Genderverbot an bayerischen Schulen und Behörden

Ich bin grundsätzlich offen fürs gendern, auch wenn ich auf Sonderzeichen verzichte und lieber neutrale Bezeichnungen oder maskuline und feminine direkt ausspreche. Dennoch kann ich dir und anderen nicht ganz zustimmen.

So populistisch Söder auch auftritt, aber im Grunde geht es doch vor allem darum die Sprache in offiziellen Dokumenten zu definieren. Und dazu gehört die Kommunikation in öffentlichen Einrichtungen wie dem Rathaus, Ministerien, aber Schulen.

Dabei wird den Schülern auch nicht verboten im Hefter zu gendern oder in Pause oder Unterricht Genderpausen mitzusprechen. Es geht ausschließlich darum, dass in offiziellen Dokumenten, wozu in gewisser Weise auch schriftliche Prüfungen in Schule und Hochschule gehören, der aktuell geltenden Rechtschreibordnung zu folgen ist.

In Freizeit und außerhalb öffentlichen Schriftverkehrs kann dann fleißig jeder machen was er für richtig hält. Ich finde das fair und nachvollziehbar.

Ich kann verstehen, dass progressive Menschen für die Werbung der eigenen Sache eine möglichst große Werbefläche erwarten, aber das ist sicher keine Aufgabe von Schule, Wissenschaft oder Verwaltung.

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Wie gesagt, so lange es die Außenwirkung der Behörde betrifft halte ich es zwar auch für moralisch falsch, aber für rechtlich nicht zu beanstanden. So weit sind wir einig. Das bedeutet auch, dass den Schulen und ihrem Personal eine nicht-gegenderte Schreibweise verordnet werden darf. Halte ich wie gesagt für falsch (weil unnötiger Eingriff), ist aber vertretbar.

Hier jedoch - abgesehen davon, dass die Schüler in Bayern weiter in Prüfungen ohne Punktabzug gendern dürfen - sehen wir die Dinge einfach unterschiedlich. Der Staat darf seinen Beamten und Angestellten vorgeben, wie sie nach Außen aufzutreten haben. Der Staat darf in der Schule auch fordern, die korrekte Rechtschreibung zu verwenden. Gendern ist jedoch keine „inkorrekte“ Rechtschreibung, sondern eine bewusste und gewollte Abweichung, mit der auch eine politische Meinung ausgedrückt wird. Und das darf meines Erachtens weder Schülern noch Studierenden verboten werden, da diese eben gerade keine „Subordinates“ des Staates (oder gar der Schule / Universität) sind.

Ich denke einfach, dass man mit Gender-Verboten für Schüler über das Ziel hinaus schießt und unverhältnismäßig hart in die Freiheit der Schüler eingreift, eben weil das Gendern ein anerkannter „alternativer Standard“ ist (und nicht „falsch“). Die Argumente für ein Verbot des Genderns für Schüler und Studenten können dabei nicht überzeugen: Jeder Schüler, der gegendert schreiben kann, kann auch ungegendert schreiben (umgekehrt gilt das nicht zwangsläufig!). Es ist eben eine bewusste Entscheidung, diesen „schwierigeren Alternativstil“ zu betreiben.

Das Problem sehe ich hier tatsächlich primär beim „Rat für deutsche Rechtschreibung“ und dessen Unwillen, gendergerechte Sprache anzuerkennen. Aber hey, der Vorsitzende des Rates ist halt ein CSU-Politiker… und sein Vorgänger seit Gründung in 2004 war -Trommelwirbel - ebenfalls ein CSU-Politiker, der auch Vorsitzender der CSU-nahen Hanns Seidel-Stiftung war, die ebenfalls strikt gegen das Gendern war und ist.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist daher seit seiner Gründung vor 20 Jahren fest in der Hand der CSU, sodass es gar kein Wunder ist, dass er Vorgaben macht, auf die sich Söder dann beziehen kann… ich wüsste ja gerne, wer noch so in diesem Rat sitzt, konnte darüber aber auf die Schnelle nichts herausfinden. Daher würde ich mir fast wünschen, diesen Rat, dessen Empfehlungen hier gefolgt wird, mal unter die Lupe zu nehmen.

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In diesem Sinne @vieuxrenard würde ich mir tatsächlich wünschen, dieses Thema mal in der Lage aufzugreifen. Dabei würde mich interessieren:

Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist laut Wikipedia die maßgebliche Instanz für die deutsche Rechtschreibung.

  1. Wie kann es sein, dass der Vorsitz seit 20 Jahren in den Händen ranghoher CSU-Politiker ist?
  2. Wer ist sonst Mitglied in diesem wichtigen Rat?
  3. Wie wird man Mitglied in diesem Rat? Wer bestimmt die „18 deutschen Ratsmitglieder“? Wer die Ratsmitglieder aus den anderen Ländern?
  4. Wie demokratisch legitimiert ist dieser sehr wichtige Rat? Ist er überhaupt demokratisch legitimiert, direkt oder indirekt?

Ich denke wirklich, gemessen an der Wichtigkeit dieses Rates ist viel zu wenig öffentlich bekannt, wer wie in diesen Rat kommt und vor allem wer den Vorsitz hat (warum ausgerechnet die CSU seit 20 Jahren?!?). Hier würde ich mir eine tiefer gehende Recherche und ein Experteninterview wünschen. Denn all die Genderverbote der verschiedenen Bundesländer werden mit den Stellungnahmen dieses Rates begründet. Und das finde ich persönlich heftig im Hinblick auf die CSU-Dominanz dieses Rates.

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Ich fürchte, in Bayern hat man sich einfach nur unpraktikable Varianten ausgeschlossen.
Ein Genitiv Singular mit Gendersternchen oder _innen funktioniert nun mal nicht.

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Ich verstehe das ehrlich gesagt nicht. Wenn ich Schüler dazu anhalte in der Schriftsprache im Unterricht nicht zu gendern, verlieren die doch nichts. Ich muss mich in der Schriftsprache auch immer wieder kontrollieren nicht in heftiges Denglisch zu verfallen.

Klar könnte ich mit Denglisch viele Sachen präziser und korrekter ausdrücken, aber es ist halt oft keine korrekte deutsche Sprache. Und in der Freizeit oder außerhalb von speziellem Unterrichtsgeschehen steht es dann ohnehin allen frei zu reden was und wie sie es wollen.

Ich glaube kaum, dass ein Verbot in Schule und Behörden geschlechtersensible Sprache rückabwickeln oder auch nur deren Ausbreitung verlangsamen wird. Es stellt nur sicher, dass in bestimmten Situationen die Amtssprache eingehalten wird.

Letztlich sind nicht die Ministerien das Problem, sondern der Rat der deutschen Sprache, der Genderformen bisher wenig unterstützt, dafür aber auch einigermaßen gute Gründe anführt.

Kurzum, mir diskutieren beide Seiten zum Gendern zu ideologisch. Ich kann die Nachteile, die du beschreibst, bisher gar nicht nachvollziehen.

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Wir haben Schulen und Universitäten mit studieren Leuten, die in der Lage sind, entsprechende Regeln aufzustellen, wir haben ein Bildungsministerium, das einheitliche Regeln aufstellen kann, wenn es das für nötig erachtet, das muss nicht Markus Söder übernehmen. Und wenn er es tut, dann wenigstens ohne das tamtam außen rum. Dann gäbe es den Aufschrei auch gar nicht weil es ja fast keiner mitbekommt. So bespielt er die Stammtische und schadet der Sache und treibt Spaltung voran.

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Ich denke mal, das mit der Sprache ist Teil der Kultur, und damit Ländersache.
In Brandenburg gibt es ja auch eine sorbische Minderheit. Bei dem, was ich mir so zusammen gegoogelt habe, ist man sich dort wohl noch nicht sicher, wie man genau genderinklusiv sorbisch spricht. Außerdem hat Söder Angst vor der AFD und will ihnen, zumindest in seinem Freistaat, ein Thema im EU-Wahlkampf stehlen. Wenn das „Tamtam“ dabei hilft, hat er meinen Segen.

something-else

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Ich will nochmal in Erinnerung rufen, was - zumindest nach meinem Verständnis - die Idee das Gendern ist. Es geht nicht nur darum, auch Frauen oder Sonstige mit anzusprechen. Es geht vor allem darum, sich selbst und seinen Gesprächspartner / Leser bewusst zu machen, dass wir das oft genug übersehen und einzuüben, es nicht mehr zu tun.

Wer Gendern an der Schule verbietet oder durch „nur anstreichen“ mit einem Makel versieht (wir reden hier von Kindern und Jugendlichen!), der will genau das verhindern: Bewusst machen des Problems und einüben von einem Gender-Bewusststein.

Ich finde linguistisch das Gendern auch nicht besonders „schön“. Aber politisch enorm hilfreich.

Was wäre eigentlich so schlimm daran, vom Ausländeramt ein Schreiben mit und vom Finanzamt ein Schreiben ohne Gendern zu bekommen?

Wo, lieber Herr Söder, ist eigentlich das für Bayern angeblich so typische “jeda wia er mog”? Die CSU outet sich halt mal wieder als das, was sie den Grünen mannigfaltig unterstellt, aber im Tiefsten des eigenen Herzens in Wirklichkeit viel mehr ist: Eine Verbots-Partei.

Auch wenn es abseits vom Thema ist: Dem möchte ich widersprechen! Deutsch ist als Sprache wesentlich präziser als Englisch. Es gibt sehr, sehr viel mehr Wörter im Englischen, die mit mehreren und in ihrer Bedeutung unterschiedlichen deutschen Wörtern übersetzbar sind, als umgekehrt. „Denglish“ ist vielmehr ein Stilmittel, um bewusst oder unbewusst im Ungefähren zu bleiben.

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Da du diese tangent schon eröffnet hast, kann ich das jetzt auch nicht so stehen lassen. Was du schreibst, ist leider kompletter nonsense. Im Englischen gibt es sehr viel mehr Wörter, die eine beliebige Bedingung X erfüllen, weil es im Englischen insgesamt sehr viel mehr Wörter gibt als im Deutschen.

Ein breiterer Wortschatz hilft im Übrigen dabei, sich präzise auszudrücken. Aber selbst, wenn das nicht so wäre: Ob eine Sprache jetzt insgesamt präziser ist als eine andere (eine Aussage, die für mich eher nach German superiority complex aussieht), hat auch nichts damit zu tun, ob in einer konkreter Situation ein bestimmtes Wort aus einer anderen Sprache besser beschreibt, was man ausdrücken möchte.

Ich finde es auch ziemlich ironisch, dass dieser Kommentar in einem thread kommt, bei dem Denglisch schon im Titel ist (und auch von dir selbst verwendet wird) - eben weil es im Deutschen nicht ohne Weiteres möglich ist, die Unterscheidung zwischen sex und gender sprachlich sinnvoll zu ziehen.

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… kein Diskussionsstiel, der mich zum Antworten motivieren würde. Ist ja ohnehin offtoppic

Gab es in der Rechtschreibung noch nie.

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Das stimmt nicht ganz.
Seit der Rechtschreibreform gibt es zahlreiche Wörter, für die es laut Duden zwei akzeptierte Schreibweisen gibt.

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Es bleibt zunächst einmal zu konstatieren, dass man es nie allen Recht machen kann. So wie Menschen das generische Masklulinum ablehnen und eine Doppelbennenung fordern, gibt es auch die gegenläufige Bewegung von Frauen, die nicht als "best actress" sondern auf einer Stufe mit Männern als „best actor“ ausgezeichnet werden wollen.

Substantivierten Partizipien stoßen auch nicht immer auf Gegenliebe: „Für Stillende und Geschwängerte Personen ist dieses Medikament nicht empfohlen“.

Menschen die sich keinem Geschlecht zurechnen bevorzugen vielleicht einen Asterisk, ein Binnen-I oder ein anderes Zeichen. Den Glottisschlag finden manche gut, andere möchten gerade nicht durch eine Stimmlose Auslassung mitgemeint werden.

Es gibt Pesonen, die fordern stehts die Endung -ens zu verwenden: „Ens Käufens und ens Einkaufskorb“.

Manche Männer lehnen die Feminisierung durch Sprache ab. Der Mann wird im Plural zu „die“ Männer (femininer Artikel) und die Höflichkeitsform „Siezen“ sei demnach auch diskriminierend, weil dadurch eine Entmännlichung stattfände.

Das ein solch babylonisches Sprachwirrwarr zumindest auf behördlicher und schulischer Ebene geregelt werden sollte, leuchtet ein.

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Übrigens sind Behördenbriefe schon grundsätzlich fast immer ziemlich unverständlich.
Kaum vorstellbar, dass gerade ein Genderstern dieses Verständnisproblem vergrößert.

Sehr, sehr guter Artikel von Lehrer Bob Blume:
https://www.t-online.de/leben/kolumne-bob-blume/id_100368454/gender-verbot-in-bayern-lehrer-kritisiert-sprach-regelung-scharf.html

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Und das auch nur, weil Du ein benutzbares aktives Wort „Schwangere“ durch ein passives Wort „Geschwängerte“ ersetzt hast.
Damit betonst Du, dass der Geschlechtsakt eine männlich betonte Situation ist, in dessen Folge der aktive Part den passiven Part geschwängert hat. Damit beweist Du nur, dass Sprache gefühlte Realität schafft, nichts anderes.

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Bist du sicher, dass das ein real existierendes Phänomen ist?

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Genau mein Humor :sweat_smile:
Zu Antworten das man nicht antwortet, statt es wirklich einfach zu machen :smile:

Leider ja. Beim Wort „Schwangere“ stellt sich eben jeder eine weibliche Person vor. Weil nun aber auch Männer schwanger werden und ein Kind austragen können, möchte man mit der Sprache gezielt andere Assoziationen und Bilder beim Rezipienten wecken. Ähnlich argumentiert auch TilRq wenn er schreibt:

Ich kann die Auswüchse auch nicht mehr ganz nachvollziehen, aber es handelt sich hier eben nicht um ein sprachwissenschaftliches Problem, bei dem um Genus und Sexus gestritten wird, sondern um gefühlte Wahrheiten, bei denen man nicht mit den Leuten diskutieren kann.
Ich dachte auch eher, dass das Beispiel mit „ens Einkaufskorb“ auf blankes Unverständniss stößt, aber Lann Hornscheidt hat es mit dieser Überlegung tatsächlich in die Tagesthemen geschafft. Der 90 Sekunden lange Beitrag ist wirklich sehr erhellend und jedem zum anschauen empfohlen.

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So hoch würde ich die „korrekte deutsche Sprache“ an sich nicht hängen. Wenn sie mich daran hindern, mich präzise auszudrücken, verlieren die Regeln ihren Zweck oder konterkariert ihn sogar. Rechtschreibung sollte erhöhte Präzision ggü. dem gesprochenen Wort ermöglichen (schlechtes Bsp. wegen der Möglichkeit, einen Artikel zu verwenden, aber es sollte klar werden: „Wahl in Hamburg“ vs. „Wal in Hamburg“).

Ich bin sprachaffin und mich stören sprachliche Fehler und „Fehler“ schnell. Aber Rechtschreibung im Besonderen ist eine Konvention, damit die Schriftsprache hinreichend überregional verständlich bleibt. Darüber hinaus finde ich das Beharren darauf eher unnötig und es steht für mich etwas im Verdacht, Mittel zur Herrschaft zu sein.
Wichtig ist natürlich der sprachliche Ausdruck insgesamt im Hinblick auf Verständlichkeit, Präzision und Kreativität, der ja auch Wortschatz, Zeichensetzung, Satzbau etc. umfasst. Mit einem Komma an der falschen Stelle ändert sich die Bedeutung sehr schnell. Das ist bei der Rechtsschreibung seltener der Fall und viele dieser Fälle können genau so gut der Grammatik statt der Rechtschreibung zugeschlagen werden. Das notgedrungene Zurückgreifen auf Denglisch würde ich auch eher fehlender sprachlicher Ausdrucksfähigkeit zuordnen (bzw. positiv gewendet erweitert das englische Fremdwort diese). Außerdem kann die Verwendung muttersprachlicher Bezeichnungen helfen, Sachverhalte tiefer zu verstehen,* sodass es sich mE lohnt, die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen zu erweitern zu suchen, wo englische Fremdwörter eine (vermeintliche) Lücke füllen.
Beim Gendern: Da passgenaues Gendern von größerer Ausdrucksfähigkeit zeugt, trifft @Daniel_K insofern den Nagel auf den Kopf.

Wie viel kulturelle Autorität wir so einem Gremium für weitgehend formale Regeln (Rechtschreibrat) zugestehen - auch dabei, sprachliche Innovation zu verhindern -, ist schon ein bisschen kurios, wenngleich vermutlich in den meisten Fällen harmlos.

*Hab keine empirische Forschung dazu parat.

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