Gelingende Integration in den Arbeitsmarkt

Einerseits beklagen wir den Fachkräftemangel in Deutschland. Andererseits möchten wir weniger Migration, weil diese Menschen sich angeblich in einer sozialen Hängematte ausruhen und nicht arbeiten wollen.

Lösungen die genannt werden sind 6-Tage Woche (Söder), mehr Überstunden (Lindner), mehr Vollzeit-Berufstätigkeit von Paaren (Linnemann).

Dann liest man aber auch sowas:

Als Hürde hier: Migranten mit nur geringer Grundbildung.

Heute Gespräch mit einem NRW-Jobcenter Mitarbeiter gehabt (Großstadt). Ein Drittel der Leistungsbezieher (u.a. Bürgergeld) hat weder Schul- noch Berufsabschluss. Ein weiteres Drittel keinen Berufsabschluss.

Lösungsvorschlag hier (u.a. CDU): die Kürzung des Bürgergeldes, um Menschen im Bürgergeldbezug zur Arbeit zu motivieren.

Arbeitgeber sind übrigens auf der Suche nach „Fach“-Kräften.

Großes Vermittlungshemmnis speziell bei Alleinerziehenden (auch Ukraine) sei fehlende Kinderbetreuung, fehlende Deutschkurse und Qualifizierungen.

Jobcenter und Arbeitsagentur sagen sie setzen voll auf Qualifizierung, wissen aber nicht was sie 2025 an Finanzen haben, es wird dort mit Einsparungen gerechnet.

Zum Thema Kinderbetreuung gibt es gesetzliche Ansprüche. Aber keine ausreichende Zahl Plätze.
Die Schulen kämpfen mit Lehrermangel, halbgarer Digitalisierung und maroder Infrastruktur.

Lösung der Politik (Ampel): Abordnungen von Lehrkräften, die Erhöhung von lehrerplanstellen.

Sehe ich das jetzt zu kritisch und habe zuwenig Fantasie?

Oder passen Probleme und Lösungen nicht so wirklich zueinander?

Was meint ihr?

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Ich habe diese Berichte über die Studie der OECD auch mit Interesse verfolgt.

Beim Thema Migration lässt sich ja erstmal festhalten, dass die deutsche Migrations-„Politik“ inzwischen praktisch ausschließlich ein panischer Schnellschuss als Reaktion auf die fremdenfeindliche und identitäre Verunsicherung von ca. 25% der Wähler darstellt. Mit einer überlegten, abwägenden und auf Fakten aufbauenden Antwort auf äußere Entwicklungen und nationale Bedürfnisse hat das nichts mehr zu tun.

Fakt ist, das Deutschland sowohl hoch ausgebildete Fachkräfte, als auch zunehmend Facharbeiter (Schweisser, Pflegekräfte, etc.) braucht. Im internationalen Wettbewerb um alle diese Kräfte stehen wir aber schlecht dar, denn die treffen anderswo auf geringere Sprachbarrieren, weniger Bürokratie und Rassismus und bessere existierende kulturelle Netzwerke. Nicht alle diese Probleme kann man vollständig bzw. schnell lösen (z.B. Sprache).

Logisch wäre also, in den Pool der sowieso vorhandenen Einwanderer mit sehr niedrigen Bildungsabschlüssen zu investieren und diese über 5-10 Jahre gezielt zu fördern und auszubilden. Leider sind diese Leute nach der (ohne jeden Beleg vorgebrachten) Meinung der AfD, CDSU, FDP, BSW und Teilen der SPD aber alles arbeitsunwillige Schmarotzer und müssen darum möglichst am Arbeiten gehindert werden (hä?) damit man sie möglichst schnell wieder in ihre Heimat- oder Transitländer zurückschieben kann :person_facepalming: .

Das selbe mit den Bürgergeldempfängern: „The beatings will continue until morale improves“ scheint das unironische Motto vieler Politiker zu sein.

Also ja: der Ganze Komplex macht hinten und vorne keinen Sinn und weite Teile der politischen Klasse und laute Teile der Bevölkerung haben jede Fähigkeit zum rationalen Denken und Handeln in dem Bereich an der Garderobe abgegeben.

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Beispiel berufliche Bildung. Offenbar ja ein Schlüsselelement für eine erfolgversprechende Integration.

(es sei denn wir wollen eine Zwei-klassen-Gesellschaft mit Niedriglöhnern, auf die man herabblicken kann).

Es gibt im Bildungsbereich (insbesondere SGB II/III mit Bildungsgutschein) den B-DKS, den Bundesdurchschnittskostensatz. Da werden die Kostensätze und -korridore festgesetzt (nach welchen kriterien ist allerdings völlig intransparent).

Eine Umschulung zum Bürokaufmann bekam 2022 6,68€ pro Stunde und TN; in 2023 gab es 7,38€, jetzt zum ersten Juli sinkt das auf 7,11€;
Ein Augenoptiker bekommt demnach nur noch den Schwellenwert von 7€;
Mit etwas Begründung kann man einen Mehrbedarf geltend machen (+25%); die Zertifizierung einer solchen Umschulung muss man sehr aufwändig und kostenträchtig beantragen, dafür auf 2 Jahre stundengenau nachweisen, wie man das zu tun gedenkt.

mal nur so aus Bildungsträgersicht…der ja Lehrpersonal bezahlen muss…und Räumlichkeiten…und dann noch regelmässig kostenträchtig auditiert und geprüft wird…da muss man echt gut rechnen.

Fördert die Qualität der Bildung nicht zwingend…

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Passend: Bügergeld für Ukrai­ne­r*in­nen: Was hindert euch? - taz.de

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Wir müssen endlich akzeptieren, dass Ausbildung und Eingliederung in den Arbeitsmarkt bei Menschen mit niedriger Bildung und/oder aus schwierigen sozialen, finanziellen, kulturellen oder gesundheitlichen Verhältnissen einfach viel kostet und ggf. auch mehr Geld erfordert als die Bildung derjenigen, die ohnehin weitgehend geräuschlos durch das Bildungssystem kommen. Also Förderung da, wo sie gebraucht wird, nicht nach Königsteiner Schlüssel mehr Geld für die Einrichtungen, die eh schon gute Ergebnisse erzielen. Keine Elitenförderung notwendig.
Und dann muss man eben auch mit Blick auf den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ertrag, den das bringt, aushalten, dass es ja ach so ungleich sei, wenn manche mehr Unterstützung dabei bekommen als andere (mit besseren Startbedingungen). So viel Pragmatismus sollte doch drin sein, trotz der allfälligen Gerechtigkeitsdebatten.

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Interessant bei der aktuellen Haushaltsdebatte: es gibt 5€ mehr Kindergeld im Monat, aber spannend wäre doch eher mehr Investitionen in Kinderbetreuung….

5€ mehr Kindergeld ist relativ wenig Geld in der Summe, und für die Kinderbetreuung sind ohnehin die Kommunen und nicht die Bundesregierung zuständig. Außerdem wird dann auch der Kinderfreibetrag erhöht und die FDP kann sich damit brüsten, die Steuern gesenkt zu haben.

Einen echten Unterschied würde wohl nur ein Bundeszuschuss an die Kommunen pro betreutes Kind bringen, aber das wäre richtig teuer (3,9 Millionen Kinder in Kitas) und ist mit der FDP kaum zu machen.

Welche Rolle spielen die Arbeitgeber bei einer gelingenden Integration?

Speziell bei gering qualifizierten Arbeitssuchenden?

Eine reguläre betriebliche Ausbildung (auch Umschulung) ist ja möglich, aber was ist mit zusätzlichem JobCoaching? Oder Deutsch lernen für Migranten? Das wird sich nur schwer im Arbeitsalltag mit leisten lassen.

Allerdings müssen ggf einige Arbeitgeber etwas von ihren hohen Anforderungen runter, und ggf etwas Eigenleistung mit einplanen.

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Eine Ehrenamtliche, die Ukrainer in Jobs vermittelt, sagte, dass selbst für einfache Arbeiten Ukrainerinnen ohne Deutsch C1 nicht genommen werden.

Soviel zum Thema „Man muss die einfach sofort arbeiten lassen, da lernen die schon deutsch“.
Das müssen die Arbeitgeber dann auch wollen und mitziehen.

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Meiner Erfahrung nach ist es in hoch qualifizierten Jobs in der Wirtschaft teilweise einfacher ohne oder mit wenig Kenntnissen der deutschen Sprache zu arbeiten.
Hintergrund ist einerseits Mangel an Arbeitskräften, Kollegen und Kunden sind der englischen Sprache ebenso mächtig etc.

Bei Tätigkeiten die weniger Qualifikation erfordern mag teilweise anders sein - insbesondere wenn Kundenkontakt besteht.

Die Putzkraft die Nachts Ordnung herstellt mag da anders sein, aber in Supermarkt, Gastronomie und Hotellerie werden Kunden deutsche Sprachkenntnisse erwarten (u.a. weil sie ggf. selbst nicht ganz sicher im englischen sind).

Dieser Umstand macht es vermutlich wenig qualifizierten Leuten mit begrenzten deutsch Kenntnissen doppelt schwer. Es gibt aber leider keine kurzfristigen Lösungen dafür.

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Ja, aber man kann auch die Fachsprache für den Beruf speziell lernen. Das dürfte nicht so lang dauern, parallel zum "normalen " Deutschkurs.

Heißt aber schon es braucht ausreichend Deutschkurse zumindest für Grundlagen.

Habe hier einige Ukrainer in der Beratung, die teils Monate darauf warten.

Zudem wollen Firmen von Fachkräften oft Zeugnisse. Ist grade für Ukrainer schwierig, da an Kopien von Unterlagen zu kommen.

Hier machen wir es oft auch kompliziert

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Exakt

Das ist das Problem, das es zu lösen gilt.

Allerdings scheint es da populistische Lösungen zu geben, die da mehr en vogue sind.

Das man konkrete Problemstellungen so ignoriert (oder daran resigniert?), finde ich bedenklich

Danke für den Link, das ist eine spannende Lektüre.

Fassen wir die Personen zusammen:

  1. Eine 32-jährige Journalistin aus Kyjiw und Mutter von drei Kindern, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflüchtet ist. Sie hat ihre Energie hauptsächlich in die Betreuung ihrer Kinder investiert und zunächst nicht nach einer dauerhaften Wohnung oder Arbeit gesucht, weil sie am Anfang dachte, dass der Krieg nach ein paar Monaten vorbei ist. Wohnt nun in Erwartung eines weiteren Kindes und mit dem demobilierten Ehemann in einer Ein-Zimmer-Wohnung, obwohl sie laut Wohnberechtigungsschein Anspruch auf eine 5-Zimmer-Wohnung hätten. Hauptproblem: Wohnungsmangel.

  2. Der Ehemann/Vater ebenjener Familie, ein ehemaliger Sportjournalist und TV-Kommentator, strebt eine Lehrtätigkeit in Deutschland an. Spricht Deutsch auf C1-Niveau, die Anerkennung hat aber ewig gedauert. Die bürokratischen Hürden und das langsame Anerkennungsverfahren hindern ihn daran, eine feste Beschäftigung zu finden. O-Ton: „Ich bin zur Passivität gezwungen, obwohl ich endlich arbeiten und meine Familie finanziell unabhängig machen möchte““. Hauptproblem: Anerkennung von Abschlüsse, Bürokratie

  3. Ein 33-jähriger Ingenieur, der in einem Ankunftszentrum in Tegel mehr als sieben Monate verbrachte, obwohl die Einrichtung nur für einen Aufenthalt von höchsten 72 Stunden ausgelegt ist. In den ersten drei Monaten waren die Behörden nicht in der Lage, seinen Schutzantrag zu prüfen. Während er wartete, befand er sich in einem unklaren Status – das heißt, er erhielt keine Leistungen, war nicht krankenversichert, konnte keinen Integrationskurs besuchen und sich keine Arbeit oder Wohnung suchen. Ausgebildeter Arbeitssicherheitsingenieur, also eine „Fachkraft“, aber die Anforderungen in Deutschland sind für diesen Beruf zu unterschiedlich. Hauptproblem: Langsame Verfahren, Nicht-Anerkennung von Abschlüssen.

  4. Eine alleinerziehende Mutter aus Awdijiwka mit pädagogischer und bibliothekarischer Ausbildung, die Schwierigkeiten hat, eine arbeitsplatznahe Stelle zu finden, da die meisten ihrer Qualifikationen Deutschkenntnisse auf C1-Niveau erfordern. Ihr aktuell geringeres Sprachniveau B1/B2 erschwert die Jobfindung. Hautproblem: Sprache

  5. Eine 57-jährige Großmutter und ehemalige Leiterin einer Kohlensortieranlage aus Pawlohrad, die trotz ihrer Berufserfahrung und Hochschulabschluss aufgrund ihres Alters und unzureichender Sprachkenntnisse Schwierigkeiten hat, eine Anstellung zu finden. Hauptproblem: Sprache und Altersdiskriminierung und ggf. ein Job, den es in Deutschland so kaum noch gibt.

Merke: Keinem dieser Menschen fehlt es an grundsätzlicher Motivation, viele haben sogar richtig „Bock auf Arbeit“, wie es mal jemand forderte, und sind dazu bereit, komplett umzuschulen.

Nun die Frage: Was würde es bringen, diesen Menschen das Bürgergeld wegzuziehen?

Etwas rausgezoomt würde ich konstatieren: Uns geht als Gesellschaft die Fähigkeit verloren, uns tatsächlich mit Problemen und den Menschen, die diese Probleme haben, auseinanderzusetzen. Und es gibt genug Menschen, die diesen Unmut ausnutzen, um uns mit vermeintlich einfachen Aussagen und Lösungen das schlechte Gefühl, das wir dabei haben, abzunehmen. Wenn ich nämlich den Ausländern (oder Arbeitslosen, oder oder oder) unterstelle, einfach zu faul zu sein, muss ich ja nichts tun.

Aber wir wollen auch immer mit Lösungsansätzen enden:

  • Förderung berufsnaher Praktika, insbesondere zur Vermittlung von Sprachkenntnissen
  • Entbürokratisierung der Anerkennung von Abschlüssen
  • Sprachkurse innerhalb kürzester Zeit nach Ankunft anbieten, auch wenn das Anerkennungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Vielleicht auch niederschwellig über Onlinekurse o.ä.
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Warum kann man die Leute nicht einfach zeigen lassen was sie in ihrem Beruf beherrschen ala Praktikum sondern besteht immer auf Zeugnissen?
Was ich vor 15 Jahren mal mir von der IHK Zertifizieren lassen habe ist doch inzwischen komplett überholt. Digitalisierung schreitet voran, Jobs ändern sich und viele Leute arbeiten auch nicht mehr genau in dem Beruf den sie mal gelernt haben.
Gleiches gilt mit Schulzeugnissen etc.
Diese Bürokratie is in einigen Teilen nicht relevant und man muss dennoch nicht nur die ganz niederen Dinge tun wie abends Büros putzen oder Regale einräumen.

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Es gibt da sicher schon Ansätze (wie das Valikom-Programm), aber letztlich zementieren manche Institutionen damit auch ihre Existenzberechtigung.

Die Behauptung, jemand kann nur mit einer IHK-Zulassung richtig Haare schneiden, wird sich wohl in der Praxis nur schwer halten lassen.

Letztlich landen wir wieder bei der klassischen Problematik.

  1. wir müssen Deutsch-Grundkurse organisieren, um Migranten überhaupt einen realistischen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Das leistet kein Arbeitgeber mal eben von 0 nebenbei.

  2. dann brauchen wir einen Check, welche Kenntnisse und Qualifikationen liegen vor (Deutsche wie Nicht-Deutsche), ggf lassen sich praktische Erfahrungen in Praktika überprüfen.

  3. daraufhin die Klärung, wer kann so direkt in den Arbeitsmarkt, ggf mit Teil-Anerkennung seiner Fähigkeiten.

  4. wer noch Qualifizierungsbedarf hat, braucht einen konkreten Qualifizierungsplan. Betriebliche Ausbildung (3-3,5 Jahre), schulische Ausbildung (2-3 Jahre), Umschulung überbetrieblich (2 Jahre) oder Teilqualifizierungen modularer Art. Dazu die nötigen Finanzierungen (Bildungsgutschein o.ä.)

Das wäre der staatlich-gesellschaftliche Part. Dazu braucht es die Bereitschaft der Arbeitgeber, konstruktiv und offen mitzugestalten und Menschen eine Chance zu geben.

(Der Punkt schulische Bildung ist hier noch völlig außen vor)

So kompliziert und unbezahlbar scheint mir das nicht zu sein, und so abwegig auch nicht.

Übersehe ich da was?

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Auch das ist neu: 3 Stunden Pendelzeit pro Tag ist nun geplant zumutbar. Auch von den Kosten her:

Das wäre in der Tat wünschenswert. Das tun auch ausländische Fachkräfte häufig. So zb bei den Ärzten. Da sind deutsche Chefärzte in Krankenhäusern, die ausländischen Ärzten eine hohe Qualifikation bescheinigen, aber das nutzt alles nichts, denn das alles muss von Behörden erst überprüft werden. Da warten dann diese ausländischen Ärzten mitunter 2 Jahre auf die Anerkennung und ein entsprechendes Gespräch mit der zuständigen Behörde.

Ein schönes Bespiel für unsere Bürokratie sind auch solche Fälle, wo Menschen aus dem Ausland einen Führerschein haben, den sie für den Job benötigen, der aber in Deutschland nicht anerkannt ist. Ein halbes Jahr dürfen diese Menschen dann aber trotzdem hier fahren, danach müssen sie den Führerschein hier neu erwerben. Was für ein Wahnsinn. Da würde doch eine einfache Fahrprüfung reichen.