Deutsche bzw. europäische Strategie zum Russland-Ukraine-Konflikt

Wer Putins Handeln ein wenig studiert hat, weiß, dass er durchaus langfristig denkt. Anders formuliert: Zeit ist nicht unbedingt ein Faktor. Zudem läuft es doch relativ gut für ihn: Die ukrainische Offensive ist Geschichte, eine neue ist 2024 nicht zu erwarten, die Umstellung auf Kriegswirtschaft beginnt sich an der Front auszuzahlen, die Opposition von rechts (Prigoschin, Girkin etc.) ist de facto inexistent, die Unterstützung für die Ukraine schwindet und wird nach dem wahrscheinlichen Wahlsieg von Trump noch weiter erodieren und in der Ukraine zeigen sich erste politische Risse - waraum sollte er da irgendwie von seinem Kurs abweichen und warum zum Henker sollte er über irgendetwas verhandeln?

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Vielleicht müssen wir das mal aus Putins Sicht betrachten, um mögliche Optionen Russlands zu skizzieren.

Einmal die Person Putin und seine „Vision“. Putin pflegt ja eine sehr eigene Geschichtsinterpretation und sieht für sich das Ziel, die Geschichte mindestens bis in die 90er rückabzuwickeln.
Also die Sowjetunion in alten Grenzen wieder als Gegenstück zu NATO. Das hat sicher auch was mit Ego zu tun, zudem wird die Kompromissbereitschaft im Alter nicht besser.

Innenpolitisch hat sich Putin und sein Umfeld sehr stark auf einen Sieg in der Ukraine festgelegt, ein Abrücken davon wäre, auch nach den immensen russischen Verlusten, sein (nicht nur?) politischer Tod. Ein solcher Kompromiss würde ihm als Nachgeben gegenüber dem Westen ausgelegt, das würde sein ultrarechtes Umfeld kaum mitgehen.

Er ist Geheimdienstoffizier gewesen. Diese denken in der Regel komplexer. Also nicht nur der Blick in die Ukraine, sondern auch in

Was ist mit der Ukraine? Wie beharren auf der staatlichen Souveränität der Ukraine, diskutieren aber darüber, über den Kopf der Ukraine hinweg über deren Zukunft zu entscheiden, mit der Maßgabe, was für uns in Deutschland am besten ist. Zynisch.
Was hätte eine Ukraine zu erwarten, würde man den Krieg unter den jetzigen Status einfrieren? Verlässliche Sicherheit? Stabile Demokratie? Wirtschaftliche Entwicklung? Freiheit und Sicherheit für Ukrainer in den besetzten Gebieten?
Was ist dann mit den Ukrainern hier in Deutschland? Bleiben die dann? Wollen die das?

Verhandeln ist immer besser, aber es muss zumindest eine Mininalbeteitschaft da sein, und die Ukraine ist auf Augenhöhe dabei

Das ist ja keine neue Frage und auch in diesem Forum gibt es gefühlt alle paar Wochen einen neuen Thread mit mehr oder weniger demselben Inhalt. Ich möchte daher an einen Post vom Dezember erinnern, wo ich den Inhalt eines Artikels von Nico Lange und Carlo Masala zusammengefasst habe, der sich genau mit der Frage beschäftigt, was denn bei so einem „Einfrieren“ passieren würde: Muss Deutschland "kriegstüchtig" werden? - #54 von Flixbus
Kurz gesagt: Für die Ukraine würde ein solches Einfrieren weder verlässliche Sicherheit, noch eine stabile Demokratie, noch eine gute wirtschaftliche Entwicklung bedeuten, von Freiheit und Sicherheit für Menschen in den von Russland kontrollierten Gebieten ganz zu schweigen. Und die Zahl der Menschen, die aus der Ukraine flüchten, dürfte eher drastisch zunehmen als dass Menschen zurückkehren - auch das gehört ja mit zu Putins Kallül, Europa zu destabilisieren. Denn je instabiler Europa, desto mächtiger Russland - so zumindest seine Denke. Man sollte halt wissen, mit wem man da „verhandeln“ will…

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Ja, alles nicht neu.

Was ich mich bei den Verhandlungsansätzen immer Frage, mit welchem Ziel geht man als Ukraine und als westliche Nationen in solche Verhandlungen?
Und welche Erwartungen hat man an Russland, also welches Entgegenkommen würde man minimal ansetzen?

Man macht ja nicht einfach einen Termin und setzt sich ergebnisoffen bei einer lauwarmen Vanillemilch zusammen.

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Zumindest bei manchen würde ich vor allem einen riesengroßen Wunsch unterstellen, dass der Krieg einfach irgendwie vorbeigeht und man sich dann selber nicht mehr damit beschäftigen muss. Darunter sind sicherlich Menschen, die aus guten Gründen Krieg an sich einfach schrecklich finden, aber auch jene, die offen sagen, dass sie lieber heute als morgen wieder das schöne billige Gas von Putin kaufen wollen. Was dieser „Frieden“ dann konkret bedeutet - etwa für die Menschen in der Ukraine - dürfte in beiden Fällen erst mal zweitrangig sein.
Dass Verhandeln grundsätzlich besser ist als Krieg, ist eine Binse. Dass Verhandeln - egal wie und mit welchem Ergebnis - tatsächlich in jedem Fall immer besser ist, ist hingegen ein Dogma. Das ist zumindest meine Meinung.

Eine ausführliche Übersicht über die bisherigen Versuche der letzten zwei Jahre, mit Putin zu verhandeln, gibt es hier: