Der Koalitionsvertrag ist da

Neben den Unterstellungen gegenüber Annalena Baerbock ging es mir vor allem um die Annahme, man könne im Außenministerium keine „tatsächlich grüne Politik“ machen. Dass das ist nicht stimmt, ist ja in einigen Antworten hier auch schon angemerkt worden, deshalb nur noch als Ergänzung:

  • Es geht ja nicht nur um die Verhandlunge einzelner großer Abkommen, sondern um die Gesamtausrichtung außenpolitischen Handelns im Blick auf ökologische Ziele. Nahezu alle außenpolitischen Felder (Sicherheit, Wirtschaft, Finanzen, etc.) sind in zentraler Weise klimapolitisch relevant. Die konsequente Ausrichtung und Koordination bilateraler und multilateraler Beziehungen anhand von Klima-Fragen wird von Expert:innen seit Jahren gefordert. Deutschland übernimmt 2022 den G7-Vorsitz und könnte aus dieser Position heraus wichtige Impulse gegenüber Staaten senden, die sich Klimazielen traditionell sperren.

  • Ein großes Problem von Klima-Außenpolitik sind die vielen unterschiedlichen Zuständigkeiten und Interessen, weil so viele Ressorts mitbetroffen und involviert sind. Dass die Grünen jetzt Wirtschafts-, Außen- und Umweltministerium besetzen konzentriert Handlungsoptionen, um deutsches Außenhandeln auf eine gemeinsame Linie zu verpflichten. (Der Außenminister war bisher nicht Mitglied im Klimakabinett, hier gibt es also durchaus organisatorischen Nachholbedarf). Das würde es mithin ermöglichen, außenpolitische Beziehungen an „grüne“ Forderungen zu knüpfen, in bi- und plurilateralen Kontexten.

  • Natürlich kann man immer noch der Meinung sein, dass auch vier Jahre grüne deutsche Außenpolitik hier wenig bewirken, China und Russland ihre Blockadehaltungen nicht aufgeben und Klimafragen dann auf internationaler Ebene doch immer noch zweitrangig behandelt werden. Aber es scheint mir jetzt auch nicht wahrscheinlicher, dass man eine Verkehrswende in einer Koalition mit zwei Parteien durchsetzt, die daran in keiner Weise interessiert sind.

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Ist im Prinzip alles Spekulation auf beiden Seiten. Schauen wir in ein paar Jahren, wer am Ende Recht hatte :slight_smile:

Tut mir Leid, ich weiß nicht so richtig, worauf Du hinaus willst… Dass ohne Habeck nur heiße Luft produziert würde? Oder ohne ein grünes Verkehrsministerium? Es ging mir auch nicht um „herausposaunen“, sondern um beispielsweise bilateriale Übereinkommen darüber, unter welchen Bedingungen wirtschaftliche Zusammenarbeit passiert und mit welchen Projekten man international auf Klimaneutralität hinarbeitet.

Klar muss man der Klimakrise als globale Gemeinschaft begegnen und dafür muss aber jedes einzelne Mitglied auch etwas dazu beitragen. Die notwendigen Klimaziele sind längst definiert, und zwar auf wissenschaftlicher Grundlage.

Deutschland produziert in dem Sinne heiße Luft, weil es seit Jahren nicht schafft, seinen eigenen CO2-Ausstoß zu senken, aber gleichzeitig auf internationaler Ebene als großer Klimaschutzvorreiter wahrgenommen werden will.
Bevor man also irgendwelche neuen internationalen Abkommen aushandelt und anderen erklärt, wie man Klimaneutralität erreicht, soll man selbst erstmal ganz praktisch zeigen, wie Klimaneutralität funktioniert. Das war mein Punkt, weswegen ich das Außenministerium für grüne Klimapolitik weniger relevant halte als das Verkehrsministerium. Ist aber nur meine ganz bescheidene, unfundierte Meinung :slight_smile:

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Zumindest hat schwarz-rot kurz vor dem Ende noch ein Gesetz erlassen, das jedes Resort in die Pflicht nimmt, einzusparen.
Wenn das nicht erfolgt, muss ein Sofortaktionsplan vorgelegt werden.
Bisher konnte sich das Verkehrsministerium dank Corona und dadurch weniger Verkehr in 2020 durchschummeln. Das wird aber für 2021 schon nicht mehr funktionieren.
Und dann muss Lindner irgendetwas liefern.

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Dass bisher größtenteils heiße Luft dabei herausgekommen ist, da stimme ich Dir völlig zu! Ich hoffe sehr, dass sich das jetzt ändert, und bin an einigen Punkten vorsichtig optimistisch. Ich hätte persönlich natürlich auch ein grünes Verkehrsministerium bevorzugt.

Ich glaube aber eben, dass beides jetzt nötig ist: ein Fokus auf Klimaneutralität bei Wirtschaft, Forschung und Bürger*innen im Inland, aber eben auch entsprechende Abkommen, Wirtschafts- und Forschungskooperationen, etc. mit Partnern im Ausland. Wie oft tauchen Außenminister mit Vertreter*innen deutscher Unternehmen im Schlepptau im Ausland auf - wie wichtig wäre es, dass da in Zukunft vor allem unter Klimagesichtspunkten über Kooperationen und Aufträge geredet wird! So viele Industrien und Gewerbe sind bei uns in der einen oder anderen Weise von Beziehungen ins Ausland abhängig sind, dass alles andere das Vorankommen auch bei uns bremsen würde. Aber @less_ink hat das schon besser dargelegt, als ich es hier tun kann.

Ich finde eben diese Aussage, dass Annalena Baerbock damit, dass sie selbstsüchtig auf ihrem Außenministerium besteht, persönlich ein grünes Verkehrsministerium verhindert, und damit irgendwie das Vorankommen auf dem Weg zur Klimaneutralität verraten hätte, doch äußerst fragwürdig.

In der Tat viel Licht und Schatten dabei, aber ein Grund zur Hoffnung ist, dass der Vertrag viele Ansätze beinhaltet, die systemische Barrieren überwinden und Anreize setzen könnten, um die Grundlagen für ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Deutschland zu schaffen.

Deutschlands Zukunftsweisen, eine Gruppe von Verantwortungsträger:innen aus der Wirtschaft und Wissenschaft (u.a. Maja Göpel, Johan Rockström), haben gestern einen Zukunftscheck des Koalitionsvertrags veröffentlicht.

„Unsere Analyse des Vertrags zeigt, dass sich viele unserer Forderungen und Formulierungen wieder finden. Das macht uns Hoffnung, dass die Koalition aus Fehlern vergangener Bündnisse gelernt hat. Denn nicht überschweifende Versprechen, sondern eine sachliche Analyse der Herausforderungen und Defizite kombiniert mit einer klaren Zielformulierung, sind erforderlich, um die Transformation zu gestallten. In solch konkreten Fortschrittsbekenntnissen und Impulsen liegt der versteckte Zauber der Koalition.“

Ok, ich hatte ja initial gesagt, dass meine Aussage bzgl. Annalena Baerbock zynisch war. Was da genau bei den Grünen parteistrategisch ausgeklüngelt wurde, kann ich nicht sagen. Beide Ministerium (Verkehr und Außen) wären glaube ich mit den Mehrheitsverhältnissen nicht machbar gewesen.
Annalena Baerbock könnte aber vor allem in Sachen Migrationspolitik (die ja auch zur Klimafrage gehört) eine tragende Rolle spielen, aber dazu sollte man aber einen eigenen Thread aufmachen.

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Hier ein Beispiel aus dem Vertrag, bei dem Außen- und Wirtschaftsministerium sehr relevant für den Umweltschutz sind: https://twitter.com/dafinata/status/1466696458044944387?s=21

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Ich würde gerne noch ein paar Worte zum Pick des Verkehrsministeriums der FDP sagen. Aus meiner Sicht könnte das ein großes Eigentor werden. Kaum ein Ministerium bietet so ein populistisches Themenfeld mit so viel Möglichkeit zur Symbolpolitik wie das Verkehrsministerium. Mobilität betrifft eben alle. Aber:
Der Verkehr macht zwar ,nur, 20% des deutschen CO2 Ausstoß aus, hat es aber als einziger Sektor nicht geschafft, den CO2 Ausstoß des Sektors in den letzten Jahren zu senken. Somit wird Jahr für Jahr der Druck höher werden, mitsamt Nachschärfungen der CO2 Reduktionsmaßnahmen, sodass Themen wie ein Tempolimit und Entfall von Subventionen für Verbrenner immer wieder hochkommen werden. Ich bin mir auch sehr sicher, dass aufgrund der Sektorenziele das Tempolimit in den kommenden 3 Jahren doch kommen wird. → Politischer, gesellschaftlicher und medialer Dauerdruck auf die FDP.
Dazu sind die PKW Hersteller bereits voll auf dem Weg hin zum BEV. Die EU Gesetzgebung (EU7) wird dazu dafür sorgen, dass Verbrennungsmotor für einige Fahrzeugklassen unrentabel werden. Sprich, ein deutscher Verkehrsminister hat darauf relativ wenig Einfluss. Somit bleibt die schwere Aufgabe für die FDP, flächendeckend genügend Ladesäulen aufzustellen und die Menschen vom E Auto zu überzeugen.

Es klingt auf den ersten Blick nach einem Erfolg für den FDP, mitsamt großem Nadelstich gegen die Grünen, doch auf langer Sicht könnte das Verkehrsministerium für die FDP eher ein großes Problem werden.

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