Guten Morgen liebes Lage-Forum,
Mir geht es um die Energiewende im Gebäudebestand und die Frage, womit wir sinnvollerweise anfangen…
TL:DR:
→ Es wird fast nur über Heizungssanierungen geredet, aber die bringen zu wenig (20-30% Einsparung).
→ Wärmepumpen verbauchen Strom, für den unser Netz aktuell zu schwach ist (Skalierungsproblem).
→ Eine Lösung: Wir müssen vorher den Verbauch im Gebäudebestand drastisch senken.
→ Das geht nur mit effizienter Dämmung - Idealerweise auf Passivhausstandard (90-95% Einsparung)
→ unten im Post zwei Folien, die Energieeinsparungen bei verschiedenen Maßnahmen an Gebäuden zeigen und diese in Bezug zum verbleibenden CO2-Budget und zur aktuellen Energiegesetzgebung stellen.
Meine Gedanken hierzu:
Die Richtung der politischen Diskussion:
In meinen Augen wird sehr viel über Heizungen diskutiert, jedoch fast nicht über das Thema Gebäudedämmung. Schön sichtbar im aktuellen Vorstoß von Herrn Habeck.
Vielleicht sind Heizungen gut greifbar?
Jedenfalls sind sie gut intrumentalisierbar: Die arme Oma Liesls mit ihrem Einfamilienhaus. Es geht natürlich aber vor allem um Vermietungskonzerne wie Vonovia, die ihren Bestand anpacken müssen.
Gleichzeitig fragen sich die Heizungsinstallateure: Wie soll isoliert eine Wärmepumpe helfen, wenn man nicht die Wärmeverluste des Hauses begrenzt?
Konträr dazu fragen mich Fachleute aus meinem Umfeld (Statiker, Heizungstechniker, etc) wann wir endlich „mit diesem Dämmwahnsinn aufhören“.
→ Die Energiewende bei Gebäuden muss also erstmal kommuniziert werden.
Meine Kernthese: Wärmepumpen alleine lösen unser Problem nicht. Sie stellen aber die effizienteste Art dar, unser Warmwasser künftig zu produzieren (Heizwärme ist eher nebensächlich in einem gut gedämmten Haus).
Wenn jetzt aber jedes Haus von Gas/Öl auf elektrisch (Wärmepumpe) umschwenkt (plus E-Auto, etc), reichen die elektrischen Netze nicht aus.
Für den Scale-Up müssen die Verbräuche zuerst runter!
→ Wir müssten viel mehr über den Grundverbrauch der Gebäude sprechen und wie wir diesen beschränken. Das bedeutet, vorhandene Gebäude zu dämmen (idealerweise auf Passivhausniveau)
Eine Beispielrechnung um die Größenordnung zu verstehen (Basishaus: Baujahr 1970, Heizung Baujahr 1985, Energieverbrauch 15lÖl/m2 und Jahr):
Eine neue Heizung führt zu Einsparungen um 20-30%. Verbrauch nach Sanierung 15l *0,7 = 10.5l / m²a.
Gebäudedämmung (KfW55-Niveau), Einsparung 60%: 5,5l/m²a.
Gebäudedämmung (Passivhausniveau), Einsparung 90%: 1,5l/m²a.
Wenn Deutschland Klimaneutral werden will, muss also die Dämmung (auch) gemacht werden. In der EU wird ab 2030 für den Gebäudebestand ein Zwang zur Gebäudedämmung diskutiert.
→ wir tauschen 2024 die Heizungen (Heizlast von 1970), dann dämmen wir 2030 die Gebäude (Heizlast deutlich geringer).
Unsere 6 Jahre alte Heizung ist jetzt überdimensioniert! Teillastbetrieb ist ineffizient bei den meisten technischen Anlagen.
„Zuerst die Wärmepumpe“ ist also eine Strategie, die mich dreifach bestraft: Größere Anlage = teuer; Höherer Verbrauch durch geringe Einsparung = Höhere Nebenkosten; Anlage nach Dämmung überdimensioniert = Ineffizienter Betrieb = höhere Nebenkosten.
Zur Datenlage zwei Folien von Dr.-Ing. Benjamin Frick (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Passivhaus-Institut):
Die Grafik „CO2-Budget“ zeigt genau die oben beschriebenen Probleme:
die steile Linie (schwarze Punkte) zeigt ein unsaniertes Haus aus 1977. Hier wird 2025 bereits das CO2-Budget (1,5°, grüne Linie) aufgebraucht, 2030 jenes für 2°C erreicht.
Wenn „nur“ eine Wärmepumpe installiert wird, ist das 1,5°C Budget 2026 aufgebraucht. Für 2°C dauert es immerhin bis 2050.
Wenn dasselbe Haus stattdessen gedämmt wird (gesetzliche Mindestdämmung: U-Wert 0,24), dauert es bis 2040 (!) für das 1,5° Budget. Bei Passivhausstandard (U-Wert 0,15) sogar bis 2050.
Spannend ist die Passivhausdämmung mit Stroh + Wärmepumpe: Hier wird bis 2070 nicht einmal das im Stroh gespeicherte CO2 verbraucht.
Die politische Diskussion geht derzeit also am Thema vorbei und kommt zu spät.
2024 hat das 1977er Haus bereits fast das CO2-Budget aufgebraucht. die Wärmepumpe holt das Problem nicht mehr ein. Dämmung, Lüftung, Fenster, Wärmerückgewinnung wären die Themen, die den Diskurs bestimmen müssten.
Wenn Herr Habeck das Thema wirklich an der Wurzel packen wollte, müsste er den Betrieb ungedämmter Gebäude verbieten, nicht die Heizungen.
Die gute Nachricht: Gesetze können Wirkung zeigen:
Die Energiegesetzgebung von 2000-2010 hat eindrucksvoll den Gebäudeverbrauch gesenkt.