Die Gründe, warum die AfD gewählt wird: Und bin so schlau als wie zuvor

Nun beschreibt sich die AfD auch als Friedenspartei. Vielleicht auch ein gezieltes Ansprechen aktueller Ängste?

Zitate:
„ Die Delegierten verabschiedeten zwei Resolutionen mit Positionen zu Russland, den USA und China. Die AfD verstehe sich als „Friedenspartei“, heißt es in einem Text unter Überschrift „Für ein Europa des Friedens“, der unter anderem vom Thüringer Landeschef Björn Höcke und dem sächsischen Landeschef Jörg Urban unterstützt wurde. In einer „multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts“ biete man allen Ländern Partnerschaft auf der Basis gegenseitigen Respekts an: "So wie wir aus unserer Tradition heraus leben wollen, sollen auch alle anderen Kulturräume und Zivilisationen das tun können.
In einer „Resolution zur Außenpolitik“, die unter anderem von Weidel unterstützt wurde, wird der russische Angriff auf die Ukraine verurteilt. Die Außenpolitik verschiedener westlicher Staaten aber habe „die Eskalation in der Ukraine begünstigt“.

In Bezug auf die AfD stimme ich dir vollkommen zu. Aber insgesamt ist das für mich eben leider nur Symptombehandlung. Das Benennen (und Ändern) von Ursachen für diese Entwicklung ist m.E. zwingend notwendig, weil allein mit einem Verbot der Partei nicht auch deren Wähler verschwinden. Die sind nach meiner Überzeugung weder als Faschisten geboren worden, noch über Nacht dazu geworden. Wenn wir mal unterstellen, dass ausnahmslos alle Faschisten wären. Wie ich schonmal hier geschrieben habe, war der Osten bis weit in die 2000er Jahre eher schwarz und rot als blau. Ich sehe für diese Entwicklung schon die flächendeckenden Lebens- und Akzeptanzverhältnisse zwischen Ost und West (Zweiklassengesellschaft) als zumindest treibende Kraft als Ursache an. Zunehmend auch innerhalb der Altbundesländer. Und das beschränkt sich nicht nur auf die Wendeerfahrungen. Dies gilt es endlich mal zu ändern. Sonst bleibt das Problem grundsätzlich ungelöst.

Doch, die waren Nichtwähler und die werden wieder Nichtwähler.

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Außerdem stimmt das gar nicht. Zumindest, wenn du dir die Wählerwanderungsanalysen ansiehst.

Dann haben wir wieder Wahlbeteiligungsquoten von unter 50%. Ist das wirklich die Lösung?

Ich hab meine eigene Vermutung, warum das so ist: Viele aktuelle Herausforderungen und die tatsächliche Umsetzung von Verfassungsinhalten in Verfassungsrealität stehen im Widerspruch zu Werten und Normen vieler rechtsextremer und sehr rechter Menschen. Deswegen weichen die auch bei vielen Themen (Klimaschutz, Gleichberechtigung, Einwanderungsgesellschaft etc.) ins Unsachliche aus oder wechseln zu Themen, die ihnen besser gefallen. Weil aber bspw. beim Klimaschutz die Lösung „alles bleibt beim alten, du musst nichts ändern und hast immer alles richtig gemacht“ nicht lieferbar ist, kann die Demokratie denen kein genehmes Angebot machen. Dazu wird Politik aus verschiedenen Gründen immer komplexer und schneller, sodass immer mehr Menschen nicht mithalten können. Ich lese seit ich 12 bin mindestens eine überregionale Tageszeitung, hab Politik und Geschichte studiert und höre auf allen Fahrten politische und wissenschaftliche Podcasts oder Sendungen im Deutschlandfunk und trotzdem merke ich, wie immer mehr neue Themen dazu kommen, alten Themen immer komplexer und Probleme immer drängender werden. Ich kann schon verstehen, dass da Sehnsucht aufkommt, alles etwas einfacher zu haben. Und ich sehe auch keine realistische Möglichkeit Politik sachgerecht für die breite Mehrheit aufzubereiten, sodass noch alle tatsächlich flächendeckend informiert bleiben. Nur akzeptiere ich nicht, dass man deswegen rechtsextrem wählt. Es gibt Dinge, die tut man einfach nicht. Die müssen dann auch verboten sein oder werden.

Ich fand den Deal immer ok, dass man nach 45 die Nazis leben lassen hat und dafür konnten alle anderen in einer liberalen Demokratie leben. Ob die wählen oder nicht, ist mir egal, solange sie demokratische Parteien wählen. Wenn Extremisten gewählt werden, ist gewissermaßen die Grundabmachung unserer Gesellschaft wieder strittig gestellt, deswegen dürfen extremistische Parteien nicht zur Wahl antreten und müssen verboten werden. Ich bin aber recht hoffnungsvoll, dass eher so 60-80% dann noch wählen gehen könnten.

Laut Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei – Wikipedia lag der Stimmenanteil überall in Deutschland über 43%. 1945 waren 7,5 Millionen Menschen Parteimitglied. Das heißt, zwischen 10% und 43% der deutschen Bevölkerung waren Nazis. Wie hätten die Alliierten auch damit umgehen können, ohne ein ebenfalls unmenschliches Massaker anzurichten?

Das wäre gut, alles unter 80% finde ich persönlich allerdings schon etwas deprimierend. Wenn ein Fünftel der Bevölkerung aus diversen Gründen (Desinteresse, Zeitmangel und meinetwegen eben auch fehlendes Angebot) nicht zur Wahl geht, ist das schon schlimm genug. Mehr ist eigentlich ein Desaster.

Bei der Europawahl bisher gelebter Standard.

Europa Gesamt: Wahlbeteiligung bei den Europawahlen bis 2024 | Statista
Deutschland: Wahlbeteiligung bei den Europawahlen in Deutschland bis 2024 | Statista

Und das erklärt auch die Wählerwanderungen von @Fahrradbeleuchter. Denn zum Vergleich wird immer die letzte Bundestagswahl als Maßstab hinzugezogen.

Ja, ich habe im Podcast die Nachwendeenttäuschung auch gut nachvollziehen können. Ich habe heute einen Menschen getroffen, der genau zu dem passt, was im Podcast beschrieben wurde. Er hat in der ehemaligen DDR seine Ausbildung gemacht hat, später fast zwanzig Jahre als stellvertretender Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens in Süddeutschland gearbeitet. Er ist seit fünf Jahren arbeitslos, weil die Fima insolvent gegangen ist. Jetzt lebt er von Bürgergeld und findet er keine neue Stelle, weil er die Zeugnisse seiner Ausbildung verloren hat und es in der ehemaligen DDR keine Stelle gibt, die die Zeugnisse nachträglich ausstellt. Wie kann es sein, dass wir bei unserem Fach- und Führungskräftemangel die Ausbildungen der ehemaligen DDR nicht anerkennen? Wer hätte an seiner Stelle keine Angst vor Status-Verlust? Wer würde sich an seiner Stelle nicht von der Macht-Elite ausgegrenzt fühlen? Ich kann das gut nachempfinden.

Interessanter Sidekick:

Laut Düsseldorfer Verwaltungsgericht müssen AfD Mitglieder ihre privatwaffen abgeben.
Mitglieder einer Partei, die im Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen steht, seien nach geltendem Waffenrecht als unzuverlässig einzustufen.

Geklagt dagegen hatte im Vorfeld ein Ehepaar, der Klagen wurden nun abgewiesen.

Der Ehemann muss nun seine 197 (!) Waffen abgeben, die Ehefrau 27 (!) Waffen.

Bei diesen Größenordnungen bin ich doch etwas vom Stuhl gekippt.

Auch ein Grund warum man die AfD wählt? Aus Sicherheitsbedenken heraus? Die AfD kann uns ggf besser verteidigen als die Bundeswehr? :open_mouth:

Quelle laut Tageszeitung dpa

Facharbeiterzeugnisse müssen 10 Jahre aufbewahrt werden. Wenn der Wessi nach dreißig Jahren sein Facharbeiterzeugnis verschmissen hat, hat er genauso Pech gehabt.
Es gab tatsächlich ein Unternehmen, das die DDR-Unterlagen von Unternehmen eingelagert hat.
Die sind aber wohl 2011 vernichtet worden.

Lohnunterlagen aus DDR-Zeiten nur noch bis Jahresende zugänglich | nd-aktuell.de

Grundsätzlich sollte es aber keine Rolle spielen. Wenn er glaubhaft darlegen kann, zwanzig Jahre in einem Bereich gearbeitet zu haben und ein Zeugnis des Arbeitgebers hat, das seine Befähigung bestätigt, ist das jedem Arbeitgeber mehr wert als ein dreißig Jahre altes Zeugnis.

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Danke für dein erklärendes Statement. Das kann ich, wie hier schon öfters geäußert, vollkommen teilen. Und ja, die Welt ist komplexer geworden. Und nochmal ja, vieles ist für einen Nicht-Politiker nicht mehr erfassbar, weil es an der Zeit fehlt, sich eingehend mit allen Faktoren ausreichend beschäftigen zu können. Aber gerade dann muss Politik gleichermaßen für alle spürbar sein, darf niemanden vergessen oder ausgrenzen und ganze Landstriche nicht sich selbst überlassen und veröden lassen. Und dann auch noch verunglimpfen. Ich nehme die AfD-Wähler nicht in Schutz, denke aber, dass deren Entscheidung zu einem erheblichen Teil als Reaktion auf die unsägliche Gesamtentwicklung im Osten seit der Wende anzusehen ist. In diesem Zusammenhang erinnere ich an flächendeckend signifikante Wahlergebnisse der Linken/PDS im Osten. Im Ergebnis war das Urteil des Westens damals gleich, nur mit anderem Vorzeichen. Da waren wir Ossis (alle) rote Socken, die ihre DDR wiederhaben wollten. Diese Einschätzung ging damals genauso oberflächlich an der Realität vorbei, wie die Einschätzung heute, der Osten wäre rechts. Verstehe mich bitte nicht falsch, ich möchte die Wahlergebnisse der AfD überhaupt nicht verharmlosen. Aber ein erfolgreiches Umkehren dieser schlimmen Entwicklung setzt auch die Bereitschaft voraus, sich mit den wirklichen Ursachen ehrlich auseinanderzusetzen.

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Die Schulabgänger , die neugierig, weltoffen und risikofreudig waren sind zu der Zeit nach Westdeutschland oder später auch ins Ausland gegangen um Arbeit zu finden. Die kommen selten wieder zurück in ihr Heimatdorf oder Kleinstadt, weil sie diese Mentalität des ewigen meckern,maulen und lästern schon nicht mehr ertragen konnten.Diese Menschen würden auch nicht AFD wählen und fehlen natürlich dann auch dort , um dort das Wahlergebnis anders aussehen zu lassen. Ich bin Urberliner und bin umgeben von Zugezogenen,die diese „ Provinz“- Mentalität schon als Jugendliche hassten und dort so schnell wie möglich weg wollten .
Und unsere Wende-Kinder, die wegen Arbeitssuche im Ausland leben, haben sich dort gut eingerichtet. Und aus dem Ausland das Wahlrecht auszuüben ist dank unzuverlässiger Post und Ämter auch nicht immer möglich.
Das wurde nie bei allen möglichen Studien berücksichtigt und ist in meinen Augen schon bedeutend. In einem Altersheim würden auch eher die rückwärts gewandten Parteien gewählt und nicht die , die große Veränderungen vorhaben . Mich erschüttert auch immer wieder die Nichtbeachtung welche Wahl gerade dran ist. Europawahl, Abgeordnetenwahl oder Bundestagswahl sollte nicht einfach so als Protestwahl gegen die Bundesregierung gedacht sein, sondern man sollte die Programme mal wirklich lesen. Ist leider nicht sehr verbreitet

Ich kann da nur für mich sprechen, aber mein Urteil war damals ein deutlich anderes.

Auch ein Grund??

Die Frage dabei stellt sich mir. Welche positive glücklichere Zukunftsvision liefert dir die AFD und welche die anderen Parteien? Wieso ist die AFD Zukunft denn so viel besser? Weil sie pauschal behaupten, dir wird’s besser gehen, weil den Ausländern geht’s dann schlechter? Da bin ich wieder beim „dumm, blauäugig“.

Die Klimakriese ist hingegen keine positive Erzählung. Vlt muss man das wenigstens teilweise umdrehen „Saubere leisere Städte, weniger verschmutzte Flüsse, Seen, Meere. Weniger Abhängigkeit von undemokratischen Staaten.“ Mir fallen spontan selbst wenig Beispiele ein zugegeben.

Und wieder mehr Zwischenmenschlichkeit ermöglichen. Weniger asozial Media. Kennt ihr eure Nachbarn? Seid ihr in Vereinen, Parteien, whatever, ehrenamtlich aktiv?

Warum sollte Rechtsextremismus eine Folge davon sein?

Die Kausalität ist andersherum:

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So viel zur Aufklärung Bestseller „Sachbuch“ Platz 1
Ein Sachbuch ohne Sachlichkeit.

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