Elterngeldstreichung

Obacht, das sind Bruttoeinkommen. Trotzdem geht es uns natürlich nicht schlecht, wir würden die fehlenden 1800€ aber definitiv merken. Mir ging es keinen falls um Mitleid, eher darum zu betonen, dass viele der betroffenen Familien hier durchaus ohne relevantes Vermögen und Wohneigentum dastehen und eben keine reichen Bonzen sind. Ich für meinen Teil glaube auch, dass durch die endlich zumindest teilweise der Inflation angepassten Tarifabschlüsse in 4-5 Jahren noch ganz andere an dieser Schwelle kratzen werden sobald ein Doppelverdienerhaushalt vorliegt.

Insgesamt denke ich, dass zu viele sich hier ein bisschen übermäßig freuen weil “den Reichen” endlich mal einer reingedrückt wird. Da es sich hier aber um das zu versteuernde Einkommen dreht wird es genug Möglichkeiten geben, den Verdienst im Jahr vor der Geburt unter die entsprechende Schwelle zu drücken. Am Ende werden viele dann eben vorher Stunden reduziert (Hallo Fachkräftemangel), was dann ggf. der Karriere dieses Elternteils natürlich einen kleinen Knick einbringen wird (Hallo Abhängigkeit, Hallo reduzierte Steuereinnahmen). Da es vermutlich wieder vermehrt Frauen sein werden halte ich die Steuerungswirkung dieses Gesetzes ebenso für katastrophal. Und bevor jemand fragt: Meine Frau verdient sogar ein bisschen besser als ich, hat aber ziemlich klar gemacht dass sie 12 Monate in Elternzeit gehen will. Ich würde da ja die vorgeschlagene Regelung mit vollem Elterngeld nur bei 7+7 mehr als Begrüßen.

@Tris: Was ist daran genau traurig? Leute die für das Elterngeld unterschreiben sind doch nicht automatisch gegen die Kindergrundsicherung? Am ehesten traurig ist vielleicht dass die Kindergrundsicherung zwar deutlich mehr Eltern betrifft, diese es aber offenbar seit Jahren nicht schaffen ihre Interessen angemessen zu vertreten, sei es in Petitionen oder an der Wahlurne…

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Genau das ist ja das Traurige. Dass die Gewährleistung eines Existenzminimums für Kinder als Privatinteresse der betroffenen Eltern verstanden wird und als gleichwertiges Anliegen gilt mit einem staatlichen Zuschuss für Besserverdienende. Muss halt jeder Mensch für die eigenen Interessen kämpfen und wenn sich dann am Ende eher die Leute mit 150.000 Jahreseinkommen durchsetzen, als die mit 20.000, dann waren Letztere halt einfach nicht gut genug. Pech gehabt.

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Dieses Ziel wurde mit dem Elterngeld in diesem Einkommensbereich nie erreicht. Von daher als Argument nicht tauglich leider. Würde wohl nur greifen wenn paritätische Elternzeit Pflicht zum Erhalt des Elterngelds wäre wie @Slartie richtig sagt.

Leider ist das Durchsetzen von Interessen häufig mit Geld und Lobbyismus verbunden. Lobbyismus muss man sich eben leisten können. Traurig für eine Demokratie.

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Auch falsch, wie hier im Thread schon mehrfach erwähnt, handelt es sich um zu versteuerndes Einkommen. Wir reden hier also von 170.000 - 180.000 Brutto.

Dann würden sich die Steuereinnahmen aber auch erhöhen. Und man kann die Schwelle ja auch im Nachhinein anpassen.

Dagegen könnte man jetzt argumentieren, dass wenn es kein Elterngeld gibt die Leute evtl. früher wieder anfangen zu arbeiten und nicht 1 Jahr lang auf Kosten des Staates wegfallen. Ist natürlich reine Spekulation und hängt von vielen Faktoren ab.

Ich glaube ein Problem ist, dass Menschen lieber nach oben als nach unten schauen. Für viele klingt 170.000 vielleicht noch irgendwie erreichbar, auch wenn es das gar nicht ist und deswegen lassen sie sich von der Stimmung von denen mitnehmen, die das schon haben.

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Keine Sorge: Alle Ausgaben, die nicht der Versorgung des Kindes dienen, reduzieren sich im ersten Jahr nach der Geburt desselben auf ein Minimum :wink:

Aber im Ernst: Ich würde zumindest in Frage stellen, ob es wirklich „in erster Linie junge Paar[e]“ trifft, die ohne Vermögen am Beginn der Karriereleiter stehen. Ich habe ja oben die Zahlen der Tagesschau genannt, dass es bei den betreffenden Paaren um solche geht, bei denen das Durchschnittsgehalt des Vaters mehr als doppelt so hoch ist wie das der Mutter. Das dürfte u.a. daran liegen, dass es hier häufig um Paare geht, bei denen der Mann signifikant älter und seiner Partnerin bereits mehrere Gehaltssprünge voraus ist. Natürlich werden auch junge Paare betroffen sein. Auf wen es „typischerweise“ zutrifft - das scheint mir deutlich differenzierter zu sein. (Generell finde ich es an der Debatte etwas müßig, dass sie anscheinend sehr dazu einlädt, über sich selbst zu sprechen.)

Da du mir gewantwortet hast, beziehe ich das mal auf mich. Ich habe den Kürzungen an keiner Stelle zugejubelt. Ich finde sie auch nicht gut. Nur unter den Umständen, dass am Budget des Familienministeriums gekürzt werden muss, halte ich sie für die beste und sozialverträglichste Lösung. Dass gleichzeitig nicht etwa am Bau von Auobahnen gespart wird und diese eher „Zukunftsinvestitionen“ sind als die Unterstützung von Eltern ist absurd. (Wobei dem Finanzminister sicher ein Grund einfallen würde, warum Kinder unbedingt Autobahnen brauchen.)

Und auch um die „Gerechtigkeit“ wird man nicht fürchten müssen. Der neue Bundeshaushalt hält auch weiterhin genug Positionen bereit, die die Privilegien von Spitzenverdiener:innen aufrecht erhalten:

https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-07/bundeshaushalt-2024-kabinett-christian-lindner-steuern

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obwohl ich mir immer noch die Frage stelle, ob das Thema Kinder und Karriere ein rein finanzielles Thema ist, also ausschliesslich vom Gehalt und Elterngeld abhängig ist bzw nur mit Fördergeldern zu lösen ist?
Die Diskussion hier und auch in der Politik erweckt diesen Eindruck.

Schon witzig wie kommentarlos solche Aussage hingekommen werden.
Im Grenzsteuersatz ist man bei gemeinsamer Veranlagung bei ca. 125000€. Davon zahlt man aus jedem darüberhinaus verdienten Euro 42+9% die im Beispiel zugrundegelegten 50% Steuer. Der Steuersatz liegt in einem Fall gerade erreichtem Grenzsteuersatz aber nicht schon bei 50% sondern niedriger.
Also, obwohl der Grenzsteuersatz bei 42% liegt zahlt man bei 70000€zu versteuernden Einkommen ca. 28% Einkommensteuer +9% Kirchensteuer. Also 37% - dann sind es nicht 3012€ sondern 3800€ Ersparnis. Also 800€ mehr als Kindergeld im Jahr, und das ab 70000€ Jahreseinkommen.

Aus meiner Sicht macht die Überlegung der Abschaffung durchaus Sinn.
Andererseits könnte man fragen, wenn Kindergeld das Minimum fürs Kind ist warum bekommen Besserverdienende mehr fürs Kind.

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Provokante These: Geld schafft die bessere Lobby.

Das wirklich traurige ist, dass das bereits bekannt ist.

Wir werden hier von Lobbyisten für dumm verkauft.

Stimmt, es gibt, wie ich oben ausgeführt habe, genug Möglichkeiten. Keiner wird deswegen Stunden reduzieren.

Ja, es ist eine Schande, dass es immer noch Unternehmen gibt, die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlen. Das wird aber das Elterngeld nicht auffangen. Das tut es auch jetzt schon nicht. Wer 75.000 netto verdient, bekommt 28,8% seines Nettolohns, das ist von den üblichen 65% schon jetzt meilenweit entfernt.

Im Extremfall kann nicht nur die Hälfte sondern (fast) das ganze Familieneinkommen wegfallen. Und zwar wenn ein sehr gut verdienendes Elternteil alleinerziehend ist oder der sehr gut verdienende Part trotzdem Elternzeit nehmen möchte.

In meiner LinkedIn-Bubble wurde diese Petition von sehr vielen jungen Großkanzleianwältinnen geliket oder geteilt (von den männlichen Anwälten bei weitem nicht so oft!). Das sind Frauen, die während der langen Ausbildungszeit lange Jahre ganz am unteren Ende der Einkommensspanne waren (und damit wohl als „Einkommensarm“ galten) und nun im ersten Berufsjahr plötzlich 150.000 Brutto zur Verfügung haben. Wenn der Vater des Kindes auch nur irgendetwas verdient, ist man da als Paar über 150.000 zvE.

Wenn der Vater des Kindes nun noch in der Ausbildung ist oder einfach einen Normal-Verdiener-Beruf hat, merkt man das extrem im Geldbeutel, wenn die Frau mehrere Monate aussetzt um zu stillen. Und von diesen Leuten hat nicht jeder reiche Eltern oder ein Erbe.

Sehr gute Analyse der aus objektiv falscher Einschätzung der eigenen finanziellen Situation entstehenden Probleme:
[Samira El Quassil und Friedemann Karig Podcast](https://open.spotify.com/episode/1hyj8tLwCfJj9WXKyLvvRa?si=AADJbSjIRMC8L0VP2BTTZA

Und 1800,-€ ändern daran genau was? Weil der Ausfall wäre immer noch enorm. Da ist dann auch die Frage ob ich nicht ein Kind kriegen sollte, wenn mein Partner fertig ist mit Ausbildung. Also der Grund ist schon sehr fragwürdig ehrlich gesagt. Und je nach Ausbildung kann natürlich der Partner 1 Jahr aussetzen. Zurück stecken muss man immer mit Kind.

Wie macht dann diese Familie nach der Elterngeldzeit weiter? Für mich klingt das immer etwas auf das rein Pekuniäre reduziert. Und das bei einem Einkommen von >170000€.
Ja, Kinder kosten Geld - und noch viel viel mehr Zeit! Außer man sourced alles aus…

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Wenn man die Kinder relativ bald nach Abschluss der Ausbildung bekommt, erinnert man sich noch gut an Zeiten in denen man deutlich weniger als 1800 € pro Monat zur Verfügung hatte. Da ist das zwar nicht dasselbe wie das Gehalt aber immer noch eine ganz ordentliche Menge Geld. 0€ im Monat zu haben ist was ganz anderes als 1800€ im Monat zu haben. Der Unterschied ist größer als zwischen 4.000€ und 5.800€, weil man eben diese ersten 1.800€ dringend zum Leben braucht. Und ja, wenn man ein Jahr gut verdient kann man natürlich etwas zurück legen aber am Anfang der Familienplanung stehen meist auch gleichzeitig größere Ausgaben an oder Rückzahlung von Studienkrediten.

Erfahrungsgemäß wechselt die Person mit dem Großkanzleijob oft zum Staat als Richterin_in bzw. Beamt_in oder in ein Unternehmen als Unternehmensjurist_in. Ich kenne auch junge Mütter in Großkanzleien, die Teilzeit arbeiten, z.B. 60%. Da kann dann die kuriose Situation eintreten, dass die 150.000€ in den ein, zwei Jahren unmittelbar vor Geburt gerissen werden und dann auf längere Zeit nicht mehr während die Kinder klein sind.

Wenn man so viel verdient kann man vor allem auch einfach einen (verhältnismäßig kleinen) Einschnitt in der Lebensqualität hinnehmen - ganz im Ernst, in aller Regel kann man so ein Gehalt gar nicht ausgeben, sodass der „Einschnitt“ vor allem ist, dass man weniger sparen kann. Wie gesagt, wenn man immer noch mit nur einem Einkommen mehr Geld hat, als die durchschnittliche Familie, fällt es schwer, eine Notwendigkeit für staatliche Unterstützung zu argumentieren (wobei das natürlich von der Zielrichtung des Elterngeldes abhängt; soll es soziale Härten abfedern oder „belohnen“?)

Das sind jetzt nun wirklich fringe case Szenarien. Gerade Top-Juristen traue ich zu, das System optimal zu bespielen, daher das Kind erst ein Jahr nach Eintritt in’s Richteramt zu zeugen oder das Gehalt im Jahr vor der Geburt auf knapp unter die zulässige Grenze zu beschränken :wink:

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Ok zugegeben. Aber das sind immer spezielle Fälle. Der/die Juristin, die Ärztin und andere. Die nach ewiger Ausbildung jetzt gerade für 1 Jahr die 150000 geknackt haben, und mit Kind dann nicht mehr. Die kein Vermögrb haben und alles kreditfinanziert - wieviele gibt es davon?
Wieviele andere gibt es, die es ab 150000 nicht brauchen aber gerne mitnehmen? Also wie zielgerichtet ist das Elterngeld zwischen neu 150000€ und bisher 300000€?

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Danke für den Link zu dem Podcast. Fand ich sehr interessant und gut analysiert! Die genannten Punkte finden sich ja auch hier in der Diskussion wieder.

Was ich an der Diskussion schon seltsam finde:

als meine Kinder 2000 und 2003 geboren wurden, gab es nur Kindergeld, glaube so 120€ etwa pro Kind. kein Elterngeld. meine Frau blieb auf ausdrücklichen Wunsch zuhause, da gab es kein Geld, also blieb nur mein Gehalt, was für eine Familie mit 2 Kindern reichen musste.
war oft eng, aber machbar.
jetzt wird bei einem Gesamteinkommen von über 150.000€ bei Wegfall des Elterngeldes schon die Mittellosigkeit heraufbeschworen.
Hat das nicht eher was mit dem individuellen Lebensstandard zu tun?

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Das ist der Aspekt, den ich in der Diskussion so komisch finde. Es wird, auch hier oft von betroffenen Paaren geschrieben, die gerade mit ihrem Studium fertig sind und dann sehr schnell, ohne Rücklagen ohne Mittel dastehen würden. Hier frage ich mich schon, wie schnell der Lebensstandard von gerade noch armen Studierenden (polemisch gesagt) explodiert sein muss, dass die Menschen da plötzlich nicht mehr Leben können.

Gerade die LinkedInbubble ist doch mit am lautesten am eher undifferenziert jammern. Das grenzt oft eher an Selbstdarstellung und hat oft nicht mal den hier sehr schnell dargelegten Aspekt von Brutto und zu versteuerndem Einkommen wirklich verstanden. Das sind zwar viele aber in Summer wirklich tendenziell Einzelfälle. Die werden nur besser gehört als diejenigen, die auf das Geld wirklich angewiesen wären.

Mal als Gegenstimme. Wenn ich mir anschaue wir schnell bei uns das Geld nach dem Studium reinkam und das waren auch zusammen keine 150k, dann wäre auch da schon ohne den Zuschuss drin gewesen, dass einer von beiden eine Zeit nicht arbeitet und trotzdem mehr als genug zum Leben da gewesen wäre.

Ein Kind fällt zudem nicht vom Himmel :upside_down_face:. Man kann also vorplanen. Das einzige was ich nachvollziehen kann sind alle, die jetzt nicht mehr entsprechend auf die Änderung reagieren können. Beim Rest sollte genug Vorlaufzeit sein, dass man da vorher mehr zurücklegt und / oder die Arbeitszeit reduziert.

Eine Frage noch: Wenn man wirklich in Probleme wegen des fehlenden Einkommens kommen sollte, gibt es dann nicht die Möglichkeit Bürgergeld zu erhalten? Klar, das zu beantragen ist auch wieder Aufwand, aber es wäre kein Komplettausfall an Einkommen.

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