Da ich einige Jahre als gesetzlicher Betreuer gearbeitet habe ist mir das durchaus bewusst - das kritisiere ich ja auch nicht.
Wie gesagt, ich bin absolut für das Wahlrecht ab 14. Gerne auch noch jünger. Ab 12, 10 oder auch ohne Altersbeschränkung.
ABER der Kern muss sein, dass die wählende Person ihren Willen zum Ausdruck bringen kann. Dass der Wille bei Menschen mit geistiger Behinderung, fortgeschrittener Demenz oder auf Grund von geringem Alter unter erheblichen Mängeln leiden kann, ist dabei hinzunehmen. Daher: Auch qualitativ schlechte Willensbekundungen haben eine Daseinsberechtigung. Wenn also der alte demente Mensch wegen fehlerhafter Erinnerung meint, „AfD habe ich doch schon immer gewählt, schon seit 60 Jahren“ ist das zwar faktisch falsch, aber dennoch bringt er einen Willen zum Ausdruck, ebenso, wie wenn das 10-jährige Kind sagen würde „Ich wähle die Linke, weil ich die Farbe Lila mag“.
Und das ist auch die Differenzierung im Bezug auf Tris:
So lange die Menschen ihren Willen zum Ausdruck bringen können und - vielleicht auch mit physischer Hilfe - Wählen können, sollen sie auch wählen dürfen. Aber Dritten (z.B. Eltern) das Wahlrecht für ihre Kinder im Säuglingsalter zu geben wäre genau so ein No-Go wie einem Ehegatten das Stimmrecht des Ehepartners zu übertragen, der im Koma liegt. Oder dem Sohn das Wahlrecht für die maximal-dementen, bettlägerigen Eltern zu übertragen.
Hier wäre auch das BVerfG nicht mehr dabei, denn hier wird auch der Grundsatz der unmittelbaren und der geheimen Wahl komplett ignoriert - beides würde in diesem Fall komplett negiert werden.
Weil auch im Fall der Betreuten keinesfalls der Betreuer für den Betreuten wählen darf, ebenso wie die Eltern nicht für die Kinder wählen dürften.
Dann sind wir uns doch einig, dass das Wahlalter gesenkt werden sollte, aber eben keine stellvertretende Wahl stattfinden darf?!? Worüber diskutieren wir dann eigentlich? ^^
Die Rechtslage in der Gesetzlichen Betreuung ist, dass der Betreuer - ebenso wie Personal in Pflegeeinrichtungen - organisatorische Hilfe leisten darf, aber nicht die Wahl selbst vornehmen darf. Daher: Im Namen des Betreuten die Briefwahl beantragen und ihm helfen, die Wahlunterlagen auch zum Wahlbüro zu bekommen, ist kein Problem. Selbst das Ausfüllen der Wahlunterlagen ist erlaubt (z.B. bei körperlicher Unfähigkeit oder Analphabetismus), aber eben nur, wenn es dazu eine klare Willenserklärung des Betreuten gibt. Was der Betreuer keinesfalls machen darf, ist, unter der Annahme, der Klient würde bestimmt Partei X wählen, für den Betreuten Wahlunterlagen bestellen und ausfüllen. Und das wäre der Fall, wenn Eltern ein Stimmrecht für ihre Kinder hätten.