Genderdiskussion LdN 375

Vielen Dank für die Folge und den Diskurs mit Martin Vogt. Viele Positionen der VDU (Mod: CDU?)triggern mich immer wieder und es war unterstützend diese durch euch kontextualisiert, widerlegt oder differenzierter dargestellt zu bekommen. Ich schätze Diskurs und Dialog, als Formate die neben einer Abgrenzung auch zu einem größeren Bild beitragen und Potenzial für Zusammenkommen bieten. Meiner Meinung nach seit ihr sehr konstruktiv mit dem teilweise sehr politischen Sprech umgegangen, einige Kritikpunkte sind im Forum bereits aufgegriffen worden.

Ich würde gerne noch ergänzen: Dass ihr auf das Genderverbot eingegangen seid finde ich sehr wichtig, da das Gesetz gravierende Folgen hat und ich die Sorge habe, dass es potenziell auch als Vorbild für weitere Verbotsgesetze in ähnliche Richtung dienen kann.

Ich hätte es hier wichtig gefunden nach dem Prinzip des Aufzeigens der Lüge nach Relativierungsversuchen durch Herrn Vogt das Gesetz als Verbot nochmal deutlich herauszuheben.
Ebenfalls wäre es wichtig gewesen das Narrativ auszuhebeln, dass Verwaltungen sich an offizielle Vorgaben halten müssen, da es ja gerade darum ging, dass diese Vorgaben verschärft wurden.
Das Narrativ des gesunden Menschenverstandes finde ich in diesem Zusammenhang ebenfalls kritisch, da Studien belegen, dass Sprache Realität schafft und damit wäre gendern die Maßnahme des Menschenverstandes und keine individuelle Propaganda, ganz im Gegensatz zum Erhalt der Sprache, einem wandelbaren Konstrukt. Diese Vorstellung ist ein ebenso unrealistischer Wunsch, wie derjenige Migration eindämmen und komplett selektieren zu können.
Anschliessend finde ich es wichtig gendern als kein Minderheitenthema zu begreifen. Weibliche und nonbinäre Menschen bilden die Mehrheit der Gesellschaft, die bisher sprachlich vor allem implizit auftaucht und damit marginalisiert (an den Rand gedrängt) sind.

Mit diesen einfachen Argumenten kann die Genderdiskurs meiner Meinung nach in ein ganz anderes Licht gerückt werden. Ganz abgesehen von dem Argument, dass Studien belegen, dass Gesellschaften bessergestellt und gesünder sind, je weiter vorangeschritten die Geschlechtergerechtigkeit, sowie die Stärkung anderer marginalisiert Gruppen, ist.

Danke für eure Arbeit, gerne weiter so! :clap:

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Hallo Tanjaja

Aussage LdN (29:08): „Es gibt selbstverständlich keine Pflichten zum Gendern“

Das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Michael Sachs vom 14. Juli 2021 im Auftrag der Universität Kassel schreibt als Handlungsempfehlung für Lehrende und Prüfer*innen: „Wie oben erwähnt, steht es Ihnen frei, die Verwendung geschlechtergerechter Sprache als ein Kriterium bei der Bewertung von Prüfungsleistungen heranzuziehen.” Es ist somit in einem Rechtsgutachten festgestellt, dass im Kontext der Lehre Pflichten geben kann. [1]

Interessanterweise gibt es auch ein Merkblatt vom Landesministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg (Beschlossen am 13.10.2009): „Generalklauseln“, in denen ausgeführt wird, dass Frauen zwar mit gemeint sind, aus Gründen der Lesbarkeit eines Textes auf die weibliche Form jedoch verzichtet wird, sind nicht geschlechtergerecht und sollten daher nicht verwendet werden” [2]. Ein Umstand der mindestens als kleiner Zwang zu verstehen ist.

Darüber hinaus wird das Gendern von einer Mehrheit in Deutschland ablehnt, genau wie das Thema an sich, egal von welchem Forschungsinstitut dies durchgeführt wird [3] [4]. Insbesondere in Thüringen hat die eine Umfrage ergeben, dass ein Verbot von Genderzeichen an Schulen von 85% befürwortet wird [5].

Spannend, es gibt Sprachen, die von Natur aus Geschlechtergerecht bzw. -neutral sind. Dazu zählen in Europa bspw. Estnisch, Finnisch, Türkisch und Ungarisch. Diese korrelieren nicht mit dem Feminismus bzw. allgemeiner Geschlechtergerechtigkeit. Somit bleibt meiner Meinung nach aus, hierbei substanziell die Situation für Frauen und nicht-binären Menschen zu verbessern bzw. eine Realität zu schaffen, die „gerechter“ ist.

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Außerdem sollte hervorgehoben werden, dass lediglich das Gendersonderzeichen, wie das Binnen-I, das Asterisks(*), der Doppelpunkt(:slight_smile: und der Unterstrich(_) im Wort als Variante untersagt werden (im Amtssprachgebrauch). Das bedeutet nicht, dass die Verkürzte Beidnennung (die Studierenden), die neutrale Form (Menschen die Studieren), sowie die Ausführliche Beidnennung (Studentinnen und Studenten) untersagt wären.
Bei den Sonderzeichen gibt es zwei besonders große Herausforderungen: Deutsch als Fremdsprache [6][7][8][9] und Barrierefreiheit (Leichte Sprache [10] und Sehbehinderte [11][12][13]). Es geht somit vereinfacht gesagt um einen Interessensausgleich zwischen Minderheiten (nicht-binär) gegen Menschen mit Behinderung und Migranten. Ich selbst verstehe nicht - und habe im Diskurs auch nicht verstanden - wieso nicht-binäre Menschen sich in der Plural oder neutralen Form nicht wiederfinden können, bzw. sich als nicht genügend repräsentiert verstanden wissen. Für alle die dies nicht glauben wollen und über einen Computer mit Windows 10 oder 11 verfügen, einfach einmal in die Windowssuche „Sprachausgabe“ eingeben und aktivieren und sich den einen mit Gendersonderzeichen versehenen Text vorlesen lassen bspw. [14].

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Hier der Quellennachweis:
Quellen

[1] https://www.uni-kassel.de/uni/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=13079&token=3fde7f66864c43782bdc1734555176f75458e584

[2] https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-sm/intern/downloads/Downloads_Gleichstellung/Merkblatt_Verwendung-geschlechtergerechte-Sprache.pdf

[3] Umfragen & Analysen ‹ Infratest dimap

[4] Gendern: Relevanz von geschlechtergerechter Sprache 2023 | Statista

[5] Meinungsbarometer MDRfragt: Mehrheit findet Verbot von Genderzeichen an Schulen richtig | MDR.DE

[6] Keine größere Hürde als... | bpb.de
[7] Hürde beim Deutschlernen: Gendern ist kniffelig für Migrantinnen und Migranten | News4teachers
[8] https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/76058/ssoar-2021-stark-Gendergerechte_Sprache_im_DaZDaF-Unterricht_Bewertung.pdf
[9] Krome, Sabine (2020): Zwischen gesellschaftlichem Diskurs und Rechtschreibnormierung. Geschlechtergerechte Schreibung als Herausforderung für gelungene Textrealisation. In: Der Sprachdienst 64 (1-2), 31-45
[10] Gendern in Leichter Sprache – eine Anleitung
[11] Gendern - Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.
[12] Barrierefrei gendern: Was soll ich beachten?
[13] Gendergerechte Sprache mit Screenreader - Screenreader - Studium - Philipps-Universität Marburg
[14] „Ärztys“ statt „Ärzt*innen“: Ein Sprachwissenschaftler will das Gendern verändern

Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov, welche im März 2023 in Deutschland durchgeführt wurde, erachteten rund 47 Prozent der befragten Frauen geschlechtergerechte Sprache, sogenanntes Gendern, als sehr unwichtig. Unter den befragten Männern waren derweil rund 54 Prozent ebenfalls dieser Meinung.

Wer nicht dafür ist ist dagegen?
Interessant, dass es einer Mehrheit der Frauen dann doch nicht so egal ist. Da fällt mir eine andere Umfrage ein:
9 von 10 gaben zu Protokoll, dass Mobbing kein Problem sei. Die zehnte war das Opfer.

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Ein Balkendiagramm der Ergebnisse relativiert deine Polemik.

68% der Frauen bzw. 71% der Männer halten gendergerechte für mehr oder minder unwichtig. 24% der Männer bzw. 23% der Frauen finden es mehr oder minder wichtig. Das sieht doch ganz anders aus als die von dir zitierten 47%/54%.

Ich bin ganz klar nicht gegen Gendern, aber die krasse Verkürzung von Statistiken, um einen Eindruck zu verändern, halt ich für sehr kritisch.

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Mehr als mein Zitat hatte der Link ohne 400€-Account nicht zu bieten.
Aber ich halte es trotzdem nicht als Polemik, sondern für die falsche Frage.
Wenn ich frage: finden sie es wichtig, dass deutsche Sätze ein Verb enthalten und Ergebnisse kommen wie:
25% sehr unwichtig
40% eher unwichtig
20% eher wichtig
10% sehr wichtig
5% was ist ein Verb?
kann ich doch nicht die Schlagzeile setzen: Mehrheit gegen Verben in deutschen Sätzen.

Wenn es um gendern geht, dann lieber Dinge wie das hier:

https://journals.sagepub.com/doi/epub/10.1177/0261927X221080181

Und da sieht man dann eindeutig:
Die maskuline Form stört den Lesefluss am wenigsten, aber wird, auch wenn man weiß, dass sie als neutrale Form verwendet wird, trotzdem stark mit Männern assoziiert. Frauen fallen hinten runter.
Der Gender-Stern stört den Lesefluss wesentlich mehr und führt zu leicht weiblichem bias. Dennoch war über beide Geschlechter hinweg die korrekte Assoziation größer als wenn nur die männliche Form verwendet wurde.
Das nennen der männlichen Form mit nachfolgender weiblicher Form erzielte die besten Ergebnisse, das nennen der weiblichen Form zuerst war knapp dahinter.
Man sieht also, dass gendern immer besser ist.
Man sieht außerdem, dass die ungewohnten Schreibweisen dem Lesefluss nicht zuträglich sind und ungewohnte Schreibweisen einen leicht weiblichen Bias haben, gleichzeitig über beide Geschlechter hinweg aber zu besseren Ergebnissen führen. (Also aus Sicht des Leseflusses lieber Liebe Freundinnen und Freunde statt Liebe Freunde und Freundinnen oder Liebe Freund*innen, aus Sicht der Neutralität den Lesefluss etwas stören)
Aber das wird besser werden, je gewohnter sie geworden sind. Das merkt man auch im Gespräch mit jungen Leuten, bei denen das in den üblichen Sprachgebrauch übergegangen ist und denen eine staatliche Genderpolizei das nun verbieten möchte.

Edit: Verb aus Schlagzeile entfernt
Edit2: Ergebnisse präzisiert

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Es gibt seit etlichen Jahren Studien, die belegen, dass die Nennung beider Geschlechter z.B. bei Berufen die Vorstellungen von Grundschulkindern beeinflusst: „Typisch männliche“ Berufe werden als erreichbarer eingeschätzt, die üblichen Stereotype aufgebrochen. Siehe z.B. hier.

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Wenn ich mir die Studie anschaue ist aufbruch etwas hochgegriffen wenn ich die Zahlen richtig deute. Aber es ist ein Baustein von vielen. Was hierdurch jedoch scheinbar nicht erreicht wird, ist das mehr Jungen in typische „Frauenberufe“ kommen. Zumindest sehe ich das nicht in der Studie. Heißt in Zukunft werden wir gerade in dem Segment noch mehr Probleme bekommen. Was nicht heißt das man dir Mädchen dafür in diese Berufe drängen sollte. Aber der Aspekt muss mit berücksichtigt werden.

Da spielen noch andere Dinge rein.
Kinderbetreuung ist oft noch Teilzeit, das schreckt viele Männer ab. In der Pflege ist es die Vorstellung eine fremde Frau an intimen Stellen zu berühren. Tatsächlich beruht das auf Gegenseitigkeit, während Männer meist es angenehmer finden, wenn eine Frau das macht als ein Mann.
Und die Aussicht auf schlechte Bezahlung - etwas das so pauschal gar nicht mehr stimmt.
Auch Hebammenberufe werden nun teilweise von Männern erlernt. Aber auch hier wird viel Überzeugungsarbeit bei den zukünftigen Müttern geleistet werden.

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vorab: ich möchte mich mit dem Beitrag in der Genderdebatte inhaltlich nicht festlegen.

Es ist natürlich erstmal nicht ganz klar, was „Sprache schafft Realität“ heißt und ich möchte Tanjaja nichts in den Mund legen. Wenn es heißen soll, dass unsere Muttersprache unser Denken / unsere Wahrnehmung etc. bestimmt, dann ist das die sog. Sapir-Whorf-These, die jedenfalls in starken Formen (Sprache determiniert / limitiert unsere Weltsicht) wohl falsch ist. Für schwächere Formen der These gibt es empirische Evidenz - meines Wissens nach auch umstritten.

Unzweifelhaft unrichtig ist der Kurzschluss von einer solchen oder ähnlichen These zu der These, dass Gendern geboten ist. Es gibt natürlich Wege von der einen zur anderen These. Automatisch funktioniert da allerdings nichts. Man braucht einen Haufen weiterer Prämissen (es geht ja sogar um einen Schluss von einer deskriptiven auf eine normativen These!).

VG Jakob

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Auch das schafft Realität oder beschreibt zumindest eine Realität und hilft damit, sie zu zementieren.

Interessant, dass im traditionellen GB mother-tongue vorne liegt und im modern geprägten USA native language.
„Mother Tongue“ vs. „Native Language“ - Difference Explained (grammarhow.com)

Naja, selbst gesetzt der Prämisse, Sprache schaffe gar keine Realität, würde ich zu Bedenken geben, dass der Diskurs um gendergerechte Sprache sehr wohl kulturprägend sein kann. (Meines Erachtens auch ist.) Wenn ein Herr Voigt im Wahlkampf Punkte damit zu machen hofft, das Thema regelmäßig in seiner beschränkten Interviewzeit zu platziert, dann lässt das Rückschlüsse auf die angenenomme Bedeutung des Themas zu. Oder mutmaßlichen sogar eher noch für das gesellschaftliche Thema, für welches das Gendern bei der Zielgruppe symbolisch steht. (Was auch immer das sein mag.)

Man sollte aufpassen, dass man nicht praktische Probleme wie unangepasste Text to Speech Software vermischt mit der Pseudobesorgnis rechter Kulturkämpfer. Ich denke für Erstere würden sich schnell Lösungen finden lassen, wohingegen letztere ja von der Aufrechterhaltung des Konflikts profitieren.

Ich finde der Kommentar springt doch recht schnell von einer These zur nächsten. Ein Beispiel greife ich hier mal auf:

Dass ihr auf das Genderverbot eingegangen seid finde ich sehr wichtig, da das Gesetz gravierende Folgen hat und ich die Sorge habe, dass es potenziell auch als Vorbild für weitere Verbotsgesetze in ähnliche Richtung dienen kann.

[…] Gegensatz zum Erhalt der Sprache, einem wandelbaren Konstrukt. Diese Vorstellung ist ein ebenso unrealistischer Wunsch, wie derjenige Migration eindämmen und komplett selektieren zu können.

Die beiden Aussagen stehen in meinen Augen mindestens in Spannung zueinander. Die erste enthält die Befürchtung, dass es mehr Gesetze geben wird, die die Sprachpraxis in Richtung „Nicht-Gendern“ beeinflussen. Die zweite bringt zum Ausdruck, dass Sprache wandelbar und deshalb nicht reglementierbar sei (ich interpretiere die Aussage mal so, dass sie für den gegenwärtigen Kontext Sinn ergibt: der Wandel hin zum Gendern ist nicht abwendbar).

Mal abgesehen von der normativen Frage, ob man nun gendern sollte oder nicht (bin da selbst unentschieden): Wenn sich etwa in der Genderdiskussion die Seite durchsetzt, die gegens Gendern ist, und infolgedessen die meisten Menschen das Gendern drangeben, dann hat sich die Sprache in der hier relevanten Hinsicht gerade nicht geändert (oder wieder zurückverändert - wie mans nimmt). Die These, dass Sprache wandelbar ist, impliziert doch, dass sie (sofern nicht bestimmte Wandlungen ausgeschlossen werden) sich wandeln kann, und zwar zum Gendern hin oder weg davon. Und wohin sie sich nun verändert, wird wohl maßgeblich von der ums Gendern geführten Debatte abhängen. Kurz: Aus dem Umstand, dass Sprache wandelbar ist, zu folgern, dass ein bestimmter sprachlicher Wandel unaufhaltsam ist, ist denke ich falsch. Mir geht das oft einfach zu schnell: Nur weil man x toll findet, sollte man nicht behaupten, dass x unabwendbar ist.

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Wandel wird selten von den Älteren herbeigeführt.
Leider wird aber Politik von denen bestimmt.
Politik steht also dem Wandel in der Bevölkerung immer diametral gegenüber. Das zeigte sich in den Studentenprotesten, bei Abtreibungsdebatten und zeigt sich in der Genderdiskussion.
Leider gibt es für Politiker auch keine Motivation, sich jungen Wählern anzubiedern und über den eigenen Tellerrand zu schauen. Je mehr die Wähler im Schnitt älter werden desto weniger.

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Danke für deinen Hinweis bzgl. der Universität Kassel. Mir sind auch mehrere Fälle von Studierender geisteswissenschaftlicher Fächer bekannt, denen eine schlechtere Benotung prophezeit wurde für den Fall, dass nicht gegendert wird. Also wenn das nicht mindestens ein indirekter Zwang ist?

Ich selbst habe auch einmal in einer Stiftung gearbeitet, die ausschließlich von Steuergeldern finanziert wird und auch dort gab es einen Genderleitfaden, den man zu berücksichtigen hatte. Ich hätte wohl kaum eine Abmahnung für eine nicht gegenderte Mail bekommen, aber offizielle Berichte bspw. konnten ungegendert nicht veröffentlich werden. Nicht, dass ich etwas gegen gegenderte (wissenschaftliche) Texte habe, aber die Aussage, der Lage-Hosts, dass es von staatlicher Seite nirgendwo „Gender-Zwänge“ geben würde, ist so nicht richtig.

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Weder die von dir beschriebene Drohung einer Lehrperson an einer staatlichen Hochschule noch die Sprachregelung der aus staatlichen Mitteln finanzierten Stiftung sind staatliches Handeln.
Zum ersten Fall: Ich habe schon oft Gerüchte über solche Drohungen gehört - an Universitäten, aber auch an Schulen, es war sogar von Erlassen die Rede. Allerdings gab es auf Nachfrage niemals schriftliche Belege und in mehreren Fällen gaben die Leute, die das Gerücht weitergetragen haben, später zu, dass sie es entweder selber nur gehört hatten oder dass es sich in Wirklichkeit um eine Empfehlung oder eine Erwartung handelte, aber eben nicht um eine Sanktionierung von abweichendem Verhalten.
Auch bei der Stiftung ist die Frage, welche (arbeitsrechtlichen) Sanktionen es tatsächlich gegeben hätte. Bei eine Mail sagst du ja selber: Keine. Und wie die Stiftung nach außen auftritt - zum Beispiel in Studien oder Publikationen, ist ja eine operative - und letztlich natürlich auch politische - Entscheidung der verantwortlichen Personen und Gremien. Das ist weder etwas Ungewöhnliches, noch auf Genderschreibweisen beschränkt. Dasselbe gilt für die Erwartung, dass sich Mitarbeiter nach solchen Entscheidungen einer Organisation auch richten.

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Der Punkt kommt in der Diskussion immer viel zu kurz. Ich bin mit einer Ausländerin verheiratet, die das Thema wirklich nachvollziehen kann, es aber in ihrem Deutsch niemals unterbringen könnte und auch nicht wüsste, wie sie sowas beibringen soll, da es in keiner Lektüre gelehrt wurde. Wir haben in Deutschland sowieso schon eine enorm schwierig zu erlernende Sprache. Können die Nachteile, wenn man diese Sprache mit Mitteln wie Sternchen, Doppelpunkt oder unterstrich nun noch schwieriger macht, einfach ignoriert werden? Zumal beim Gendern, so wie die Moderatoren der Lage es sagten, sowieso wirklich jeder sein eigenes Ding macht. Das ist ein Durcheinander erster Güte, das für Außenstehende non-natives überhaupt nicht zu begreifen ist.

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Sehr schönes plastisches Beispiel zum Thema Gendern:

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Lieber Ulf, lieber Phillip,

ganz gleich, wie man zum Thema Gendern steht, ihr sprecht immer wieder an, dass es in Deutschland keine Pflicht zum Gendern gibt. Insbesondere im Interview mit Herrn Vogt.

Auf den privaten Bereich trifft dies tatsächlich zu. Die inzwischen geplanten und bereits beschlossenen Genderverbote drehen sich aber nicht um das Gespräch zu Hause sondern um beruflichen und amtlichen Kontext. In diesem Kontext gibt es aber oft sogar die direkte Pflicht zu gendern.

Ich arbeite in einem gemeinnützigen Umweltinstitut das zu 90% aus Drittmitteln, also Aufträgen der öffentlichen Hand (Sowohl Bund, als auch Länder und Kommunen) finanziert wird. Hier herrscht inzwischen ein regelrechter Wildwuchs an Gendervorgaben. Inzwischen müssen wir bei jedem Antrag genau prüfen, welche Art von Gendern gefordert wird und unsere oft 200 Seiten langen Förderanträge nach den bestimmten Vorgaben des jeweiligen Projektträgers gendern.

Das ist besonders müßig, da sich die Vorgaben auch regelmäßig ändern. Der Genderstern ist nicht barrierefrei, der Doppelpunkt schließt nicht alle mit ein, usw. Je nach bestimmter Vorgabe gendern wir also den einen Antrag so, den anderen so.

Kürzlich erhielten wir einen Antrag mit der Bitte zurück, aus allen Gendersternen die männliche und weibliche Form zu machen (also Lehrer und Lehrerinnen), da sich die Gendervorgaben geändert hätten (die Ausschreibung wurde von der Union übernommen).

Zum einen ist es müßig, nicht eine einheitliche Form des Genderns verwenden zu können, sondern von Projektträger zu Projektträger unterschiedliche Arten zu verwenden, zum anderen wird hiermit aber auch belegt, dass es im beruflichen Kontext sehr wohl die Pflicht zu gendern gibt. In unserem Institut gibt es inzwischen eine einheitliche Regel: Alle Mitarbeitende haben in Texten mit dem Stern (*) zu gendern.

Für Menschen, deren hauptberufliche Tätigkeit das Schreiben ist, kann dies als sehr störend empfunden werden. Klar, ich muss mich auch nach der deutschen Rechtschreibung richten und darf nicht einfach Satzzeichen verwenden, wie ich sie möchte. Nichtsdestotrotz: Das Gendern wird von vielen Menschen als politisch und emotional aufgeladen empfunden. Es wäre glaube ich im Sinne aller Menschen, wenn gendern weder vorgeschrieben, noch verboten wird. Sowohl im beruflichen, wie auch privaten Kontext. Denn genauso, wie das Verbot in Bayern unsinnig ist, so ist auch die Vorgabe, wie ich zu gendern habe, um öffentliche Förderung zu bekommen unsinnig, insbesondere, wenn ich Förderung im Naturschutz beantrage, also ein Thema, was nicht wirklich mit gendern zusammenhängt.

Auch wenn ihr in eurem Alltag nicht zum gendern gezwungen werdet, ich werde es jeden Tag. Ich gendere sogar in meiner Freizeit, denn ich hab damit wirklich kein Problem. Einige meiner Kolleg*innen aber schon. Und die finden dann das Verbot in Bayern wiederum ne richtige Sache. So schafft man Fronten, wo keine sein müssten.

Liebe Grüße

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