Gendern ist wichtig, doch wie?

Das Problem mit diesem Ansatz sehe ich darin, dass er sich in der Konsequenz - wenn ich es richtig verstehe - eigentlich nicht von der ‚konservativen‘ Variante der Kritik unterscheidet, nach der es gar nicht nötig ist zu gendern, weil der Genus eines Wortes ohnehin nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun habe.

Anders formuliert: Alle Versionen betonen, dass nicht nur die männliche Form gemeint ist. Finde ich aushaltbar.

Dass im Englischen mittlerweile recht selbstversändlich etwa von „latinx“ gesprochen wird oder they/them-Pronouns verwendet werden zeigt doch m.E ganz gut, dass es auch hier sowohl Bedarf als auch Möglichkeiten gibt, die Sprache gendergerechter einzurichten.

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Das ist ein eher schlechtes Beispiel, weil es von der damit gemeinten Personengruppe - soweit es dort überhaupt bekannt ist - weit überwiegend abgelehnt wird. Die Konstruktion ist eher ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht: Eine Kopfgeburt aus einem weißen Akademikerumfeld, ohne Rücksicht darauf was die damit Gemeinten selber wollen oder sogar was in ihrer mehrheitlich gesprochenen Erstsprache überhaupt ordentlich sagbar ist (im Spanischen z.B. ist das „x“ am Ende völlig untypisch, und in anderen Sprachen die von der Personengruppe gesprochen werden sieht es auch nicht viel besser aus).

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Momentan scheitert das schon daran, dass
Herr Lehrer (männlich)
Frau Lehrer (Frau von männlich)

Konsequenterweise müsste es
Das Lehrer heißen, wenn beide Geschlechter gemeint sind und der/die Lehrer, wenn eines gemeint ist (im Singular wie im Plural).
Wäre für einen Ausländer auch viel logischer als
z.B. der Butter in Bayern und die Butter im Rest der Republik ohne begründen zu können wie ein Butter männlich oder weiblich sein kann.

Ein schlechtes Beispiel wofür? Es ging ja nicht um die Gelungenheit, Eleganz oder Akzeptanz der Formulierung, sondern um die Existenz genderneutraler (oder -neutralerer) Formulierungen auch in Sprachen, in denen vermeintlich keine Korrelation zwischen grammatischem und biologischem Geschlecht besteht.

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Dieses Denken ist jetzt aber aus einer Zeit, als die Frau versucht hat ihre soziale Stellung über den Status des Mannes aufzuwerten.

Dann müsstest du auch konsequenterweise Herr Lehrerin benutzen als Mann von einer weiblichen Lehrkraft

Apropos Lehrkraft, warum sagt eigentlich niemand „Lehrkraftin“ wenn die Lehrkraft eine Frau ist?

Bzw. warum gibt es für dieses grammatikalisch weibliche Wort keine männliche Form?

Allein daran sieht man doch schon, dass bei den grammatikalisch männlichen Wörtern auf Inklusion durch Gendern versucht wird, während man dies bei grammatikalisch weiblichen Wörtern unterlässt.

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Interessante Formulierung. Ich würde ja eher sagen, diese Form stammt aus einer Zeit, in der Männer Frauen in der Öffentlichkeit keine andere Rolle zugedacht haben, als Anhängsel eines Mannes zu sein. Diese Haltung hat bis heute viele sprachliche Ausdrücke. In slawischen Sprachen z. B. ist der weibliche Nachname noch immer ein Genitiv des männlichen - also quasi eine Ableitung. Dein Postulat, dass diese Zeit längst vorbei ist, hat aus meiner Sicht einfach keine empirische Grundlage.
Dasselbe gilt für das Konzept der Trennung zwischen grammatikalischem und natürlichem Geschlecht, das Du gerade wiederholt bemühst. Das ist im Kern nichts anderes als die Idee des generischen Maskulinums. Es gibt allerdings zahlreiche Studien, die zeigen, dass das Konzept in der Praxis nicht funktioniert, dass Befragte zum Beispiel unterschiedliche Menschen im Kopf haben, je nachdem ob sie nach ihren „Lieblingsschauspielern“ oder ihren „Lieblingsschauspieler_innen“ gefragt werden.
Über die Frage, ob die Betonung des Geschlechts (bzw. korrekterweise der Geschlechter) der richtige Weg zu mehr Geschlechtersensibilität in der Sprache ist, lässt sich ja in der Tat trefflich streiten, aber dazu gibt es hier ja auch schon diverse Threads, zum Beispiel hier: Ausweg aus der komplizierten Gendersprache - #5 von kaigallup

„Kraft“ wird nicht gegendert, weil das Wort nur ein grammatikalisches Geschlecht hat, aber kein natürliches. Dass es geschlechtsneutrale Versionen von klassisch weiblichen Personenbezeichnungen gibt, stimmt ja nicht, z. B. Eltern statt Mütter, Pflegekräfte statt Krankenschwestern etc. Oder störst Du Dich jetzt daran, dass es keine „Krankenbrüder“ oder „Krankenschwesteriche“ gibt?

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Das gibt es schon, es ist nur eben etwas anders gelagert. Aber nur weil man das grammatische Geschlecht eliminiert, ist ja nicht plötzlich alles gut.
[/quote]

Exakt. Dass man bei verschiedenen Berufen (in Abwesenheit weiterer Informationen) intuitiv ein bestimmtes (aber eben ggf. falsches) Pronomen wählt (z.B. surgeon-> he; nurse → she), war durchaus mal Thema in meinem Anglistik-Studium, will heißen: die Sprache löst nicht alles.

Das nur als Hinweis an alle, die hier viel Hirnschmalz in diese Diskussion stecken. Mir scheint, 90% oder mehr des erzielbaren Nutzens sind schon erreicht, wenn man überhaupt gendert. Weitere Energie würde ich eher an anderen Stellschrauben investieren…

[quote=„kaigallup, post:30, topic:10028“]
„Kraft“ wird nicht gegendert, weil das Wort nur ein grammatikalisches Geschlecht hat, aber kein natürliches. [/Quote]

Kommt auf den Zusammenhang drauf an, zeigt aber meiner Meinung nach relativ gut die Problematik

Nicht wirklich, zumal ich einen Bekannten habe in dessen Abschlusszeugnis Krankenschwester Martin steht ^^

Ich halte mich eher an die Version von Olliver Welke, einem konsequenten Verweigerer von gesprochenem Gendern: nimm eine Formulierung die man nicht Gendern braucht.

Wie z.B. Lehrkräfte, statt Lehrer(Pause)innen

Oder eben wirklich aussprechen und Lehrer und Lehrerinnen sagen.

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Ich verstehe nicht ganz: Was kommt auf welchen Zusammenhang an? Kennst Du ein Wort ohne natürliches Geschlecht, das gegendert wird? Du argumentierst ja selber, dass das Wort „Lehrkräfte“ nicht gegendert werden muss.

Bitte genau lesen. Ich habe argumentiert, dass es diese Begriffe gibt, nicht dass sie überall lückenlos angewandt werden. Und was beweist das Beispiel? Meinst Du etwa, es gibt keine Frauen, auf deren Zeugnis steht, sie seien „Arzt“?

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Was verstehst du unter einem Wort ohne natürlichem Geschlecht?

Ist es weil Kraft als alleinstehendes Wort eher keine Person beschreibt?

Das war die Antwort auf die Frage ob ich mich daran störe, dass es den Begriff „Krankenbrüder“ nicht gibt.

Im übrigen ist Eltern keine Ersatzbezeichnung für Mütter wie von dir angedeutet.

Und Arzt wäre sogar korrekt, wenn man davon abrücken würde neben der Tätigkeitsbeschreibung auch gleichzeitig noch das biologische Geschlecht des Ausübenden mitliefern zu wollen.

Das habe ich mir nicht ausgedacht. „Natürliches Geschlecht“ oder „Sexus“ ist ein Begriff, der u.a. in der Grammatik verwendet wird in Abgrenzung zum grammatischen Geschlecht (Genus), sie u. a. Genus - Genus -

Das Wort „korrekt“ impliziert ja, dass das generische Maskulinum funktioniert, dass also das Wort „Arzt“ keinen Verweis auf ein Geschlecht beinhaltet. Wenn Du das empirische Argument, dass das nicht so ist, einfach ignorierst, ist die Diskussion ehrlich gesagt ziemlich sinnlos.

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Lies doch nochmal was ich bereits Eingangs schrieb und auch in dem von dir zitierten.

Es geht mir doch genau darum, dass man sich eher gegen das „empirische Argument“ stellen sollte als sprachliche Verrenkungen zu erfinden.

Deswegen steht auch in dem von dir zitierten „wäre“ korrekt.

Das Problem ist doch, dass bestimmte Vorstellungen (Sexismus, Rassismus, usw.) unterbewusst verankert sind. Wenn wir uns drauf einigen können, dass alle Menschen gleiche Chancen haben sollten, dann ist doch die Frage, wie wir diese unterbewussten Vorstellungen, die unsere Entscheidungen maßgeblich beeinflussen können, loswerden sollen.
Ich halte es für unmöglich, dass das so einfach geht, indem man sagt „Jedes Mal, wenn Du eine männliche Form verwendest, ruf dir ins Gedächtnis, dass das auch für Frauen gilt.“ So funktioniert unser Gehirn nicht und es ist unmöglich, sich alleine Unterbewusstes bewusst zu machen.

Vielleicht könnte man das Gendern weniger als Schikane oder moralische Pflicht darstellen, und viel mehr als eine Hilfe, unsere unterbewussten Fehlschlüsse bewusst zu machen und in möglichst vielen Fällen so weit wie möglich zu eliminieren?

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Ich bin für das Gendern um die Bilder, die im Kopf der Zuhörenden entstehen, weil wir (noch) in einer ungleichen Umgebung leben, nicht zu befördern. Es gibt eben z.B. (noch) mehr männliche Ärzte und mehr weibliche Pflegerinnen, so dass bei einem Satz wie „Spricht der Arzt mit der Pflegekraft“ die meisten von uns vermutlich nicht sehen, wie eine Frau mit einem Mann spricht, sondern umgekehrt. Das große Übergewicht ist aus meiner Sicht nicht naturgegeben.

Mir ist in der Lage aufgefallen, dass vor allem Philipp immer wieder auch bewusst nur die männliche Form benutzt, mit dem Zusatz: " sind ja in dem Fall nur Männer". Ich würde mir wünschen dass gerade in solchen Fällen unbedingt eine genderneutrale Formulierung gewählt werden sollte! Zum Beispiel in der aktuellen Lage wenn es um die Kandidierenden für den CDU-Vorsitz geht. Es wird über „die drei Bewerber für den potentiellen neuen Vorsitzenden gesprochen“, sind ja nur Männer. Und nicht über „die drei Personen, die sich für den Posten des CDU-Vorsitzes bewerben“ oder wie auch immer man es formulieren will. Natürlich nicht, welche Frau hätte denn Lust sich in so einer Männerriege zu engagieren…

Nur ein Beispiel, es ist mir öfter aufgefallen, und ich fände es gut wenn hier konsequenter geschlechterneutrale Formen genutzt werden würden.

Danke ansonsten für die meist ausgewogene Formulierung!

Wirklich - auch wenn es im konkreten Fall nicht zutrifft?

So hört es jeder anders.
Ich hörte darin eine Spitze gegen die CDU, es ist ja Fakt, dass es nur Männer sind.
Und da wurde das noch mal schön herausgestrichen.

Eine weibliche Bewerberin scheiterte übrigens an ihrem eigenen Kreisverband mit dem Argument, sie sei nicht vernetzt genug.
Mit anderen Worten: anscheinend muss ein CDU-Vorsitzender zwingend jemand sein, der im Hintergrund Strippen zieht (über Hinterzimmer-Vereinbarungen sollte man sich dann aber nicht aufregen).

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Ich finde, das Gegenteil ist der Fall. Die Formulierung weist ja gerade drauf hin, dass es auch Frauen sein könnten, aber (leider) nicht sind.

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Man kann gerne darauf eingehen dass die CDU scheinbar nicht in der Lage ist, Frauen für den Posten zu finden und entsprechend zu fördern, bei einer Partei von 400000 Mitgliedern schon ein Kunststück. Mindestens sollte im Beispiel aber nicht vom „Vorsitzenden“ gesprochen werden, wenn der Posten noch zu vergeben ist, und sich potentiell noch Frauen darauf bewerben können. Aber ich habe jetzt auch nicht nochmal nachgehört wie es wortwörtlich formuliert war.

Hallo,
ich finde die Debatte auch wichtig, aber ich finde es schade das selten (oder ich habe es bisher verpasst) diskutiert wird ob wir den richtigen weg eingeschlagen haben. Das *innen stört ja die meisten weil es sich umständlich anhört aber nur die männliche formt und ‚‚mitgemeint‘‘ stört auch viele. Aber ‚‚mitgemeint‘‘ stört doch nur weil es eigentlich eine weibliche Form gibt. Wenn es nur eine Form gäbe, wie im englischen dann wären wirklich alle gemeint. Das macht in der englischen Sprache so unglaublich vieles einfacher. Und das ist ein Problem was man ändern kann. Norwegen und Schweden sind genau diesen Weg gegegane. Die weibliche Form ist quasi abgeschafft und die männliche ist deshalb jetzt neutral. (ich ahbe leider nicht viele gefunden, aber hier ist ein link Gendering im Schwedischen | GfdS). Die Ffrage ist doch warum es denn so wichtig is immer genau zu definieren ob es eine Gruppe von männlichen oder weiblichen Personen ist, gibts im Englischen auch nicht (und wie gesagt viel einfacher).
Das wäre doch auch eine Lösung ohnen Debatten ob *innen die Sprache stört und alle sind immer gemeint.

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Gib mal in der Suchfunktion ( Lupe) den Begriff „gender“ ein. Du wirst eine Menge an Beiträgen dazu finden.
Dein schwedischer Vorschlag kam da auch schon vor😉