Elterngeldstreichung

Einspruch.
Ich erwarte schon Gegenleistungen vom Staat für meine Steuern.

So z.B. eine ordentliche Infrastruktur.
Unsere zentrale Müllsammelstelle wird aus Steuermitteln finanziert, was bedeutet, dass ich da vorbei fahrennkann und meinen Müll los werde ohne extra Gebühren zu bezahlen.

Das ausreichend Polizisten in der Gegend rumschwirren ist auch so eine Gegenleistung.
Oder auch das die Feuerwehr vorbeibkommt wenn meine Hütte brennt.

Gibt also einen ganzen Blumenstrauss an Gegenleistungen die ich für meine Steuern erwarte und auch gerne sehe wenn sie gut finanziert funktionieren.

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Die grundsätzliche Erwartung, dass der Staat (bzw. in Deutschland Bund, Länder und Kommunen) mit Steuern - also mit ihren Einnahmen - zumindest irgendetwas tun, was der Allgemeinheit dient, ist ja durchaus legitim. Was ich meinte, war die Erwartung, für die Zahlung der eigenen Steuern bestimmte Leistungen erwarten zu dürfen - eben nach dem Motto „Wenn ich 40.000 Euro Einkommenssteuer zahle, will ich davon auch x.000 Euro Subventionen zurückhaben“.

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Das habe ich so auch überhaupt nicht geschrieben. Mein Argument war, dass ich es unfair finde, wenn gerade die, die einen hohen Beitrag leisten, keinen Anspruch haben sollen. Sonst könnte man ja auch auf die Idee kommen, Arbeitnehmern mit hohen Einkommen sollen in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, aber brauchen keine Leistung, wenn es sie erwischt. Oder sie dürfen gerne den Höchstbetrag in die Krankenversicherung einzahlen, aber ihre Behandlung können sie sich ja auch so leisten.

Das Elterngeld soll die Einkommenslücke mindern, die entsteht wenn sich Eltern um die Kinder kümmern.

Dabei ist das Elterngeld eben keine Sozialleistung, da sie sich nicht nach der Bedürftigkeit richtet. Niemand in der Einkommensregion kommt auf die Idee Anspruch auf Hartz 4 oder Wohngeld zu erheben.

Dabei verfolgt es ja auch die Logik, das man mehr bekommt, wenn man vorher mehr verdient hat - gegen das Prinzip hab ich auch noch keine Einwände gelesen. Sonst wäre es vielleicht sinnvoll, eine Pauschale auszuzahlen, dann entfällt auch das unsägliche Antragsprozedere.

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Das sind zwei völlig verschiedene Systeme: Bei Versicherungen wie der Arbeitslosen- oder Krankenversicherung bezahlt man Beiträge, aus denen sich ein Anspruch auf bestimmte Leistungen ergibt. Dabei kann - muss aber nicht - die Höhe der gezahlten Beiträge im Relation zur Höhe der Leistungen stehen. Bei Steuern sieht es aber wie geschildert ganz anders aus. Hier entscheidet allein der Gesetzgeber darüber, wie diese verwendet werden und in welchem Maße Ausgaben welchen Bürger:innen wie zugute kommen.

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Danke für die Belehrung.
Diese Unterscheidung ändert aber nichts an meiner Argumentation, ich habe ja nicht behauptet, dass sich aus den Steuerzahlungen ein direkter Anspruch ableiten ließe.

Wie rechtfertigst du denn den mit dem Einkommen steigenden Elterngeldsatz? Der Logik der 150.000€ Grenzen-Befürworter nach müsste der Betrag doch graduell von Anfang an mit steigendem Einkommen sinken, da ich mit mehr Einkommen auch mehr Geld fürs Kinderbekommen zurücklegen kann.

Nun, wenn Du in Bezug auf das Elterngeld mit „Beiträgen“ argumentierst und den Vergleich zu den genannten Versicherungen ziehst, erscheint es mir angebracht, auf den Unterschied zwischen Beiträgen und Steuern hinzuweisen. Im Übrigen habe ich das beschriebene Anspruchsdenken Besserverdienener keineswegs auf Dich persönlich bezogen.

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Nein, weil das nicht die Logik des Elterngeldes ist. Das Elterngeld wurde von der Union erfunden und hatte ganz dezidiert den Zweck, besser verdienende Paare dazu zu motivieren Kinder zu bekommen bzw. ihnen das Leben mit Kindern zu erleichtern. Die Logik dahinter ist, dass sich Paare gegen Kinder entscheiden, weil sie einerseits Karrieren hemmen können, andererseits der betreuende und für gewöhnlich schlechter verdienende Teil in der bzw. durch die Betreuungszeit abhängig vom verdienenden Partner wird. Um diese Funktion zu gewährleisten muss das Elterngeld für Vielverdienende eine bestimmte Höhe erreichen, weil es sonst die Motivation nicht erfüllen kann. Dass es dem Elterngeld überhaupt nicht um das Abfedern sozialer Härten geht sieht man ganz gut daran, dass das bis 2006 ausgezahlte Erziehungsgeld nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wurde, das Elterngeld hingegen schon.

Natürlich ist das furchtbar ungerecht: Es suggeriert, dass die Sorgearbeit eines Ingenieurs oder einer Ärztin mehr wert ist und besser bezahlt werden sollte als die einer Studentin oder eines Asylbewerbers. Die Arbeit ist allerdings die gleiche, ebenso die Kosten für die Grundbedürfnisse des Kindes. Aber nur weil die Versorgung von Kindern insgesamt so schlecht ist, leistet das Elterngeld diese quasi auch noch nebenbei - für diese Aufgabe ist es aber schlicht nicht geeignet oder schlecht konzipiert. Die Einsparungen bei der Kindergrundsicherung müssten mit mindestens genauso hohem Petitions- und Empörungsaufwand begleitet werden.

Diejenigen, die sich jetzt über die Kürzungen beim Elterngeld empören, tun das nicht nur, weil sie auf Geld verzichten müssen oder auf dieses angewiesen wären. Sie tun das vornehmlich, weil das Elterngeld für sie bisher Beziehungskonflikte geschlichtet hat. Diese Paare, die vermutlich aus vergleichsweise karriereorientierten Menschen bestehen, müssen jetzt selbst miteinander aushandeln, wer auf welche Arbeit verzichtet, ob ein Partner dem andere verbindliche Entschädigungen zahlt oder welche Kompromisse bei der Kinderbetreuung man ggf. bereit ist in Kauf zu nehmen. Sie werden außerdem möglicherweise mit dem Gedanken konfrontiert, dass sich ihr Lebensstandard nur mit enorm viel Erwerbsarbeit aufrecht erhalten lässt und der Frage, wie diese Erkenntnis mit der Anwesenheit eines Kindes harmoniert. Dass man diese bevorstehenden Konflikte lieber durch das Elterngeld lösen lassen würde als sie selbst zu führen, kann ich sogar einigermaßen nachvollziehen.

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Ach überhaupt nicht - ich empfinde das einfach als große Ungerechtigkeit. Zu meinem Erstaunen sieht auch hier ein Großteil die 150.000€ Jahreseinkommen und denkt an einen vermögenden Großgrundbesitzer der zu geizig ist, für die Kinderbetreuung einen klitzekleinen Teil seines Aktiendepots anzugehen. Die sind aber typischerweise >40 und damit aus dem Alter raus, in dem die Familienplanung konkretisiert wird.

Es trifft hier aber in erster Linie junge Paar, bei denen eben beide Vollzeit zum Familieneinkommen beitragen - eigentlich genau das, was jahrelang gepredigt wurde.

Meine Frau und ich haben 6 Jahre studiert und haben zwischendurch noch für die Promotion ohne jegliche Bezahlung im Labor geforscht. Dadurch haben sich Studienkredite im 5-stelligen Bereich angehäuft. Jetzt arbeiten wir seit 3 Jahren im Krankenhaus eine 50+h Woche inkl. Wochenenden mit Schichtdienst. Andere Arbeitsbedingungen sind im Gesundheitswesen in der Facharztausbildung nicht wirklich möglich. Mit Grundgehalt, Überstunden und Schichtzulagen knacken wir knapp die Grenze, ab der jetzt wohl kein Elterngeld mehr gezahlt werden soll. Wir wohnen in einer 65qm Wohnungen zur Miete und hatten bisher noch überhaupt keine Möglichkeit irgendein relevantes Vermögen aufzubauen. Wenn wir jetzt ein Kind bekommen sollten halbiert sich unser Haushaltseinkommen (also dann 75.000€) in einer Phase, in der wir prinzipiell in eine größere Wohnung ziehen müssten und allerlei Dinge für das Kind besorgen müssen. An Eigentum ist aktuell überhaupt nicht zu denken. In welcher Welt sind wir denn die Reichen, die in so einer Phase nicht unterstützt werden sollten? Aber solang es einen nicht betrifft ist es ja einfach, solchen Kürzungen zuzujubeln…

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Ich weiß, dass das vermutlich nicht das ist, was du hören möchtest, aber:

  1. Wenn einer von euch aufhört, zu arbeiten, fallt ihr nicht von „knapp über 150.000 Netto auf 75.000 Netto“, weil ihr durch Ehegattensplitting deutlich weniger Steuern zahlen müsst.

  2. Selbst mit 75.000 Euro Netto im Jahr seit ihr als 3-Personen-Haushalt (2 Erwachsene, 1 Kind) noch in den Top 15% in Deutschland. Also arm ist das ganz sicher nicht - und dafür, dass nur eine Person arbeitet, ist das schon ganz schön krass.

Ich kann verstehen, dass jeder gerne für sich noch eine bessere Gesetzeslage hätte, aber irgendwo muss scheinbar gespart werden. Und euch geht es trotz allem ziemlich gut. Und sobald die Kinder in die Kita können gehört ihr sofort wieder zu den obersten 1% in Deutschland mit euren knapp über 150.000 Netto.

Sorry, aber mir persönlich fällt es hier schwer, zu viel Mitleid zu haben. Ich respektiere eure Leistung im Studium und dass ihr dafür viele Entbehrungen auf euch genommen habt und gönne euch auch euren Erfolg, aber ihr seid selbst ohne Elterngeldanspruch wahrlich nicht in einer schlechten Situation.

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Es gibt die Diskussion über Grundeinkommen, unter anderem von einigen Unternehmern vorangetrieben. Natürlich in dem Gedanken, Hartz4 abzuschaffen.

Und auch das war ja das, was Frau Paus zuerst wollte. Alle Leistungen zusammenfassen und gezielt für Kinder auszuzahlen. Einen Korrektor für Einkommensklassen sollte es natürlich trotzdem geben, da nicht jeder alles bezuschusst braucht, aber die Anträge wären auf einen reduziert. Hätte halt 12 Milliarden gekostet, Lindner hat für Kinder aber nur 2 übrig.

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Kleiner Denkanstoß:
Bereits über 500000 Unterschriften für Petition gegen Elterngeldkürzung.
Noch nicht einmal 170000 Unterschriften für die Petition für die Kindergrundsicherung https://www.change.org/p/kinderarmut-bek%C3%A4mpfen-c-lindner-blockade-bei-der-kindergrundsicherung-beenden

Artikel aus Zeit online von heute morgen:

Der Mittelschicht entkommst du nicht
„Der Streit um die Elterngeldkürzungen für wohlhabende Familien zeigt einmal mehr: In Deutschland glaubt jeder, zur Mittelschicht zu gehören. Das ist ein Problem.“

Ich kann den Artikel wegen der Paywall nicht lesen, aber vielleicht mag ihn jemand zusammenfassen oder zitieren?

Ich finde diesen Aspekt in der Debatte sehr interessant, zumal das auch im erweiterten eigenen Bekanntenkreis ein Thema ist (Paare mit einem Jahreseinkommen deutlich über den 150000 und mehreren Immobilien im In- und Ausland, die sich selber zur Mittelschicht zählen). Das ist schon eine ziemlich verzerrte Wahrnung, finde ich.

https://www.zeit.de/kultur/2023-07/elterngeld-kuerzung-einkommen-mittelschicht-reichtum

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Mal ganz naiv gefragt: Wenn es das Ziel der Union einst war, junge Paare mit höherer Ausbildung dazu zu motivieren, Kinder zu bekommen, und das über die Zahlung eines Elterngeldes, um Karriereeinbussen abzufedern….

Wäre es nicht sinniger, für familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu sorgen? Also eine möglichst optimale Vereinbarkeit von Familie und Karriere?

Ich bezweifle schon, das eine rein finanzielle Leistung wie ein Elterngeld die Bereitschaft, ein Kind in die Welt zu setzen, signifikant erhöht.
Eher die Rahmenbedingungen…

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Ihr habt wirklich gemeinsam >170k Bruttoverdienst?

Oder fragen wir anders: Euch ist bewusst, dass das zu versteuernde Einkommen zählt, und nicht das Bruttoeinkommen?

Wer einerseits die schwarze Null und damit Lindner’s Finanzpolitik unterstützt und andererseits nicht will, dass bei wenigen sehr eInkommensstarken Gruppen gekürzt wird, der muss dann auch sagen, wo er denn stattdessen kürzen würde. Und zwar im Familienministerium. Denn jedes Ministerium hat ja diese Auflagen bekommen.

Und diese Kürzungen müssen auch die richtige Größenordnung erreichen. Kindergrundsicherung kommt dann in Zukunft noch obendrauf, aber alleine die 218 Millionen, die das Fmailienministerium im Vergleich zum letzten Jahr einsparen muss, müssen ja irgendwo wegfallen.

Hier nochmal eine Zusammenfassung:

Laut Frankfurter Rundschau habe der Spiegel ermittelt, dass die Angaben aus dem Familienministerium zu niedrig seien. Tatsächlich seien 5% der Elterngeldbeziehenden von der neuen Regelung betroffen. Das seien nicht nur 60.000 Familien, da sich die Zahl nur an den aktuellen Beziehern orientiere. Beziehe man auch künftige Bezieher ein, handele es sich um bis zu 430.000 Familien.

Der Artikel des Spiegels steckt leider hinter der Paywall.

Traurig, einfach nur traurig. Sagt viel über die Solidarität gewisser Gruppen.

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Also jetzt Schwangere die zum Teil erst in 11 Monaten Elterngeld kriegen würden (Mutterschutz eingerechnet) auch einbeziehen? Werden auch diejenigen die dann nicht mehr beziehen rausgerechnet? Und 5% mit diesem Einkommen sind immer noch vertretbar. Vor allem da in diesem Bereich das Elterngeld seine Lenkungswirkung verfehlt hat.

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Das sollte man nicht überbewerten. Die Petition sagt im Grunde ja nur, dass dort nicht gekürzt werden sollte, schon aus gleichstellungspolitischen Gründen.

Ich halte auch weiter Kürzungen bei sehr hohen Renten für wesentlich angemessener, vor allem bei Menschen, die wegen ihrer hohen Rente bereits früh das Arbeitsleben verlassen haben.

Aber ich verstehe voll und ganz, wenn das eine individuelle Prioritätensetzung ist und viele Menschen Beißreflexe bei Rentenkürzungen verspüren.

Wenn man die wiederherstellen will, gibt es meiner Meinung nach eine ganz einfache Lösung: ab 150k gemeinsamem zu versteuerndem Einkommen gibt es immer noch Elterngeld, aber nur dann, wenn die Elternzeit gleichmäßig aufgeteilt wird.

Das würde eine viel stärkere Lenkungswirkung entfalten als die bisherige Regelung, und wahrscheinlich immer noch Geld sparen, da viele Paare diese Bedingung vermutlich leider nicht erfüllen wollen werden. Es wird ihnen dann aber moralisch schwer gemacht, sich darüber zu beschweren. Also herrscht Ruhe im Karton, Geld wird eingespart, und wo Lenkung möglich ist, wird in die erwünschte Richtung gelenkt.

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