Die Antwort ist einfach. Jede Arbeit muss möglich machen, davon leben zu können. Jede Arbeit, dessen Lohn vom Staat aufgestockt werden muss, ist unterbezahlt. Nun ist es so, dass eine Alleinerziehende mit zwei Kindern ein anderes Existenzminimum hat als ein Single oder ein Doppelverdienerehepaar, ein Stuttgarter ein anderes als ein Dresdner. Da sage ich, dass man regionale Unterschiede gerne berücksichtigen darf, familiäre nicht, da nicht im Einflussbereich des Arbeitgebers und Diskrinierungsgefahr.
Also ist jeder Job, von dem (Definitionssache) ein Alleinerziehender mit zwei oder drei Kindern nicht akzeptabel leben kann, nicht akzeptabel. Nun sagst Du: den muss aber ja trotzdem jemand machen. Dann sage ich: dann muss der Preis des Produkts eben steigen oder wenn der Staat das nicht möchte, die Unternehmen anderweitig subventionieren. Unternehmenssubvention über den Lohn aber ist unwürdig.
Und noch etwas: der Staat könnte den Lohn für Alleinerziehende erhöhen und damit den Einstiegslohn noch mal senken, indem die SV-Abgaben ins Steuersystem integriert werden (nur noch eine Krankenkasse) und Besteuerung ab dem ersten Euro beginnt. So hätten Eltern mit Kindern und Alleinerziehende ab dem ersten Euro Freibeträge, während Kinderlose ab dem ersten Euro voll besteuert werden würden.
Ich hab ~20 Jahre knapp über dem Existenzminimum gelebt. (Durchgängig gearbeitet, mit so Späßen wie dass bei Einführung des Mindestlohns die Nachtzuschläge zusammengestrichen wurden, damit das Gehalt nicht angehoben werden muss.) Wenn es einen Grund gibt, darüber sauer zu sein, dann auf die Unternehmen, die schlecht bezahlen. Ob irgendwo ein Hartzer vielleicht eine Stelle nicht angenommen hat, war mir völlig egal.
Der BaFöG-Höchstsatz liegt momentan bei 934 Euro. Wenn er nur die Hälfte davon bekommt, bedeutet das die Eltern sind unterhaltspflichtig und nach der gesetzlichen Bemessung auch in der Lage, den entsprechenden Betrag beizutragen. Selbst wenn sie das nicht tun, und die betreffende Person das verständlicherweise nicht vor Gericht einklagen möchte, kann man davon ausgehen, dass da zumindest bei Bedarf Unterstützung vorhanden ist, ob das nun großzügige Weihnachts-/Geburtstagsgeschenke, früher angelegte Spareinlagen, Übernahme der Miete, Hilfe bei spontan kaputt gegangenen Haushaltsgeräten oder „mal ein Hunni nebenbei“ ist. Desweiteren dürfen BaFöG-Empfänger bis zu 520 Euro monatlich ohne Anrechnung hinzuverdienen. Bürgis dürfen nur 100 Euro.
Genau das. Jede Aufstockung ist eine staatliche Subvention für Unternehmen, die miese Löhne zahlen. Ein Arbeitszwang, der Bürgergeldempfänger in Aufstockerjobs zwingt, ist damit ein Markteingriff pro Lohndumping, gegen die Beschäftigten, und auch gegen die Unternehmen, die anständig bezahlen. Kann sich jeder selber ausdenken, in welchem Teil des Parteienspektrums das jetzt keine unerwünschte Nebenwirkung, sondern ein Feature ist.
Woraus schließt du das? Mein Erfahrungsbericht folgte auf
Ich halte diese Aussage halt für falsch, da etliche Studenten, inklusive mir, da halt erfolgreich durch mussten. An keiner Stelle erfolgte eine Wertung, dass Menschen freiwillig aus Faulheit diesen Weg gehen. Das dürfte wohl eher eine Minderheit sein. Wenn du daraus etwas ableiten möchtest, dann dass ein lebenswertes Leben deutlich unterhalb des Existenzminimums möglich ist.
Doch. Viele Studenten belegen das doch einmalig.
Ehrlich gesagt hatten wir in der WG durchaus dieses Problem. In meinen 7 Jahren in der WG mussten wir je einmal Herd und Waschmaschine per Ebay Kleinanzeigen erneuern. Das waren dann halt ewig alte Geräte für je etwa 50 €. Aber das nur nebenbei.
Da bin ich vollkommen bei dir. Wir haben uns an einen Lebensstandard gewöhnt und den plötzlich massiv zu reduzieren wäre sicher schwer.
Das war überhaupt nicht mein Punkt. Der war nur darauf hinzuweisen, dass etliche Menschen, manch einer auch hier im Forum, unterhalb des Existenzminimums leben konnte. Daher sehe ich mich auch nicht in der Pflicht diese Frage zu beantworten.
Vielleicht müsste man nochmal darüber nachdenken was das Existenzminimum leisten soll, siehe auch
Ich hoffe mal du redest hier schon von Vollzeit und nehme das mal als gegeben an.
Aber reden wir von einer ausgebildeten Kraft oder auch von irgendwelchen Hilfstätigkeiten?
Das „akzeptabel“ muss man doch dann auch näher definieren. Ist das Gehalt das einzige Einkommen oder kommt noch Unterhalt dazu? Heißt kein aufstocken auch kein Kindergeld oder nur das was man eben aktuell so unter aufstocken versteht?
Welcher Lebensstandard soll mit den drei Kindern möglich sein?
3-Zimmerwohnung außerhalb oder 5-Zimmerwohnung im Zentrum?
Urlaub? Keiner? Einmal im Jahr Camping oder 2 mal eine Woche ins Hotel, inkl. Skifahren wenn man es mag?
Hobbies? Müssen für die 3 Kinder auch teure Hobbies drin sein oder müssen sie sich die Hobbies nach Kosten aussuchen?
Ist Gebrauchtkauf für diverse Dinge (Fahrräder, Computer,etc.) ok, oder muss es alles neu sein?
Die Liste kann man wahrscheinlich noch ewig fortführen.
Je nach Definition von kkzeptabel kommen wir selbst bei einfacherer Lebensführung bei großer Wohnung für 1500 warm, Essen 500, Versicherungen und Auto 500, 3 x 500 je Kind und 300 für die Mutter schnell auf einen Bedarf von über 4000 €, welches das Nettogehalt darstellen würde, bzw. unter Berücksichtigung von Kindergeld 3500 €
Oder soll Unterhalt dann zumindest berücksichtigt werden und im Fall der Fälle vom Staat übernommen werden, wenn der andere Elternteil nicht zahlt oder nicht existiert?
Dann wären wir bei 2500 € netto und das wäre als Mindestlohn schon sehr viel auch für viele ausgebildete Kräfte. Und es ist eben nicht jeder ausgebildet und diese Jobs würden bei einem zu hohen Mindestlohn mehr und mehr entfallen.
Der nächste Punkt den wir berücksichtigen müssen ist, dass das Hauptproblem bei alleinerziehenden Eltern zumindest in den ersten Lebensjahren der Kinder ja nicht unbedingt das Gehalt in Vollzeit als solches ist, sondern vor allem, dass Arbeiten in Vollzeit unrealistisch ist. Schon wenn ein Kind in der Krippe, ein anderes in einem separaten Kindergarten ist, dann ist die Sommerschließzeit im blödesten Fall exakt versetzt und man hat insgesamt 6 Wochen mindestens ein Kind ohne Betreuung, weitere Schließtage noch nicht mit einberechnet.
Damit unterstellst du dem Arbeitslosen, er würde aus eigenem Antrieb in dieser Situation verharren. Tatsächlich würde aber sicher jeder eine Maßnahme mitmachen, wenn er Aussicht hätte, damit seiner Situation zu entfliehen. Leider ist das aber nicht die Realität. Langzeitarbeitslosen begegnen Rekruiter mit Misstrauen. Umschlungen werden minderwertiger angesehen und schlechter vergütet. Es ist Sache der Arbeitgeber, hier für ein Umfeld zu sorgen, das Arbeitslosen eine Perspektive bietet, die zeigt, dass es sich lohnt, den Kampf aufzunehmen.
Und was das Existenzminimum leisten soll, habe ich definiert, wenn du der Meinung bist, warum es weniger sein sollte, begründe das bitte.
Und auch warum das Studentendasein hier nicht als Maßstab gelten kann, hat @otzenpunk gut begründet.
Und Eltern fühlen sich eben oft dem Studenten gegenüber noch verantwortlich, das ist, wenn das Kind sein erstes eigenes Geld verdient, nicht mehr ganz so.
Natürlich, 40 Stunden, was im Niedriglohnsektor immer noch Standard ist. Und wie du weiter oben lesen kannst, habe ich beim Bürgergeldempfänger den Mindestlohn als Basis angesetzt.
Und deine Zahlenspiele sind unnötig, wenn man sagt: kein Aufstocken.
Meinst du das so pauschal wie du das sagst? Also wirklich „jede“? Das heißt Gehälter müssen so hoch sein, dass auch Alleinverdiener in Großfamilien ein Nettoeinkommen ohne Transferleistungen haben müssen, welches so groß ist, dass der heute übliche Lebensstandard für alle Familienmitglieder gewährleistet werden kann?
Schon bei 4 Kindern kommt man schnell auf einen Regelbedarf nach Bürgergeld von über 3500 € bei einem Haushalt mit zwei Erwachsenen. Wenn dann nur einer Arbeitet und das vielleicht auch noch gering qualifiziert, dann ist es doch völlig fern jeglicher Realtität, dass das ohne Transferleistungen gehen könnte. Wenn wir dann noch Fälle mit noch mehr Kindern mit berücksichtigen, würde die Rechnung irgendwann absurd.
Da muss man sich dann so ehrlich machen, dass eine Mutter mit vier (kleinen) Kindern nun mal nicht arbeiten kann und das über das Kindergeld entsprechend lösen, dass sie das auch nicht muss. Frau Paus hat ja auch im Interview kritisiert, dass größere Kinder höhere Bedarfe bekommen als kleine Kinder, dabei sei es genau andersrum.
Ansonsten sollte man immer vom Regelfall ausgehen und das sind je nach Definition zwei oder drei Kinder. Sonderfälle sind dann mit Sonderregeln zu lösen.
Auch muss man eben auch an ganz anderen Punkten ansetzen: ich habe mein halbes Leben prekär verdient und minimal in die Rente eingezahlt, die zweite Hälfte wird das nicht mehr ausgleichen. Welche Motivation habe ich (oder erst recht ein Geringverdiener mit miesem Job) also, mich bis 67 aufzuarbeiten, wenn die Perspektive ist, auch von der Rente später nicht leben zu können.
In der verbleibenden Zeit möglichst viel verdienen, um wenn auch nicht sehr viel mehr, zumindest etwas mehr Rente zu bekommen? Und um ggf. zusätzlich etwas privat vorsorgen zu können?
Das sehe ich nicht so. Wenn die Person Zeit hat und in der Lage ist, einen normalen Job (in Teilzeit) auszuführen, kann man das auch erwarten und darin sehe ich auch keine Ausbeutung. Ich denke da an klassische Nebenjobs, die auch von Studenten oft gemacht werden und im Grunde mit dem Mindestlohn fair bezahlt sind. Z.B. Aushilfe in der Gastronomie oder die Fahrer von PicNic.
Nur weil jemand dann davon nicht leben kann, weil er z.B. alleinerziehend ist, nur Teilzeit arbeiten kann und 3 Kinder hat, ist der Job ja nicht per se menschenunwürdig oder Lohndumping. Dafür gibt es dann halt aufstockende Transferleistungen und das ist ja auch gut so.
Aber deine Aussage, wenn ich sie richtig verstehe, „Einkommen ganz oder gar nicht selbstständig verdienen, sonst ist der Job Lohndumping“ ist für mich nicht schlüssig.
Das sollte in diesem Kontext keine Rolle spielen. Wer Vollzeit arbeitet muss von diesem Lohn leben können. Wenn der Staat aufstocken subventioniert er Unternehmen und erlaubt eben auch Ausbeutung durch Lohndumping.
Wenn jemand Teilzeit arbeitet, arbeitet er nicht Vollzeit, was ja den Regelfall darstellt. Wir haben also einen Sonderfall, den man mit einer Sonderregelung lösen muss.
Edit: Nun gilt hier das Argument, dass ein Sonderfall, der so häufig ist, kein Sonderfall mehr ist.
Das ist richtig. Aufstockung geht nicht, aber wie gesagt, mit Kindergeld kann man das lösen, das sich zum Beispiel am Grundbedürfnis eines Kindes richtet. Das kann man dann bei höheren Einkommen mit Steuern wieder korrigieren. Wir müssen uns für ein faires Modell davon verabschieden, dass Höherverdienende immer garantiert 50% ihres verdienten Euros behalten dürfen (was in sehr wenigen Konstellationen eh nicht mehr gilt).
Edit2:
Das mache ich natürlich. Das wird aber nachteilig besteuert, der Zinseszinseffekt wirkt nicht mehr besonders lange und wenn ich unter den Mindestsatz bei der Rente falle und Sozialhilfe empfange (was spätestens bei Pflege greift) wird es auch noch angerechnet, das, was ich mir abgespart habe, geht also dann schlicht verloren.
Grundsätzlich stimme ich dieser Aussage zu. Wenn dann aber Alleinverdiener mit Kindern Thema sind, dann wird es irgendwann komplexer.
Nicht alle Jobs die gering qualifizierte leisten würden bei steigendem Gehalt einfach höher berechnet werden. Für manche würde man einfach nicht mehr zahlen, andere stehen in Konkurrenz mit Anbietern aus dem Ausland, wiederum andere mit der Automatisierung.
Das spiel Jobs für wenig qualifizierte teurer zu machen kann dann ganz schnell nach hinten los gehen.
… (Wort gel. ) - Es ist Aufgabe des Arbeitgebers ein Unternehmen erfolgreich zu führen bei Beachtung der gesetzlichen Anforderungen wie Mindestlohn. Es ist Aufgabe eines jeden gesunden, arbeitsfähigen Erwachsenen sich selbstständig den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Es ist Aufgabe des Staates jene, die das momentan nicht schaffen das Existenzminimum zu ermöglichen bis diese das wieder selbstständig schaffen. Es ist aber nicht Aufgabe eines Unternehmens Arbeitslosen ein Umfeld zu ermöglichen, dass diese beschließen zu arbeiten - das ist Grundvoraussetzung und es ist meines Erachtens eine bodenlose Frechheit wenn jemand Geld verdienen könnte, aber stattdessen weiterhin Bürgergeld erhält. Darum ging es auch im Ausgangspost und ich bin sehe verwundert, dass du dem zustimmst.
Um es hart zu sagen: es gibt Jobs, die keine hohe Qualifikation benötigen. Diese werden mit Mindestlohn entlohnt. Jemand, der Bürgergeld erhält sollte solch eine Stelle nicht ausschlagen - staatliche Mindestsicherung ist wichtig und gut - sollte aber immer nur einen Übergang darstellen bei Arbeitsfähigkeit. Und da gehört auch dazu, Stellen anzunehmen, die man selber scheisse und unterbezahlt findet. Es ist ein Unding Bürgergrld überhaupt als Alternative zu Arbeit zu stellen.
Da musste ich jetzt bei einigen Aussagen schlucken. Denn du bestätigt dabei die Grundausssge vom Threadersteller.
Arbeit ist per se das Eintauschen der eigenen Arbeitskraft gegen Geld. Den Wert der Arbeitskraft ist von einigen Faktoren abhängig wie Erfahrung, Bildung, Standort, etc. Die eigenen Lebensverhältnisse (Kinder, Alleinerziehend, etc) sind aber ganz klar kein Faktor weswegen die eigene Arbeitskraft mehr wert sein sollte. Der Staat hat einen Mindestlohn festgelegt - ein Unternehmen, das diesen und die weiteren gesetzlichen Anforderungen einhält, bietet eine Arbeit die man annehmen kann.
Weswegen also sollte jemand lieber von der Gesellschaft finanziert werden, als durch Arbeit seinen oder ihren Unterhalt zu finanzieren? Selbst wenn es Teilzeit usw und bezuschusst werden muss wegen Kindern: das ist doch noch immer besser, als komplett von der Gesellschaft/Staat finanziert zu werden. Und ja - mich ärgert diese Einstellung, denn das ist Geld, das woanders besser verwendet werden könnte.
Ich verstehe nicht weswegen die Gesellschaft zahlen soll weil jemand denkt dass ein vorhandener Job, nicht gut genug ist?
Da gibt es wirklich nicht viele, spontan fallen mir zwei Kategorien ein, exemplarisch: Schlachter und Totengräber.
Arbeitsplätze wie Schlachter gibt es in Deutschland zu diesen Bedingungen nur, weil sie von Menschen ausgeübt werden denen das Gehalt dann im Heimatland für ein aus ihrer Sicht akzeptables Leben reicht.
Naja und die zweite Kategorie sind Berufe, die einfach nicht jedermanns Sache sind,
Aber wie könnte ein Jobcenter Stellen anbieten die unzumutbar sind? Das ist paradox, denn diese darf es eigentlich gar nicht geben. Kann ich einen arbeitslosen zwingen mit Leichen umzugehen?
Jetzt habe keine Ahnung was Bestatter so bezahlen, vermutlich überm Mindestlohn, aber wo zieht das Jobcenter die Grenze?
Ich bin mir sicher, dass es dafür schon heute Regeln gibt, denn sonst hätte das mittlerweile Schlagzeilen gemacht.
Dort sind geregelt: Pendelzeiten, Gehalt, Ortswechsel und Sittenwidrigkeit. Das Jobcenter könnte jemanden wohl tatsächlich an einen Bestatter vermitteln.
Wir werden hier grundsätzlich keinen Konsens finden können, weil wir in absolut unterschiedlichen politischen Denkrichtungen verwurzelt sind und gänzlich andere Menschenbilder haben, was „Arbeit und Gesellschaft“ angeht.
Du magst es in Ordnung finden, wenn der Staat Menschen in Beschäftigungsverhältnisse pressen kann, ich werde dies nie akzeptieren. Wie gesagt, in dem Moment, in dem der Staat Menschen zwingt, schlechte Jobs zum Mindestlohn anzunehmen, egal, wie mies die Arbeitsbedingungen sind, hat der Arbeitgeber keinerlei Grund mehr, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Du fokussierst dich immer nur auf das Gehalt, aber um das Geld geht es nicht unbedingt. Es geht auch um Arbeitsbedingungen. Und eben die generelle Zumutbarkeit, insbesondere für Menschen, die Depressionserfahrungen haben. Wir haben zwischen 4 und 6 Millionen Menschen mit Depression in Deutschland, es ist wohl realistisch davon auszugehen, dass so ziemlich jeder einzelne Langzeitarbeitslose psychische Probleme auf die eine oder andere Art hat. Da ist die Einstellung: „Mit Mindestlohn ist jeder Job akzeptabel“ einfach massiv deplatziert, es sei denn, man findet es in Ordnung, Menschen möglicherweise in die Obdachlosigkeit oder gar den Suizid zu treiben, weil sie unter dem Zwang zusammenbrechen. Das ist einfach keine Option, nicht mit meinem Menschenbild.
Dazu kommt, dass die Kosten des Bürgergeldes bei weitem nicht so dramatisch sind, wie gerne getan wird. 2022 kostete das Bürgergeld (also die an Menschen ausgezahlten Leistungen) gerade mal knapp 20 Milliarden Euro, als Vergleich dazu betrug der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung 81 Mrd… Geht man davon aus, dass ein Teil dieser 20 Mrd nicht vermeidbar ist (friktionelle Arbeitslosigkeit) und nur ein winziger Teil dieser 20 Mrd auf Langzeitarbeitslose entfällt, übersteigen die Schäden den potenziellen Nutzen bei weitem. Ich halte diese Diskussionen über „mehr Fordern“ im Bürgergeld für eine konservative Nebelkerze, hier geht es um konservative Werte und Populismus in Form von „Nach-unten-treten“, nicht um Sachpolitik.
Nein, der Staat bestimmt nicht den Mindestlohn, sondern eine Kommission aus Arbeitgebervertretern und Gewerkschaftsvertretern.
und
ist also zu trennen. Denn der Staat hat den Mindestlohn nicht festgelegt und dementsprechend kannst du die Arbeitgeber auch nicht aus der Verantwortung entlassen. Wenn es dir Kommission nicht schafft, mit dem Mindestlohn ein Existenzminimum zu ermöglichen, müssen die Arbeitgeber die Verantwortung zurückgeben oder ihr gerecht werden.
Die Mindestlohnkomission missbrauchen, um am Staat vorbei Dumpinglöhne durchzudrücken und dann dem Staat zu überlassen, dies mit Zuschüssen wieder zu korrigieren (und gleichzeitig bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass Unternehmer viel zu hohe Abgaben leisten), mag aus Gründen der Gewinnmaximierung statthaft sein, gefährdet aber letztendlich den sozialen Frieden und den Standort Deutschland. Das ist Einzelwohl vor Gemeinwohl. Und kurzfristige Gewinne vor Stabilität.
Von Zwang halte ich auch wenig, aber dass hier so getan wird, als wären nehazu alle Bürgergeldempfänger Leute die entweder aufgrund von Krankheit nicht arbeiten können oder hätten ausschließlich Optionen die Menschenunwürdig sind halte ich auch für weit hergeholt.
Vielleicht bin ich in der falschen Bubble, aber alleine in meinem erweiterten Umfeld (Leute die ich über Sportverein etc. kenne) habe ich schon eine Hand voll Menschen, die durchaus arbeitsfähig sind, es aber nicht wollen.
Das beginnt oft schon in der Schule mit einem Abgang ohne qualifizierten Hauptschulabschluss, abgebrochene oder nicht geschaffte Lehre, etc.
Da werden teils Jobs mit einfacher Montagetätigkeit in der Fabrik (keine Schichtarbeit) mit einem Gehalt deutlich über Mindestlohn abgelehnt, weil man ja dann nicht mehr jeden Tag mit den Kumpels losziehen kann.
Eine berechtigte Frage ist jetzt natürlich wie viele Menschen macht das aus diesem Pool aus und wie hoch sind die Ausgaben für diesen Typ Bürgergeldempfänger. Ist es nur ein sehr deutlich sichtbarer, aber kleiner Teil, den man zugunsten der anderen, die in echter Not sind, durchschleppen muss, dann ist es natürlich auch naheliegend die nicht im Zentrum der Diskussion zu behandeln, oder ist das ein nennenswerter Teil der Leute und macht vielleicht 50% der Bürgergeldempfänger aus?
Dann gibt es natürlich noch die, die Aufstocken, aber tatsächlich nochmal gar nicht so wenig schwarz obendrauf verdienen. Entweder direkt beim Arbeitgeber oder eben um ein paar Ecken. Zumindest am Land bei allem was mit Baustellen zu tun hat wohl auch keine Ausnahme.
Wenn ich mir ansehe, was für Stellen ich kenne die trotz niedriger Einstiegsqualifikation unbesetzt sind und trotz eines Gehalts deutlich über Mindestlohn, dann frage ich mich schon, ob wirklich alle Bürgergeldempfänger real arbeitsunfähig (weil krank) sind, oder ob es nicht doch einen nennenswerten Teil gibt, der sich einfach für diesen Weg entschieden hat und ein ganz gutes Auskommen unter diesen Bedingungen für sich sieht.
Am Ende prallen da in Diskussionen meist zwei Meinungen Frontal aufeinander die sich aufgrund der Sicht auf ganz andere Einzelschicksale gebildet haben.
Ich sprach von Langzeitarbeitslosen. Und da gehe ich in der Tat davon aus, dass nahezu jeder in dieser Gruppe körperliche oder psychische Problemlagen hat.
Wie gut kennst du diese Leute?
Das typische „Ich könnte arbeiten, aber ich will nicht“, wie man es oft im Trash-TV sieht, ist geradezu klassisch für eine „gesichtswahrende“ Verdrängung. Wenn die Leute vor der Wahl stehen, zuzugeben, dass sie dysfunktional sind oder so zu tun, als sei das ihr Lebensweg, den sie selbstbewusst gewählt haben, siegt i.d.R. letzteres. Muss es auch, das ist letztlich Psychohygiene alá „Ich bin nicht hilf- oder gar nutzlos, ich habe nur einen anderen Weg gefunden!“.
Auch das sind Indikatoren für vorliegende Problematiken. Gerade weil wir nicht über Menschen mit gradlinigen Bildungs- und Erwerbsbiografien sprechen liegt es nahe, dass die gleichen Gründe, die für die problematische Bildungs- und Erwerbsbiografie gesorgt haben, heute noch nachwirken.
Ich wusste in der Tat nicht wie der Mindeslohn festgelegt wurde; lass es mich so formulieren: der Staat hat die Existenz eines Mindestlohnes festgelegt und eine Kommision eingerichtet, die diesen festlegt. Die letzte Anpassung wurde jedoch vom Kabinett beschlossen?
Der Mindeslohn von 12 Euro bedeutet bei einem Vollzeitjob (40h) übrigens 2080 Euro je Monat Brutto bzw. 1500 Netto bei Steuerklasse 1. Da vom Existenzminimum zu sprechen halte ich schon für sehr überzogen - zumindest für alleinstehende.
In wiefern ein Mindestlohnjob eine mehrköpfige Familie ohne weiteres Einkommen über die Runden bringen soll, ist eine andere Frage - aber auch da verstehe ich nicht, weswegen Bürgergeld einem solchen Job vorgezogen werden sollte falls die Arbeitsfähigkeit + Zeitverfügbarkeit vorhanden ist.