Fachkräfteeinwanderung in Deutschland

Das Interview mit Matthias Lücke (bitte mehr Interviews mit Leuten, die sich wissenschaftlich mit den Themen auseinandersetzen und mit gängigen Mythen aufräumen) hatte zwar den Titel „Migration kontrollieren“, aber es ging dann vor allem darum, wie man (Asyl-)Migration reduzieren kann. Es klingt zwar hier und da an, aber im Großen und Ganzen wird es so dargestellt (nicht nur in dem Interview sondern allgemein in Diskussionen über Migration), als gäbe es legale Wege der Migration, wir brauchen Fachkräfte und die werden schon kommen. Dabei scheint den wenigsten bewusst zu sein, wie unattraktiv Deutschland (für Fachkräfte mit Wahlmöglichkeiten) geworden ist und was es hier für Probleme gibt.

Ein paar anekdotische Beispiele:

Ich arbeite in einem internationalen DAX-Unternehmen. Einer meiner Kollegen in der Forschung kommt aus Serbien, hat aber bereits in Deutschland promoviert. Er hat einmal fast seinen Job verloren, weil er keinen Termin bei der Ausländerbehörde bekommen hat, um sein Visum zu verlängern.

Unsere KITA würde gerne wieder eine mehrsprachige Betreuung anbieten. Die Leiterin der KITA hat eine Bewerberin aus Kanada, die schon in Deutschland ist und morgen anfangen könnte. Sie versuchen seit über 6 Monaten ihren Master anerkennen zu lassen (und eine Genehmigung für die Arbeit in einer KITA zu bekommen). In der Behörde gibt es dafür keine Sachbearbeiterin mehr und der Behördenleiter sagt ihr mehr oder weniger „Pech gehabt, ist halt jetzt so“.

Meine Frau ist Ärztin und hat vor ca. 2 Jahren die Anerkennung ihrer Approbation beantragt. Es dauerte 8 Monate bis der Eingang des Antrages bestätigt wurde, und über einem Jahr bis sie eine Berufserlaubnis hatte. Seit 6 Monaten arbeitet sie nun als Ärztin (mit Berufserlaubnis ohne Approbation) und wartet seit 6 Monaten auf einen Termin für die Kenntnisprüfung. Es gäbe Termine für die Prüfung aber die Behörde müsste seit 6 Monaten ihre Unterlagen zu Prüfstelle schicken, tut dies aber nicht. Das Krankenhaus hat sich mehrfach an die Behörde gewendet aber bisher ohne Erfolg. Meine Frau kennt mehrere Personen die alle Unterlagen eingereicht und alle Prüfungen bestanden haben aber seit über 6 Monaten auf eine Berufserlaubnis warten.

Darüber hinaus gab es einige Fälle, die in den Medien Aufmerksamkeit erregten, wie z.B. der Fall eines Vizepräsidenten der Commerzbank, der freigestellt werden musste, weil er sein Visum nicht verlängern konnte. (Commerzbank muss wichtigen Mitarbeiter freistellen: Ausländerbehörde überlastet)

Es wird immer viel Diskutiert wie Migranten in Arbeit gebracht werden können und wie Deutschland auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist. Bei alle diesen Fälle gibt es rechtlich KEINE Probleme und es sind alles Personen „die sich selber zu helfen wissen“. Wenn es nicht bei solchen Leuten klappt dann muss man sich auch nicht wundern wenn es bei anderen auch nicht klappt. Außerdem macht sich Deutschland so unattraktiv für die „besten Köpfe“.

Könnte dieses Thema entweder gesondert behandelt werden oder in die Diskussion über Migration mit aufnehmen? Es nervt mich nämlich extrem (generell, nicht speziell in diesem Podcast), wenn darüber gerätselt wird, warum es Migranten so schwer haben, einen Job zu finden bzw. so getan wird, als ob die ganze Welt Schlange stehen würde, um nach Deutschland zu kommen.

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Da erlebe ich beruflich bedingt ähnliche Fälle.
Der Fachkräftemangel scheint auch Behörden stark zu treffen. :wink:

Es gibt natürlich auch viele positive Fälle. Allerdings offenbar kein wirklich einheitlich funktionierendes Verfahren.

Was meine Vermutung bestätigt, das es nicht primär an den Migranten liegt, wenn Migration nicht funktioniert, sondern das wir in Deutschland nicht in der Lage sind solche Verfahren praxistauglich zu organisieren und umzusetzen.

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Und gleichzeitig beschwert man sich über zuviel Bürokratie in Deutschland. Anscheinend haben wir zu wenig, denn was würde eine funktionierende Bürokratie denn hier tun? Dafür sorgen, dass diese Vorgänge stattfinden.

Funktionierende Bürokratie hätte in solchen Fällen nicht den Anspruch als Abwehrbollwerk zu dienen sondern ist Dienstleister, der sinnvolle Fälle möglich zu machen hat (Selbstverständnis).
Gleichzeitig müssen Prozesse pragmatisch, nachvollziehbar und online klar dokumentiert sein (wer ist verantwortlich, wie lange dauert es, Vereinfachung von Formularen etc.).
Statt einer Wartezeit bis eventuell Dinge durchgehen, sollte häufiger der Spieß umgedreht werden: kriegt es die Behörde nicht hin ist zumindest temporär zugestimmt.
Auch sollten mehr Proozessschritte remote und asynchron durchführbar sein.

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Und danach wird man sich dann darüber beklagen, dass Menschen ohne korrekten Abschluß hier Medizin praktizieren? Nein, ein gewisses Maß an Bürokratie hat schon ihren Sinn, sie muss nur mit dem nötigen Personal bzw Automation unterfüttert sein, damit sie nicht zur Bremse wird.

Ja absolut korrekt, das ist bei medizinischen Berufen etwas anderes als bei vielen anderen. Trotzdem gibt es bestimmt Ideen da keine jahrelange Wartezeit mit draus zu machen. Ohne Experte zu sein ein paar Ideen:
Bei medizinischen Berufen könnte man darüber nachdenken den Ärzte Vereinigungen oder Krankenhäusern eine Bürgschaft zu ermöglichen. Sie prüfen gründlich und lassen temporär zu. Oder die Zulassung gilt dann nur für gewisse Jobs ohne Arbeit am Patienten etc.

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Den Vorwurf verstehe ich nicht. Philip und Ulf reden da doch schon seit Monaten drüber, inklusive erstem Lösungsvorschlag (Arbeitserlaubnis per Default, Meldepflicht, Ausländerbehörde darf dann was dagegen sagen). Sie konfrontieren sogar ihre Interviewpartner damit, konkret kann ich mich gerade an das Gespräch jetzt und an das mit Mario Voigt erinnern.

Dass das nicht in den großen Fernsehdiskussionen auftaucht, ist doch nun wirklich nicht die Schuld der Lage.

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Man könnte solche provisorischen Zulassungen zumindest für Migranten aus Ländern ermöglichen, deren Ausbildungssytemen wir Einigermaßen vertrauen. Mal davon abgesehen, dass für den durchschnittlichen Patienten z.B. in der Chirurgie das Risiko von Zuwenig Ärzten vermutlich höher ist als das Risiko von einem Arzt, der nur 80% des deutschen Standards erreicht.

Die Idee, hier den Krankenhäusern mehr Eigenverantwortung zu geben im Sinne einer „Peer Control“ finde ich auch gut.

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Wild guess: Unsere Behörden sind deshalb so überfordert mit den Visa, Anträgen und Erlaubnissen weil der Apparat auf 1.5-2 Millionen Migranten pro Jahr einfach nicht ausgelegt ist und deshalb kommen im Arbeitsintegrations-Wirr-Warr dann auch die echten Fachkräfte unter die Räder.

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Die Infrastruktur hat schon vorher nicht funktioniert. Du sitzt dem Meister-Narrativ auf. Irgendetwas klappt nicht? → Schuld sind die Ausländer
Das ist echt zu einfach und undifferenziert. Und stimmt so nicht.

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Wäre vielleicht was dran, wenn es die gleichen Leute wären, die das bearbeiten. Sind es aber nicht.
Wir haben einfach nach überdurchschnittlich vielen Jahren CDU-Regierung Strukturen, die an Integration wenig Interesse haben, Dinge aussitzen, verzögern, erschweren und verhindern.

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Sorry, aber dieses Zitat gibt der Original-Post nicht her. Wenn es bei einem Hochwasser Dämme brechen heisst das ja auch nicht dass „das Hochwasser Schuld ist“, sondern dass man keine ordentlichen Dämme gebaut hat.

Dass die Ämter hier nicht mithalten können oder wollen heisst nicht „die Ausländer sind Schuld“, sondern dass der Staat seiner Aufgabe nicht gerecht wird.
Wer die Leute in dieser Zahl ins Land lässt, muss auch den Apparat aufbauen um damit umzugehen.
Egal wie digitalisiert und automatisiert der Prozess ist, braucht man Personal, Material und Regelungen die mit einer hohen Fallzahl klar kommen.
Offensichtlich klappt das aber nicht, und da können „die Ausländer“ erstmal garnichts für

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Ein anders gutes Beispiel sind die ukrainischen Ärztinnen, die seit Monaten nicht arbeiten dürfen, weil sie auch auf Anerkennung der Abschlüsse warten. Man könnte zynisch fragen, ist der Krieg eher vorbei oder haben die Menschen eher eine Anerkennung, um hier arbeiten zu dürfen?! Das sind die Prozesse, die den Leuten mal erklärt werden sollten anstatt auf die Ausländerinnen zu zeigen und zu behaupten sie wollten gar nicht arbeiten. Aber dann müsste man ja die Fehler bei sich suchen. Denn schuld hat immer der ewige Ausländer podcast Scheigen ist Zustimmung - Folge 1

Erleichterungen für angehende Ärzte aus der Ukraine geplant

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Zeugnisse anerkennen und eine Arbeitserlaubnis ausstellen macht für einen Arbeitsmigranten wer anders als für Flüchtlinge? Das wusste ich nicht.

Ja das habe ich auch positiv zur Kenntnis genommen. Da ging es aber auch wieder nur um Asylmigration. Es geht mir hauptsächlich drum, dass Fachkräfteeinwanderung und Asylmigration häufig in einen Topf geschmissen werden.

Ich würde eher sagen ein zu starre und altertümliche …

Meine Frau hat versucht ihre Namensänderung in Deutschland ebenfalls durchzuführen: Bedingung dafür eine notariell beglaubigte Übersetzung der Änderungurkunde von Schweden: Problem es gibt in Schweden kein Urkundenwesen und keine Notare, alles was zu bekommen ist ist ein Ausdruck in schwedisch und englisch, gerne auch noch einen Stempel vom Skatteverket.

Reicht nicht zur Anerkennung der Änderung.

Ähnliches ist auch zu hören wenn es um Anerkennung ausländischer Ausbildungen in Deutschland geht.
Sie mögen doch bitte gleich nach deutschem Ausbildungswesen lernen und dann auch noch deutsche Abschlussurkunden mitbringen um eine Anerkennung möglich zu machen, was dazu führt das geflüchtete Akademiker lieber Taxi fahren, statt nochmal zu studieren.

Da wäre also ausreichend Potenzial die Bürokratie pragmatischer und effektiver zu gestalten.

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Das wollte ich auch gar nicht bestreiten.

Aber ich kann mir jetzt schon den „Skandal“ vorstellen, was passiert wenn deutsche Behörden ausländische Dokumente nicht mehr genau prüfen bzw gar nicht mehr haben wollen, und dann durch Fälschungen „schlimme Dinge“ passieren.

Wir haben erst einmal Bürokratie, damit eine Nachprüfbarkeit der Einhaltung von Regeln stattfindet. Dass das in Deutschland oft komische Blüten treibt ist uns allen bewusst, aber die Konsequenz kann doch nicht sein alles abzuschaffen.

Das betrifft allerdings nicht nur Migrant*innen, sondern auch Deutsche. Ich bin Deutscher, habe aber meinen Master an einer renomierten Uni in Frankreich gemacht.

Man würde jetzt denken, dass sowas dank Bologna Reformen gar kein Problem wäre, aber weit gefehlt! Die Anerkennung meines Abschlusses hat fast ein Jahr gedauert und 200 Euro gekostet! Das ist völlig lächerlich, insbesondere, wenn man bedenkt, dass allein in meinem Master Programm jedes Jahr dutzende Deutsche ihren Abschluss machen und ihn sich anerkennen lassen. Wie kann es sein, dass die zuständige Behörde hier in jedem Einzelfall ein Jahr prüfen muss? Wenn wir in einem zivilisierten Land leben würden, dann würde, nachdem ein Antrag geprüft wurde, jeder weitere Antrag mit dem selben Abschluss von der selben Uni automatisch und innerhalb von ein paar Minuten bescheinigt werden.

Davon, dass man alle Unterlagen im Orginal und per-Post einreichen musste wollen wir gar nicht reden.

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Sehr guter Beitrag! Ich wollte gerade einen ähnlichen verfassen.
Ich bin leider in einer sehr ähnlichen Situation und musste, nachdem ich seit über 2 Jahren versuche eine Ärztin aus Ghana zu heiraten um anschließend mit einem Ehegattentagungsvisum zusammenzuziehen feststellen, dass legale Migration einfach nicht praktikabel ist. Wartezeiten werden nie eingehalten und die Liste der Ausreden ist lang.
Prüfung der Unterlagen und Gleichbehandlung aller Antragsteller sind die Argumente die nach Ferienzeit, Jahreswechsel, covid, Nahostkonflikt und Ukrainekrieg permanent genannt werden.
Fakt ist: Eine inzwischen 30-Jährige Ärztin aus Ghana hat es nach 2 Jahren immer noch nicht geschafft zu ihrem inzwischen deutschen Ehemann zu ziehen.
Die Hochzeit war auch nur durch ein Touristenvisum über Dänemark möglich, da keine Termine für Touristenvisa seit August 2023 bei regelmäßigem Nachschauen auf der Website verfügbar sind.

In Gesprächen mit Politikern merke ich, dass das Auswärtige Amt über sehr viel Macht verfügt und diese oftmals selbst frustriert sind. Meine Beschwerden über Mitarbeiter des Auswärtigen Amts / der Botschaft wurden auch immer von selbigen bearbeitet. Eigentlich unvorstellbar – aber dort völlig normal. Auch Frau Baerbock leitet Beschwerden des Landrates über das Fachreferat der Botschaft einfach an das Fachreferat der Botschaft.

Warum sprechen wir nie darüber, dass legale Migration einfach keine Option für ausländische Menschen ist? Nichtmal für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte. Das Verfahren zur beschleunigten Fachkräfteeinwanderung ist zumindest für Ärzte keine Option.

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Das wäre dann aber das andere Extrem

Es geht ja auch nicht um’s Abschaffen sondern um die simple Erkenntnis, dass
A) nicht die ganze Welt nach deutschem Urkundenrecht und in deutscher Sprache Dokumente ausstellt
B) nicht die ganze Welt nach dem (ebenfalls kranken) deutschen Ausbildungssystem arbeitet

Eine bereits angesprochene Möglichkeit wäre es ja, der Wirtschaft einen Beitrag (oder ein Verfahren) zur Anerkennung etwaiger Ausbildungen zu schaffen.

Denke mal ein bereits anerkannter ukrainischer Arzt kann eine ukrainische Arztausbildung schneller und einfacher beurteilen als ein deutscher Beamter.

Dann bliebe „nur“ noch eine Überführung der Ausbildungsnachweise vom ukrainischen in’s englische übrig, damit auch die anderen zumindest erkennen, dass der anerkennende Arzt kein Kochrezept für Borschtscht als Aisbildungsnachweis genehmigt.

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