Gehören RWE, E.ON und co zerschlagen/enteignet?

Die Frage im Titel beschäftigt mich, seit ich heute die Anstalt vom 04.10.22 gesehen habe.

Beide Unternehmen haben (zusammen) eine marktbeherrschende Stellung. [1][2]
RWE ist für die Deckung der Stromnachfrage häufig unverzichtbar, weshalb das Bundeskartellamt bei RWE von einer Markbeherrschung spricht. [5]

Übertragungsnetze sind ein natürliches Monopol und dürfen deshalb keinem Markteilnehmer gehören.
Die großen Konzerne RWE, Vattenfall und EON mussten deshalb ihre Netze verkaufen. Jeweils an Amprion, 50hertz und tennet.

EnBW hat ihre Netze an Transnet BW abgegeben.
Transnet BW ist aber eine 100% Tochter von EnBW. [3]

Und RWE gehören 25,1% von Amprion. [4]

Bei den Verteilungsnetzbetreibern sieht es sogar noch schlimmer aus: 56% davon sind in der Hand von E.ON [2].

Mit diesem Hintergrund stellt sich mir die Frage, ob wir RWE, E.ON und/oder andere enteignen/zerschlagen sollten.

Wo/Was sind die Hürden in Deutschland um einzelne Unternehmen mit markbeherrschender Stellung zu enteignen/zerschlagen?

Quellen:
[1] E.on und RWE: Gemeinsame Marktbeherrschung
[2] Der Eon/RWE-Deal: Marktbeherrschung und Shareholder Value-Politik mit behördlicher Zustimmung
[3] EnBW Geschäftsbericht
[4] Amprion Anteilseigner
[5] Bundeskartellamt: Wettbewerbsverhältnisse im Bereich der Erzeugung elektrischer Energie 2021

Die erste Frage, die wir uns stellen sollten, ist:
Was versprechen wir uns von einer Zerschlagung und/oder Enteignung?

Stromnetze zu betreiben könnte durchaus eine dieser Sachen sein, bei der „zu viele Köche den Brei verderben“, da es relativ komplex ist, die Netzstabilität zu erhalten. Das Maß an Kooperation, welches hier an verschiedenen Stellen nötig ist, kann bei zu vielen Beteiligten eher zu Problemen führen. Eine Zerschlagung halte ich daher eher für problematisch. Aus politischer Überzeugung bin ich eher der Meinung, dass derartige Netze, die natürliche Monopole darstellen, weil Doppelstrukturen keinen Sinn machen (Straßennetz, Stromnetz, Telefonnetz), grundsätzlich in Hand des Staates sein sollten.

Daher wäre ich eher für eine Enteignung / Verstaatlichung als für eine Zerschlagung.

Ob eine Verstaatlichung jedoch Sinn macht, hängt davon ab, ob wir davon ausgehen, dass der Staat (oder eine im staatlichen Besitz befindliche Verwaltungsfirma) die Netze besser verwalten kann. Der Blick auf das Bahn-Netz macht mich da skeptisch, da wir dort eine solche Struktur haben. Das ist letztlich der uralte Konflikt mit der Frage: Kann der Staat es besser als die Wirtschaft?

Gegen den Staat spricht, dass er jede Investition gegenüber dem Volk rechtfertigen muss und oft andere Dinge als wichtiger wahrgenommen werden, sodass nur das zwingend notwendige Minimum investiert wird, sodass die Infrastruktur langsam schlechter wird. Ein Unternehmen hingegen wird immer dann investieren, wenn es sich wirtschaftlichen Erfolg von der Investition verspricht, was im Negativfall dazu führen kann, dass weniger gewinnträchtige Regionen deutlich weniger bedacht werden als gewinnträchtige Regionen (was zu einem großen Gefälle von z.B. Stadt und Land führen kann). Das sind nur die größten Unterschiede, es gibt natürlich noch mehr.

Ob wir mit verstaatlichten Netzstrukturen letztlich besser dar stehen würden ist einfach schwer zu sagen.

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Zu dem Themenbereich (etwas weiter gefasst) gibt hier aus dem letzten Jahr noch eine Diskussion. Dazu habe ich damals etwas geschrieben, was ich hier auch gerne anbringe: Strommarkt wieder verstaatlichen? - #11 von BamChiller

Die beiden zentralen Absätze auch noch mal hier "Das bringt mich zu einem zentralen Punkt, der bei Strom sehr gut umgesetzt wurde. Die Regulierung der Netze ist da wesentlich besser gelöst worden. Die Netzbetreiber müssen ihr Netz so gut in Schuss halten, sonst gibt es weniger Geld. Dazu gibt es eine Anschlusspflicht, ich muss Haushalte also an das Netz anschließen und kann sie nicht einfach außen vor lassen. Das müsste man sich mal im Bahnnetz vorstellen, dass es eine Vorschrift gibt, dass es einen Ort gibt, der ein Netz bekommen muss und wenn er Bahn fahren will, dann auch ein Zug dahin fahren muss (klar ist das etwas vereinfacht, aber zeigt, dass es Lösungen für Probleme gibt, die auch einen privaten Betrieb nicht zu schlecht machen). Grundsätzlich kann das alles aber auch der Staat machen, nur finde ich gerade im Stromnetz die aktuelle Lösung für Verbrauchende wesentlich besser gelöst. Klar dürfen die privaten Betreiber (Verteilnetze sind auch ein Haufen Stadtwerke Gewinne machen, aber selbst da sind wiederum die Eigenkapitalzinsen vorgegeben, die Regulierung greift also bei Netzen sehr weit ein).

Zur Verstaatlichung der Erzeugungsseite. Das sehe ich aktuell ebenfalls kritisch, weil der Staat leider oft genug zeigt, dass er sobald er selber direkt verantwortlich ist, nicht schnell genug handelt. Ein super Beispiel ist der Kohleausstieg und die Verflechtung von Kommunen und RWE in NRW. Das ist kein Geheimnis, dass dort viel mehr Zeit als notwendig verstrichen ist und der Ausstieg viel später angesetzt wurde, weil die Kommunen finanziell davon profitiert haben und sich selber ungerne ins eigene Fleisch schneiden. Hier sehe ich den Vorteil, dass der Staat außen vor ist und die Regeln frei von seinen Verflechtungen setzen könnte. Insofern ist die Erzeugung für mich eher vergleichbar mit z.B. dem Automobilbau, wo der Staat gerade weil er Beteiligungen hat eher als Bremser auftritt denn als „Möglichmacher“ des notwendigen Wandels."

Ergänzend noch zur konkreten Frage. Was aus meiner Sicht stimmt, ist die Tatsache, dass in Deutschland das Unbundling besser umgesetzt werden könnte. Die Entflechtung von Markt und natürlichem Monopol könnte klarer getrennt sein. Also wirklich so, dass man keine Anteile an Netzen mehr haben darf. Das Problem hier ist nur, dass so vielen Stadtwerken dann der Netzbetrieb genommen wird (und das kommt politisch auch nicht so gut an in den Kommunen). Aus obigen Grund sehe ich die aktuelle Form der Regulierung aber Vorteilhaft gegenüber einer kompletten Verstaatlichung.

Kritischer dürfte es ggf. auf dem Erzeugungsmarkt werden. Hier hat das Kartellamt zuletzt erstmalig festgestellt, dass RWE eine marktbeherrschende Stellung haben könnte. Nicht aber allein wegen dem hohen Marktanteil, sondern weil es zu oft Zeitpunkte gibt, an denen es ohne RWE gar nicht mehr ginge. Das macht einen Unterschied, weil man RWE eventuell nicht komplett zerschlagen müsste, sondern er reicht gewisse Kraftwerkskapazitäten herauszulösen. Da hat aus meiner Sicht auch die Aufsicht bei der Genehmigung des Deals gepennt. Hier wären entsprechende Auflagen möglich gewesen, nach dem Motte ihr könnte das gerne machen, aber dann müsst ihr die Kraftwerke X, Y, und Z an andere Konkurrenzen verkaufen.

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Guten Morgen,

Zuerst so ein bisschen Grundlagen. Bis vor ein paar Jahren ( schon ein paar Mehr)gab es tatsächlich echte Monopole von RWE,Eon,Vattenfall,EnBW. Das heißt die gesamte Energiewirtschaft war in deren Hand. Und zwar nicht nur im Eigentum, sondern auch organisatorisch, Buchhalterisch etc. Dann kam die Strommarktliberalisierung. Damit einhergehend die sogenannten Unbundling-Maßnahmen, um sie Stromkonzerne auseinander zu zerren und Marktwirtschaft überhaupt zuzulassen. ([Was ist Unbundling? | Virtuelles Kraftwerk der EnBW].
Soweit so gut. Man hat nur nie ein sogenanntes Ownership-Unbundling durchgesetzt. Das bedeutet das die großen Vier immer noch die einzelnen Sparten besitzen dürfen. Das heißt Eon darf beispielsweise Anteil an einem Stromproduzent und einem Netzbetreiber haben.
Der Netzbetreiber darf dem Stromproduzent, aber im keinen Fall ein Vorteil ggü. anderen Marktnehmern geben, obwohl Sie das selbe Mutterunternehmen haben.

Nun jetzt zur Praxis und ein Transparenzhinweis:
Ich arbeite bei einem Verteilnetzbetreiber, welcher im Eigentum von Einen der vier Konzernen steht, in der Netzplanung.
Dort ist man unteranderem für die Planung von Netzanschlüssen zuständig(z.B EEG-Anlagen).
Hier ist es in der Tat so, dass es keine Übervorteilung von eigenen Unternehmen gibt. Es finde also hier eine Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer statt, genauso wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Generell sind wir als Netzbetreiber stark reguliert. Heißt unsere Aufgaben sind klar festgelegt und halt auch oft von politischen Vorgaben und Sachzwängen getrieben.

Nun zum Themen Vergesellschaftung von Netzbetreibern.
Meine Meinung dazu aus politischer Überzeugung: sehr gerne.
Aber ich vermute, dass sich an unserer Arbeitsweise kaum etwas ändern wird. Es wird ja so sein, dass der Eigentümer vom Privatkonzern auf den Staat übergeht. Dieser wird natürlich auch erstmal das komplette Personal etc. übernehmen, sowie natürlich alle Assets. Die Planungsgrundlagen, die Art wie Ich Netze betreibe und führe wird sich nicht ändern. Da wir halt schon so reguliert sind, dass es da wenig Spielraum gibt. (Man schaue sich allein schonmal die finanzielle Vergütung der Netzbetreiber an(AregV).
Das einzige was wegfallen würde wäre das Einstreichen von Gewinnen. Die sollten als gemeinnütziges Unternehmen nicht anfallen.
Deswegen wäre ich für eine Vergesellschaftung zu haben.

Grüße

Du sprichst hier zwei Aspekte an, die meiner Meinung nach auch unterschiedlich behandelt werden müssen.

  1. Die Stromnetze: Ja, in den selben Konzernen sind zum Teil sowohl Stromerzeuger als auch Netzbetreiber. Mit der Liberalisierung des Strommarktes wurde aber festgelegt, dass die Netze neutral sein müssen, also jeden Strom durchleiten müssen. Außerdem müssen seit der Liberalisierung die Teile des Konzerns die sich mit der Stromerzeugung beschäftigen vollständig von dem Teil der sich mit dem Netz beschäftigt entflochten sein. Das heißt, keine personelle Überschneidungen, keine gemeinsam genutzte Infrastruktur und auch kein Informationsaustausch der über das hinausgeht, was auch mit anderen Marktteilnehmern ausgetauscht wird. Ich selbst bin im Handel eines der oben genannten Konzerne tätig und kann sagen, dass das auch penibel umgesetzt ist und sich der „eigene“ Netzbetreiber wie eine Fremdfirma anfühlt.
    Darüber hinaus gibt es keinen Wettbewerb bei Netzbetreibern und die Rendite ist staatlich vorgegebenen.

In Summe: ein Konzern hat keinen Vorteil über die Rendite hinaus gegenüber seinen Mitbewerbern, wenn er einen Netzbetreiber im Haus hat. Die Netze ganz aus dem Konzern zu trennen ändert am Strommarkt daher gar nichts.

  1. Stromerzeugung: (Quelle: BNetzA Monitoringbericht) hier sind die Marktanteil des erzeugten Stroms der großen fünf seit Jahren rückgängig angetrieben durch die Energiewende. RWE hat mit 25% den deutlich größten Anteil, Tendenz auch fallend. Es wird von der BNetzA aber auch herausgehoben Stellung festgestellt, jedoch keine Marktbeherrschung noch Manipulation.

Eine Zerschlagung der Konzerne würde auch hier meiner Meinung nach nichts bringen.

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