Teilen ist eine wichtige Sache und ich stimme Ihrem Beispiel zu. Aber wenn das eine Kind 16 Stunden am Tag arbeitet, auf Wochenenden, Freunde und Familie verzichtet, damit es die 99 Erdbeeren bekommt, um sie dann einem Kind abzugeben, dass sich gar keine Mühe gibt, eigene Erdbeeren zu pflücken, das nicht um 4 h aufsteht, um der erste auf dem Erdbeerfeld zu sein (sondern lieber bis 7 h schläft) und das mich ALLES mögliche macht, um auch 99 Erdbeeren zu haben - dann verstehe ich, dass das erste Kind 98 Erdbeeren lieber verschimmeln lässt, als zu teilen.
Wenn jeder Mensch sich absoluter Leistung und maximaler Effizienz verschreiben würde, dann würde ich einer bedingten Umverteilung zustimmen. Aber das sehe ich nicht…… die Umverteilung die Sie und andere hier fordern, ist bedingungslos. Das würde ich niemals mitgehen.
Weil es hier mehrfach auftauchte meine Kritik zu den Argumenten in die Runde:
- Unternehmer beschummeln den Staat, sie wollen nicht geben und nehmen nur.
/ Reiche werden immer reicher, Arme ärmer, das kann ja nicht gewollt sein.
Dabei wird vergessen, dass eben dieser Staat ein ureigenes Interesse an funktionierender Kapitalakkumulation hat. Aus ihr speist sich - u.a.- die nationale Macht. Im Gegenteil ist ja dieser Staat es, der die für diese Entwicklung ursächliche Wirtschaftsweise organisiert und per Gewaltmonopol durchsetzt.
Dass es so ist, wie es ist, ist kein Versehen, kein Upsi. Es ist so weil dieser Staat es genau so will, und offenbar für richtig erachtet. Auch wenn ihm dabei ein paar Einnahmen ausbleiben. Staat und Unternehmen sind keine Gegner.
- Aaaber Moment! Staat ist nicht gleich Staat! Die Vermögenssteuer wäre ja möglich, aber es liegt an den aktuell regierenden Parteien (speziell FDP), dass das nicht passiert.
Teilweise wahr. Aber: Auch solo Rot-Grün hatte damals im Wahlkampf natürlich ganz ernsthaft vor, eine Vermögenssteuer (wieder)einzuführen.
Stattdessen haben sie mehr oder weniger das Gegenteil gemacht. Viel progressiver ist eine Regierung doch nicht aufzustellen.
Politiker sind, ob sie wollen oder nicht, Standortverwalter. Ihre Loyalität gilt der Nation, nicht dem Bürger. Wenn die linken Gegenbewegungen stark, und der reibungslose Gang der Geschäfte durch sie ernsthaft und dauerhaft gefährdet ist, dann kann eine solche Maßnahme für sie opportun sein. Aber sind wir ehrlich, das ist doch nirgends in Sicht.
- Die Verteilung des Reichtums gefährdet den sozialen Frieden.
Ich würde das wirklich gern glauben, aber ist das so? In meiner Wahrnehmung ist eher das Gegenteil der Fall, dass sich alle Beherrschten ziemlich brav mit quasi jeder Härte (irgendwann) abfinden. Bezahlbares Obdach zu finden ist schon beinahe Glücksspiel, ein nicht kleiner Teil kann sich nur über die Tafel ernähren, jedes 6. Kind ist arm, auf viele kommt zwangsläufig Altersarmut zu, usw usf. Ist doch alles bekannt. Und ich kann da keine Gefährdung des sozialen Friedens erkennen. Wieso sollte genau in dieser ausbleibenden Maßnahme dann der Unterschied liegen?
Na klar. Sämtliche Reiche haben natürlich auf alles verzichtet, sich gewaltigen Entbehrungen unterzogen und sich ihren Reichtum höchstselbst erarbeitet, während alle, die wenig haben, natürlich selbst schuld sind. Einfach zu faul, all die AltenpflegerInnen, VerkäuferInnen und Co. Für die Gesellschaft und ihren Zusammenhalt leisten diese Menschen natürlich auch nichts. Und dann haben sie eventuell auch noch Kinder bekommen … Friert es dich nicht selbst, wenn du deine Beiträge schreibst?
Wenn ich diesen Halbsatz mal kurz aus dem Kontext reißen darf:
Wenn ich Leistungsgedanke und Eigenverantwortung (die hier ja mitschwingt) mal extrem zu Ende denke, ganz überspitzt:
Wenn jeder seines Glückes Schmied ist und seinen Wohlstand durch unbedingte Leistung selbst gestaltet, müsste man konsequent auf sämtliche staatliche Unterstützung verzichten.
Keine Sozialleistungen, keine Subventionen, keine Rente, keine Sozialversicherungen.
Jeder kümmert sich nur um sich selbst. Wer es schafft, hat es richtig gemacht. Wer es nicht schafft, weil man falsche Entscheidungen trifft, die Umstände einen um den Erfolg bringen, man krank wird oder arbeitslos, das fällt man halt aus dem Raster. Pech gehabt.
Wäre das im Sinne einer wirklichen Leistungsgesellschaft mit erfolgsorientierter Wirtschaft?
Das ist schlicht widerlich und menschlich aller unterste Schublade. Wie kann man so maximal unsozial sein und such noch glauben Reichtum käme von harter Arbeit. Grüße an die Altenpfleger.
Dann müsste es vor allem eine 100%ige Erbschaftsteuer geben und der Staat könnte doch nicht aus der Verantwortung entlassen werden, denn er wäre in der Pflicht, die Erbschaftsteuer auf die Kinder so zu verteilen, dass alle die gleichen Startchancen hätten. Interessant in dem Zusammenhang, dass in der Pisa-Studie das EU-Land, das vorne liegt, genau darauf besonderen Wert legt: allen Kindern die gleichen Bildungsvoraussetzungen zu bieten und Kindern, die schwächeln, sofort Einzelgespräche, psychologische Betreuung und Nachhilfe angedeihen lässt.
dann bekommt das Kind eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung, die später mit hohem finanziellen Aufwand für die Gesellschaft therapiert werden muss.
Ich weiß nicht, ob solche Extreme in der Diskussion helfen die Standpunkte des anderen besser zu verstehen oder auf einen ggf. möglichen Konsens zu kommen.
@ChristianB75: Ich teile durchaus die Einschätzung, dass in unserer Gesellschaft nicht jeder nach seinen Möglichkeiten gleich viel für das Wohl aller beiträgt, wie er sich andersrum aus dem Topf der Gesellschaft zu seinem Wohle bedient. Diese unsoziale Haltung findet man aber an beiden Enden der Leistungskette. Auch wenn hier in einem eher linksorientierten Forum die eine Seite deutlich negiert und mehr in Richtung der anderen Seite die Finger gestreckt werden. Mich erinnert das immer an die Schulzeit, wo bestimmte Menschen immer gerne Zigaretten geschnorrt haben, aber nie selber selber ausgegeben haben. Aber man sollte auch bedenken, dass das Kind mit den 99 Erdbeeren aufgrund anderer Umstände mal zum Sozialfall werden könnte und körperlich / geistig nicht mehr in der Lage ist sich selber zu versorgen. Da finde ich die Errungenschaften unseres Sozialstaats doch tolle Absicherung.
@Mike: Was willst Du mit der Überspitzung erreichen? Andersrum könnte man ja auch Überspitzen und vorschlagen, dass dann Leistung völlig irrelevant wird und einfach jede Mensch 3.000€ bedingungsloses Grundeinkommen erhält. Und wer gar nicht mehr arbeiten möchte, der braucht das auch nicht. Wer könnte und nicht für das Alter vorsorgt, den vorsorgen halt die Anderen. Ist es verkehrt erstmal den Einzelnen in die Pflicht zu nehmen nach seinen Möglichkeiten auch für sich selber zu sorgen und nicht direkt das Sozialsystem zu belasten. So das die Mittel im Sozialsystem wirklich für die bleiben, die es auch brauchen, weil Sie selber nicht besser können?
Richtig - und ich vermute, das würde hier auch niemand abstreiten, genauso, wie vermutlich niemand hier das Prinzip der Eigenverantwortung für obsolet erklären möchte. Aber der gesamtgesellschaftliche Schaden, der am oberen Ende der „Leistungskette“ angerichtet wird (allein schon durch Steuerflucht und -vermeidung), ist deutlich größer.
Intention war aufzuzeigen das Leistungsfähigkeit und Leistungswille gesellschaftlich notwendig und wichtig sind, aber das es vielfach Gründe gibt, warum Menschen trotzdem Unterstützung durch den Staat brauchen. Sei es weil die Leistungsfähigkeit gesundheitlich eingeschränkt ist oder familiäre Gründe oder anderes im Raume steht.
Die Überspitzung eher deshalb, weil die Formulierungen absolute Leistung und maximale Effizienz genannt wurden, die auch sehr überspitzt klingen.
Das macht den Menschen aus? Dann gäbe es viel Literatur, Opern, Theaterstücke nicht. Effizienz ihrer eingebrachten Lebenszeit war bei vielen in ihrem Leben nicht der Fokus. Vielmehr wurde durch den Adel (Geld) an den Künstler gegeben, damit dieser eben nicht der maximalen Effizienz unterliegt.
Zum Erdbeerbeispiel:
Worüber wir reden ist die Abgabe von vielleicht fünf Erdbeeren für den Rest. Die anderen 94 darf das Kind ja behalten. Und das sollte es wohl lernen können.
Warum eigentlich nicht? Auf der anderen Seite wird auch gesagt: wer von den Reichen das Gefühl hat, zu wenig Steuern zu zahlen, kann ja anderweitig Gutes tun? Überall wird von freiwilligen Selbstverpflichtungen geredet. Warum nicht da?
Wenn die Menschen wüssten, wofür sie das tun und merken, dass ihr Beitrag zur Gesellschaft diese erst ermöglicht, würden nicht die meisten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten freiwillig einbringen?
Und ja: mir ist bewusst, dass das mit unserem derzeitigen Staatssystem nicht umsetzbar ist. Dass es gesellschaftlich undenkbar sein sollte, halte ich aber für framing.
Was schlägst Du vor, wie dies dauerhaft finanziert werden kann?
Das ist für mich weniger eine Frage des Staatssystems als eine Frage des Wirtschaftssystem.
Gesellschaftlich findest Du bestimmt eine Mehrheit, zumindest bis die Leute aufwachen.
Darum bin ich für eine Vermögenssteuer und für klare Vorgaben an die Unternehmen, wenn es um Beispiel um Klimaschutz geht. Dass die meisten sich das nicht vorstellen können zeigt ja, dass sie selbst nicht bereit sind, aus eigenem Antrieb ihren Beitrag zu leisten, sondern in ihrem Innersten selbst wissen, dass man sie zwingen muss.
Du drückst Dich um die Antwort zur Finanzierung
Es müssen ja nicht 3000€ sein. Es muss so viel sein, dass jeder gut leben kann. In einem System der gegenseitigen Rücksichtnahme, für nichts anderes steht das Grundeinkommen, spielt Geld ja eine untergeordnete Rolle. Jeder trägt seinen Teil zum Gemeinwohl bei. Dazu gehört, dass in Fabriken Waren für die Bürger und den Export produziert werden, Landwirte sich um die Lebensmittelversorgung kümmern und auch am Schreibtisch so manche Tätigkeit anfällt. Dazu kommen Betreuung und Versorgung der Kinder und Alten und Kranken.
Ob es funktionieren kann, ist eine Glaubensfrage. In einem System, das darauf ausgelegt ist, in gegenseitiger Konkurrenz das beste aus jedem herauszuholen ist Team-Arbeit jedenfalls utopisch, denn jeder im Team zielt vor allem darauf, auf Kosten der anderen herauszustechen.
Hier bleibt nur, die oberen höher zu besteuern und das Geld nach unten durchzureichen. So funktioniert auf der einen Seite das Bewertungs- und Motivationssystem und auf der anderen Seite hat trotzdem jeder genug zum Leben.
Lasst uns diesen Thread schließen. Er ist mittlerweile zu lang.
Bitte öffnet gerne neue Threads mit differenzierteren Themen, z.B.
- Erhöhung Erbschaftssteuer
- Vermögenssteuer wieder aktivieren
- Mindestlohnerhöhung
Etc.
Oder am besten noch kleinteiliger.
Ererbtes Geld ist Geld, dass ANDERE bereits versteuert haben.
ALLES wird mehrfach besteuert. Mit versteuertem Einkommen geht man einkaufen und zahlt eine hohe Mehrwertsteuer etc.
Das hatten wirin diesem Thread schon. Wir wiederholen uns.