Gasversorgung sichern? Manche Branchen müssen sich wandeln…

auch bei Euch wieder viel zu sehr die Diskussion wie man die Erdgas-Versorgung Deutschlands sichern kann. U.a. um die ‚produzierende Wirtschaft‘ vor Brüchen, vor Konkursen zu bewahren. Ausblendend, dass ein Teil dieser Wirtschaft auf viel zu billiger Energie basierte. Und auf klimaschädlichen Subventionen, die man ja eigentlich abbauen wollte, sollte, muss.
Einige konkrete Beispiele.

  • Immer gerne zitiert wird die Glasindustrie, deren Öfen kaputt gingen, würde man sie abstellen. Mag sein. Aber wie sieht es mit der Frage aus, warum und ob wir überhaupt so viel Glas ständig erschmelzen müssen. Bis um die Jahrtausendwende z.B. gab es im Naturkost-Handel ein funktionierendes Pfandsystem mit ich glaube 1/4 und 1/2 Liter Schraubdeckel-Gläsern. Darin gab es dann alles von der Erdnussbutter bis zu saueren Gurken. Irgendwann wurde das Pfandsystem eingestampft. Wohl weil es zu teuer war im Vergleich zu dem sonst verbreitete System auf Basis von Einweg- Wegwerf-Gläsern. Die dann energieintensiv wieder eingeschmolzen werden müssen.
    Oder: wer kauft heute noch Wein in 1 Liter Pfandflaschen? Niemand, der was auf seinen Weingeschmack hält (also so ziemlich alle Weintrinker). Nach dem Motto in der 1 Liter Pulle kann nur Plörre sein. Und der Konsequenz, dass Wein fast nur noch ein Wegwerf-Flaschen zu kaufen ist. Der Bier-Markt schlägt die gleiche Richtung ein.
    Hier ließe sich viel Gas sparen, würde man politisch Pfand-Systeme wieder unterstützen. Und das recht schnell. Und sicher nicht auf Kosten von Arbeitsplätzen.
  • Hakle ging Pleite. Oh weih. Vielleicht können wir uns dann bald nur noch 2- statt 5-lagig abwischen? Im Ernst zum Papier: In anderen Ländern bekämpft man die Flut an Werbung in den Briefkästen dadurch, dass selbige nur dort eingeworfen werden darf, wo dies ausdrücklich erwünscht ist. Bei uns wird jeder Briefkasten mit Werbung vollgemüllt auf dem das nicht explizit als unerwünscht vermerkt ist. Sollte nur eines kleinen Gesetzes bedürfen, um das bei uns zu ändern. Und würde sofort jede Menge Gas / Energie / Wasser / Holz (Natur) sparen, und wohl auch unnötigen Konsum.
  • Ziegelwerke bräuchten verbilligtes Gas um weiter konkurrenzfähig produzieren zu können. So. Nun ist die Bauwirtschaft durch die verbaute ‚Grauenergie‘ sicher einer der größten Energie-Verbraucher überhaupt (ist u.a. vom Zement inzwischen ja recht bekannt). Möglich ist das nur dadurch, dass die Branche schon lange massiv subventioniert wird mit verbilligter Energie. Neben der Umwelt, dem Klima, den Verbrauchern und Steuerzahlern leidet darunter die Branche der ökologischen Baustoffe. Denn statt aus Beton, Stahl, Aluminium, Steinwolle und Polymerschäumen kann man die meisten Häuser auch bauen aus Holz, Lehm, Kalk, Stein, Stroh und anderen natürlichen Dämmstoffen. Letztere können preislich bisher aber eben leider kaum konkurrieren gegen die gepushten Klimakiller.
    Also auch hier bitte überlegen, für wen man sich da ins Zeug wirft. Ob manche Branchen vielleicht mit Blick auf die viel größere Herausforderung Klimawandel eh dringend gewandelt gehört. Das Arbeitsplatzargument zieht dabei nicht mehr. Beim allgegenwärtigen Facharbeitermangel und der Tatsache, dass die auf weniger Energieverschwendung basierenden alternativen Branchen oft eher mehr und regionalere Arbeitsplätze schaffen.
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Ich möchte ergänzen:

  • Die ganzen Haushalte, die noch immer nicht kapiert haben, dass man sich im Winter drinnen auch mal einen Pullover und ein paar dicke Socken anzieht, anstatt die Heizung im September aufzudrehen.
    Und auf Wärmepumpen sollen die ja auch schon lange wechseln. Fun Fact: Es werden immernoch Gasheizungen verkauft und verbaut.

Ach ne: Hier haben einige Stimmen eben seit Jahrzehnten propagiert, dass fossile Energie notwendig ist, aber zumindest Gas ja als Übergangstechnologie noch Jahrzehnte zur Verfügung steht.
Da darf es einen nicht wundern, dass weder Branchen noch Märkte ein gutes halbes Jahr nach Kriegsbeginn noch nicht umstrukturiert sind.

Das passiert alles aus den gleichen Gründen nicht: Was glaubst du, wie viele Glas-Fabrik-Arbeiter, Klopapier-Hersteller oder Ziegel-Brenner noch SPD, FDP, Grüne wählen, wenn es so weit käme?
(Nicht, dass die CDU hier irgendwas anders machen würde.)
Worum ist es hier geht, ist der viel beschworene soziale Frieden.

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Finde ich ein schwieriges Thema. Letztlich entscheidet die Ökonomie darüber, ob man eine Heizanlage austauscht oder nicht. Und hier fehlt es an klaren Maßnahmen der Politik. Man kann entweder den Einbau der Anlage massiv fördern oder die Preise für die fossilen Brennstoffe massiv erhöhen. Beides bleibt leider aus.

Ich selbst würde gerne aus idealistischen Gründen die Ölheizung rauswerfen. Ökonomisch ist das aber trotz der Krise nach wie vor unsinnig. Erst durch den Heizölpreis von 1,5€/l komme ich bei einer WP überhaupt in die Nähe einer Investition, die sich amortisiert. Wobei ich bei der Rechnung davon ausgehe, dass der langfristige Strompreis sich bei 0,3€/kWh einpendelt.

Vorab: Ich arbeite bei SCHOTT (dem in diesem Kontext oft erwähnten Glaskonzern aus Mainz), aber in der IT. Die folgenden Kommentare also unter Vorbehalt, dass ich von der Produktion nur am Rande mitbekomme, wie das im Detail funktioniert.

Mag nicht sein. IST so. Die Glaswannen laufen 24/7/365 Wenn man die ausschaltet, hat man da einen 30 Meter langen massiven Glasblock und kann die Anlage im Prinzip neu bauen.

Aber wie sieht es mit der Frage aus, warum und ob wir überhaupt so viel Glas ständig erschmelzen müssen.

Die Colaflasche aus Glas ist hier nicht das Thema. Das was wir herstellen ist Hightech. Wir reden hier über Haushaltsprodukte (CERAN), Displayglas, Pharmaprodukte (z.B. die Ampullen für Impfstoffe) und auch Dinge wie Airbagzünder. Sind jetzt alles Dinge auf die man nicht unbedingt mal einfach so verzichten kann. Wir sind da in vielen Sparten weltweiter Technologieführer (z.B. die Spiegel von HST oder ELT sind von SCHOTT), und man muss sich halt fragen, ob man solche Sparten in Deutschland verlieren will.

Und klar wird daran gearbeitet anders zu heizen, aber das ist nicht trivial. Wie man aus einem Block Glas einen Teleskop-Spiegel macht, der sich auch bei extremsten Temperaturen keinen Millimeter verformt ist zu großen Teilen eine Temperaturfrage. Da werden Heiz-, und Abkühlungskurven gefahren, die sich teils über Wochen ziehen.
Solche Prozesse stellt man nicht über Nacht um…

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Eben, das ist doch mein Punkt, und auch der von @Lagistein : Durch die künstlich billigen fossilen Energieträger ist diese ökonomische Entscheidung in der Vergangenheit pro Gas ausgefallen. Die folgen sehen wir jetzt.

Wenn man dann fordert/vorschlägt/whatever, die entsprechenden Industrien nun entweder ganz hart umzustellen oder (und das ist wahrscheinlicher) sie an dieser Umstellung zerbrechen zu lassen, muss man diese harte Umstellung eben vielleicht auch für die Haushalte fordern.

Also dem Lagistein ging es weniger um Wämepumpen und schon gar nicht um die Fa Schott. Ich würde allen empfehlen den ersten Beitrag nochmal zu lesen. Der ist zwar etwas komplizier geschrieben, er hat aber ein Thema getroffen welches die gesamte Industrie gerade bewegt (weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wobei da nix geheim ist.)

Und zwar geht es um den Product Carbon Footprint, der sich über den Product Life Cycle berechnet. Man kann es so übersetzen, dass dabei die Klimawirksamkeit von Produkten vom Ausgraben des Eisenerz bis zum Recycling berechnet wird. Damit kann man dann das ermitteln von dem er spricht, z.B. einen Baustoff mit dem anderen vergleichen. Da dürften so ziemlich alle Branchenverbände unterwegs sein zu dem Thema. Kennen tu ich z.B. den Maschinenbau, die Elektrotechnik, die Chemie, die Autoindustrie…
Motiviert sind die alle durch die kommende Forderung der EU einen digitale Produktpass erstellen zu müssen. Das kann z.B. bedeuten ihr geht in den Baumarkt und sucht euch Dämmstoff aus. Jeder Dämmstoff hat einen QR Code den ihr scannen könnt und damit kann direkt dir Treibhauswirksamkeit verglichen werden.

Vielleicht habt ihr jetzt Lust weiter zu diskutieren

Ich habe auch nicht auf ‚die Glasindustrie‘ angespielt. Nicht auf High-Tech Produktion von Spezialglas mit hoher Wertschöpfung. Sondern um primitives Einweg- / Wegwerfglas. Und sehe nicht, warum solches nicht zugunsten von Mehrweg-Systemen in größerem Umfang verschwinden sollte / könnte.

Nein ist nicht prinzipiell so.
Ich hatte in einem anderen Thema bereits Angebote von Reperaturfirmen verlinkt die auch Glasöfen abfahren.

Ja das braucht Zeit, aber es ist nicht prinzipiell so.

Hier war vor ein paar Tagen auch ein Bericht über eine Glasfirma die ihren Gasofen abgefahren hat und dafür den Stromofen gestartet und nun weder den einen noch den anderen wegen den Preisen wirtschaftlich betreiben kann

In deiner Firma nicht, aber auch die Colaflasche muss irgendwer in einem Glasofen schmelzen.

Natürlich nicht, das ist ja auch ein ganz anderes Niveau als die diversen Einwegglasflaschen.

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Wenn die Energiekosten so einen signifikanten Einfluss auf das Betriebsergebnis haben das sie im schlimmsten Fall zum Zusammenbruch des Unternehmens führen können müsste es eigentlich Aufgabe des Risikomanagements der Geschäftsleitung sein für diesen Fall Vorsorge zu treffen. Entweder technisch oder durch entsprechende Verträge mit Gasspeichern.
Jetzt soll der Staat dieses Versäumnis abmildern, dass kann man ja machen aber eigentlich nur wenn die Unternehmen einen Plan vorlegen wie sie nicht wieder in diese Situation kommen.

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Leider wissen die Unternehmen, dass der Staat sofort bereit ist, dass Risiko mit Steuermitteln zu finanzieren, wenn man groß genug ist oder die Branche groß genug ist. Das ist das Risikomanagement der deutschen Autobauer seit Jahrzehnten.

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Das glaubst nicht wirklich oder? Kann ja sein, dass es für Kleinbetriebe oder der Mittelstand schwierig ist sich auf so was vorzubereiten. Bin aber sicher, dass alle Größeren ihren Plan haben mit einer Mangellage umzugehen.

Ich sage ja explizit, dass due Kleinen und Mittleren geopfert werden. Aber die vielen too big to fail Kandidaten werden immer gerettet, egal wie desolat das Management war. Und da ist eben die Automobilindustrie ganz weit vorne mit dabei.

Glaube wir meinen unterschiedliche Dinge. Du sprichst davon, dass zB die Lufthansa vor der Insolvenz gerettet wurde. Ich meine, dass sich die Unternehmen sehr wohl auf eine Gasmangellage vorbereiten, zumindest die Großen

Um nochmals auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Insbesondere im Hinblick auf einen massiven Facharbeitermangel ist es eigentlich nicht sinnvoll besonders energieintensive Industrien in Deutschland halten zu wollen.
Die Regierung sollte hier eher den Strukturwandel begleiten und die Arbeitnehmer unterstützen in Bereiche umzuschulen die zukunftsfähig und energiesparend sind.

Z.B.: So etwas:
(Quelle 2014)

Da die EEG abgeschafft wurde, sind die genannten „Subventionen“ Schnee von gestern. Klar kann man sich auf den Standpunkt stellen, „lass uns doch Alu ab sofort in Russland und China kaufen“.
Alu dürfte für uns alle ähnlich essentiell sein wie Halbleiter. Und wenn dann alles Alu im Ausland produziert wird, was haben wir dann gewonnen? Außer Abhängigkeit unter Garantie eine größere Menge CO2 pro t Alu.
Aber nochmal zu ein paar Daten: Alu wird zu einem guten Teil mit Sekundär Alu hergestellt. Dadurch landet man etwa bei einem PCF von 3 t/t. Dort liegt auch ungefähr Stahl. Gerne kann jemand ausrechnen, um wieviel die CO2-Emissionen je Fahrzeug bei der Herstellung als auch beim Betrieb steigen, wenn wir Alu mit Stahl ersetzen.
Trimet übrigens kann als „Batterie“ arbeiten und nur dann Strom verbrauchen, wenn es Renewables gibt. Die sind mit Vorreiter in der Industrie.

Mal ganz provozierend: ich würde Stahl und Alu auch von DE nach Nordafrika verlagern und mit Renewables betreiben. Voraussetzung wäre halt die „Befriedung“ dieser Region. Wie das geht überlasse ich jedem selbst.
BTW: habe keine Verflechtung mit der Alu-Industrie

Bei uns schein gerade die Sonne. In der Nachbarschaft kärchert der eine 300qm Einfahrt, die beiden anderen verfolgen die Blätter die von den Bäumen fallen mit Laubbläsern. In den Angebotszetteln werden gasbetriebene Unkrautvernichter angeboten. Da gibt es für mich ein paar Produkte/Branchen die man „abschalten“ könnt.

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Das hatte ich auch nicht vermutet. Was wir dadurch gewinnen könnten? Zum Beispiel 4,2 Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr die wir nicht produzieren/ zum Empfänger leiten müssten. Oder 2,8 Millionen Tonnen Rohstoffe die wir nicht importieren müssten…
Quelle (2015):

Oder das die Bundesregierung für Minen in Afrika bürgen müsste:

" Die halbstaatliche guineische Bergbaufirma CBG erhält ein Darlehen von 722 Millionen Euro. Mehrere internationale Großbanken sind daran beteiligt. Mit dem Geld soll eine Erweiterung der Minen finanziert werden.

Auch die Bundesrepublik ist beteiligt

Eine solche Rieseninvestition in einem Land wie Guinea ist aus Sicht der Banken aber ein Risikoprojekt. Sie verlangen Sicherheiten. Auch die deutsche Bundesregierung bürgt deshalb. Sollte Guinea nicht in der Lage sein, den Kredit zurückzuzahlen, garantiert die Bundesregierung ein Drittel des Kredits"
Quelle (2019):

Das stimmt, Afrikanische Länder nicht mehr einfach als Rohstofflieferanten zu nutzen um in einen Land das mit Produktionsmöglichkeiten für Erneuerbare Energien nicht gerade gesegnet ist aus „strategischen Gründen“ eine stromfressende Industrie zu subventionieren wäre vielleicht ein Ansatz.

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Hast du hierzu eine Quelle?

Tendenziell dürfte das keine Frage sein, weil Industrieanlagen in DE generell auf einem anderen Niveau sind und der Anteil der Renewables relativ hoch. Wenn ich dran denke schau ich am Montag mal nach. Brauchbare Datenbanken dafür sind Ecoinvent (kommerziell) oder eine der Uni Delft. Es gibt natürlich auch Studien z.B. vom Österreichischen Bundesamt. Die beziehen sich aber dann vor allem auf Europa.
Generell ist es übrigens so, dass der Einsatz von Sekundäraluminium viel günstiger ist als Bauxit einzusetzen. Man spart sich dabei auch ein paar Prozesschritte. Deshalb ist mehr Sekundär schon kaufmännisch getrieben.

Zwei der drei thüringer Porzellanhersteller werden das nächste Jahr wohl nicht mehr erleben - trotz voller Auftragsbücher. Die Energiekosten erhöhen sich dann von 20% des aktuellen Umsatzes auf 200%. Ich kann mir denken, dass das außerhalb des üblichen Rahmens für Risikomanagement liegt. Bzw. das so ein Risiko von vornherein nur durch Einstellung des Geschäftsbetriebs gemanagt werden kann.

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