Das Land Hessen hat in den derzeitigen Verhandlungen um den Hochschulpakt den Hochschulen so viel Geld entzogen, dass diese in den kommenden Jahren erheblich schrumpfen werden. Hier ein Statement aus Kassel:
Das Thema wird kaum kritisch berichtet, sondern nur sehr neutral und kurz, aber es würde bedeuten, dass die Hochschulen regelrecht ausbluten. Ich würde mich freuen, wenn ihr euch damit auseinandersetzt.
Ich spiele mal Advocatus Diaboli, ohne die nachfolgende Position wirklich vertreten zu wollen.
Eine Kürzung an den Hochschulen kann helfen, die Ausbildung wieder an den Bedarf des Arbeitsmarktes anzupassen.
Meine Alma Mater hat ursprünglich als technische Universität begonnen. Den Wechsel zur Volluniversität hat man nicht wegen des großen Bedarfs an Kulturwissenschaftlern oder Mastern im Bereich Soziale Arbeit vollzogen, sondern weil das Bundesland für jeden Studenten einen fixen Beitrag, unabhängig vom Studiengang zahlte. An jedem Sozialwissenschaftler hat die Universität damals nach Verwaltungsangaben 1000-2000 € pro Semester verdient. Jeder angehende Ingenieur oder Mediziner kostete sie dagegen durchschnittlich 3000-4000 €. Sie finanzierten sich mit SoWi-Studenten den vom Land als essentielle bewerteten Luxus der MINT- und Medizinstudiengänge.
Sparbeschlüsse der Länder könnten also, bei veränderten Kostenschlüsseln(!), dazu führen „brotlose“ Studiengänge etwas zu reduzieren, so dass wieder mehr Arbeitskräfte für Bereiche frei werden in denen großer Bedarf besteht, bspw. in der beruflichen Ausbildung oder in den MINT und medizinischen Bereichen.
WENN das die Motivation wäre, wäre sie auf die am wenigsten zielführende Art umgesetzt. Man hat den hessischen Hochschulen 2024 im LAUFENDEN Jahr ausstehende Mittel nicht überwiesen entgegen der Zusagen, man hat hunderte Millionen Baurücklagen eingestrichen. In Kassel soll eigentlich ein neuer moderner MINT-Campus gebaut werden – sowas ist teuer. Will man sowas fördern, müsste man die strategische Planung der Hochschulen daraufhin ausrichten, das erfordert Planbarkeit. Man könnte in den Hochschulpakt ja reinschreiben, dass man bestimmte Ausrichtungen belohnen will und man könnte meinetwegen sogar reduzierte Mittel reinschreiben, aber wenn man alte Zöpfe abschneiden möchte, muss man sagen: „Okay, ihr kriegt 3 Jahre weiter den Status quo, danach geht’s runter. Deal with it.“ Aber das wird nicht gemacht, es wird einfach gekürzt und laufende Planungen unmöglich gemacht. An den Hochschulen herrscht schon das ganze Jahr über Unsicherheit und Angst, weil niemand weiß, wie viel Geld nächstes Jahr da ist. Sieht so strategische Planung aus? Letztes Jahr wurden im laufenden Haushalt stellen gesperrt, alle möglichen Töpfe gekürzt usw., um die Rücklagen zusammenzukratzen.
Es geht hier nicht nur um die reine Summe, es geht um Verlässlichkeit, strategische Planungen und Langfristigkeit.
Davon abgesehen haben die Hochschulen nach dem Hochschulpakt bestimmte Soll-Zahlen zu erfüllen (Studierende, Promotionen, Habilitationen), das ist alles nur schwer sinnvoll möglich mit schrumpfender Personaldecke. Ein Beispiel: In dem Studiengang, in dem ich arbeite, besteht das Prüfungsbüro aus einer Person, die auf einer 66% Stelle sitzt. Diese verwaltet die Studienakten von pi mal Daumen 600 Studierenden gleichzeitig – alle damit verbundenen Tätigkeiten inklusive. Ist die Person krank, ist das Prüfungsbüro als „Service“ ersatzlos gestrichen, ist sie im Urlaub, auch. De facto haben wir also ein ⅔ Prüfungsbüro und das 11 Monate im Jahr, wenn man der Person ihren Jahresurlaub gönnt.
Die Fantasiestudiengänge, die keiner braucht oder keiner studiert, die gibt es so fast nicht. Es ist schon alles enorm rationalisiert (z.B. durch Module, die man in mehreren Studiengängen quer belegen kann), die haben auch keine separaten Verwaltungspersonen oder so etwas. Die Hochschulen sind bereits auf Kante genäht. Es gibt hier nichts zu sparen.
Sicherlich kann die Hochschulleitung da aber noch detailliertere Auskünfte geben, wenn sie gefragt wird.
Volle Zustimmung. Wenn dann braucht ein solcher Umbau langfristige Planung. Ich frage mich trotzdem, ob eine solche Veränderung nicht auch positive Effekte haben kann.
Denn es gibt zwar sicher keine Fantasiestudiengänge. Aber es gibt doch einige Studiengänge, in denen die Ausbildung den Bedarf übersteigt, während andere Studiengänge oder die klassische Ausbildung weit hinter dem Bedarf bleiben.
Die hessischen Hochschulen schlagen Alarm: Mit den Plänen der Landesregierung zum Hochschulpakt drohe bis 2031 ein Defizit von einer Milliarde Euro. […]
Dies könne einen dauerhaften Abbau jeder zehnten Stelle in Wissenschaft und Verwaltung zur Folge haben.
Der Regierungsentwurf des Hochschulpakts sehe für die Jahre 2026 bis 2031 vor, dass die Budgets der Hochschulen im nächsten und übernächsten Jahr unter das Niveau des laufenden Jahres sinken würden. Von 2028 seien leichte Zuwächse von drei bis vier Prozent pro Jahr vorgesehen, aber auch diese glichen Inflation und steigende Personalkosten nicht aus.
Die hessischen Hochschulpräsidien haben folgendes Statement veröffentlicht:
Sarkastisch könnte man jetzt sagen, Schwarz-Rot streiche beim Gedöns - in Berlin massiv bei der Kultur, in Hessen massiv bei der Wissenschaft.
Gewisse Parallelen mit den USA (z. B. Kürzungen beim Kennedy Center for the Performing Arts oder der Harvard University) drängen sich auf.