Geniale Idee zum Wahlrecht

Ich habe eine Idee, wie man das Problem mit den Überhangmandaten und deren Ausgleich oder nicht Ausgleich lösen könnte. Wie wäre es, die Überhangmandate zuzulassen und nicht mit zusätzlichen Abgeordneten für andere Parteien auszugleichen und stattdessen aber nur die Anzahl der per Zweitstimmen gewählten Abgeordneten pro Fraktionen bei Abstimmungen zulassen würde?
Also beispielsweise Partei X hat 30% der Zweitstimmen, was 30 Sitzen (bei angenommen insgesamt 100 Abgeordneten besagten Parlaments) entspricht, hat aber 32 Wahlkreise gewonnen. Alle 32 Abgeordneten dürfen in das Parlament einziehen, das Parlament hat dann 102 Sitze. Bei Abstimmungen dürfen aber nur 30 maximal 30 Abgeordnete der Partei X teilnehmen.
So bleibt das Verhältniswahlrecht in einem entscheidenden Punkt sogar exakt gewahrt (was bei der Berechnung der Ausgleichsmandate ja auch nicht der Fall ist). Gleichzeitig dürfen alle direkt gewählten Kandidaten parlamentarische Arbeit leisten und das Parlament wächst deutlich weniger als mit Überhang- und Ausgleichsmandaten. Das scheint mir fast zu einfach um wahr zu sein, aber mir fällt gerade kein Haken an der Geschichte auf.

Die Idee ist smart. Einen Haken gibt es aber doch.
Mein Direktkandidat soll ja im Bundestag/Landtag meine Meinung vertreten, das kann er aber nur, wenn er auch an den Abstimmungen teilnehmen darf. Die kann auch durchaus mal gegen Parteilinie ausfallen, der Direktkandidat ist ja seinen Wählern in seinem Wahlkreis und nicht der Parteiliste verpflichtet.
Nun könnte aber die Partei, ich nehme mal an, die darf entscheiden, in weicher Rangliste abgestimmt werden darf, solche Quertreiber kalt stellen.

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Das ließe sich sicher über eine feststehende Rangfolge lösen, etwa nach Anzahl der gewonnen Stimmen.

Das größere Problem ist, dass man mit dem Vorschlag zwar theoretisch das Verhältniswahlrecht beibehält, in der Praxis aber natürlich nicht. Schließlich ist mit einem bestimmten Anteil an Ausfällen zu rechnen, und wenn eine Partei dann Nachrücker:innnen vorschicken kann, eine andere aber nicht, wird der Partei mit den Überhangmandaten über die Zeit der Legislaturperiode im Durchschnitt mehr Stimmgewicht zufallen.

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Ich stelle mir vor, dass die Fraktion flexibel je nach Frage und Lage entscheidet, wen sie zu einer bestimmten Abstimmung schickt.
Mein Direktkandidat kann immer jede Tätigkeit des Abgeordneten wahrnehmen, Ausschüsse, Arbeitsgruppen whatever.
Die Nachrücker- oder Ersatzmann-Thematik sehe ich zwar, finde ich in der Abwägung aber nicht so gravierend.
Was meint Ihr?

Das kann ich nicht nachvollziehen. Da in jeder Abstimmung Personen fehlen werden, ist der Effekt von deinem Vorschlag effektiv so ziemlich derselbe, als hätte die Partei unausgeglichene Überhangmandate.

Wie viele Mitglieder verliert denn eine Fraktion so über eine Legislaturperiode? Wird das Parlament denn dann kleiner nach der geltenden Regelung? Weiß das jemand?

Da war ich nicht ganz klar, glaube ich. Mir geht es nicht um Personen, die komplett ausfallen, eher um solche, die zum Beispiel wegen Krankheit einmalig nicht an einer Abstimmung teilnehmen (und die dann von Übermangmandaten ersetzt werden könnten).

Klar, aber irgendeinen Vorteil darf es meines Erachtens schon geben, wenn man so viele Direktmandate gewinnt, dann kann man halt immer in voller Fraktionsstärke abstimmen, auch wenn mal jemand krank ist.

Wie sind denn eigentlich die Vertretungsregelungen in solchen Fällen? Habe mal gelesen, dass in Ausnahmefällen auch jemand aus der Fraktion bei Abstimmungen vertreten kann, aber bei Google auf die Schnelle nichts dazu gefunden…

Ist ne schöne Idee, danke aber, dass sie zu viel verändern würde.

Würde es nicht reichen, wenn der Einzug nur bei absoluter Mehrheit im Wahlkreis garantiert wird? Das dürfte doch die Zahl der Übergangsmandate massiv verringern?

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Nein, Vertretungen sind nicht möglich.

In der Regel wird im Bundestag aber überhaupt nicht namentlich und im vollen Plenum abgestimmt, sondern per Handzeichen, und dann geht es nach Fraktionen und es werden nur Abweichler extra aufgeführt.

Desweiteren gibt es bei knappen Mehrheitsverhältnissen unter den demokratischen Parteien oft sogenannte Pairing-Abkommen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien, die im Wesentlichen besagen: Wenn von eurer Partei Abgeordnete aus nachvollziehbaren Gründen verhindert sind, bleibt von uns die gleiche Anzahl der Abstimmung fern.

Das ist zum einen eine humane Regelung, damit nicht im Extremfall irgendwelche Leute aus dem Krankenhaus herangeschafft werden müssen um eine Stimmkarte zu heben. Und zum anderen bringt es ja außer ein bisschen PR meist auch nichts, wenn die Opposition da mal eine Gelegenheit nutzt um die Regierung zu überstimmen, weil die natürlich im Zweifelsfall die Abstimmung entweder verschieben oder wiederholen lassen kann, und dann blockiert das halt bloß die Arbeit für eine gewisse Zeit und bringt Terminpläne durcheinander.

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Genau genommen würde es dann bundesweit nur noch eine Handvoll Direktmandate geben. Wäre meiner Ansicht nach nicht schlimm. Ich wäre eh dafür die Direktmandate komplett abzuschaffen und stattdessen Personenstimmen auf der Liste einführen.

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Das ist nicht das einzige Problem. Sitzungen dauern manchmal bis spät in die Nacht. Da werden dann eher unwichtige Dinge abgestimmt. Die AFD lässt da dann gerne mal die Beschlussfähigkeit feststellen (und verlässt dafür dann den Raum). Dann können die Abstimmungen nicht mehr durchgeführt werden.

So ein Agreement spielt der AFD dann auch noch zusätzlich in die Hände.

Eine Partei mit Ersatzleuten kann die über den Tag verteilen und den Marathon abdecken. Momentan ist die AFD z.B. in den letzten Stunden immer recht vollzählig, dafür fehlt sie morgens.

Ich sehe irgendwie nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat bzw. wie es ein Problem löst, wenn z.B. die CDU/CSU als einzige Fraktion 30 „Ersatzleute“ hätte.

Mal ganz dumm gefragt: warum eigentlich nicht? Es müsste doch relativ manipulationssichere Methoden geben, wie sich ein Abgeordneter, wenn er entschuldigt und aus triftigen Grund fehlt, auf eigenen Wunsch durch einen anderen Abgeordneten vertreten lassen kann.
Wahrscheinlich kann man ja auch nicht jede Abstimmung verschieben bis alle Fraktionen ihre Leute vollständig haben, wenn tatsächlich mal eine Partei (wie die AfD) das böswillig ausnutzt.

Ich hatte einen ähnlichen Gedankengang schon mal in einem anderen Zusammenhang:

Der „geniale“ Vorschlag bedeutet ja de facto, dass nicht mehr alle Abgeordneten einer Fraktion im Parlament dieselben Rechte haben. Abgesehen davon, dass ich das eine Umsetzung für 0 % realistisch hlte: Warum sollte ein Abgeordneter denn jede Menge Arbeit, etwa in Ausschüssen oder in seinem Wahlkreis auf sich nehmen, wenn er nachher gar nicht stimmberechtigt ist?
Da erscheint es mir doch wesentlich pragmatischer, einfach die Direktmandate abzuschaffen. Aber auch dafür wird es keine Mehrheit geben, da viele Abgeordnete sich mit dieser Entscheidung quasi selber entlassen würden.

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Weil nicht bestimmte Abgeordnete immer ausgeschlossen sind, sondern nur die Anzahl der Abstimmungsberechtigten begrenzt ist - je nach Thema wird die Fraktion sicher jemand anderen schicken.

Das halte ich für schwierig. Zwar gibt es im Allgemeinen eine Fraktionspfliicht bei Abstimmungen, aber grundsätzlich ist ein Abgeordneter seinem Gewissen verpflichtet.

Ein Modell wie oben beschrieben ist ein Freibrief dafür Abweichler in der Fraktion auszutauschen.

Und noch schwerer, was macht man bei Abstimmungen bei denen der Fraktionszwang aufgehoben ist? Ich erinnere mich da bspw. an das Impfpflichtdebakel für die Ampel. Wie wäre es ausgegangen wenn Karl Lauterbach hätte bestimmen dürfen, wer für die Fraktion stimmen darf?

Naja, es ist sicher keine Universallösung für alle denkbaren Probleme - nur ganz bescheiden: lässt man alle Direktmandate ins Parlament, zur Abstimmung jedoch nur so viele, wie dem Anteil der Zweitstimmen entspricht, kommen alle Gewählten zu ihrem Platz, das Parlament wächst nicht übermäßig und das Wahlergebnis wird exakt abgebildet. Drei Pluspunkte, wie ich finde.
Ob die Idee schon mal jemand hatte, und ob sie überhaupt eine Chance hätte, weiß ich natürlich nicht. Vielleicht hat das Lage-Team ja Ideen dazu oder bringt es mal in die Sendung…