Faktencheck: Arbeit muss sich wieder lohnen (2)

Ich glaube, wir müssen es als Gesellschaft schaffen, die Diskussion weg von den ärmeren Leuten, hin zu den Reichen 20% zu lenken die im Schnitt nur 24% Steuern bezahlen, während der Rest der Bevölkerung satte 43% bezahlt. Ich kann die Aufregung verstehen, sie richtet sich aber gegen die Falschen.

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Wo lohnt sich denn Arbeit nicht? Bei gering qualifizierten, die nicht direkt in der Export-Branche beschäftigt sind und bei einfachen Arbeitern.
Stehst Du am Band in der Automobilindustrie: Kein Problem. Putzt Du die Werkhalle in der Automobilindustrie hängst Du wahrscheinlich im Mindestlohn und bist bei einem Subunternehmer angestellt.
Wir könnten ja einfach mal wieder solche Leute direkt einstellen und mit in die Tarifverträge der IGM nehmen. Aber das bedeutet dann halt auch, dass in den Firmen weniger zu verteilen.
Wir könnten Krankenschwestern ordentlich bezahlen, aber nicht ohne das die Versicherungsbeiträge steigen. Wir könnten Erntehelfer ordentlich bezahlen, aber dann wird halt der Spargel teurer.
Deshalb kann ich diese Parole nicht mehr hören.
Ein Bekannter von mir arbeitet in der gleichen Firma wie ich. Er im Lager und ich im Produktmanagement. Seine Frau ist Erzieherin, meine Sozialpädagogin. Ich arbeite 80%, er arbeitet 100% und geht samstags putzen, damit er sein kleines Häuschen abbezahlen kann. Wir haben ein Zweifamilienstadthaus, dass wir gerade aufwändig saniert haben und können das auch abbezahlen. Wir haben beide Freitags frei.
Was ich damit sagen will ist: wir haben hier einfach ein Wertschätzungsproblem für alle Berufe, die nicht direkt dem deutschen Exportweltmeistertum dienen. Damit Arbeit sich lohnt müssen alle was abgeben weil nur von der Parole der Kuchen ja nicht größer wird.
Und wenn ich meinen Schreibtisch selber putze, arbeite ich in der Zeit ja auch nicht. Also warum kriegt die Putzfrau dann nur Mindestlohn?
Am Ende müssen wir dahin, dass sich auch die Leute für Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit entscheiden, die durch diese Maßnahmen schlechter gestellt werden.

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Bürgergeld: „Die Behauptung ist schlicht falsch“ (t-online.de)

Single: (…) „Das macht einen Unterschied von 457 Euro im Monat“, so Peichl. Für diese Summe aber müsste die Person auch zusätzliche Hilfen vom Amt beantragen, zum Beispiel Wohngeld. (…)

Ich finde die Überschrift beschönigend. Ich kann es nachvollziehen, wenn man für 457€ nicht 160 Stunden arbeiten gehen will. Bürgergeld und ein paar mal im Monat „Freunden beim Umzug helfen, damit man ein wenig Taschengeld hat“, klingt wesentlich verlockender, als jeden Wochentag 9+ Stunden aus dem Haus sein.

Die anderen Beispiele (alleinerziehende, Ehepartner) sehen ja noch schlechter aus und da tauscht man dann ein paar Kröten gegen 100% Zeit mit den Kindern (gerade bei sehr kleinen ist das vielen Menschen fast unbezahlbar). Mal davon abgesehen, dass man dann plötzlich eine Vollzeit Kinderbetreuung braucht.

Was ist die Lösung? Keine Ahnung. Weniger Abgaben, stärkere Bekämpfung von Schwarzarbeit, höheren Mindestlohn, bessere Ganztags-Kinderbetreuung, … Leider keine einfache Lösung dabei.

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Ja, da muss man dringend ran. Der Mindestlohn muss rauf und die SV-Beiträge wie die Steuern progressiv gestaltet werden.
Am besten, indem sie ins Steuersystem eingearbeitet werden.

Der Mindestlohn muss rauf. Offensichtlich geben Mindestlohnempfänger fast ihr gesamtes Einkommen pro Monat aus und leiden unter der Inflation in fast der gleichen Größenordnung wie Bürgergeldempänger.
In keinem Fall kann es fair sein, dem einen drei Prozent zu geben und dem anderen zwölf.
Aber es ist ja noch schlimmer: 30 Prozent der Rente wird über Steuern also Umverteilung gedeckt. Der Einzelne kann durch die viel zu geringen Löhne also gerade einmal 70 Prozent der eigenen Rente erarbeiten. 70 Prozent von der durchschnittlichen Rente von 1563 Euro.

Ergo: die Löhne müssten so hoch sein, dass keine Steuern mehr für die Rente aufgebracht werden müssen, das Rentensystem sich selbst finanziert und die 112 Milliarden Euro frei werden für Klimageldzahlungen und die 60 Milliarden Euro, die wir für die Transformation brauchen: Netzausbau, sinnvolle Agrarpolitik, Bildung, Sicherheit, Infrastruktur,…all das, was in den lähmenden Zeiten der schwarzen Null ideologiegetrieben liegen geblieben ist und nun unsere Demokratie gefährdet.

Und bei diesem Lohnniveau macht Arbeit auch Spaß.

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Das klingt auf den ersten Blick alles ganz toll, problematisch wird es nur, wenn man sich die Implikationen vor Augen führt. Jede Lohnsteigerung bedeutet letztlich eine Teuerung von Waren und Dienstleistungen. Ob daher durch Lohnsteigerungen tatsächlich Kaufkraftsteigerungen eintreten ist immer die große Diskussion.

Das bedeutet letztlich: Würde man den ganzen Niedriglohnsektor höher bezahlen, würde auch der Hochlohnsektor Lohnerhöhungen verlangen, weil sonst dessen Kaufkraft zurückgeht. Ebenso müsste das Bürgergeld dann umso schneller erhöht werden. Und dieser Prozess wiederholt sich in unendlich vielen Iterationen. Deshalb macht die Forderung nach „höherem Mindestlohn“ eigentlich nur Sinn, wenn man akzeptiert, dass die Kaufkraft der Vielverdiener zurückgeht (es daher um das Verhältnis von Mindestlohn zu Vielverdienern geht).

Wenn ich keinen groben Denkfehler habe, so ist die Rechnung doch aufgrund der Rente nach dem Umlageverfahren Quatsch.

Neben dem Faktor Einzahlungen gibt es ja auch noch den Faktor Menge an Beziehern gegenüber Menge an Einzahlern. Höhere Gehälter mögen die Lücke heute verringern, die Lücke in der Zukunft aber aufgrund größerer eigener Ansprüche würde somit ja sogar wachsen.

Generell fehlt mir in der Debatte um Mindestlohn immer die Betonung auf MINDEST.
Ich finde nicht die Höhe des Mindestlohns zu niedrig sondern ich finde die Zahl derer die in diesem Bereich verdienen zu groß.
In meinen Augen sollte der Mindestlohn nicht die adequate Summe für eine dauerhafte Tätigkeit sein sondern lediglich eine Untergrenze darstellen, die eigentlich nur unter bestimmten Vorraussetzungen als Gehalt zu Beginn einer Tätigkeit relevant sein sollte.

Meine Befürchtung ist, dass eine Anhebung des Mindestlohns mehr und mehr dazu führen würde, dass diese Summe für viele Berufe als Orientierung gesehen wird, wenn die Begründung für die Höhe ist, dass man von dieser Summe gut leben können soll.

Auch zu beachten ist, dass viele im Niedriglohnsektor ja gar keine Vollzeitstelle haben. Auch ein Mindestlohn von 15 Euro würde denen kein gutes auskommen garantieren.

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Die Kaufkraft der Vielverdiener geht durch die Steuersätze eh zurück. Und dies überproportional wegen der progressiven Besteuerung.

Das System ist heute fundamental unehrlich.

Von der eigenen Arbeit kann nicht mal die eigene Rente finanziert werden.
Dann wird umverteilt mithilfe von Steuereinnahmen. Die Steuern werden in konsumptive Ausgaben umgeleitet (Rente) und es fehlen Investitionen an allen Ecken,…die aber nötig sind, um Privatinvestitionen (von Unternehmen) auszulösen, die Steuereinnahmen auslösen, was Wachstum erhöht,

Inflation entsteht, wenn die Anzahl arbeitender Menschen begrenzt ist und man dann mehr Geld bereitstellt ohne Effizienzsteigerungen. Dann bekommt jeder einfach nur mehr Geld für die gleiche Leistung.

Das bedeutet auch, dass Zuwanderung inflationsbremsend ist, wenn die Integration in den Arbeitsmarkt funktioniert.

Und, ja: Steuern gehören in das Bildungssystem und in die Infrastruktur. Und nicht in den Konsum.

Deswegen sollten wir uns ehrlich machen: Deutschland funktioniert nicht mit einem überbordenden Niedriglohnsektor.

Die Löhne müssen rauf. Arbeit lohnt sich. Den Kindern geht es besser.

Steuerzuschüsse sind aber auch nötig, weil Mütter nicht einzahlen, wenn sie bei den Kindern zu Hause sind genauso wie Bezieher, die in der DDR gearbeitet haben oder von Russland umgesiedelt wurden und nun wieder hier sind.

Also in 2022 betrugen die Zuschüsse wohl nur 23,8%. Aber zugegeben: mehr als ich gedacht hätte.

Also so wie ich es verstehe ist es für die Zuschüsse die heute für Rente nötig sind völlig egal ob die Menschen aus der DDR oder Sowjetunion oder auch Mütter die heute Rente beziehen früher eingezahlt haben oder nicht weil das Geld heute ja zu 0% aus den damaligen Einzahlungen besteht sondern ausschließlich aus dem, was die heute erwerbstätigen einzahlen.

Entscheidend ist also das Verhältnis aus Beitragszahlern und Empfängern. Dass heutige Rentner sehr viel länger leben sorgt eben dafür, dass die durchschnittliche Rentenbezugsdauer signifikant gestiegen ist. Damit ist der Kreis der Empfänger natürlich viel größer als er es früher war. Zeitgleich kommt für jeden der heute in Rente geht keine ganze Person nach die ins Erwerbsleben einsteigt.

Wir haben also zwei Faktoren die das aktuelle System an die Grenze bringen.

Wir haben doch gerade die absurde Diskussion über gute und schlechte Ausgaben. Was gut ist und was nicht sollte der Bundestag entscheiden. Das gilt auch für den Mindestlohn. Ich möchte ja gerade eine Diskussion im Bundestag um die Höhe des Mindestlohns. Jedes Jahr. Ich möchte keine Kommission hinter der sich die Politik verstecken kann.

Nur so können wir die Höhe des Mindestlohns demokratisch bestimmen.

In den Rentenanwartschaften gibt es zum Beispiel die Mütterrente. Oder die Rente für Erziehungszeiten. Knappschaften- und Landwirtspecials.

All das sind schlechte Ausgaben laut aktueller Diskussion. Mit der Rente baut man keine Schulen, keine Brücken und saniert die Bahn nicht. Also schlecht.

Wurde aber alles gemacht. Die Mütterrente hat in etwa die Höhe der Neuverschuldung innerhalb der Schuldengrenze. Mit dieser Darstellung ist die Mütterrente nicht nur schlecht sondern auch noch auf Pump finanziert.

Ich verstehe auch gar nicht, wieso man während der Elternzeit nicht Rentenbeiträge zahlen kann. Wir brauchen halt eine Anerkennung von Elternarbeit und einen passenden Lohn dafür, aus dem man den Rentenbeitrag finanzieren kann. Also Lohnfortzahlung (in vernünftigem Rahmen).

All das heißt: Löhne rauf, Rente aus Arbeit finanzieren, Steuern zum steuern nehmen.

Und eben auch und sowieso: gute Rente auch bei 45 Jahren Mindestlohn.

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Ja und vor allem ist die Kommission arbeitgeberlastig. Zwar ist die Anzahl der Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter: innen ausgeglichen, aber der (die?) Vorsitzende hat dann den Ausschlag (die zuvor politisch getroffene Entscheidung (Erhöhung auf 12 Euro) ignorierend) zugunsten der Arbeitgeber gegeben.

Das Problem ist aber doch, dass der Mindestlohn eine komplexe Geschichte ist. Bei den großen Unternehmen in der Industrie spielt dabei ein Mindestlohn eigentlich bei den eigenen Löhnen auch gar keine relevante Rolle.
Entscheidend ist der Mindestlohn in erster Linie in wenigen Branchen sowie bei speziellen Fällen.

Dass ganze Branchen die auf dem Mindestlohnniveau zahlen problematisch sind sehe ich auch so. Da muss drauf hin gearbeitet werden, dass die Löhne auf ein Niveau über dem Mindestlohn gehoben werden.

Ein Mindestlohn von z.B. 15 Euro würde die Eingliederung von „schwierigen Fällen“ in den Arbeitsmarkt noch mehr erschweren als es ohnehin der Fall ist.
Auch würde er die Schaffung von Arbeitsplätzen für quasi nicht qualifizierte Personen unattraktiv machen. Die Folge wäre dann zwar, dass ein Teil derer die niedrigen Lohn bekommen besser davon leben könnte, ein anderer Teil davon aber gar keinen Lohn mehr bekommen würde sondern Bürgergeld.

Ich gebe vollkommen Recht wenn die Kritik lautet, dass viele Beschäftigte im Niedriglohnsegment mehr für ihre Tätigkeit bekommen müssten, ich halte aber den Mindestlohn nicht für das Instrument mit dem das geschehen sollte.

Ich fände ja noch immer einen gestaffelten Mindestlohn sinnvoll.
Neueinstellung ohne für den Job relevante Ausbildung oder Vorkenntnis: 12 €/h
Neueinstellung mit relevanter Vorbildung für den Job: 14 €/h
Anhebung des Mindestlohns pro 6 Monate Betriebszugehörigkeit:: 0,5 €/h
Deckel des Mindestlohns: 15 €/h
Wer im Unternehmen bleibt würde also spätestens nach 3 Jahren 15€/h verdienen, wäre aber ja dann auch im Unternehmen bereits etabliert und nicht einfach so durch einen neuen zu ersetzen. Der Anreiz Leute auszutauschen wäre so meist gering.

Somit hätte man weiterhin eine niedrigere Einstellungshürde und eine gewisse Risikominimierung zu beginn, z.B. wenn eine Stelle neu geschaffen werden muss, es würde aber auch honoriert werden, dass eine Kraft zuverlässig dabei bleibt und die Prozesse erlernt hat. So könnte man langfristig ein besseres Auskommen sichern, hätte aber die gleiche Anfangshürde wie heute.

Was diese Lösung nicht abdecken würde wären die Arbeitskräfte die überhaut nur extrem einfache Tätigkeiten ausführen können. Hier wäre aber vielleicht eine spezifische Förderung denkbar die der Arbeitgeber dauerhaft erhält, je nach Vorgeschichte der Person unterschiedlich hoch.

Statt politischem, inhaltsleerem Diskutieren von Bundestagsabgeordneten, finde ich einen erarbeiteten Vorschlag von Experten besser. Spannend, wenn ansonsten nach Experten und Wissenschaft gerufen wird, aber beim Mindestlohn die Politik die Experten sind.

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Gibt es in einer zunehmend automatisierten Arbeitswelt noch genug „extrem einfache Tätigkeiten“?
Durch KI und automatisierte Arbeitsprozesse können ja viele Tätigkeiten substituiert werden.

Was wären so extrem einfache Tätigkeiten, für diejenigen Arbeitgeber bereit wäre, Lohn samt Sozialabgeben zu zahlen?
Könnte man von diesem Lohn auch leben ohne soziale Förderung?

Natürlich. Automatisierung lohnt sich erst ab einer gewissen Stückzahl. Es gibt Prozesse die zwar einfach sind, aber schwierig zu automatisieren. Gerade bei „einfachen“ Montagetätigkeiten gibt es viele Jobs die keine hohe Qualifikation brauchen.

Das ist jetzt wieder eine Frage die man nicht allgemein Beantworten kann. Vom Mindestlohn kann man leben. Vom Mindestlohn kann man aber nicht als Alleinverdiener eine 5-Köpfige Familie in guter Lage im Ballungsraum adequat versorgen. Das kann man aber auch nicht mit 18 €/h sondern da reden wir dann eher von 30 €/h und mehr.

Volkswirtschaftlich gesehen ist es aber besser man bringt Leute ohne nennenswerte Qualifikation in Jobs bei denen sie weitere Sozialleistungen erhalten, als dass es diese Jobs dann noch weniger gäbe und die Menschen komplett vom Staat finanziert werden müssten. Selbst wenn man es so gestaltet, dass Gehalt plus Sozialleistung deutlich höher ist als nur Bürgergeld.

Natürlich gibt es das Problem immer dort, wo es den Job auch bei höherem Lohn noch geben würde. Hier muss sich einfach eine Kultur etablieren, bei der eben auch eine Reinigungskraft einen angemessenen Lohn bekommt statt den günstigen Preis indirekt staatlich zu subventionieren, da man deren Tätigkeit ja nicht einfach ins Ausland verlagern könnte.
Bei Tätigkeiten die nach und nach entweder komplett wegfallen würden, Automatisiert werden würden oder ins Ausland verlagert wäre es dagegen meiner Meinung nach eher kontraproduktiv wenn die mehr und mehr wegfallen.

Ein letzter Bericht hierzu:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/ifo-arbeit-lohnt-einkommen-sozialleistungen-100.html

Ansonsten ist dieser Thread bald 100 Beiträge lang.
Möchtet ihr weiter zum Mindestlohn diskutieren? Dann verschiebe ich zumindest die letzten Beiträge dazu in einen neuen Thread.
Ansonsten würde ich diesen Thread gern demnächst schließen.

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