Wenn Philip und Ulf darüber sprechen, an welchen Stellschrauben man doch jetzt schön unkompliziert drehen könnte, dann will ich voller Zustimmung immer „Jawohl!“ aus dem geöffneten Fenster schreien. Insbesondere die Folge „Laschet genervt“ hatte viele schöne Beispiele in sich, bei denen man das Gefühl hat, dass viele Entscheidungsträger sich doch irgendwie dagegen zu wehren scheinen, Teil der Lösung zu werden. Mehr Pragmatismus - weniger Bürokratie. Das täte uns gut.
Hab ich dann auch gedacht, als ich (männlich, 39 Jahre) letzten Samstag im Impfzentrum Hagen ziemlich kurzfristig einen Impftermin bekommen habe. Es waren so viele Slots frei, dass ich mir die Uhrzeit aussuchen konnte.
Warum werde ich geimpft? Meine Schwägerin ist schwanger und hat mich und ihren Mann als Kontaktperson angegeben. Der Rest der Familie (Mutter, Tante, Schwester,…) arbeiten in Pflegeberufen und sind bereits geimpft. Und tatsächlich bin ich auch wirklich eine Kontaktperson. Die Familie meiner Schwägerin (Ehemann, kleine Tochter und sie selbst im 7. Monat) und wir (Paar ohne Kinder) wohnen circa 40 Minuten entfernt und als kleiner Familienkreis mit die letzten Menschen, zu denen wir noch regelmäßigen Kontakt haben - alleine schon um auch während der Schwangerschaft auch mal im Alltag mit unter die Arme greifen zu können.
Ich geh also gut gelaunt inklusive Bescheinigung und allen Dokumenten zum Impfzentrum um meinen vereinbarten Termin feierlich zu begehen. Die (tatsächlich freundliche) Dame am Empfang guckt einmal auf meine Dokumente und sagt, ich könne nicht geimpft werden, weil die Schwägerin in Hamm wohnhaft sei und nicht in Hagen. Gut, das mögen auf dem Papier 50 Kilometer Entfernung sein. In der Lebensrealität einer mobilen Gesellschaft haben wir aber trotzdem zwei Mal die Woche Kontakt zueinander - teils mit Übernachtungen. Ich solle mich dann doch bitte in Hamm impfen lassen. Meine Entgegnung, dass 1. in Hamm keine Kontaktpersonen geimpft werden und das noch Wochen bis Monate dauern könne 2. ich ja Hagener Bürger sei, der früher oder später ohnehin hier geimpft werden würde und 3. ich ja nun mal jetzt schon hier stehen würde und dahinten der für mich reservierte Impfstoff liegt, wurde mit einem hilflosen Achselzucken und einem „dann müssen sie früher oder später wohl noch einmal wiederkommen“ beantwortet.
Ich kann und will da niemandem böse sein. Die Menschen vor Ort waren wirklich sehr nett. Aber es zeigt halt doch mal wieder, wie unflexibel das System auf spontane Gegebenheiten reagiert. Das wird beim Thema Impfen meiner Meinung nach sehr sichtbar und deutlich - ist aber ein Problem, dass in unserem Land bei vielen Themen (Bildung, Digitalisierung, Klimawandel,…) allgegenwärtig ist.
Pointe übrigens: Gerade eben hat meine 74 jährige Nachbarin bei mir geklingelt um nach etwas Olivenöl zu fragen. Ich hab ihr bei der Gelegenheit angeboten, mich um ihren Impftermin zu kümmern, wenn ihr das online zu kompliziert ist. Sie meinte darauf hin, sie hätte noch keine Lust und es wäre ja auch nicht eilig. Ich hätte weinen können…
Wenigstens bleibt mir die „Lage“ um das Gefühl zu haben, dass es da draußen auch noch vernünftige Menschen gibt. Und ich bin gespannt auf die anderen Forenbeiträge, durch die ich mich als Neuling gleich mal wühlen werde - und eure Erfahrungsberichte zum Thema, wenn ihr euch auch ein wenig Bürokratie-Frust von der Seele schreiben wollt. Viele Grüße und Kopf hoch. Und an Philip und Ulf: Weiter so!