Enttäuscht vom Wahlausgang

Ein viel größeres Problem wie das Wahlergebnis ist der Umgang damit im Parlament.
Wir haben eine parlamentarische Demokratie. Daher bildet das Wahlergebnis bis auf einige Ausnahmen (Alle Parteien unter 5%) den Willen des Volkes in der aktuellen Lage wieder. Das Problem ist nur dieser Wille nicht geachtet wird. Ich fand es gut das @vieuxrenard und @philipbanse auf die Minderheitsregierung und deren Möglichkeiten eingegangen sind. Die Coronakrise hat sehr gut gezeigt das unser Parlament nicht mehr funktioniert, Wahlergebnis hin oder her. Man klammert sich über Koalitionen und Fraktionszwang an fixen Mehrheiten und lehnt pauschal alle Vorschläge und Entwürfe der Opposition ab. Das kann es nicht sein. Daran müssen wir arbeiten. Es besteht ein Zwang fixe Mehrheiten im Parlament zu haben. Das ist etwas an das man sich gewöhnt hat nicht mehr.

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… sollte einen nachdenklich machen. Denn damit wird ja impliziert, dass irgendwelche Mächte tatsächlich eine „unkontrollierte und unbegrenzte Einwanderung“ vorantreiben/anstreben. Explizit wird diese These aber nur von den Landolf Ladigs dieser Welt verbreitet.

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Ich verteidige nur ungern „derFragensteller“, weil ich bisher in nahezu allen Punkten eine gänzlich andere Meinung als er vertrete, aber hier muss ich sagen, dass wir in Gefahr geraten, Verschwörungserzählungen zu sehen, wo nicht zwangsläufig welche sind.

Ja, das Gelaber von „unkontrollierter und unbegrenzter Einwanderung“ kann eine Dogwhistle von rechten Verschwörungsideologen sein, die dahinter „irgendwelche Mächte“ sehen und letztlich dann wieder im Antisemitismus landen, muss es aber tatsächlich nicht.

Ich denke es herrscht über die Parteigrenzen hinweg Einigkeit, dass z.B. der Klimawandel den globalen Süden härter trifft als den globalen Norden, was ein Auslöser von Migration sein kann. Ebenso herrscht kein Zweifel daran, dass instabile politische Situationen bis hin zum (Bürger-)Kriegen in den Fluchtländern (z.B. in Syrien, Irak, Afghanistan) maßgeblicher Treiber der Migrationsbewegungen sind (was absolut nachvollziehbar ist - wir würden schließlich auch ungern in einem Kriegsgebiet leben wollen…).

Wer nun gegen „unkontrollierte und unbegrenzte Einwanderung“ argumentiert kann daher auch schlicht meinen, dass man sich gegen diese nicht etwa durch finstere Mächte, sondern bekannte Faktoren verursachte Migration abschotten will. Auch eine erzkonservative, moralisch extrem fragwürdige politische Position, aber eben keineswegs zwangsläufig eine verschwörungsideologische oder antisemitische.

Oder anders gesagt:
Nahezu jeder verschwörungsideologische Antisemit ist ein nationaler Egoist, aber nicht jeder nationale Egoist ist ein verschwörungsideologischer Antisemit (wenngleich die Schnittmenge in der Tat groß ist). Unnötig zu erwähnen, ich finde beide Gruppen abstoßend, würde aber trotzdem noch differenzieren wollen :wink:

finde es interessant, wie man rationales Denken mit Verschwörungstheorien verwechseln kann. Und um ehrlich zu sein, finde ich, diesen unüberlegten Vorwurf eine eine absolute Frechheit.
Sie ist aber zugleich Sinnbild für aktuelle Lage in Deutschland. Viele Menschen wollen sich aus Prinzip mit einigen Dingen nicht auseinander setzten, da es ja auch deutlich angenehmer ist, deine andere Position zu diskreditieren. Der Vorwurf, ich würde rechte extremistische Thesen verbreiten ist nur ein zweites Beispiel hierfür.

Ich glaube nicht, dass ich so etwas jemals gesagt hat. Ich bin der Meinung, dass wir eine Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften brauchen.

Aber die Positionierung „ich bin gegen unkontrollierte und unbegrenzte Einwanderung“ impliziert doch, dass es irgendeine relevante politische, gesellschaftliche Kraft gibt, die dafür ist. Es stellt sich doch niemand hin und sagt „übrigens, ich bin gegen die Verlagerung des Regierungssitzes nach Idar-Oberstein“ oder „die Abtretung Helgolands an die Mongolei lehne ich strikt ab“.

Und das ist eben die Verschwörungstheorie: dass es irgendwo da draußen Mächte gibt, die „unkontrollierte und unbegrenzte Einwanderung“ vorantreiben. Während gleichzeitig, vor Europas Haustüre bzw. auf dessen Fußabtreter zehntausende Menschen dahinvegetieren, die sich nichts sehnlicher wünschen, als endlich dieser „unkontrollierte und unbegrenzte Einwanderung“ teilhaftig zu werden. Allein, ihr Leiden und Sterben demonstriert, dass es sie nicht gibt. Dass es nicht mal die Andeutung von sowas geben darf - und sei es auch um des Preises eines offenen und anhaltenden Bruchs europäischen und internationalen Rechts.

Die gibt es ja auch durchaus - und ich finde die auch durchaus sympathisch („Kein Mensch ist illegal“, „Für eine Welt ohne Grenzen“ usw.). Es ist halt der typische Konflikt zwischen Konservativ und Progressiv. Ich persönlich denke, dass fast alle Fluchtursachen in den Ländern, aus denen die Menschen fliehen, von der ersten Welt verursacht wurden. Stichwort Kolonialismus, Stellvertreterkriege usw. Daher sehe ich erstmal jede Fluchtmigration als gerechtfertigt an. Dass wir aber natürlich auch Interessen haben, die Migration kontrolliert zu gestalten, ist die andere Seite der Medaille.

Aber ich will weiter des Teufels Advokat spielen, daher:
Auch würde der Konservative sagen, dass „2015 ein Beispiel für unkontrollierte und unbegrenzte Einwanderung“ war. Eben weil wesentliche Kontrollelemente („Erfassung der Identität und Registrierung der Migranten“) nicht vorhanden waren und jeder reingelassen wurde (dh. als Merkel 2015 die Grenzen öffnete, was ich weiterhin für eine der wenigen mutigen und guten proaktiven Entscheidungen Merkels halte, wurden alle reingelassen, es gab keine Begrenzung).

Die Aussage, gegen „unkontrollierte und unbegrenzte Einwanderung“ zu sein kann daher - wenn man es freundlich auslegen will - auch schlicht als Aufforderung verstanden werden, Migration wenn dann nur in organisierter Form stattfinden zu lassen und eben nicht so, wie es 2015 lief.

Wie gesagt, ich teile deine Meinung, dass ich das Statement „gegen unkontrollierte und unbegrenzte Einwanderung“ zu sein auch eher im rechten (=konservativen und schlimmeren) politischen Spektrum sehe und ich es inhaltlich ablehne, auch stimme ich zu, dass es als Dogwhistle für Verschwörungstheoretiker genutzt werden kann (wie die Zahl „2015“ auch…), ich stimme lediglich nicht zu, dass dies zwangsläufig immer der Fall sein muss.

Und ich halte Modelle wie das immer wieder von Leuten wie dir vorgeschlagene „kanadische Modell“ für extrem problematisch, weil es der Inbegriff des nationalen Egoismus ist. Wir werben die Fachkräfte aus wirtschaftlich benachteiligten Ländern ab, während wir uns weigern, die Hilfebedürftigen dieser Länder aufzunehmen. Damit verschlimmern wir die Situation in diesen Ländern (Stichwort „Brain Drain“) zu unserem eigenen Vorteil. Und das ist schon absurd.

Wir haben die bescheidenen Situationen in den Fluchtländern zumindest mit verursacht (Kolonialismus, Stellvertreterkriege und co. lassen grüßen) und nutzen nun unseren Wohlstand, der zu einem beträchtlichen Teil auf der Ausbeutung dieser Länder beruht, um die dort teuer ausgebildeten Fachkräften abzuwerben. Das ist letztlich die Fortsetzung des Kolonialismus in einem neuen Gewand, weil wir damit dafür sorgen, dass wir unseren Vorsprung in jeder Hinsicht weiter auf Kosten dieser Länder ausbauen.

Problem ist halt: Der Konservative denkt nicht so weit - oder es interessiert ihn nicht. Der Konservative denkt nur an die Auswirkung für das eigene Land, und die ist natürlich bei einer Fachkräfte-Migration optimal. Und genau diese Denkweise war auch - du ahnst es - die Denkweise des Kolonialismus.

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Klar. Aber sind die relevant, außer für den Umsatz von ein paar T-Shirt-Versendern? „Open Borders“ kenne ich natürlich - so wie ich auch von der „Sharia Polizei“ gelesen habe. Dem Internet sei Dank. Aber die Abschaffung von Grenzen, Aufenthaltsrecht, etc. ist doch keine Position, die jemand mit Einfluss vertritt.

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Jede moderne politische Bewegung (Umweltschutz, Datenschutz, Tierrechte, Menschenrechte, Frauenrechte, Säkularismus) ist irgendwann, irgendwo aufgekeimt und war zu Beginn eine absolute Minderheitsmeinung. Oft hat es Jahrzehnte, teilweise Jahrhunderte, gedauert, bis diese Meinungen zum Mainstream wurden - und oft wurden diejenigen, die diese Meinungen vertreten haben, über lange Zeit von der Mehrheit unterdrückt - und oft wurden diejenigen, die diese Meinungen in klandestinen Zirkeln untereinander ausgetauscht haben, dann auch als Verschwörer bezeichnet und verurteilt.

Menschen, die für eine Welt ohne nationale Grenzen und ohne Ausgrenzung aufgrund des Geburtsortes kämpfen, können also durchaus von Konservativen als eben eine neue Bewegung gesehen werden, die aus konservativer Sicht „gefährlich“ ist, so wie aus konservativer Sicht ihrer jeweiligen Zeit heraus all die oben genannten Dinge (Umweltschutz, Datenschutz, Tierrechte, Menschenrechte, Frauenrechte, Säkularismus) als „gefährlich“ und „staatszersetzend“ betrachtet wurden.

Die Grenzen, ab wann es verschwörungsideologisch wird, sind natürlich fließend - aber ich würde halt nicht jedem, der eine fragwürdige Meinung vertritt, sofort unterstellen wollen, er würde an eine große Weltverschwörung durch dunkle Mächte im Hintergrund glauben… denn das Problem mit dem inflationären Gebrauch von ernsthaften Vorwürfen (z.B. Verschwörungsideologe, Nazi oder Antisemit zu sein) ist, dass der Vorwurf immer schwächer wird, desto häufiger man ihn fragwürdig, falsch oder schlicht für extrem minderschwere Fälle einsetzt. Wir müssen die Schlagkraft dieser Vorwürfe erhalten, indem wir sie nur einsetzen, wenn wir es wirklich wasserdicht belegen können. Und das sehe ich hier wie gesagt nicht gegeben.

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Immerhin steckt in dieser Aussage schon etwas Gutes. Nämlich die Einsicht, dass meine Aussagen keine Verschwörungstheorien waren, sondern real existierende Modelle, welche offensichtlich funktionieren (für das praktizierende Land).

Das es hier verschiedene moralische Vorstellungen gibt, ist nur verständlich.

Exakt das habe ich in meinen letzten Beiträgen - vielleicht etwas zu ausführlich - doch gesagt:

Ich lehne deine Meinung inhaltlich vollumfänglich ab, würde sie aber nicht zwangsläufig in die verschwörungsideologische Ecke stecken, weil es legitime Deutungsmöglichkeiten deiner Aussage gibt, die nicht zwangsläufig in diese Ecke führen. Und auch hier gilt für mich: In dubio pro reo.

Zum Thema, inwiefern das kanadische Modell „offensichtlich (für das praktizierende Land) funktioniert“, würde ich allerdings differenzieren wollen. Das Modell funktioniert für Kanada und wenige andere Länder, die es praktizieren, weil es noch zahlreiche Länder gibt, die ein weniger egoistische Modell fahren (z.B. Deutschland).

Das Problem ist: Wenn die ganze westliche Welt zu diesem „kanadischen Modell“ wechselt und um die Fachkräfte aus den Fluchtländern kämpfen, wird das die Situation in den Fluchtländern zwangsläufig noch signifikant verschlechtern. Das Resultat ist, dass es noch mehr „klassische“ Flüchtlinge gibt, die keine Fachkräfte sind. Der Druck, der dadurch auf die Zielländer der Fluchtbewegungen entsteht, wird immer weiter steigen. Und wenn diese Länder aber alle nur Fachkräfte reinlassen wollen, müssten die Länder sich in der Tat irgendwann einmauern und ihre Grenzen mit tödlicher, militärischer Gewalt sichern.

Ist das wirklich die Welt, die du dir für unsere Kinder wünschst?

Man kann in solchen Dingen nicht immer nur auf den kurzzeitigen, eigenen Vorteil schauen. Ja, kurzfristig betrachtet würde die westliche Welt mit einer Politik des organisierten Brain Drain super fahren. Langfristig säht sie damit aber eben so massive globale Ungerechtigkeit, dass aus diesem Unrecht nicht nur massive Migrationsströme entstehen werden, sondern auch Terrorismus. Oder glaubst du, die Länder verstehen nicht, wie wir sie mit einer reinen Fachkräftemigration ausbeuten würden?

Beim Thema Migration muss immer das Thema Gerechtigkeit mitgedacht werden. Wenn wir Fachkräfte aus anderen Ländern abwerben, müssen wir gleichzeitig dafür sorgen, dass der dadurch entstandene Nachteil für diese Länder ausgeglichen wird. Zum Beispiel dadurch, dass wir die Länder wirtschaftlich unterstützen. Oder dadurch, dass wir neben den Fachkräften eben auch die anderen Flüchtlinge, die in diesem Land nicht hinreichend humanitär versorgt werden können, übernehmen. Das ist dann eine faire Angelegenheit. Der Westen darf halt nicht nur die Rosinen picken, zumindest nicht, ohne einen anderen Ausgleich zu liefern.

Bei Kanada wird auch oft vergessen, dass das Land seine Einwanderung sehr sehr einfach kontrollieren kann. Die einzige ernstzunehmende Grenze liegt zu den USA, die selbst reich und das Ziel der meisten Migrantinnen und Migranten aus dem Süden sind.

Hier in Deutschland haben wir 9 (?) angrenzende Länder? … die wiederum ihrerseits vielseitige Routen in die einschlägigen Fluchtländer haben? Und zusätzlich innerhalb der EU ein Schengenabkommen?

Allein vom Standpunkt der Machbarkeit (un)kontrollierter Migration aus kann Kanada es sich sehr leicht machen und Rosinen picken. Selbst wenn Deutschland dies wollte, wäre das kaum in der Art umsetzbar.

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