Dieser „Rechenfehler“ wurde m. E. an anderer Stelle schon mal diskutiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Du Dich überhaupt infizierst, ist um 75-95% reduziert gegenüber einer ungeimpften Person. Das bedeutet ja nicht, dass Du Dich mit einer Wahrscheinlichkeit von 5-25% ansteckst und schon gar nicht, dass Du Dich mit solchen Wahrscheinlichkeit andere ansteckst. Denn das würde ja bedeuten, dass eine ungeimpfte Person sich zu 100% infiziert und diese Infektion zu 100% weitergibt. Nun haben sich aber in Deutschland nach offiziellen Zahlen gerade mal knapp 4 von 83 Millionen infiziert, mit Dunkelziffer also irgendwas zwischen 12 und 20 Millionen. Die Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung liegt also bei allerhöchstens 25% - und das in einem Zeitraum von 15 Monaten. Hinzu kommt, dass längst nicht alle Infizierten jemanden anderes anstecken - der R-Wert ist ja immer nur ein Durchschnittswert, das Infektionsgeschehen ist aber extrem asymmetrisch (Stichwort Superspreader). Selbst bei zusammenlebenden Parter:innen ist die Ansteckungsrate teilweise nicht höher als 15% (secondary attack rate)
Nun frage ich mich: Wie soll sich diese Infektionsdynamik beschleunigen, wenn 50 oder 60 % der Bevölkerung geimpft sind - was ja bei allen eben genannten Faktoren die Wahrscheinlichkeit enorm senkt. Genau das zeigen ja auch die Zahlen aus Ländern/Regionen, in denen schon sehr viel mehr geimpft wurde.
Wenn aber das Infektionsgeschehen erwartbar zurückgeht und zudem Menschen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine schwere Erkrankung sich impfen lassen konnten - worüber genau sollten Ungeimpfte sich dann „sehr große Sorgen“ machen?
Das mentale Festkrallen am Stichwort „Herdenimmunität“ hat m. E. wenig epidemiologischen Hintergrund (gerade weil das Infektionsgeschehen eben nicht linear und symmetrisch ist), sondern hat vor allem eine sozialpsychologische Funktion: Der Begriff stellt den „Dienst an der Gemeinschaft“ über die individuelle Freiheit und dient letztlich dazu, bestimmte Gruppen (in diesem Falle „Covidioten, Egoisten und Dummen“) die Verantwortung dafür zu geben, wenn etwas nicht so hinhaut wie gedacht. Kann man gerne so machen, aber für sinnvoll oder hilfreich im Umgang mit einer Pandemie halte ich das nicht.
Die spannende Frage hierbei ist ja der Zeitraum. Die von Drosten wörtlich „aus dem Bauch heraus“ genannte Zahl, dass Kinder ohne Impfung im nächsten Winter eine Wahrscheinlichkeit von 33-50% hätten, sich im nächsten Herbst/Winter zu infizieren, finde ich jedenfalls nicht gerade glaubwürdig.
Das ist keine Meinungsfrage, sondern eine wissenschaftliche Frage. Und die ist da relativ eindeutig, weil das Thema auch durch andere Erkrankungen ziemlich gut erforscht ist.
Dass manche Menschen, die eine Impfung aus fadenscheinigen Gründen ablehnen und einerseits zwar sich andere Menschen (die beispielsweise sich aus bestimmten Gründen nicht impfen können oder noch nicht dran sind) gefährden, andererseits aber fordern wieder ganz normal am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, als seien sie ungefährlich, ist halt nunmal eine unangenehme Tatsache. Und Zweifler gilt es zu überzeugen. Die sind aber auch nicht das Problem.
Dass Menschen einen schlechten Ruf haben, die bewusst auf Querdenker-Demos neben Neonazis mitmarschieren, auf jegliche Hygienemaßnahmen pfeifen, irgendwelche Verschwörungsmythen verbreiten und Polizist:innen, sowie Journalist:innen tätlich angreifen , ist selbst erarbeitet. Dieses ignorante Verhalten halte ich für den falschen Umgang mit der Pandemie.
Ich habe schon verstanden, was die wissenschaftliche Idee hinter dem Konzept „Herdenimmunität“ ist. Es läuft ja darauf hinaus, dass ein Virus sich (zumindest in einem bestimmten Gebiet) gar nicht mehr verbreiten kann, weil er keine Wirt:innen mehr findet. Inzwischen geht man aber davon aus, dass das bei SarsCov2 gar nicht realistisch erreichbar ist (siehe etwa Warum die Herdenimmunität unrealistisch ist - quarks.de).
Man geht inzwischen nicht mehr davon aus, dass es irgendwann immune Gesellschaften geben wird, und das Virus dann mehr oder weniger verschwindet, sondern davon, dass das Virus endemisch wird, also noch weiter kursiert (im besten Fall nur selten, wenig und lokal begrenzt) und dabei (im besten Fall) keine schwere Krankheiten mehr verursacht. Das ist dann aber keine „Herdenimmunität“ mehr, zumal es dafür aus verschiedenen Gründen eben keine 67% oder 80% Immunisierte braucht, sondern mitunter nur 50 oder 60%.
Mit der Formulierung „mentales Festkrallen“ meinte ich genau das: Das wissenschaftliche Konzept ist de facto obsolet, aber der dazugehörige Diskurs wird beibehalten und damit einhergehend 1. die Schimäre einer gesellschaftlichen Einheit der Impfwilligen („wir sitzen alle in einem Boot“) und 2. die pauschale pejorative Assoziation von Menschen, die sich aus was für Gründen auch immer noch nicht haben impfen lassen oder das auch gar nicht wollen (was ihr gutes Recht ist!) mit „Ignoranten“, „Querdenkern“, „Neonazis“ etc. Dieses Blame-Game hat m. E. sehr wenig mit Epidemiologie und sehr viel mit Denkmustern in dieser Gesellschaft zu tun.
Das wissenschaftliche Konzept ist nicht obsolet. Es ist natürlich erstrebenswert, dass sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen.
Und ich fände es fair, wenn Sie diese - pauschalen - Verallgemeinerungen unterlassen würden.
Menschen die zu Impfungen verunsichert reagieren, werden nicht pauschal als Querdenker oder Neonazis bezeichnet. Querdenker*innen, die in Corona-Demos ihre Ignoranz zur Schau stellen und zum Teil bewusst mit Neonazis mitmarschierend haben nichts mit den Menschen zu tun, die noch zu wenig Informationen erhalten haben und sich unsicher sind.
Was heißt glaubwürdig. Die Hauptfrage ist dabei, wie und ob die Kinder geschützt werden. Wird die Inzidenz von der Politik auch noch für die Kinder niedrig gehalten? Werden Schulen und Kitas mit Luftfiltern ausgestattet? Oder ist das nicht so wichtig? Das kann Drosten nicht wissen und entsprechend ist die Zahl auch hoch spekulativ.
Erstens schrieb ich „de facto obsolet“. Auch die von Ihnen verlinkte Quelle besagt ja, dass das ursprünglich als „Herdenimmunität“ bezeichnete Ziel, nämlich eine vollständige Elimination des Virus, faktisch nicht erreichbar ist. Zweitens finde ich es durchaus diskussionswürdig, ob sich wirklich „so viele Menschen wie möglich“ impfen lassen sollten. Ich tendiere eher dazu zu sagen, es sollten sich so viele Menschen impfen lassen wie nötig. Der Unterschied wird spätestens bei der Diskussion um medizinisch nicht indizierte Massenimpfungen von Kindern relevant.
Ich pauschalisiere oder verallgemeinere ja mit meiner Aussage nicht, sondern beschreibe - aus meiner Sicht - die Struktur eines gesellschaftlichen Diskurses, der eben auch über die Konstruktion bestimmter Gruppenzugehörigkeiten funktioniert.
Deshalb schreibe ich ja auch von einer Assoziation und nicht von einer Gleichsetzung. Aber wenn nur zwischen den Gruppen a) Menschen die sich nicht impfen lassen können b) Zweifler und c) „Ignoranten“, „Querdenkern“, „Neonazis“ etc. unterschieden wird, fallen eben u. a. all jene raus, die keiner dieser drei Gruppen angehören, weil sie sich z.B. einfach noch um eine Impfung bemüht haben oder sich schlicht nicht impfen lassen wollen. Und der moralische Imperativ, sich „für die Herdenimmunität“ impfen zu lassen, legt hier eine Assoziation dieser Menschen mit Gruppe c) sehr viel näher als mit den anderen beiden Gruppen.
Ich habe Ihren Beitrag zur Kenntnis genommen, werde mich aber jetzt rausziehen. Letztlich wird das sonst wieder nur im Ringen um Wortbedeutungen enden, die nicht der Diskussionskultur dienlich ist.
„Nicht gerade glaubwürdig heißt“, dass ich Drostens Aussage, die nach seinen eigenen Worten nicht wissenschaftlich fundiert ist - für nicht plausibel halte. Zudem widerspricht sie inhaltlich dem, was er in derselben Podcast-Folge - basiert auf empirischen Studien - über dasselbe Thema gesagt hat.
Wenn Die Hauptfrage ist, wie und ob Kinder geschützt werden, würde ich ja gerne fragen: wovor sie geschützt werden sollen: Vor einer Infektion, die nur höchst selten schwere Erkrankungen auslöst, die also für sie signifikant geringere Folgen hat als andere virale Atemwegserkrankungen oder als monatelange Schulschließungen?
einzugehen. Die Digitalisierung und der digitale Impfpass… Ich habe jetzt meine Astra Impfung hinter mir und die digitalen Prozesse sind in meiner Arztpraxis aus dem letzten Jahrhundert. Es gibt nicht einmal eine E-Mail, an die man schreiben könnte. Die Arzthelferinnen wollen auf Nachfrage nichts mit diesen Mails zu tun haben.
Dies sind zusätzliche Hürden und verkompliziert einfach alles. Ich glaube auch, dass selbst wenn sie sich nicht weigern würden hier einfach massiv überfordert wären. Und das erschwert ja nicht nur den digitalen impfpass, sondern auch eine effiziente chargen oder symptomsverfolgung oder nebenwirkungsauswertung.
Ich hoffe, dass es nicht viele Ärzte dieser Art gibt, aber das ist eine Praxis im Zentrum Münchens…
Soweit ich weiß, sind die Auswirkungen bei Kindern noch nicht klar. Es gibt noch Long-Covid, was bei Kinder richtig schwer zu erfassen ist und bei PIMS ist ca. 1:1.000 Kindern betroffen. Siehe auch hier:
Uns fehlen aus meiner Sicht die Daten für fundierte Entscheidungen. Schul- und Kitaschließungen sind auf jeden Fall nachteilig und haben auch längerfristige, negative Auswirkungen. Von daher würde ich die versuchen zu vermeiden. Aber ein paar Vorsichtsmaßnahmen, die nur geringe Nebenwirkungen haben, wie z. B. getrennte Gruppen halte ich durchaus für sinnvoll. Luftfilter wären auch super, aber die Lufthansa war ja wichtiger.
Was die Vorsichtsmaßnahmen angeht, stimme ich zu. Auch haben wir ja gerade die absurde Situation, dass zum Teil Lehrer:innen, Schüler:innen und Eltern nicht von Wechselmodell zur „Vollbesetzung“ zurückwollen - aus unterschiedlichen Gründen. Viele haben die Erfahrung gemacht, dass das Lernen in kleineren Gruppen und teilweise auch in der Kombination aus Präsenzunterricht und zu Hause vielfach viel besser funktioniert. Das Problem ist nur: es funktioniert erstens nicht für alle, sondern nur dort, wo Schüler:innen von zu Hause die nötige Unterstützung bekommen und zweitens braucht es dafür viel mehr (personelle) Ressourcen. Wäre natürlich eine Idee, einfach mal draus zu lernen und das Personal in Schulen entsprechend aufzustocken und überhaupt für eine ausreichende finanzielle Ausstattung von Schulen zu sorgen - aber das scheint in diesem Land leider ein utopischer Wunsch zu bleiben - Stichwort Lufthansa bzw. TUI.
Gar nicht? Wenn selbst die Polizei nicht wirklich weiß, wie sie das kontrollieren soll…
Wie die Münchner Polizei im Zweifelsfall gefälschte von echten Impfheften unterscheidet, dazu macht sie „aus kriminal- und einsatztaktischen Gründen“ keine Angaben. Möglicherweise aber auch deshalb, weil genau da das Problem liegt. Jeder wisse ja, wie ein Impfausweis aussehe, heißt es bei der Polizei. Und wenn alles „in sich stimmig sei“, gebe es in der Regel keinen Grund, das anzuzweifeln. Rückverfolgen lassen sich Impfbucheinträge in der Regel ohnehin nicht. Jürgen Köhnlein, Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), warnte schon Anfang Mai vor einer „Zettelwirtschaft“ mit Impfheftchen und befürchtete „massenhafte Urkundenfälschungen“. Es sei unklar, „ob und wie die Polizei dabei vorgelegte Dokumente auf ihre Richtigkeit überprüfen kann“, räumt er unumwunden ein.