Liebes Lage-Team,
Ich würde gern etwas zu dem leicht schiefen Bild, das von den Klima-Verfassungsbeschwerden in der entsprechenden kürzlich erschienen Folge gezeichnet wurde, hinzufügen.
Es fällt auf, dass aufgrund einer Bewertung ausschließlich der jeweiligen Formalien die eine Beschwerde der anderen gegenüber als unterlegen dargestellt wird. Es wird gar von „Quatsch“ geredet und wenn Klimaklage, „dann bitte richtig“. Man gewinnt so leicht den Eindruck, dass die Verfassungsbeschwerde ein rein formaler Akt sei, der durch Anwält:innen „einfach so“ erhoben werden kann. Das wird der Bedeutung nicht gerecht und lenkt von den validen Inhalten ab. Das Argument ist rein strategischer Natur und nicht juristisch. Und juristisch hatten diverse „Sammel“-Klagen vor dem BVerfG in der Vergangenheit Erfolg. Der Eindruck wird auch nicht unbedingt dadurch besser, dass die Anmoderation so verstanden werden kann, dass eine solche Klage eure Idee in einer der letzten Folgen war und die Zivilgesellschaft diese nunmehr aufgegriffen hat.
Es wäre schön, wenn das differenzierter dargestellt werden könnte, was der Qualität des von mir sonst geschätzten Podcasts gerecht würde. Und dabei nicht die einen Akteure gegen die anderen ausgespielt würden, denn es werden sich ergänzende und auf Kooperation beruhende Ansätze verfolgt.
Noch schöner wäre es aber, den inhaltlichen Ansätzen das angemessene Gewicht zukommen zu lassen. Die einzelnen Beschwerden unterscheiden sich im Streitgegenstand erheblich. Die GP/GW-Beschwerden richten sich nicht allein gegen die Änderung des KSG, sie haben vielmehr mehrere Anträge und eine in einem hohen Zeitaufwand und unter klimawissenschaftlicher Begleitung konzipierte rechtliche Argumentation. Sie zielen 1. auf mehr Ambition, auch nach dem alten KSG, denn das deutsche Budget ist – gemessen an der 1,5°C-Grenze, die der Straßburger Menschengerichtshof bestätigt hat – leer, und gemessen an der 1,75°C-Schwelle, die das BVerfG 2021 angesetzt hatte, fast leer, und auch mit dem alten KSG bleibt es dabei. 2. entsteht unabhängig von der Novelle ein eigener Verfassungsverstoß durch den Verkehrssektor, den es aufzuhalten gilt. 3. ist in die Verf-Beschwerde ein sozialökologischer Transformationsansatz tief integriert, den auch ihr einfordert - davon wurde in Klimaklagen bisher eher weniger thematisiert. Und nur 4. wird die Novelle des KSG angegriffen.
Und eine Anmerkung zur Kritik an der Art und Weise der Erhebung: Hier wird eine vermeintliche bürokratische Hürde beim im Zweifelsfall am besten auszustattenden Gericht Deutschlands gegenüber dem jede:r Person verbürgten Recht auf eine Verfassungsbeschwerde mit starken Worten höher bewertet, und das auf einer persönlichen Erfahrungsbasis von 2008. Warum im Jahre 2024 eine Vielzahl von Eingaben etwa in einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss beim BVerwG kein größeres organisatorisches, personelles und IT-Problem darstellt, bei der Verteidigung individueller Grundrechte aber schon, erschließt sich mir nicht. Demgegenüber ist eine zentrale Organisation gegenüber zig Einzelklagen individueller Personen aus meiner Sicht für die Vermeidung unnötiger Arbeit sogar vorzugswürdiger, wozu hier ja auch schon offenbar einmal aufgerufen wurde.
Ich würde mich freuen, wenn das in einer kommenden Folge klargestellt wird.
Liebe Grüße
John Peters