Ich empfinde das Wahlrecht auch nicht mehr zeitgemäß. Wenn man immer mal wieder liest, dass der nächste Bundestag schon zu so und so viel Prozent feststeht. Wenn man den Bundestag auf 598 Plätze beschränken möchte, ist der initiale Vorschlag (Nach Rangliste der % aus den Personenstimmen und dann die Listenplätze) doch gar nicht so verkehrt. Die Verhältnisse bleiben voll gewahrt und jede Partei bekommt nur die Sitze, die ihr zustehen. Damit wären dann ja sogar Einzelpersonen-Parteien abbildbar.
Die eigentliche Hürde
Das ausschließende Element ist doch die 5%-Hürde. Würde man diese ganz entfernen, gäbe es je 0,167% der Hauptstimmen einen Sitz. Es wäre deutlich attraktiver auch mal eine kleinere Partei zu wählen, deren Vorhaben besser zu den eigenen Interessen passen. Ich selbst und im näheren Umfeld höre ich immer wieder, dass man keine der großen Parteien, die derzeit im Bundestag sitzen so richtig gut findet. Man möchte nur nicht die Stimme an eine kleine Partei verschwenden, da diese höchstwahrscheinlich an der %-Hürde scheitern würde.
Wer etwas dagegen hätte sind wahrscheinlich die derzeitigen Bundestagsparteien, da diese somit einige Plätze abgeben müssten. Denn derzeit wird der Wählerinnenwille zugunsten dieser durch Nicht-Wähler und die %-Hürde massiv verzerrt.
Jetzt kommt von einigen (etablierten Parteien) bestimmt wieder die Leier von der Unregierbarkeit: Bei der Gelegenheit könnte man entweder mal direkt darüber nachdenken, ob man
a) im Sinne einer echten Gewaltenteilung nicht auch die Kanzlerschaft und die Justiz direkt vom Volk direkt wählen lässt oder
b) eine Minderheitenregierung in Kauf genommen wird.
In beiden Fällen müssten sich für das jeweilige Vorhaben wechselnde Mehrheiten finden (also kein Fraktionszwang, keine Koalitionsverträge, kein Kuhhandel).
Insgesamt müssten Linkspartei und CSU dann nicht mehr um Sitze bangen. … Zusätzlich gäbe es mehr Vielfalt im Bundestag.
Nicht-Wähler
Und wo das Wahlrecht schon mal angefasst wird, kann man auch diskutieren, wie man auf die Nicht-Wählerinnen oder Ungültig-Wählerinnen eingehen könnte: Wie wäre es, wenn diese Stimmen für eine fiktive Partei gezählt werden? Diese Partei bekommt dann, wie alle anderen Parteien, je 0,167% einen Sitz - Genauso wie die anderen Parteien nach absteigender Reihenfolge aus den % der Personenstimmen. Damit würde aus dem Wahlkreise mit der geringsten Wahlbeteiligung der ersten Zufallsplatz in den Bundestag einziehen. Der Wahlkreis mit der zweitschlechtesten Wahlbeteiligung schickt die zweite Zufallsperson. … und so weiter. Nicht-Wählen wird damit nicht mehr zu einer Zustimmung zur größten Partei sondern zu einem Egal/Schicksal/Zufall (je nach Glauben).
Eine andere Extreme wäre, dass man die Sitze der Nichtwählerinnen einfach leer lässt. Auch eine Nicht-Wahl ist ja ein Wählerinnen-Wille. Damit würde man dem auch Rechnung tragen. Diese Sitze stimmen dann automatisch immer gegen die Veränderung.
Beide -Nicht-Wählerinnen-Ansätze haben das Potential für eine sehr lebendige Demokratie. Es müssten für jedes Vorhaben echte Mehrheiten gefunden werden. Die Debatten wären wieder mehr an der Sache. Fraktionszwänge, diese ganzen „Ich hatte Bauchschmerzen aber dann doch wie meine Partei es wollte abgestimmt“ könnten endlich aufhören. Man kommt weg vom Einheitsbrei, von den Gefühl „die da oben“, von dem „geringsten Übel“ hin zur Möglichkeit die Probleme nach Mehrheiten anzugehen und nicht nach Einzelmeinungen von Parteiführungen.
Ich hätte wahnsinnige Lust darauf.