Finde du hast recht nachvollziehbar hergeleitet, wie man durch das Regressionsproblem (dass vmtl. auch den geringen Stundenlohn von Arbeit relativ zu keiner Arbeit erklärt) auf das BLG kommt. Dazu zwei Nachfragen:
Kannst du erklären, warum das noch regressiv wäre?
Heißt dann im Umkehrschluss, je konservativer oder sogar rechter wir regiert werden, desto besser?
Hab ich den glorreichen Bildungsaufschwung und die Innovationen der Merkel-Zeit irgendwie verpasst?
Verzeih den Anflug von Zynismus, aber ich sehe grade nicht, das im Konservativem Lager die Ideen besser sind.
Wir werden gerade mal 2 Jahre etwas weniger rechts (absolut nicht links) regiert. Den Großteil des Bestehens der BRD wurden wir leider rechts regiert. Also woran machst du das fest?
Wieso bist du noch hier? Vor allem rechte Regierungen haben dieses Land dahin gebracht und sorgen für Ungleichheiten bei der Bildung.
Naja, Bildung ist ja bekanntlich Ländersache (vergl. Baustellen der Nation). Damit hat Merkel nun nur indirekt was zu tun gehabt. Man müsste also langjährig gleich/ähnlich regierte Bundesländer miteinander im PISA-Test vergleichen … zum Beispiel: Sachsen, Bayern, Bremen, Berlin, Brandenburg, Meck-Pomm.
(Bildungsranking Bundesländer nach Bildungsmonitor 2023 | Statista)
Die Krux sehe ich darin, dass es heute Geld kostet, der „Return on Investment“ aber sich erst über die nächsten Jahrzehnte erstreckt, genau wie bei der Bildung generell.
Wie kommen wir, in einer Zeit, in welcher der sogenannte Generationenvertrag de facto einseitig gekündigt worden ist, zu einem neuen Verständnis von sozialer Investition?
Wie Ulf und Philip in der letzten Sonderfolge zur Infrastruktur darlegen, müssen Investitionen spätestens zum Ende der Legislaturperiode Ergebnisse bringen, sonst nimmt der Wähler nur war, das bis dato nichts erreicht wurde.
Wer primär die Wiederwahl im Auge hat, denkt nur in 4-Jahres-Zeiträumen.
Nach diesem Denkansatz werden langfristig angelegte Investitionen nur nachrangig gesehen.
Hier müsste sich das Denken ändern.
Szenario: du beziehst als Arbeitsloser ALG, aber als Arbeitender nur noch Sozialgeld + Lohn.
Als Zahlenbeispiel, nehmen wir an Sozialgeld ist 500, ALG ist 1000, und du bekommst einen Job mit 2000 monatlich (zB wechselst du auf Teilzeit), wo die Lohnsteuer bei 10% (für die Einfachheit) liegt.
-Ohne Job verdienst du 1000 Brutto, 1000 Netto. -Mit Job hast du nun 2000 extra Bruttoeinkommen, aber dein Nettoeinkommen ist nur 500 + 1800 = 2300. du konntest von den Extra 2000 nur 1300 behalten, also ein Beitragssatz von 35%.
Sagen wir nun dein Einkommen steigt um weitere 100 Euro. Vorher hattest du 2300 Netto, die 100 Euro Zusatz werden jetzt nur mit den 10% besteuert, sodass du bei 2390 Netto landest.
Der Beitragssatz für das geringste Einkommen, welches dich für das ALG disqualifiziert ist also viel höher als der Beitragssatz für eine Lohnsteigerung, wenn du schon ein Einkommen hast - ein regressives Steuersystem (zumindest in dem Geringverdienerbereich. Die Regression ist stärker, je größer die Distanz zwischen ALG und Sozialgeld. Die anderen Zahlen vom Beispiel sind irrelevant.
ich bin kein Experte für den deutschen Arbeitsmarkt, insofern weiß ich gerade nicht, ob es seriösen Zahlen gibt. Ich versuche mich an einer , ich hoffe ich übersehe nichts: du willst ca 500€ für jeden der 80 mio Einwohner zahlen. Du zahlst für bereits knapp 5mio Bürgergeld, also bleiben „nur“ noch 37,5mrd Euro.
Du bekommst etwas an Einkommen zurück, da das BLG bei den Erwerbstätigen zum Einkommen zählt und deswegen bereits ohne Anpassung des Steuersystems zu Mehreinnahmen führt. Ich glaube die Effekte hiervor sind gering (60% Erwerbstätige und effektiver Durchschnitssteuersatz von vielleicht 20%), aber dafür brauchst du mehr Arbeit — und mehr Platz als für einen Bierdeckel
Ok verstehe, es lohnt sich also als ALG Empfänger dann nicht so sehr zu arbeiten. Fände ich aber gar nicht so schlimm, denn das ist ja zeitlich begrenzt und das weiß ja auch der Arbeitslose. Spätestens wenn der Zeitraum ausläuft und er auf Sozialgeld fällt, entfällt dann ja der Effekt wenn ich es richtig verstehe. Lohnt sich also jetzt schon einen Job zu suchen, zumal das ja auch Zeit braucht.
Müsste nicht ein ganz wesentlicher Effekt sein, dass ich ganz viele Beamte einspare, die heute Bürgergeld-Leistungen überwachen, zuteilen, sanktionieren etc?
Eine Möglichkeit Langzeit-Arbeitslosigkeit zu bekämpfen ist es ja auch, diese gar nicht erst entstehen zu lassen. Jemand der einige Monate nach Jobverlust noch nicht in neuer Arbeit ist, dies aber möchte, sollte einen richtig guten Coach an die Seite bekommen, der sich intensiv um ihn kümmert. Wenn das nur in der Hälfte der Fälle vor längerer Arbeitslosigkeit schützt, lohnt sich dass nicht nur ökonomisch, es hilft auch dem Arbeitslosen und der Konjunktur und es trägt Früchte innerhalb einer Legislaturperiode.
Ersteres ist vor allem ein Problem, das Unternehmen betrifft, die sehe ich also in der Mitverantwortung, hier etwas zu unternehmen (darum heißt das auch Unternehmer). Es kann nicht sein, dass jedes Problem der Wirtschaft auf die Gesellschaft abgeschoben wird. Das war mir sozialer Marktwirtschaft eigentlich nicht gemeint.
Punkt 2 wird eh kollabieren. Da haben die Kohl-Regierungen viel zu viele Ausgaben in die Zukunft verschoben, wo es sie nicht mehr betrifft.
Das System muss reformiert werden und wird in den nächsten 20 Jahren auch passieren.
Das solltest Du aber, denn zum einen führt das dann zu so Missverständnissen, dass der Niedriglöhner das auf sich bezieht, wenn Christian Lindner sagt: „Die Abgaben sind gerade bei geringen Löhnen viel zu hoch, die Steuern müssen runter.“
Zum anderen gibt es entscheidende Unterschiede: SV-Beiträge z. B. werden vom Brutto berechnet, Steuern nach bestimmten Abzügen. 20% SV-Beiträge sind also immer mehr als 20% Einkommensteuer. Wir leisten uns also ein Abgabensystem das bewusst geringe Einkommen benachteiligt.
Zusätzlich gibt es noch eine „Mietsteuer“, die mensch gezwungenermaßen auch noch abziehen müsste, bevor das eigentlich verfügbare Nettogehalt vergleichbar ist. Auf diese Ausgabe kann niemand verzichten und unter 3600€/Jahr wirst du selbst auf dem Land nicht ausgeben. Hier gibt es auch keinen wirklichen Markt in vielen Gegenden Deutschlands.
Und dann gibt noch die Umsatzsteuer von mindestens 7% auf Lebensmittel und 19% auf z.B. Kleidung. Ich gehe davon aus, dass Arbeitnehmys mit Mindestlohn auch von diesen stärker betroffen sind, da sie vermutlich ihr gesamtes Einkommen ausgeben.
Ich muss vorerst korrigieren was meinen Beitrag oben angeht (ich blicke bei dieser Forensoftware noch nicht ganz durch) - BLG zahlst du (wenn du es guenstig haben willst) jedem im erwerbsfaehigem Alter, nicht jedem Einwohner. Damit sind die Kosten bei ca 27 mrd, nicht 37. Davon kannst du dann noch abziehen, dass das als besteuerbares Einkommen gilt, und wir mal von einem Durchschnitssatz von 30% ausgehen, sind die effektiven Direktkosten ca 22 mrd (gaaaanz grob geschaetzt).
Allerdings sind das monatliche Kosten – schliesslich ist das BLG eine monatliche Summe. Wieviel die Buerokratie kostet weiss ich nicht, allerdings wird beim neuen Kindergeld von 500mio jaehrlich gerechnet, insofern: selbst wenn ich mich bei meiner Kostenrechnung um 50% vertan hab, hast du immernoch eine riesige Luecke, die zumindest noch so gross ist wie das Budgetproblem was sich mit der kuerzlichen Verfassungsklage aufgetan hat.
Du kommst also nicht an einer Steueranpassung vorbei. Das muss nicht am Spitzensteuersatz erledigt werden (sonst bekommst du es ausserhalb von Rot-Gruen nie durch), allerdings sollte die auch nicht regressiv sein (das war ja der Sinn des Ganzen).
Die Krux ist doch, dass Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit in Deutschland exorbitant hoch besteuert wird.
Im Sitzensteuersatz bis zu 42% bzw. 45% oben drauf noch die Sozialabgaben und schon ist mehr als die Hälfte des Einkommens weg. Und dann fehlen noch die Ausgaben die der Arbeitgeber in die Sozialversicherungen einzahlt.
Im Vergleich dazu werden Kapitalerträge mit 25% versteuert. Als jemand der schoneinmal zu etwas Reichtum gekommen ist und davon leben kann zahlt viel weniger Steuern. Und hier fängt es erst an. Diejenigen, die von Kapitalerträgen leben sind dann noch in der Lage dies so zu gestalten, dass sie nicht einmal die 25% Kapitalertragssteuer bezahlen müssen wenn sie geschickt mit Stiftungen und Unternehmen arbeiten.
Leider sehe ich auch keine gute Lösung das Kapital höher zu besteuern, denn dann fließt es noch stärker aus dem Land als ohnehin. Da hatte Steinbrück schon recht mit der Aussage „Lieber 25% von X als nix!“
Schlagt mich, aber ich bin auch auf der Seite, dass ein Leben aus Sozialleistungen so unattraktiv wie möglich gemacht werden muss. Ich würde Sozialleistungsempfänger im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Arbeiten für die Allgemeinheit z.B. Putz und Räumdienste in den Kommunen verpflichten.
Das würde bedeuten, dass du Merkel als konservsativ einschätzt?
Das tue ich zB. nicht. Ganz im Gegenteil.
Jede große Entscheidung von Merkel war alles andere als konservativ.
In den Ländern sieht man ganz klar wie sehr eher linkere Regierungen beim Thema Bildung versagen.
Man kann das ganze Drama gut in BW sehen. Es geht bergab und bergab seit Grün hier am Ruder ist.
Freilich mit Unterstützung durch die CDU.
Im Prinzip erstmal ein Plädoyer für die Vermögenssteuer.
Im Allgemeinen gibt es das Problem - ja. Mindestens bei der Besteuerung von Grund und Boden wäre das aber Recht gut umsetzbar, da letzteres nicht so einfach das Land verlassen kann. Gibt einige interessante Ausführungen dazu von Marcel Fratzscher.
Das Grundproblem: wenn du Druck ausübst trifft der tendenziell nicht nur die, die arbeiten können aber nicht wollen, sondern auch die, die aus diversen guten Gründen nicht arbeiten können. Um das zu vermeiden versucht man über entsprechende Betreuer diese Bedürftigkeit irgendwie festzustellen, was natürlich nur mehr schlecht als Recht funktioniert. Denn zum einen kann man nicht eindeutig diagnostizieren, ob jemand aus psychischen oder körperlichen Gründen arbeitsunfähig ist. Zum anderen findet jemand, der wirklich nicht arbeiten will immer einen Weg an Sozialleistungen zu kommen wenn er clever ist.
Mögliche Auswege:
Einmal das schon angesprochene BLG. Das ist zwar nicht besonders gerecht aber sehr pragmatisch.
Auf der anderen Seite könnte man sich angucken ob es mit dem aktuellen System aus Fördern und Fordern überhaupt so viel Missbrauch gibt. Denn genau wie man in der Bahn nur Stichprobenartig die Tickets kontrolliert, weil das ökonomisch am sinnvollsten ist, braucht man auch nicht jeden Arno Dübel Deutschlands zum Arbeiten zu bewegen, wenn es nicht zu viele sind.
Hier bleibt das Grundproblem, dass es dazu meines Wissens jenseits anekdotischer Evidenz wenig belastbare Zahlen gibt und vielleicht aus den o.g. Gründen auch gar nicht geben kann. Im Prinzip müsste es aber Indikationen aus empirischen Studien geben, wie z.B. Reaktionen von Arbeitsmarkt und Sozialhilfeempfängern auf die Veränderung bestimmter Sozialleistungen ausgefallen ist. Glaube in die Richtung ging auch die Intention des (ursprünglichen) Thread Erstellers. Je mehr Fakten es hier bekannt würden, desto weniger Populismus über den „faulen Harzer“ hätte eine Chance.
Das kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Gerade wenn du eine Familie hättest, wäre es dir da nicht wichtig, ihnen einen akzeptablen/besseren Lebensstandard zu ermöglichen?
Ich glaube, gerade als „sehr gut verdienende“ Person ist es vllt nicht unbedingt nachvollziehbar, was für einen Unterschied diese paar hundert Euro machen können.
Warum bringst du den Spitzensteuersatz wenn es um Arbeitslose geht? Glaubst du ernsthaft dass der Spitzensteuersatz sie vom arbeiten abhält? Oder die geringe Kapitalsteuer - sind Arbeitslose arbeitslos weil sie so gut von ihren Aktieninvestitionen leben können? Ist schon klar worum es dir geht, aber in diesem Thema komplett verkehrt
Bevor wir hier abdriften: wann lohnt sich Arbeit? Also finanziell und ideell?
Finanziell dann wenn die erbrachte Arbeitsleistung im Vergleich zu ähnlichen Tätigkeiten angemessen entlohnt wird. Dafûr sollen ja u.a Tarifverträge sorgen. Wir sehen hier aber noch Ungleichgewicht von Ost nach West oder zwischen den Geschlechtern. Wäre ein Handlungsfeld.
Zudem muss die Entlohnung so bemessen sein, das man damit im lokalen Lebensumfeld seinen Lebensunterhalt problemlos bestreiten kann, ausgehend von Vollzeit. Also Miete oder Raten fürs Eigenheim, Nebenkosten, Lebensmittel, Kleidung, plus Reserve. Das bezieht auch die Abzüge vom Lohn ein.
Ideell sollte Arbeit in gewisser Form erfüllend sein, sinnstiftend, oder zumindest etwas Spaß machen.
Zudem sollten die Arbeitsbedingungen angemessen (oder mehr) sein. Arbeitsschutz, Arbeitsmittel, BGM, BEM, etc.
Wie gesagt, ideell, also eher on top.
Dann lohnt sich Arbeit aus meiner Sicht immer mehr als mit weniger Geld und ggf eingeschränkten Sozialkontakten ohne Aufgabe zuhause zu sitzen.
Ausnahmen bestätigen die Regel.
Jetzt habe ich in dem Lage-Interview mit Kerstin Bruckmeier doch noch eine interessante Zahl aus empirischen Studien gefunden. Nämlich: selbst bei extremen finanziellen Anreizen (vor allem negativen - also z.B. Bürgergeld Reduzierung, die ja bzgl. Existenzminimum gar nicht so einfach möglich ist) würde man schätzen, dass man gerade mal eine Größenordnung von 100.000 Menschen mehr in Arbeit bringen könnte.
Das ist zwar nicht vernachlässigbar, aber wenn man das mal überschlägt kann das nicht viel mehr als 1 Mrd im Jahr sein* bei einem Bundeshaushalt von 400 Mrd Euro also kein so großer Posten, wie uns manche glauben machen wollen.
*. mal überschlagen mit 1000€/ Monat pro Person für Regelbedarf + Wohnkosten, was eher eine Abschätzung nach oben sein dürfte