Lockdown, der nie endet, weil er zu lasch ist, psychisch viel belastender ist als ein knackiger Lockdown, der auf ein konretes Ziel hinstrebt, und zwar eine (sehr niedrige) Ziel-Inzidenz statt ein willkürlich gewähltes Datum, das einzuhalten man nicht versprechen kann.
Dieser Eindruck wurde inzwischen auch durch psychologische und soziologische Forschung untermauert, ich kann bloß leider gerade keine Quellen dazu beibringen.

An dieser Stelle eine analoge Erfahrung aus dem Fitness-Bereich:
Wenn in einem Fitness-Kurs oder -Video jemand 15 Liegestütze vormacht, und du weißt, die nächste Übung folgt, wenn der Trainer damit fertig ist, egal, ob du in der Zeit dich antreibst, möglichst viele Liegestütze mitzumachen, du nach dreien aufhörst, weil dir die Arme wehtun, oder du was trinkst oder dich mit dem Nachbarn unterhältst - wie viele Liegestütze schaffst du?
Wenn aber die nächste Übung erst beginnt, wenn du die 15 Liegestütze fertig hast, und das Training erst zuende ist, wenn du alle Übungen absolviert hast, egal wie lange du dafür brauchst: Wie sehr strengst du dich an? Was machst du, wenn dir die Arme wehtun? Und wie fühlst du dich anschließend?
Die meisten bemühen sich, die 15 Liegestütze zu schaffen, pushen sich eher noch mehr, wenn die Arme wehtun, um das Workout abschließen zu können, bringen insgesamt eine viel höhere Leistung und profitieren mit einem deutlich schnelleren und stärken Fitness-Zuwachs als in dem anderen Konzept, und sind nach dem Workout stolz. (Ich kenne das von Freeletics.com)

Damit arbeitet NoCovid: Niedrige Inzidenzen als Ziel ausgeben, konkrete Wege dahin aufzeigen, und den Erfolg den Bürgern zuschreiben. Länder, die NoCovid umgesetzt haben, berichten einstimmig, dass in vielen Kommunen die Ziel-Inzidenzen sogar schneller erreicht wurden als modelliert, weil die Bürger so konsequent mitgemacht haben. Genauso, wie ich durch Freeletics ein vielfaches von dem an Liegestützen, Burpees und ähnlichem anstrengendem Zeug schaffe, was ich mir früher je abverlangt habe.

Und ich schätze die Situation ähnlich ein. Egal, warum es so gekommen ist und wer dafür die Verantwortung träg - Fakt ist:

  • Eine ausreichende Durchimpfung wird erst in ein paar Monaten erreicht sein, zumal B117 eine höhere Durchimpfungsrate erfordert als der bisherige Wildtyp.
  • Schnelltests sind noch nicht ausreichend flächendeckend verfügbar - und ja anscheinend bei symptomlosen Tests deutlich unzuverlässiger, als es zunächst den Anschein hatte
  • Die Aufklärung von Infektionsketten gelingt zurzeit nur in 25 % der Fälle, so dass in 75 % der Fälle das Quellcluster nicht erkannt und somit nicht von der Weiterverbreitung abgehalten werden kann - denn in dem Moment, in dem ich einen Fall durch PCR erkenne, ist das Quellcluster aktiv infektiös, wenn ich das sofort isoliere, verhindere ich damit viel mehr als nur durch das Isolieren des vor mir sitzenden Falls.
  • Ca. 36 Millionen Bundesbürger tragen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid19-Verlauf, weil zu den Risikofaktoren neben dem hohen Alter oder selteneren Umständen wie Krebs- oder Autoimmunerkrankungen weit verbreitete Faktoren wie Übergewicht (BMI > 30), Bluthochdruck und Diabetes zählen (das RKI hat im Februar einen aufschlussreichen Bericht dazu veröffentlicht).
  • LongCovid betrifft mindestens 10% der Covid19-Erkrankten, dauert Wochen und oft Monate und bedeutet neben dem psychischen Leid der Betroffenen auch einen immensen wirtschaftlichen Schaden.
  • B117 verbreitet sich so viel schneller als der bisherige Wildtyp. Aufgrund der weitgehenden Durchimpfung der Hochbetagten verbreitet sich B117 jetzt in vergleichweise jüngeren Altersgruppen. Die sterben nicht schnell auf der Intensivstation, sondern überleben die Behandlung deutlich länger, liegen also länger dort. Aktuell sind nur noch 13% der regulären Intensivbetten frei (DIVI Tagesreport vom 26.3.)

NoCovid bringt einen knackigen, dafür viel kürzeren Lockdown, und bietet konkrete Perspektiven, was man wie (also mit welchen flankierenden Maßnahmen) bei welchen lokalen Inzidenzen öffnen kann.

Ich finde die aktuelle Corona-Politik in der BRD und in meinem Bundesland NRW grob fahrlässig und wünsche mir NoCovid für Deutschland, und zwar schnell.
Ich betreibe deshalb diesbezüglich eine Petition. Wer der gleichen Ansicht ist, seinen Frust und sein Entsetzen satt hat und endlich etwas aktiv tun will, darf gerne mitzeichnen und diese verbreiten. Es gibt auch ein Forum, in dem Interessierte bei der Verbreitung der Petition mitwirken können.

Mit Verlaub - das ist doch jetzt retroaktives Schönreden und stimmt eben nicht. Und da schwingt wieder das „geht nicht“ mit (Demenzkranken das Maskentragen nicht beibringen können).
Hierzu ein Artikel des Handelsblatts vom Dezember 2020:

Da hinter der Bezahlschranke, einmal einige Auszüge:
„Fast 90 Prozent der fast 23.000 Menschen […] waren 70 Jahre oder älter. Die verbleibenden Todesfälle konzentrieren sich weitgehend auf die Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen. Der Altersmedian der Corona-Toten liegt nach Angaben des RKI bei 83 Jahren.
[…]
Bund und Länder haben es versäumt, eine Strategie für den Schutz dieser Risikogruppen im Herbst und Winter zu entwickeln. Damit haben sie auch die Möglichkeit verspielt, zumindest in einigen Bereichen mehr Alltag und weniger Lockdown zu ermöglichen. Das ist das eigentliche Versagen in der Pandemie.
[…]
Seit Beginn der Coronakrise wird ein scheinbarer Gegensatz konstruiert: Auf der einen Seite stehen Beschränkungen für die gesamte Bevölkerung. Auf der anderen Seite Maßnahmen, die auf vulnerable Gruppen zugeschnitten sind. Eine langfristige Strategie ist aber nur mit beiden Seiten möglich.
[…]
Experten-Vorschläge zum Schutz von Risikogruppen lagen seit dem Frühjahr vor. Dazu gehören Konzepte wie gesonderte Öffnungszeiten in Geschäften oder Taxigutscheine, um Fahrten im Nahverkehr zu vermeiden. Vor allem das Kanzleramt hatte sich aber früh festgelegt: Das Virus muss in der Gesamtbevölkerung unterdrückt werden. Gehör fanden vor allem wissenschaftliche Berater, die für diese Linie standen.
[…]
Fachleute, die für den Risikogruppen-Ansatz plädierten, galten schnell als Hasardeure. Nicht umsetzbar, lautete die pauschale Kritik. Mindestens ein Viertel der Bevölkerung sei irgendwie Risikogruppe. Ausgeblendet wurde dabei, dass es unterschiedliche Risikograde gibt.“

Das soll reichen. Ab Oktober/November (!!!) fing man dann an, FFP2-Masken in die Altenheime zu schicken. Die Älteren durften im Dezember (!!!) Schlange stehen, um sich Masken aus den Apotheken abzuholen.

Also bitte - alle kannten die Sterbezahlen. Viel zu wenig, viel zu spät. Und auch in der Lage hieß es lange, Schutz der Risikogruppen gehe nicht. Das ist das, was ich auch an Ulf und Philip kritisiert habe, dass sie das Narrativ bedient haben. Und deine Aussage zeigt mir gerade, dass jetzt rückwirkend das Ganze schöngeredet und umgedeutet wird.

Überfordert? Bei Testzulassungen? Während im Ausland schon Erfahrungen gesammelt wurden? Deine Aussage macht das Gefühl des Politik- und Organversagens gerade noch einmal schlimmer. Merkst du selber oder?

Ich hoffe sehr, dass es keine Probleme bei der Impfung gab. Ich gehe davon aus, dass die Helfer schon eine Spritze setzen können. Es geht ja genau um die Organisation der Terminvergabe. Diese ist ja katastrophal, wie auch wieder in der aktuellen Lage kritisiert. Und die funktioniert bis heute nicht richtig.

Dann erzähl doch mal was gut läuft in den Bereichen:

  1. Kontaktverfolgung
  2. Analyse der Hauptinfektionswege
  3. Impfterminvergabe
  4. Maßnahmenkoordinierung
  5. Einheitliche Maßnahmenumsetzung
  6. Schuldigitalisierung
  7. Corona-Hilfen für Selbständige
  8. Impfstoffverhandlungen
  9. Formulierung einer Gesamtstrategie

Ich bin gespannt, was du aus diesen Bereichen an positiven Dingen zu schreiben hast. Ernsthaft.

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