Energiewende: Wie sieht die deutsche Vision aus? 2020-2022

Darauf würde ich auch gerne nochmal eingehen, da meine erste Antwort sonst ein bisschen lang geworden wäre und ich es deshalb rausgelasen habe.

Was meinst du genau damit? Seit 2001 ist der Anteil Erneuerbare Energien (EE) nur in 2 Jahren gesunken: 2015 auf 2016 und 2020 auf 2021. Quelle: our world in data
Oder meinst du „fragwürdig“ in der Zielsetzung? Die Auffassung würde ich auch nicht teilen. Wenn man den Klimawandel anerkennt, dass er meschengemacht ist, das fossile Energieen den großteil der Emissionen ausmachen und den Schluss daraus zieht, dass man das ändern muss und die Emissionen reduziern muss. Wie kann man dann an der Energiewende zweifeln? Vielleicht habe ich dich aber auch nur falsch intepretiert.

Klar muss man realistisch sein, was auch sonst. Wenn ich mir aber eine Interpretation erlauben darf, dann sagst du hier indirekt, dass man mit variablen Stromquellen keine sichere Stromversorgung betreiben kann.

Dem ist ganz sicher nicht so. Es lediglich die Frage, wie man das möglichst effizient (sprich kostengünstig) hinbekommt.
Theoretisch könnte man ja einfach so viel mehr Leistung von EE bauen, das auch 10% Auslastung reichen um uns ständig mit Strom zu versorgen. Versorgungssicherheit wäre damit also kein Problem, es wäre lediglich verdammt ineffizient und damit teuer. In der Energiewende geht es aber genau darum hier den „Sweetspot“ zu finden, also den Punkt, an dem man die Versorgungssicherheit gewährleisten kann, aber gleichzeitig wenig für den Strom zu bezahlen.

Was da genau die richtige Menge PV und Wind ist, kann ich hier nicht genau sagen, spielt auch keine so große Rolle. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir bei 100% Auslastung von Wind oder PV mehr als genug Energie für das ganze Land haben. Gleichzeitig werden aber 5% Wind und 0% Solarenergie (nachts) wohl nicht ausreichen um den Bedarf zu decken. Dies wird man durch Speicher abdecken müssen. Also vorhandene Pumpwasserspeicher aber zum großen Teil auch Wasserstoff Speicher.

Gleichzeitig wird sich aber auch der Strommarkt verändern. Und das ist gut. Ich stelle mir vor, dass der Strompreis am Markt „direkter“ an den Kunden weitergegeben wird. D.h. es wird einen Unterschied machen, ob du dein E-Auto mittags, während viel Sonnenschein lädst, oder in einer windstillen Nacht. Dafür könnte es zum Beispiel „smarte“ Ladegeräte geben, die darauf achten und möglichst billig tanken, also dann wenn viel Strom im Netz verfügbar ist. Gleichzeitig könnte das Ladegerät bei hohen Strompreisen ein Teil der Energie im Akku wieder zurück ins Stromnetz einspeisen und du würdest dafür Geld bekommen. Selbiges geht natürlich auch für Wärempumpen (WP). Also eine WP läuft ein bisschen stärker bei niedrigen Strompreisen und erwärmt mehr Wasser als nötig um dann in der Nacht nichtmehr heizen zu müssen, wenn der Strom vielleicht wieder teurer ist.

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Da sehe ich zur Zeit den Knackpunkt. Es werden Konzepte und Gesetze für den Ausbau der EE gemacht aber ich habe noch nichts konkretes über die Speicherung gehört. Da muss man auf alle Fälle nachlegen.

Ja, das halte ich auch für einen ganz wichtigen Punkt, bei dem wir noch weit davon entfernt sind, wo wir nach der Energiewende sein müssen. Bei Erdöl oder Weizen haben wir eine strategische Reserve für ein paar Monate. Bei Erdgas war es strategisch eine Dummheit, uns vor allem von einem Land abhängig zu machen und dazu noch große Speicher an Gazprom zu verkaufen und so unsere Abhängigkeit von einem großen Lieferanten noch zu steigern. Markt funktioniert nur dann gut, wenn es vor allem viele einigermaßen gleichstarke Anbieter gibt. Wenn wir aber zulassen, dass einzelne Firmen Dinge von strategischer Bedeutung nach betriebswirtschaftlichen Interessen zu optimieren, während die Gegenseite Kräfte in strategischem Interesse bündelt und dafür auch kurzfristige betriebswirtschaftliche Nachteile in Kauf nimmt, werden wir strategisch im Nachteil sein. Die Kosten werden wir in der Gaskrise der nächsten Monate/Jahre zahlen. Das ist ein gravierender Fall von Gewinne Privatisieren, Verluste Sozialisieren.

Für die Energiewende werden wir Möglichkeiten brauchen, Energie für mindestens einen Winter zu speichern. Pumpspeicherkraftwerke werden dafür bei weitem nicht ausreichen (die würden nur für Stunden reichen). Die einzigen Technologien, die ich kenn, die dazu in der Lage wären, sind Power-to-X, z. B. Wasserstoff, eFuels, Ammoniak. Die müssen wir massiv ausbauen, wenn die Energiewende nachhaltig gelingen soll, auch wenn sie weniger effizient als die direkte Verwendung des Stroms, Pumpspeicher oder Akkus sind.

Du hast Recht, habe ich korrigiert.

Wenn das so rüberkam habe ich schlecht formuliert, gemeint war es so sicher nicht. Die Erneuerbaren Energien sind eins der - wenn nicht das - wichtigsten Werkzeuge die wir haben wenn es um Dekarbonisierung geht. Wir haben selber eine PV Anlage, Batteriespeicher, Wärmepumpe und E-Auto Zuhause und ich verfolge die Entwicklung aller dieser Technologien gespannt seit über 10 Jahren.

Für mich hatte die Energiewende das Ziel zu belegen, dass sich ein moderner Industriestaat mit v.a. Wind und Sonnenenergie versorgen lässt. Dieser Nachweis steht nach wie vor aus und alles was wir haben sind Modelle, Projektionen und Hoffnungen. Wir haben (lange) Phasen wo Wind und Sonne weniger als 10GW liefern. Wir haben Speicher für wenige Minuten. Die einzigen Beispiele aus der Geschichte die wir kennen für erfolgreiche Dekarbonisierung eines Industriestaates haben dies mithilfe einer von drei Energiequellen (oder einer Kombination davon) geschafft: Wasserkraft, Geothermie oder Kernenergie. Alle drei haben wir kaum oder wollen wir nicht. Für mich sieht es so aus als werden die Erneuerbaren noch für Jahrzehnte ein fossiles backup brauchen.

Da wir weder Wasserkraft noch Geothermie nutzen können bedeutet das für mich einen Weiterbetrieb und Neubau von Kernkraftwerken. Die Alternative dazu ist (in meinen Augen) entweder: zwei parallele Energieversorgungssysteme, eins fossil und eins Erneuerbar oder: häufige Stromausfälle, ein komplettes Abwandern energieintensiver Industrie, private Notstromaggregate in vielen Haushalten, ernsthafte Probleme mit Energiearmut in einkommensschwachen Haushalten. Wir sehen ja Heute schon Anzeichen davon.

Ja ich glaube hier ist der Punkt wo wir unterschiedlicher Meinung sind. Meiner Ansicht nach wäre dieser Überausbau so extrem teuer (da häufig Kapazitäten einfach nicht genutzt werden können), dass dies nur ein Modell für ein sehr reiches Land ist. Damit wäre es für unsere globalen Klimaprobleme keine Lösung.

All die Dinge die du hier aufzählst sind sicherlich richtig und wichtig. Aber auch hier habe ich starke zweifel, dass das ganze 1. ausreicht und 2. auch nur Ansatzweise wirtschaftlich sein kann.

Zu guter Letzt noch hierzu:

Ich hatte mit meinem Beitrag auf den sich dieser Kommentar bezog lediglich ausdrücken wollen, dass ich es nett finde von @cors und @Palaress sich für ein freischalten meines Beitrags einzusetzen. Sie sind offensichtlich stark anderer Meinung als ich und haben eigentlich davon nicht viel zu gewinnen. Warum mir das direkt als „zum Märtyrer stilisieren“ vorgeworfen wird, kann ich nicht verstehen.

Ich verstehe inzwischen auch, dass ihr hier alle schon viel zu diskutiert habt, deswegen ist das Thema für mich jetzt auch erledigt. Vielen Dank an alle die sich trotzdem nochmal damit auseinandergesetzt haben. Ich denke viele Diskussionen die hier hitzig sind könnte man bei einem Bier/Tee klären. Schönen Abend noch an alle!

Das kann ich zum Teil nachvollziehen.
Aber zum einen ist das hier kein Ort, in dem es einen Rechtsanspruch auf Meinungsfreiheit und Neutralität gibt.
Zum anderen habe ich hier sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Manche offenbar unbequemen Diskussionen werden beendet, in anderen Fällen werden interessante Aspekte auf hohem Niveau diskutiert.
Ausserdem müsste man erst einmal ein Onlinediskussionsforum finden, in dem im Schnitt besser diskutiert wird.
Als Optimist versuche ich, die gelungenen, anregenden Diskussionen höher zu werten als die beendeten, und würde mich freuen, wenn Du das auch tätest.

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Ich fände es gut, wenn Du das Thema hier weiter diskutierren würdest.
Ich stimme Dir insofern zu, als dass die Energiewende nicht leicht, schnell oder billig sein wird.
Andererseits halte ich es aber auch für nötig, dass wir weiter daran arbeiten. Auch fossile Krafstoffe können nicht nur wegen der globalen Klimaauswirkungen, sondern auch wegen der Abhängigkeit von Ländern wir Russland sehr teuer und problematisch werden. Letzteres gilt in gewissem Maße auch für Kernenergie.
Und wenn China erst einmal uns die Rechnung für die Politik, die den globalen Freihandel über politische Werte und Interessen der Bevölkerung stellt, präsentiert, wird es ein noch viel heftigeres Heulen und Zähneklappern geben.
Wir sollten uns bewusst werden, dass wir mit unseren Werten von Menschenrechten und Demokratie global in der Minderheit sind. Die beiden bevölkerrungsreichsten Länder der Welt und viele andere lehnen den russischen Überfall auf die Ukraine nicht ab.

Für mich heißen Menschenrechte so, weil sie grundsätzlich jedem Menschen zustehen, unabhängig davon, ob das herrschende Regime sie garantiert oder ablehnt. Leider haben wir im Westen, also die politischen Führungen in den USA und in Europa, seit dem Ende des Kalten Krieges eher auf Profitmaximierung als auch die Förderung von liberaler Demokratie gesetzt. Die Rechnung kriegen wir alle nun präsentiert.
Daher stimme ich dem Rest deines Beitrags zu: Die Energiewende ist ein Baustein, um uns von Regimen, die entweder heute schon unsere Gegner (China, Russland) oder allenfalls kalte, weil nicht verlässliche Partner sind, (Saudi-Arabien, Katar u.a.) unabhängiger machen.

@JanLukas Ich glaube du schneidest einen wichtigen Punkt an. Kosten sind logischerweise ein wichtiger Aspekt bei der Energieförderung. Allerdings fällt uns derzeit ja nicht auf die Füße, dass Wind und Sonne grundsätzlich teurer sind (ganz im Gegenteil), sondern dass wir Probleme mit der Grundversorgung haben. Dieser Punkt wird aus irgendeinem Grund chronisch unterrepräsentiert. Es ist nicht im geringsten wichtig, wie viele Strom wir an sonnigen und windigen Tagen produzieren können, solange wir keine Möglichkeiten zur Speicherung haben. Relevante Vergleichswerte sind in der Regel düstere, flaue Wintertage und solange wir wie auch in dieser Krise derzeit durch externe Faktoren gezwungen werden, wieder Kohlekraftwerke zu reaktiveren, ist unsere Energiewende ungenügend.
Ich hatte im Orginalthread bereits angemerkt, dass unser Weg kein globales Vorbild aufgrund der sagenhaften Kosten sein kann. Das scheint sich zunehmend zu bestätigen mit einem Energiepreis, der in den letzten 3 1/2 Jahren über 500% zugelegt hat. Stattdessen sind deutsche Politiker nun die treibende Kraft hinter dem Green-Labeling von Gas auf EU-Ebene. Das ist meiner Meinung nach eine sehr bescheidene Entwicklung und möglicherweise leider eine Folge davon, wie ideologiebeladen dieses Thema hierzulande diskutiert wird. Die sinnvolle Diskussion von Brückentechnologien, bis es bessere Möglichkeiten zur Speicherung gibt, wurde verschlafen.

Zumindest hier im Forum ist dieser Punkt keinesfalls chronisch unterrepräsentiert, sondern intensiv diskutiert. Z. B. hier:

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Vermeintlich werden Diskussionen beendet, weil sie unbequem sind. Tatsächlich aber werden sie beendet, weil wir im Interesse tausender LeserInnen, die dieses Forum besuchen, keine „Monster-Threads“ mehr aufwachsen lassen möchten :slight_smile: Etwa 20-30 Beiträge sind nach unserer Erfahrung die lesefreundliche Obergrenze in einem Thread - unabhängig vom Inhalt oder von der politischen Ausrichtung. Dann wird hier in der Regel archiviert. Wer aber einen geschlossenen Thread spannend findet und dort posten möchte, wende sich bitte an @moderat. Wir überlegen dann gemeinsam, ob er wieder geöffnet oder ob besser ein neues Thema erstellt werden sollte.

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