Entwicklungshilfe pro/contra

Hallo,
Ich würde mich freuen, wenn das Thema Entwicklungshilfe mal wieder zu einem Thema in der Lage würde.

Gerne mit etwas tiefgehenderen Erörterungen über das pro und contra und einer Übersicht der größten Projekte der Entwicklungshilfe.

Als Ziele der Entwicklungshilfe sehe ich

  • Hilfe in Katastrophen
  • Mitigation von Fluchtursachen
  • Förderung der deutschen Wirtschaft
  • ‚Kompensation‘ von Klimasünden in Deutschland
  • Entwicklungslabor um Erkenntnisse auf Deutschland zu übertragen
    -….

Warum wir China und Indien fördern ist mir unklar.
Auch mit Hilfen für moderne Steuerverwaltung oder Klimafreundlichen ÖPNV ist die Frage ob man hier nicht den Bock zum Gärtner macht.

Diesbezüglich können ja Details differenziert diskutiert werden, aber der Tonfall dieser Debatte scheint mir wieder sehr polemisch.
Die meisten Zahlungen werden gute Gründe, z.B. Klimaschutz, haben.
Und auch wenn man einzelne Leistungen strricht, sollte man nicht glauben, dass Deutschland künftig weniger zahlen wird. Als ein Hauptverursacher der Klima- und Biodiversitätsktise trägt unser Land Verantwortung und wird noch deutlich mehr zahlen müssen.

Ja der Tonfall in dem Focus Artikel ist polemisch. Er wird auch gerne in verschärfter Form von der AfD und anderen Regierungskritikern übernommen. Oft dann ausgespielt gegen kleiner erscheinende Investitionen für die kein Geld da sein soll. Z.B. Renovierung von Schulen.

Deshalb würde mich umso mehr die Einsätzung des Lageteams interessieren. Auch ich stelle mir bei einigen der aufgelisteten Ausgaben die Sinnfrage.

Dass der Journalist unreflektiert Dobrindt zitiert, ist schon ein starkes Stück. Die meisten Zusagen dürften noch in seine Regierungszeit fallen.
Und wenn die Gelder an Indien zu 90% Kredite sind, was ich durchaus für wahrscheinlich halte, ist das doch nichts verwerfliches?
Geld in einen wachsenden Markt anzulegen, ist eigentlich sogar eine richtig gute Idee. Und da man das Geld ja nicht einfach so gibt, sondern immer gleich die Verwendung vereinbart wird die deutsche Wirtschaft auch involviert sein.
Gleiches in China: schenken muss man China sicher nichts mehr, im Gegenteil betreibt China ja selbst finanzielle Expansionspolitik. Wenn wir dort aktiv werden, dann sicher weil es sich für deutsche Unternehmen und den Staat lohnt.

Man kann Entwicklungshilfe ja auch Interessengeleitet machen, wenn es unsere Außenpolitik schon nur noch an zweiter Stelle ist. Insbesondere, wenn wir sinnvolle Investitionen als Land tätigen (Beispiel China in Afrika) wird uns das langfristig wohl höhere Renditen bringen als so manches Invest in D.

Ich meine, manche Projekte klingen halt tatsächlich fernab von jeglichem Zweck für D und können wohl nur durch Ideologie erklärt werden. Um die Männlichkeit in Indonesien kann man sich dort wohl selbst kümmern, da müssen wir nicht als Oberlehrer auftreten.

Wenn man tatsächlich helfen will, sollte man sich mal ehrlich machen und den Handel bspw. in Afrika liberalisieren, sodass sich dort bspw. Industrien über Rohstoffe hinaus entwickeln können, dafür reicht die Nächstenliebe aber wohl doch nicht.

Aber genau das ist natürlich auch wieder eine Form von Neo-Kolonialismus. Nach dem Motto: Weil wir durch den Kolonialismus so reich und ihr so arm seid, nutzen wir nun unser Kapital, um an eurem Wachstum zu profitieren. Das sollte ja eigentlich gerade nicht der Zweck von Entwicklungshilfe sein.

Und generell wollen wir uns das chinesische System („Entwicklungshilfe zur Stärkung des eigenen Einflusses durch Erzeugung von Abhängigkeiten“) ja gerade nicht zum Vorbild nehmen, Ziel unserer Entwicklungshilfe soll gerade im Gegenteil sein, dass die Länder möglichst unabhängig werden.

Hier stimme ich absolut zu. Das ist halt das Problem mit dem Neo-Kolonialismus - wir wollen Afrika helfen, ein guter Rohstoffproduzent zu werden, um uns mit Rohstoffen für unsere High-Tech-Industrie zu versorgen, damit wir weiter den technologischen und wirtschaftlichen Vorsprung (gegenüber Afrika, aber auch China) halten können. Leider wollen wir gerade nicht wirklich, dass afrikanische Staaten zu Konkurrenten auf dem rohstoffverarbeitenden High-Tech-Sektor werden.

Die einen fordern, dass Entwicklungshilfe vor allem uns selbst helfen soll („Fluchtursachen reduzieren“, „chinesisches Modell“), die anderen fordern, dass Entwicklungshilfe einzig den betroffenen Staaten helfen soll, sich auf Augenhöhe zu entwickeln. Die Realität spielt irgendwo zwischen diesen Extrempositionen.

Ehrlich gesagt verzweifele ich an diesem Thema. Seit mehr als 20 Jahren beobachte ich nun dieses Themenfeld. Schaue Dokus und lese auch viel dazu.
Wenn man sich ehrlich macht, hat die Entwicklungshilfe so gut wie keine Erfolge aufzuweisen. Das einzig positive sind noch Schulen und Lehrer, wobei das auch eher Symbole sind.
Kein westlicher Staat hat es vermocht, speziell auf dem Afrikanischen Kontinent, nachhaltige Entwicklungen einzelner Länder zu fördern. Das liegt aber auch sehr oft an politischen oder millitärischen Umstützen vor Ort.
Einzig die Welthungerhilfe kann noch als Erfolg gewertet werden, weil die Versorgung über diesen Zeitraum besser geworden ist.
Darum sollte man wirklich einmal über die Wirksamkeit nachdenken. Offene Marktzugänge wären ein Ansatz, aber auch hier wollen wir ehrlich sein, die Qualifikation und die Produktionseffizienz vor Ort sind dermaßen weit hinten dran, dass Löhne extrem tief sein müssten, um Wettbewerbsfähig zu sein.

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Sind für eine nachhaltige Wirkung von Entwicklungshilfe nicht erstmal stabile politische Verhältnisse im Land notwendig? Um überhaupt eine gewünschte Wirkung zu erzielen?

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Ja, das wäre wünschenswert. Aber hier beißt sich ja leider die Katze in den Schwanz: In Ländern mit wenig funktionierender Infrastruktur, großen, nicht zuletzt auch klimawandelbedingten Problemen, die eigene Bevölkerung irgendwie zu ernähren, einem maroden Gesundheitssystem, fehlender Gleichberechtigung und fehlenden Bildungsangeboten, gerade für Mädchen und Frauen, wird es entsprechend schwer, stabile politische Verhältnisse zu erreichen.

Es gab in den 2010 Jahren den Vorschlag (aus der Wissenschaft), dass starke Länder (z.B. Deutschland) für eine bestimmte Zeit Entwicklungsländer (z.B. Namibia) mehr oder weniger Autokratisch regieren, auch mit Hilfe von Beamten, Polizei und Militär. Im Prinzip eine Kolonie errichten.
Dadurch könnten nachhaltige staatliche und wirtschaftliche Strukturen aufgebaut werden. Es wurde damals eine Art Aufbau Ost Szenario für diese Länder diskutiert. Das Ziel war in 30-50 Jahren diese Länder wieder in die Unabhängigkeit zu entlassen.
Die ganze Diskussion wurde sofort als ethisch unkorrekt und Völkerrechtswidrig gestoppt. Aus diesen Gesichtspunkten auch zu Recht.
Trotzdem war es für mich persönlich, der einzig seriös hergeleitete Vorschlag den ich bis heute gehört habe. Alle anderen Vorschläge die mir bekannt sind, sind gescheitert. Und alle neuen Vorschläge sind eigentlich die alten Vorschläge im neuen Gewand.

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Über den völkerrechtlichen und ethischen Irrweg hinaus, wie wurde denn ganz funktional in diesem Vorschlag hergeleitet, wie die Länder nach dem „Entlassen“ in die Unabhängigkeit zu Stabilität, Frieden und Menschenrechten beitragen sollten?
Es gibt ja durchaus Argumente dafür, dass demokratische Partizipation, Selbstregierung und Autonomie wohlstands- und friedensfördernd sind, wenn man sie nicht schon als Selbstzweck betrachten will (klar, dieses „westliche Modell“ wird durch die nach außen weitgehend friedliche und wirtschaftlich starke Entwicklung insb. Chinas etwas infrage gestellt, aber von vielen mW weiterhin vertreten). Mir schien es beim Lesen dieses Vorschlags (kenne nur das, was in deinem Beitrag steht) daher etwas schwer vorstellbar, dass so nachhaltig gute Regierung entsteht. Es sind ja schon mal Länder, nachdem sie vermeintlich „zivilisiert“ werden mussten, in die „Unabhängigkeit entlassen“ worden, das hat zu der jetzigen Governance- und Wirtschaftssituation geführt…

Ich kenne aus zweiter Hand von Stefan Schulz den Vorschlag, westliche Länder sollten sich ein Land für eine umfassende, zum beiderseitigen Vorteil wirkende Partnerschaft suchen, dabei insbesondere Ausbildung, Migration und Handel zwischen den Ländern intensiv fördern und gestalten. Mit dem dahinterliegenden Gedanken, dass die ungleichen Partner auch entgegengesetzte demographische Herausforderungen haben, bspw. Deutschland und Nigeria. Das schien mir sowohl ethisch vertretbarer als auch erfolgsversprechender. Bleibt aber vage, zumal ich die ursprüngliche Quelle nicht kenne. Vielleicht weißt Du etwas, da es in Auszügen ähnlich klingt?

Das scheint mir (wenig) subtil einen Gegensatz anzunehmen, der keiner ist. U.a. Frieden, Demokratie oder eine intakte Umwelt sind ja gerade keine rein moralische Größen, sondern liegen neben Werten auch ganz klar im deutschen Interesse.
Darüber hinaus lassen sich Interessen auch erst aus einem immer von Werten geprägten Standpunkt formulieren, da kommt man nicht drumherum. Dass Werte das staatliche Handeln ausrichten, ist insofern ziemlich banal (s.a. Grundgesetz).

Was die konkreten Ausgaben angeht, ist eine dauerhafte Überprüfung der Sinnhaftigkeit, Effektivität und Effizienz natürlich sinnvoll. Gerade bei der Effizienz sind wir in Deutschland oft nicht gut. So mein Vorurteil, echtes Wissen hab ich hier nicht beizutragen. Wäre auch für einen Lage-Check.

Ja, Stefan Schulz hat diesen Ursprünglichen Vorschlag damals beim Aufwachen Podcast auf diese Version abgewandelt. Ehrlich gesagt, bekomme ich das auch alles nicht mehr zusammen, aber das größte Problem war bei Stefans Vorschlag, dass die Interne Sicherheit, der Grenzschutz und die Anti-Korruption nicht gesichert werden konnten.
Das hat die EU ja grade in Äthiopien erleben dürfen, wo man auf ähnliche Weise einsteigen wollte (Strategische Partnerschaft) und dann bricht der Bürgerkrieg aus. Die politische Stabilität kann mit solchen Mitteln einfach nicht gewährleistet werden.

Entwicklungszusammenarbeit wäre im besten Fall eine win-win-Situation und wird damit auch fleißig beworben („Hilfe zur Selbsthilfe“, „Fluchtursachen bekämpfen“, die Rede ist von „Partnerschaften“ und „Zusammenarbeit“).

Die Realität sieht imho aber anders aus. Gelder fließen zwar manchmal auch in Hilfsprojekte die den Namen verdienen, in der Regel aber eher in Projekte, die zwar schon einen Mehrwert bieten, primär aber der eigenen Wirtschaft nützen. Fundamentale Probleme werden selten angegangen. Die neokolonialen Aspekte wurden außerdem ja bereits erwähnt.

Solange riesige internationale (auch europäische!) Fischfangflotten westafrikanischen Fischern die Meere leerfischen,
Solange die afrikanischen Märkte mit subventionierten Lebensmitteln und Gebrauchtwaren aller Art überflutet werden und der lokalen Produktion damit stark geschadet wird,
Solange die Länder auf dem afrikanischen Kontinent für die westlichen Länder gefühlt nur dann relevant sind, wenn es wieder einen Konflikt gibt, oder relevante Ressourcen entdeckt wurden,
…solange wird auch die angebliche Entwicklungszusammenarbeit nur Etikettenschwindel bleiben.

Von dieser Kritik etwas ausnehmen würde ich tatsächlich (manche) privaten Hilfsorganisationen. Deren Effektivität und Effizienz schwankt zwar auch sehr, aber es gibt einige die wirklich signifikant Menschenleben retten und das Leben vieler Menschen zum Teil fundamental verbessern. Dazu gibt es ja mittlerweile auch gute Auswertungen, was Effektivität und Effizienz verschiedener Organisationen und Ansätze betrifft.