Erzieherinnen-Mangel und die Folgen für Familien und Gesellschaft

Moin Moin!

Ich wollte zum Thema Erzieher Mangel mal eine Perspektive der Eltern schildern, da wir gerade selbst davon betroffen sind.

Situation: In NRW fehlen ca. 25.000 Erzieher. Die Kita in die unser Sohn geht hat im laufe der letzten Monate mehrere Erzieher verloren und ist seit Oktober letzten Jahres nur noch in der Notbetreuung. Ab Anfang des kommenden April sogar nur noch im „Kinder Schichtdienst“, wodurch alle Kinder der Kita nur noch 2.5 Tage von 5 Tagen von morgens bis 14:30 betreut werden können, was insgesamt 18.75h pro Woche sind. Das Bedeutet dass Eltern je nach Betreuungsmodel (35h oder 45h) 16.25h oder 26.25h Betreuung verloren gehen. Diese Stunden müssen von den Eltern irgendwie ausgeglichen werden. Dazu kommt, dass obwohl es nur zu einer Betreuung von nur 18.75h kommt, der Träger den Eltern nur anbieten von einer Betreuungstufe nur um 1 level zu reduzieren, also von 45h auf 35h und von 35h auf 25h und wir somit auch weiterhin noch hohe Kosten für nicht erbrachte Leistungen zahlen.

Das Jugendamt ist natürlich bemüht mit dem Träger zusammen neue Erzieher zu finden, aber es ist auf Grunde des Mangels unklar ob und wann das Erfolg haben wird.

Was bedeutet das für uns Eltern?

Neben dem ganzen Stress, der Sorge um fehlende Förderung des Kindes ist dies natürlich eine finanzielle Frage die Familien betrifft.

Eltern die in Elternzeit sind denken darüber nach den Schritt ins Berufsleben nach hinten rauszuschieben um die Kinderbetreuung zu übernehmen. Eltern in Voll und Teilzeit versuchen ihre Stunden weiter zu reduzieren. Alle diese Schritte bedeutet kurzfristige und langfristige Einkunftsausfälle und Karriereeinschnitte die nicht durch das verschulden der Eltern zustande kommen, sondern ausgelöst sind durch den Fachkräfte Mangel im Bildungswesen und jahrelanger verfehlter Familien Politik (gerade in NRW).

Mein Frau und Ich sind beide in Vollzeit und würden das auch gerne bleiben, aber wir werden gezwungen diesen Wunsch aufzugeben, Einkommensbussen und Karriere einschnitte hinzunehmen und gleichzeitig sollen wir aber auch noch weiterhin die hohen Kita Kosten tragen und fleissig Steuern zahlen. Wir werden uns nach eine zusätzlichen privaten Betreuung für unseren Sohn umsehen, die uns wiederum auch Kosten verursachen wird und es unklar ist ob momentan überhaupt zusätzliches, geschultes Personal zur verfügung steht.

Konstruktiver Vorschlag: (Falls es einer ist, kann gerne diskutiert werden)

Eltern die mehr arbeiten können zahlen auch mehr steuern / können höhere Kita Beiträge leisten. Warum schaffen wir es nicht zu einem system wo Kinderbetreuung entsprechend entlohnt und gewürdigt wird und als vernünftiger und attraktiver beruflicher Werdegang zählt? Der Zielzustand muss sein: Karriere und Familie MÜSSEN vereinbar sein und zwar für BEIDE Partner in vollzeit. Das generiert hinten raus jede Menge steuern, bekämpft den Fachkräfte Mangel in anderen berufsständen und führt gleichzeitig dazu dass wir mehr Frauen in die Arbeitswelt bekommen. Ein Win-Win an allen Ecken und Enden! Und wenn jemand freiwillig in Teilzeit geht um mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen dann ist dies eine finanzielle Entscheidung die jeder abwägen muss und die auch jedem zusteht, aber es kann nicht sein, dass diese von Eltern verlangt wird auf Grunde schlechter Vorrausplanung im Bildungssektor (Ämter und Behörden), veralterten Vorstellungen von Familie oder weil sich mal wieder gerade niemand verantwortlich fühlt (Hallo Politik!).

An Ulf und Phillip:
Ich würde mich auch sehr über eine rechtliche Einschätzung der Situation freuen. Wir haben vom Jugendamt gehört das sich dort nur etwas ändern wird wenn wir klagen. Klagen ist aber teuer und nur die wenigsten von uns können sich das Leisten. Eine Erfolgaussicht scheint ungewiss das es ja der Mangel an Fachkräften ist der die Situation auslöst. Aber wer kommt denn im Endeffekt für die ganzen Einkommensverluste der Eltern auf?

Dies ist ein Hilfe Ruf von Familien und wir hoffen dass dieses Thema braucht UNBEDINGT AUFMERKSAMKEIT.

Ich habe noch einen Bild/Link von einem Zeitungsartikel der die derzeitige Situation aus mehreren Perspektiven Beleuchtet, vielleicht ist dies auch ein guter Anlaufpunkt

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Ich kann nur zustimmen. Wir haben das Glück nur in geringem Umfang betroffen zu sein, haben aber den Nachteil von fehlender sonstiger Betreuung, z. B. Großeltern.

Wegen Fachkräftemangel hatte ich das hier LdN308 Fachkräftemangel - Was ist mit den Frauen? auch schon thematisiert. Vor allem gäbe es durch bessere Betreuung auch mehr Erzieherinnen, da ja genau diese selbst häufig in Teilzeit oder ganz zu Hause sind, wegen fehlender Betreuung.

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Verdi ruft derzeit zu Streiks auf, es wird auch für eine bessere Bezahlung von pädagogischen Fachkräften bezahlt, die bei kommunalen Trägern angestellt sind. Liebe Eltern von Kita-Kindern: solidarisiert euch. Werdet laut! Organisiert euch gemeinsam mit den Fachkräften, die todunglücklich sind, dass sie euren Kindern nicht mehr gerecht werden (lest die Brandbriefe der Kitafachverbände). Wartet nicht, dass von alleine etwas passiert.
Meine drei Kinder sind inzwischen in der Schule- und da geht es gleich weiter mit der Misere…

Ich weiß nicht ob es inzwischen geändert wurde, aber als wir Deutschland verlassen haben, war es so, dass nur fertige Pädagogen in der Kita angestellt werden durften.

Hier in Schweden gibt es noch einen anderen Beruf, ich würde ihn mit Kinderpfleger übersetzen.
Diese bekommen eine Schnellbeschulung in den zwei wichtigen Punkten:
Wie beschäftige ich die Kids und worauf muss ich achten beim Kinder hühten.

Aktuell ist es jetzt dadurch so, dass die Kindergruppen alle zumindest einen ausgebildeten Pädagogen haben und ansonsten fehlendes Personal durch die Pfleger ersetzt werden.

Solche Pflegestellen waren auch ein einfacher Startpunkt für die Flüchtlinge 2015 die so Recht schnell einen Job finden konnten.

Aus den Erzählungen meiner Frau entnehme ich, dass das durchaus ein gangbares Modell ist um schnell viel Personal ranzubekommen und so die Betreuungszeiten abzudecken, denn die eigentliche pädagogische Arbeit findet ja nicht früh morgens oder spät am Nachmittag statt, da muss man die Kinder nur beaufsichtigen, beschäftigen und aufpassen, dass nichts passiert.

Hey Florian, Danke für die Antwort.

Wie ich in deinem eigenen Beitrag sehe hast du auch die simple Mathematik hinter dem Problem verstanden. Was mich schockiert hat sind die schlecht durchdachten Halbwahrheiten die du als Antwort bekommen hast.

Wir haben beim Jugendamt hinterfragt wieviel ein Betreuunsplatz bei uns in der Kita das Jugendamt kostet. Für U3 waren es 13.000Eur im Jahr. Teile des Betrages werden von den Kita Beiträgen bezahlt (falls erhoben, so wie in NRW, wir zahlen 670Eur). Unabhängig von den Beiträgen ist es jedoch ersichtlich dass jedes Elternteil das im Jahr mehr als 13.000 verdient einen Mehrwert für die Gesellschaft generiert wenn sie Arbeiten gehen würde.

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Hey Sis!

Habe ich heute morgen auch im Radio gehört. Unser Sohn ist bei einer Kita von der AWO (öffentlicher Träger) wo exact der zulässige minimal Betrag an die Erzieher gezahlt wird. Eltern Initativen und Kommunale Kitas zahlen mehr. Leider weiss ich nicht wie man für diesen Kitas der Öffentlichen Träger ebenfalls für bessere Bedingungen sorgt. Meines erachtens liegt dass daran, das es für diese Träger kaum relevante Konsequenzen sollte es zu Ausfällen kommen. Es ist also mal wieder ein Problem fehlender Accountability und den richtigen Incentives im Allgemein Wesen. Wenn die Gesellschaft nicht anfängt die Politik, die Ämter und Träger in ihre Pflicht zunehmen wird sich hier grundlegend nichts ändern. Das Jugendamt hat uns explizit gesagt, dass nur eine Klage helfen wird. Und vermutlich brauch es da mehr als eine :slight_smile:
Dies kombiniert mit öffentlich wirksamer Arbeit / Streiks scheint der einzige Weg.

Hallo Olaf!
In Kitas in D arbeiten heute schon sehr viele unterschiedliche Professionen zusammen. Pädagoginnen, Heilerziehungshelferinnen, Heilpädagoginnen, Kindheitspädagoginnen, Kinderpflegehelferinnen, Kinderpflegerinnen, Familienpflegerinnen, Sozialarbeiterinnen, Sonderpädagoginnen, Jahrespraktikantinnen - und dann noch Assistenzkräfte, die man flugs 2021 über länderspezifische Programme fit gemacht hat, die aber keine pädagogische Arbeit leisten sollen (sondern beim Anziehen, Essen, bei der Zubereitung der Speisen etc. unterstützen) In NRW heißen die Alltagshelfer*in, in anderen Bundesländern anders.

Die Gruppe ist also sehr heterogen, was die Ausbildung angeht. Richtig ist, dass der Personalschlüssel vorsieht, dass in jeder Gruppe mindestens eine „gelernte Kraft“ ist. Was die Kita-Beschäftigten eint, ist die hohe Bereitschaft zur Selbstaufgabe, weil ihnen die Kinder so wichtig sind. Das geht bis zum Burnout.

Und wenn du eine Fachkraft fragen würdest: Sie würden die Idee, in den Randstunden bräuchte es ja nur Betreuung und Aufsicht, weit von sich weisen. Und es ist auch nicht so. In der Kita sind gerade die Randstunden, wenn nur wenige Kinder da sind und es ruhiger ist, wichtige „Zeitinseln“, in denen der Blick auf das einzelne Kind besser gelingen könnte. Kitas sind Orte der frühkindlichen Bildung. Das heißt nicht, dass hier Englisch oder Coden gelernt wird, sondern, wie man eine Jacke anzieht. Wie man sich mit anderen auseinandersetzt, wie man selbstständig isst, die Schuhe richtig rum anbekommt, wieso Sachen unterschiedlich schnell vom Tisch plumpsen. Wie man sich die Hände richtig wäscht und alleine aufs Klo geht. Dafür braucht es Zeit und Begleitung.

Je mehr Kinder immer länger in Einrichtungen sind, desto wichtiger ist diese Alltagsbildung. Das können sicher auch Menschen begleiten, die nicht einen Master in Kindheitspädagogik haben. Aber es braucht innerhalb des Teams das Wissen. Du kannst keine Person in Kitas mit den Kindern arbeiten lassen, die sowas nicht auf dem Schirm hat. Denn natürlich ist es im Zweifel schneller, wenn Erwachsene dem Kind die Jacke und die Schuhe anziehen, ihm das Essen auf den Teller und das Wasser in den Becher machen - aber besser ist es nicht. Von pädagogischen Konzepten wie kindliche Partizipation, gleichwürdiger und bedürfnisorientierten Erziehung fang ich gar nicht erst an.

Long story short: Es ist nicht damit getan, mal eben ungelernte Helfer*innen in die Kitas zu holen, denn es geht um weit mehr, als um die Aufsichtspflicht, mal eben ein Geschenk für den Muttertag zu basteln oder eine Runde Obstgarten spielen.

Und Eltern können das auch nicht ernsthaft wollen.

Das hab ich auch nicht behauptet.
Zudem haben die Barnskötare (echte Bezeichnung) auch eine Ausbildung, sind also keine ungelernten. Nur sind sie eben keine Pädagogen und die Ausbildung ist wesentlich kürzer und kann im Gegensatz zum Pädagogen berufsbegleitend gemacht werden.

Heißt kurze Anlaufzeit (paar Wochen) bevor du solche Leute in den Kitas einsetzen kannst.

Ist in meinen Augen als Akuthilfe deutlich besser als zu versuchen alles was irgendwo mal Pädagogik in einer Ausbildung gestreift hat plötzlich als Kindererzieher/in einzusetzen wie deine lange Berufsliste andeutet, zumal die ja auch an anderer Stelle benötigt werden.

Hey Ihr Zwei,

danke für eure Perspektiven. Wir sind ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass eine kurzfristige lösung über Kinderpflege oder die sog. Alltagshelfer kurzfristig für Entlastung sorgen könnte. Solche stellen sind auch schon in der Kita vertreten und wir werden auch nochmal mit der Leitung der Kita anregen. Grundproblem ist auch hier vermutlich der Mangel an diesen Kräften, allerdings sind diese schneller ausbildbar.

Desweiteren werden wir versuchen mit der Kita eine regelung zu finden, dass Eltern die selbst ihre Kinder betreuen, wenigstens die Räume der Kita mit nutzen können um den Kindern so ein gemeinsames spielen im gewohnten umfeld anstatt zuhause in der kleinen Wohnung zu ermöglichen.

Die Frage nach dem Einkommensausfall ist noch ungeklärt, ich werde aber Berichten sobald ich news vom Anwalt habe